http://dadaweb.de/api.php?action=feedcontributions&user=Rolf+R&feedformat=atomDadAWeb - Benutzerbeiträge [de]2024-03-29T14:43:00ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.30.1http://dadaweb.de/index.php?title=Federaci%C3%B3n_Anarquista_Ib%C3%A9rica_(FAI)_/_Iberischer_Anarchistischer_Bund&diff=17769Federación Anarquista Ibérica (FAI) / Iberischer Anarchistischer Bund2021-02-22T17:42:15Z<p>Rolf R: /* Charakterisierung */</p>
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<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen]]'''<br />
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[[Bild:Poster der FAI 1936.png|thumb|right|360px|Propagandaposter der FAI im Spanischen Bürgerkrieg (1936)]]<br />
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==Geschichte==<br />
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Die FAI wurde 1927 in Valencia gegründet. Ihre Gründung hängt eng mit der Geschichte der Gewerkschaft [[CNT]] zusammen, die von Anfang an (1910) einen Kompromiss zwischen [[kollektivistischem Anarchismus]] und aufständischem [[Anarchokommunismus]] darstellte. Um der Desorganisation der anarchistisch beeinflussten spanischen Arbeiterschaft ein Ende zu setzen, hatte eine Gruppe militanter Anarchisten in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts beschlossen, eine Föderation von Organisationen der Arbeiterklasse zu gründen, deren Ziel sowohl die Verbesserung ihrer objektiven Klassenlage als auch zugleich die Heranbildung des notwendigen Bewusstseins zur Durchführung systemsprengender revolutionärer Aktionen war. Die revolutionären Syndikalisten folgten der anarchistischen Tradition insofern, als sie der spontanen Bewegung der Masse vertrauten und in jeder „autoritären“ Organisation ein Hindernis für die Entwicklung eines revolutionären Bewusstseins sahen. Nachdem 1923 General Primo de Rivera die Macht an sich gerissen und eine Diktatur errichtet hatte, löste sich die CNT formal auf, um einer Zwangsauflösung zuvorzukommen. Trotz der Auflösung war im Untergrund ein anarchosyndikalistisches Verbindungskomitee bestehen geblieben. Seit dem Kongress anarchistischer Gruppen in Lyon (Juni 1925) bestand außerdem der exilierte „Bund anarchistischer Gruppen spanischer Sprache in Frankreich“. 1925 hatte auch die Reorganisation anarchosyndikalistischer Gruppen im Landesinneren begonnen, die zur baldigen Einsetzung eines provisorischen „Nationalkomitees“ führte, an dessen Spitze Miguel Jiménez und José Llop traten. Diese Organisationen schlossen sich mit dem klaren Ziel zusammen, dem Anarchismus in der Arbeiterbewegung zur Durchsetzung zu verhelfen. 1927 schließlich wurde die FAI als Zusammenschluss der „Uniao Anarquista Portuguesa“ (UAP / Portugiesische Anarchistische Union), des „Nationalbundes anarchistischer Gruppen Spaniens“ und des „Bundes anarchistischer Gruppen spanischer Sprache in Frankreich“ gegründet. Die FAI beschloss, an jedem Aufstand gegen die Diktatur Primo de Riveras teilzunehmen. Da sich innerhalb der im Untergrund weiter operierenden CNT in den folgenden Jahren die „reformistische“ Strömung innerhalb des Gewerkschaftsbundes durchzusetzen begann, die zum Sturz des Diktators eine Zusammenarbeit mit republikanischen Parteien befürwortete, wurde 1927 auf einem illegalen Kongress in Valencia die FAI als Geheimorganisation gegründet, die ihre Aufgabe darin sah, über die Reinerhaltung der Lehre [[Michael Bakunins]] zu wachen und zu verhindern, dass sich die Arbeiter dem Reformismus und der Kooperation mit politischen Parteien oder dem sowjetischen Kommunismus und der Lehre von der Diktatur des Proletariats zuwendeten. In ihrem Selbstverständnis führte die FAI – weit mehr als die CNT – die antipolitische Tradition des bakunistischen Flügels der Ersten Internationale fort. Sie setzte sich aus jungen, leidenschaftlichen Revolutionären zusammen, die innerhalb der [[anarchosyndikalistischen]] Bewegung – vor allem nach 1931 – großen Einfluss gewannen.<br />
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Das Verhältnis zwischen CNT und FAI gehört zu den Grundproblemen der Gewerkschaftsbewegung während der Zweiten Republik (1931 - 1939). Die ältere Forschung hat in der FAI die Kraft gesehen, die der syndikalistischen Massenbewegung - oft gegen deren eigenen Willen - die Richtung wies und somit ein Pendant zum Abhängigkeitsverhältnis der sozialistischen Gewerkschaft UGT von der Sozialistischen Partei darstellte. Auch kommunistische Darstellungen haben diesen Aspekt der Oktroyierung des anarchistischen Willens betont. Dabei ist jedoch zu gering veranschlagt worden, dass die CNT aufgrund ihrer historischen Genese keine reformistische Gewerkschaftsorganisation darstellte, sondern seit ihrer Konstituierung dem revolutionären Syndikalismus verpflichtet war. Die heutige Forschung vertritt mehrheitlich die Meinung, die FAI habe weder die CNT beherrscht noch versucht, der Gewerkschaftsorganisation ihren Willen aufzuzwingen.<br />
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Seit vor einigen Jahren ein zusammenfassender Bericht über die konstituierende FAI-Sitzung in Valencia gefunden wurde (die Gründungsdokumente sind verlorengegangen), lässt sich sagen, dass die FAI von Anfang an eine enge Zusammenarbeit mit der CNT, aber keine Beherrschung der Gewerkschaft anstrebte. Einige anarchistische Autoren behaupten sogar, die FAI sei von der CNT beherrscht gewesen. Ihre angebliche Wächterrolle über die Prinzipien des „reinen“ Anarchismus habe sich auf die antipolitische Einstellung und auf revolutionären Aktivismus beschränkt. Das nicht immer problemlose Verhältnis beider Organisationen wurde durch den 1928 beschlossenen ''trabazón'' (Verband) bestimmt, der die Zusammenarbeit zwischen CNT und FAI regeln sollte und nach Beginn des [[Spanischen Bürgerkrieges]] in der stets gemeinsamen Verwendung der Initialen „CNT-FAI“ manifest wurde. Die offizielle Verbindung zwischen CNT und FAI wurde durch die Verteidigungs- und Pro-Gefangenen-Komitees hergestellt. Während erstere Streiks und Aufstände organisierten, kümmerten sich letztere um das Schicksal gefangener Genossen und deren Familien. Die treibende Kraft bei der Koordination von CNT- und FAI-Aktivitäten war zweifellos die FAI. Die praktischen Auswirkungen des ''trabazón'' auf das komplexe CNT-FAI-Verhältnis eröffneten der FAI die Möglichkeit zum Eintritt in alle CNT-Komitees.<br />
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Der massive FAI-Einbruch in CNT-Gremien darf jedoch nicht allein unter der Perspektive der doktrinären Majorisierung der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft gesehen werden; im Bewusstsein des gemeinsamen revolutionären Endziels fühlten sich die FAI-Mitglieder eher als CNT-Gewerkschafter denn als Anarchisten, die in einer reformistischen Organisation über die Reinheit der Lehre zu wachen hätten.<br />
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Die verschiedenen Tendenzen innerhalb des Anarchosyndikalismus führten zu Beginn der Zweiten Republik zur Spaltung der CNT, deren „gemäßigter“ Flügel sich gegen die angeblich drohende Vorherrschaft der minoritären FAI in der Gewerkschaftsbewegung auflehnte und die Unabhängigkeit des Syndikalismus und seinen Anspruch, sich selbst zu genügen, bestärkte. Eine Anzahl von Einzelsyndikaten, die einen gewissen Grad an Mitarbeit in der gegebenen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung vertrat, verließ unter der Führung von Angel Pestaña die Dachorganisation CNT und gründete die „Oppositionssyndikate“, die erst am Vorabend des Bürgerkrieges in die Dachorganisation CNT zurückkehrten.<br />
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Nach dem Bürgerkrieg wurde die FAI, ebenso wie die CNT, in Spanien zerschlagen; ihre Mitglieder mussten untertauchen oder fliehen, viele verbrachten das Exil in Frankreich (Toulouse, Paris). Nach 1975 versuchte die FAI, auf den Neugründungsprozeß der CNT Einfluss zu nehmen und die Gewerkschaft abermals auf maximalistische Positionen zu verpflichten. In dieser Auseinandersetzung geriet sie, zusammen mit der „historischen“ CNT, in eine Minderheitsposition. Heute spielt sie im soziopolitischen Leben Spaniens praktisch keine Rolle mehr.<br />
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'''Organisation'''<br />
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Anarchistischen Angaben zufolge hatte die FAI vor dem Bürgerkrieg 30.000, Ende 1937 bereits über 150.000 Mitglieder. Die vom Krieg allen Organisationen des republikanischen Spaniens aufgenötigte Zentralisierung machte auch vor den anarchistischen Organisationen nicht halt. Der Massenzulauf, den die FAI registrierte, ihre De-facto-Partizipation an den Regierungsgeschäften und die daraus resultierenden ideologischen Unsicherheiten und Widersprüche zu ihrer antipolitischen Doktrin machten eine Überprüfung des doktrinären und organisatorischen Erbes erforderlich.<br />
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Auf dem Valencia-Plenum der FAI (Juli 1937) wurde die bisherige lockere Strukturierung nach „Gruppen Gleichgesinnter“ (''grupos de afinidad)'' zugunsten eines neuen Aufbaus verworfen. Fortan sollte die FAI nach „territorialen Gruppierungen“ organisiert sein. In kleineren Orten sollten Lokal-, in größeren Städten Distrikt- oder Stadtteil-„Gruppierungen“ mit theoretisch unbegrenzter Mitgliederzahl die Basis des neuen Organisationssystems bilden. Das Valencia-Plenum bedeutete das Ende des „klassischen“ spanischen Anarchismus. Die Delegierten übten heftige Selbstkritik und waren sofort bereit, das über 50 Jahre alte Organisationsprinzip der „Gruppen Gleichgesinnter“ zugunsten des neuen territorialen Prinzips aufzugeben. Die „Gruppen Gleichgesinnter“ seien in den Zeiten der Illegalität geeignete Organisationsformen gewesen, würden aber den augenblicklichen Bedürfnissen nicht gerecht.<br />
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1937 versuchte die FAI somit, sich organisatorisch auf die veränderten Bedingungen ihrer nunmehr legalen Existenz als Massenorganisation einzustellen. Hatte die Autorität der anarchistischen Führer bislang vor allem auf einer Art Charisma bestanden, so sollte die Organisationszentrale fortan durch einen gestrafft-zentralisierten, jederzeit überschau- und kontrollierbaren Apparat ihre Autorität durchsetzen können. Die neue FAI-Struktur wies eine Reihe hierarchischer Merkmale auf: Jedes Mitglied musste sich den Beschlüssen der regelmäßig tagenden Versammlungen unterwerfen; alle FAI-Mitglieder, die in der Organisation einen Posten bekleideten, waren den Komitees gegenüber, die ihnen übergeordnet waren, „verantwortlich“; das „peninsulare Komitee“ sollte fortan nicht mehr, wie bisher, von der Lokalföderation anarchistischer Gruppen der Ortschaft, in der das Komitee seinen Sitz hatte, sondern durch Delegierung der einzelnen FAI- Regionalföderationen gebildet werden.<br />
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Im April 193 8 erfolgte die Zusammenfassung der drei „libertären“ Organisationen (CNT, FAI und die Jugendorganisation ''Juventudes Libertarias)'' zu einer einzigen, der „Freiheitlichen Spanischen Bewegung“ ''(Movimiento Libertario Español,'' MLE). Die organisatorische Neustrukturierung, die den Oligarchisierungsprozess durch eine Reihe organisatorischer Änderungen innerhalb der FAI förderte, war verspäteter Ausdruck eines Politisierungsprozesses, der bereits in den ersten Bürgerkriegswochen eingesetzt hatte und im Juli 1937 zur Preisgabe wesentlicher Grundpositionen des klassischen Anarchismus führte.<br />
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Auf dem Nationalplenum der Regionalföderationen der libertären Bewegung in Barcelona (Oktober 1938) wurde von Horacio Martínez Prieto der Vorschlag unterbreitet, die FAI solle sich als „freiheitliche sozialistische Partei“ konstituieren oder auflösen. Dieser Vorschlag wurde allerdings nicht akzeptiert. Wenn auch weiterhin die CNT als die „politische“ Vertretung der Syndikalisten auftrat, ließ die verabschiedete Resolution trotzdem der FAI die Möglichkeit offen, die politische Repräsentanz der „Freiheitlichen Spanischen Bewegung“ zu übernehmen; dies aber bedeutete das Ende der FAI als „spezifische“ anarchistische Organisation.<br />
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==Programm==<br />
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Das Programm der FAI wurde wesentlich durch die Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft CNT bestimmt. Für nahezu alle anarchistischen Theoretiker blieb die Gespaltenheit der Theorie mit ihrer zwischen Zielvorstellung und Realisierung klaffenden Lücke bezeichnend. Gegen die anarchistische Ablehnung der notwendigen Organisation und die Überbetonung der Spontaneität bildete sich innerhalb der Gewerkschaftsbewegung ein starker gemäßigter Flügel heraus, der 1931 - 1936 gegen die putschistische Praxis-Besessenheit der Anarchisten um die Zeitschrift ''La Revista Bianca'' mit ihrem Glauben an die unmittelbare Realisierbarkeit ihres Endziels ankämpfte. In der hart geführten Diskussion wurde das Problem der Herbei- und Durchführung der Sozialen Revolution nach der Ausrufung der Zweiten Republik und dem Bruch innerhalb der CNT von unmittelbar „praktischer“ Relevanz. Die gemäßigten CNT-Mitglieder ''(treintistas)'' unterschieden sich von der FAI primär in Bezug auf Strategie und Taktik der Sozialen Revolution. Die ''treintistas'' warfen der FAI die Überbetonung voluntaristischer Elemente, maximalistische Erwartungen, Blanquismus und bolschewistische Methoden vor. Führende FAI-Mitglieder sahen demgegenüber mit der Republik die Gefahr gekommen, die anarchistische Bewegung könne „in den Sozialdemokratismus fallen“, und betonten daher die nur vom Willen revolutionärer Gruppen abhängige Realisierbarkeit des sozialen Umsturzes. Dieser „vereinfachenden, klassischen und etwas träumerischen Vorstellung der Revolution“ ''(treintista-Manifest)'' setzten die gemäßigten CNT-Kreise wiederum ihre „echte, einzige“ Vorstellung entgegen, die sie in der Verbindung von Ordnung und Methode einerseits, individueller Initiative andererseits für „vorausblickend und zusammenhängend“ hielten. In der Verschwörungstaktik der FAI-Anarchisten drückte sich sozialgeschichtlich der unterentwickelte Stand der kapitalistischen Industriegesellschaft in Spanien aus, während das Konzept der ''treintistas'' vom gewerkschaftlichen Tageskampf mit dem Industriekapitalismus der wirtschaftlichen Ballungszentren geprägt war.<br />
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Die Revolutionsvorstellung und die revolutionäre Praxis der CNT in den Jahren der Republik mussten wesentlich davon abhängen, welche der beiden Konzeptionen sich schließlich durchsetzte. Die ''treintistas'' wurden im weiteren Verlauf der sich immer mehr zuspitzenden Diskussion aus der CNT ausgeschlossen; wenn dies auch keineswegs einen Sieg des „reinen“ Anarchismus über den „reformistischen“ Flügel der syndikalistischen Bewegung bedeutete, scheint der FAI-Einfluss trotzdem eher zu- als abgenommen zu haben, wofür nicht zuletzt die große Anzahl der in den folgenden Jahren durchgeführten revolutionären Erhebungen spricht, die allesamt – aufgrund mangelnder Vorbereitung und fehlender Koordinierung – kläglich scheiterten und die CNT hohe Einbußen kosteten. Das „konföderale Konzept über den freiheitlichen Kommunismus“, das auf dem Zaragoza-Kongress 1936 verabschiedet wurde, trägt deutlich die Handschrift der FAI. Die konkrete Lösung des Anarchieproblems wurde dem praktischen Experiment auf dem Boden der Anarchie überlassen; auf dem Kongress wurde eine illusionäre Gegenwelt als Bund freier und autonomer Industrie- und Agrarassoziationen aufgebaut, ohne dass sich die Delegierten um die Realisierungschancen dieser auf der Basis des Syndikats und der autonomen Kommune ruhenden Gesellschaft ohne Staat, Privateigentum, Autoritätsprinzip und Klassen bemüht hätten. Im Vergleich zu früheren Überlegungen betonten sie allerdings besonders die subjektiven Voraussetzungen für einen erfolgreichen Massenaufstand. Die Revolutionsdefinition des Kongresses vernachlässigte weitgehend die voluntaristischen Elemente und hob stattdessen die lange evolutionistische, bewusstseinsausbildende Phase hervor, die den Revolutionsausbruch nicht mehr vom individuellen Willen einiger Extremisten abhängig sein ließ.<br />
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Die in Zaragoza verabschiedete Resolution über den freiheitlichen Kommunismus stellte den vollständigen, angesichts der Entwicklung im Bürgerkrieg allerdings kurzen Sieg der FAI- Anarchisten in ihrem Ringen mit den Syndikalisten dar. Ziel der anarchistischen Revolution war der freiheitliche Kommunismus; nach erfolgreich durchgeführter Revolution würden die freien Organisationen der Produzenten die direkte Verwaltung der Produktion und des Konsums übernehmen.<br />
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==Charakterisierung==<br />
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Das Dilemma der Anarchisten, vor allem im Spanischen Bürgerkrieg, ist unverkennbar: Solange sie ihre föderalistisch-dezentralistischen Prinzipien aufrechterhielten und ihre radikaldemokratische Theorie auf die eigene Praxis anwandten, erlagen sie der Gefahr, die Rolle des modernen Staates und der politischen Macht überhaupt zu verkennen und damit zugleich praktisch politisch zu versagen. Sobald sie jedoch eine zentralisierende Straffung des Apparates – und das musste zwangsläufig zu einem Verlust an unmittelbar interner Demokratie führen – zu realisieren trachteten, setzten sie sich nicht nur zu ihrer Theorie und Ideologie in Widerspruch, sondern verloren gleichzeitig das Vertrauen ihrer Mitglieder. Im Hinblick sowohl auf die anarchistische Intervention in der Regierung als auch auf die darin zum Ausdruck kommende Akzeptierung des Staates trat ein ähnliches Dilemma zutage: Entweder partizipierten die Anarchisten - mit dem Ziel, ihre revolutionären Errungenschaften zu sichern – an der Regierungsverantwortung und trugen durch ihre Intervention (entgegen ihrer Absicht) dazu bei, jene „feindlichen“ Institutionen, deren Auflösung und Überwindung sie intendierten (Herrschaft und Autorität, Staat und Regierung), zu restituieren, oder sie blieben ihren antipolitischen Prinzipien treu und verzichteten damit von vornherein auf die Möglichkeit, die allgemein-politische Entwicklung in ihrem Sinne zu beeinflussen. In der konkreten Situation des Spanischen Bürgerkrieges hätte diese letztere Alternative die kampflose Kapitulation vor dem innenpolitischen Gegner bedeutet und die Gefahr impliziert, machtpolitisch erdrückt zu werden. Die dritte Möglichkeit – eine ausschließlich anarchistische Machtübernahme – kam für die überwiegende Mehrheit der Anarchisten aus moralischen und machtpolitischen Erwägungen nicht in Frage, da sie einerseits die eigene Diktatur ebenso ablehnten wie die jeder anderen Organisation, andererseits nicht stark genug waren, um im gesamten republikanischen Territorium die Macht zu übernehmen. Im sozialpolitischen Kontext des Spanischen Bürgerkrieges, in dem der Staat immer mehr in den sozialen und ökonomischen Bereich eingriff, vernachlässigten die Anarchisten in den machtpolitisch weichenstellenden Monaten den staatlichen Bereich, was nicht nur zu ihrer baldigen Ausbootung aus allen Schaltstellen der republikanischen Politik, sondern außerdem zur rapiden Restauration des Staatsapparates und letztlich zum Niedergang der Revolution führte. Sie versäumten es, den spontanen Massenaufbruch vom Juli 1936 in Organisationsformen hinüberzuführen, die die Erhaltung der revolutionären Errungenschaften gesichert und ein Weiterführen der Revolution ermöglicht hätten. Stattdessen leisteten die Anarchisten durch ihren Regierungseintritt und die Zusammenarbeit mit politischen Parteien der Entwicklung zum starken Staat Vorschub. Dass dieser Entwicklung relativ wenige Hindernisse in den Weg gelegt wurden, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die breite Masse der revolutionären Anhängerschaft allmählich den im Namen der Staatsräson und unter Berücksichtigung der außenpolitischen Lage zusehends auch von der FAI vorgebrachten Argumenten der Mäßigung und Zurückhaltung erlag. In dem Maße, in dem die Spontaneität der Massen kanalisiert und kontrolliert wurde, nahm die Revolution von ihren ursprünglichen Zielen und theoretischen Entwürfen Abstand; sie engte ihren eigenen Aktionsraum ein und erweiterte damit das Wirkungsfeld des schließlich in nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche vordringenden Staates.<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Walther_B|Walther L. Bernecker]]'''<br />
Zuletzt inhaltlich geändert / ergänzt: 1995<br />
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Endredaktion am: 22.02.2021<br />
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==Quellen und Literatur==<br />
* W. ''L. Bemecker:'' Anarchismus und Bürgerkrieg. Zur Geschichte der Sozialen Revolution in Spanien 1936- 1939, Hamburg 1978; <br />
* ''Ders.:'' „Reiner“ oder „syndikalistischer“ Anarchismus? Zum Spannungsverhältnis libertärer Organisationen in Spanien, in: ''Bochumer Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit,'' Nr. 8, 1987, S. 13 - 32; <br />
* Sr. ''J. Brademas:'' Anarcosindicalismo y revolución en España (1930 – 1937), Barcelona 1974; <br />
* ''Elorza:'' La utopía anarquista bajo la Segunda República, Madrid 1973; ''Estatutos Generales de la FAI,'' Valencia 1927; <br />
* ''J. García Oliver:'' El eco de los pasos, Barcelona 1978; <br />
* ''J. Gómez Casas:'' Historia de la FAI, Madrid 1977; <br />
* ''M. Lorenzo:'' Los anarquistas españoles y el poder 1868 - 1969, Paris 1969; <br />
* ''J. Peirats:'' Los anarquistas en la crisis política española, Buenos Aires 1964; <br />
* ''J. Peiró:'' Problemas del sindicalismo y del anarquismo, Toulouse 1945; <br />
* ''Suplemento de Cuadernos de Ruedo Ibérico: El Movimiento Libertario Español, ''Paris 1974.<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17761Diggers2021-02-17T12:30:31Z<p>Rolf R: /* Charakterisierung */</p>
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<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
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Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
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Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
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==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
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==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Diggers schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Diggers bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter "The True Levellers Standard Advanced" (2Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht", April 1649), "A Declaration from the Poor opressed People of England" ("Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England", Mai 1649) und "An Appeals to all Englishmen" (Ein "Aufruf an alle Engländer", März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Diggers-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Diggers aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
<br />
== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Diggers u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Diggers und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Diggers als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Diggers und Levellers fließend. Die Diggers galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Diggers wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Diggers waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Diggers die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
<br />
==Nachwirkungen==<br />
Die Diggers blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Diggers und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens "Diggers" stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Diggers war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Diggers u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren, auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Diggers machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften "A Pinch off Salt" [England], "Digger" [Kanada]) am stärksten auf die Diggers.<br />
<br />
== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Diggers war gering. Den Diggers blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt, erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels. Ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Diggers strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
Endredaktion am: 17.02.2021<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17760Diggers2021-02-17T12:29:32Z<p>Rolf R: /* Charakterisierung */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
<br />
Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
<br />
Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
<br />
==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
<br />
==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Diggers schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Diggers bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter "The True Levellers Standard Advanced" (2Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht", April 1649), "A Declaration from the Poor opressed People of England" ("Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England", Mai 1649) und "An Appeals to all Englishmen" (Ein "Aufruf an alle Engländer", März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Diggers-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Diggers aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
<br />
== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Diggers u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Diggers und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Diggers als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Diggers und Levellers fließend. Die Diggers galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Diggers wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Diggers waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Diggers die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
<br />
==Nachwirkungen==<br />
Die Diggers blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Diggers und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens "Diggers" stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Diggers war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Diggers u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren, auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Diggers machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften "A Pinch off Salt" [England], "Digger" [Kanada]) am stärksten auf die Diggers.<br />
<br />
== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Diggers war gering. Den Diggers blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt, erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels. Ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Diggers strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
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==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17759Diggers2021-02-17T12:28:08Z<p>Rolf R: /* Nachwirkungen */</p>
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<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
<br />
Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
<br />
Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
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==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
<br />
==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Diggers schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Diggers bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter "The True Levellers Standard Advanced" (2Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht", April 1649), "A Declaration from the Poor opressed People of England" ("Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England", Mai 1649) und "An Appeals to all Englishmen" (Ein "Aufruf an alle Engländer", März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Diggers-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Diggers aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
<br />
== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Diggers u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Diggers und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Diggers als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Diggers und Levellers fließend. Die Diggers galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Diggers wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Diggers waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Diggers die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
<br />
==Nachwirkungen==<br />
Die Diggers blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Diggers und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens "Diggers" stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Diggers war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Diggers u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren, auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Diggers machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften "A Pinch off Salt" [England], "Digger" [Kanada]) am stärksten auf die Diggers.<br />
<br />
== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Digger war gering. Den Digger blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter; Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels; ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Digger strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17758Diggers2021-02-17T12:24:37Z<p>Rolf R: /* Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
<br />
Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
<br />
Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
<br />
==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
<br />
==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Diggers schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Diggers bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter "The True Levellers Standard Advanced" (2Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht", April 1649), "A Declaration from the Poor opressed People of England" ("Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England", Mai 1649) und "An Appeals to all Englishmen" (Ein "Aufruf an alle Engländer", März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Diggers-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Diggers aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
<br />
== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Diggers u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Diggers und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Diggers als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Diggers und Levellers fließend. Die Diggers galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Diggers wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Diggers waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Diggers die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
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==Nachwirkungen==<br />
Die Digger blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Digger und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens Digger stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Digger war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Digger u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Digger machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften A Pinch off Salt [England], Digger [Kanada]) am stärksten auf die Digger.<br />
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== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Digger war gering. Den Digger blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter; Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels; ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Digger strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17757Diggers2021-02-17T12:22:46Z<p>Rolf R: /* Öffentlichkeitsarbeit */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
<br />
Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
<br />
Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
<br />
==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
<br />
==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Diggers schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Diggers bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter "The True Levellers Standard Advanced" (2Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht", April 1649), "A Declaration from the Poor opressed People of England" ("Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England", Mai 1649) und "An Appeals to all Englishmen" (Ein "Aufruf an alle Engländer", März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Diggers-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Diggers aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
<br />
== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Digger u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Digger und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Digger als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Digger und Levellers fließend. Die Digger galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Digger wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Digger waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Digger die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
<br />
==Nachwirkungen==<br />
Die Digger blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Digger und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens Digger stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Digger war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Digger u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Digger machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften A Pinch off Salt [England], Digger [Kanada]) am stärksten auf die Digger.<br />
<br />
== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Digger war gering. Den Digger blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter; Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels; ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Digger strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17756Diggers2021-02-17T12:19:53Z<p>Rolf R: /* Programm und Politik: Theorie und Praxis */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
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Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
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Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
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==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
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==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Diggers schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
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== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Digger bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter The True Levellers Standard Advanced (Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht, April 1649), A Declaration from the Poor opressed People of England (Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England, Mai 1649) und An Appeals to all Englishmen (Ein Aufruf an alle Engländer, März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Digger-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Digger aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
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== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Digger u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Digger und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Digger als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Digger und Levellers fließend. Die Digger galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Digger wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Digger waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Digger die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
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==Nachwirkungen==<br />
Die Digger blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Digger und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens Digger stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Digger war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Digger u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Digger machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften A Pinch off Salt [England], Digger [Kanada]) am stärksten auf die Digger.<br />
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== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Digger war gering. Den Digger blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter; Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels; ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Digger strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17755Diggers2021-02-17T12:18:56Z<p>Rolf R: /* Programm und Politik: Theorie und Praxis */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
<br />
Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
<br />
Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
<br />
==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
<br />
==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Ursprungszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich gebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Diggers vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative und egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen, „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Diggers gingen davon aus, dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Diggers stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Diggers als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird, als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Diggers war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Diggers war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. Die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse. Die Digger schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Diggers selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl, dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie, basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Diggers anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Diggers von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken." (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangsstadium ein Parallelsystem, in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Diggers für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Diggers als untaugliches Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Digger bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter The True Levellers Standard Advanced (Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht, April 1649), A Declaration from the Poor opressed People of England (Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England, Mai 1649) und An Appeals to all Englishmen (Ein Aufruf an alle Engländer, März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Digger-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Digger aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
<br />
== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Digger u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Digger und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Digger als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Digger und Levellers fließend. Die Digger galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Digger wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Digger waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Digger die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
<br />
==Nachwirkungen==<br />
Die Digger blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Digger und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens Digger stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Digger war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Digger u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Digger machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften A Pinch off Salt [England], Digger [Kanada]) am stärksten auf die Digger.<br />
<br />
== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Digger war gering. Den Digger blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter; Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels; ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Digger strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
<br />
== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diggers&diff=17754Diggers2021-02-17T12:00:31Z<p>Rolf R: /* Gründung und Entwicklung */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
==Gründung und Entwicklung==<br />
[[Bild:Diggers.gif|thumb|right|360px|Die Diggers, zeitgenössische Illustration]]<br />
Am 1. April 1649 (gemäß Gregorianischem Kalender am 11. April) besetzte eine Gruppe Menschen, nach einigen Tagen waren sie auf etwa 30 Personen angewachsen, ein Stück Gemeindeland auf dem St. George´s Hill zwischen Gobham, Walton-on-Thames und Weybridge im nördlichen Surrey, etwa 30 km südwestlich des Stadtzentrums von London. In ihrer ersten Flugschrift nannten sie sich True Levellers, die wahren Gleichmacher. Ihre markanteste Tätigkeit, das Umgraben und Pflügen das von ihnen besetzten Landes trug ihnen den Namen Diggers ein (Engl.: to dig = graben, umgraben), den sie in ihren weiteren Flugschriften als Eigenbezeichnung verwendeten. Nachdem die aufgrund alarmierender Meldungen aus der Bevölkerung entsandten Truppen keinerlei Gefahr vorgefunden hatten, suchten am 20. April die Diggers William Everard, der wegen seiner politischen Aktivität aus der New Model Army ausgeschlossen worden war, und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] den Oberbefehlshaber der Armee, General Fairfax in London auf, der weder bei diesem Zusammentreffen, noch bei seinem Besuch in der Landkommune der Diggers am 29. Mai einen Grund sah, gegen die Diggers vorzugehen, und empfahl, die Sache den örtlichen Behörden zu überlassen. Die den Diggers gegenüber feindselige ortsansässige Bevölkerung, an der Spitze einige Grundbesitzer und der Pfarrer, ging, manchmal von einzelnen Soldaten unterstützt, physisch und juristisch gegen die Diggers vor. Wiederholt wurden ihre Anpflanzungen zerstört, ihre Hütten niedergebrannt, einzelne Diggers verprügelt und ernsthaft verletzt. Hinzu kam ein Gerichtsverfahren wegen unbefugter Landnutzung. Die Diggers mussten im August 1649 den St. George´s Hill verlassen; auf ihrem neuen Gelände südwestlich von Cobham gingen die Angriffe unvermindert weiter, bis sie schließlich Ostern 1650 zermürbt aufgaben.<br />
<br />
Die Diggers-Flugschriften erwähnen neun weitere Diggers-Kommunen in anderen Grafschaften Südost- und Mittel-Englands, von denen sich zwei mit eigenen Manifesten zu Wort meldeten; bei einigen ist die genaue geographische Lage unklar. Offenbar überlebte keine Digger-Gemeinschaft das Jahr 1650.<br />
<br />
Nach dem Zerfall der Bewegung veröffentlichte [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] 1652 Law of Freedom, wo er an der Stelle des libertären Konzepts der Diggers ein staatskommunistisches Modell empfiehlt.<br />
<br />
==Organisation==<br />
Die Diggers verfügten über keinerlei formelle Organisationsstrukturen. Keiner von ihnen wird auch nur mit einem Wort als Führer oder als Träger einer organisatorischen Funktion benannt. Die herausragende Persönlichkeit, ohne die es die Diggers nicht gegeben hätte, war zweifellos [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]], der fast alle Flugschriften der Diggers, allein oder mit anderen zusammen verfasst und zumindest einen beträchtlichen Teil der Digger-Programmatik entwickelt hatte. William Everard, anfangs als Sprecher der Diggers aufgetreten, verließ sie nach einigen Wochen. Als Unterzeichner von Flugschriften der Bewegung sind 90 Diggers namentlich bekannt, davon 67 aus der [[Kommune bei Cobham]], in der vermutlich 50 bis 150 Menschen lebten. Landesweit dürfte es einige hundert Diggers gegeben haben. Sie waren meist Landarbeiter, Pächter, ehemalige Soldaten der politisierten New Model Army oder wie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] Entwurzelte aus bürgerlichen Berufen. Zu den Digger-Gemeinschaften gehörten auch Frauen und Kinder; nichts spricht dafür, dass die Frauen bei den Diggers politischen Einfluss ausübten; keine von ihnen wird in den Flugschriften oder anderswo namentlich erwähnt.<br />
<br />
==Programm und Politik: Theorie und Praxis ==<br />
Die Geschichts- und Gesellschaftsanalyse der Diggers lehnt sich an die chiliastisch-kommunistische Theologie [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]]s an: „Am Anfang der Zeit machte die Vernunft als der große Schöpfer aller Dinge die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer, auf dass sie den Tieren, den Vögeln, den Fischen und dem Menschen, der als Herr über diese Schöpfung gebieten sollte, zum Lebensunterhalt diene, ...doch war am Anfang mit keinem einzigen Wort davon die Rede, dass ein Teil der Menschheit über den an deren zu bestimmen hätte." (Winstanley: Gleichheit im Reiche der Freiheit [WG], S. 19) Der Urspnmgszustand sei durch Habgier und ihre Folgeerscheinungen Mord, Raub, Privateigentum und staatliche [[Herrschaft]] zerstört worden. „Und dass dieses private Eigentum der FIuch ist, wird daraus ersichtlich, dass diejenigen, die das Land kaufen und verkaufen und Grundherren sind, dieses Land entweder durch Unterdrückung, durch Mord oder Diebstahl an sich ebracht haben." (WG, S. 27) „Kaufen und Verkaufen ist der große Betrug, um die Erde einander zu rauben und abzugaunern, es macht die einen zu Herren und Gebietern und die anderen zu Bettlern und Beherrschten, und es setzt die großen Mörder und Diebe in den Stand, die Kleinen oder die Rechtschaffenen einzusperren oder aufzuhängen." (WG, S. 43) Die Digger erkannten eindeutig den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und ideologischer Macht. Zielscheiben ihrer Kritik wurden folglich vor allem Grundbesitzer, Juristen und der Klerus als die drei Säulen der „Königlichen Macht" (G. Winstanley: The works of G. Winstanley.., [WW, S. 322]), die in den Augen der Digger mit der Beseitigung der Person und des Amtes des Königs noch lange nicht besiegt war. Sie kritisierten das Justizsystem als von den normannischen Eroberern aufgezwungene Klassenjustiz, die Gesetze seien dazu gedacht, „um das gemeine Volk in Knechtschaft zu halten." (WW, S. 288) Den Priestern warfen die Digger vor, den Herrschenden den „Deckmantel für ihre Schurkerei" (WW, S. 373) zu liefern, die Armen auf das Jenseits zu vertrösten, sich selbst aber im Diesseits zu bereichern. Der Gegensatz zwischen arm und reich war ihnen deutlich bewusst: „Einen so ernsten Streitfall wie den zwischen den Gutsherren und den Armen hat es in den ganzen letzten sechshundert Jahren nicht gegeben." (WG, S. 132)<br />
Für die Armen forderten die Diggers das Recht, auf dem Gemeinde- und Brachland in autonomen Kommunen zu siedeln. Sie fühlten sich berufen, „vermöge der Kraft der Vernunft oder des Gesetzes der Gerechtigkeit in uns, die Schöpfung von jener Knechtschaft des privaten Eigentums frei zu machen, unter der sie stöhnt." (WG, S. 26)<br />
Die Landkommune auf dem St. George's Hill sollte nur der Auftakt für eine weltweite Revolution sein. Die kooperative, sinkt egalitäre Alternativgesellschaft mit Gütergemeinschaft und ohne Geld sollte ohne Regierung, Gesetze und Strafen auskommen. „weil niemand es wagen wird, nach Vorherrschaft über andere zu streben, einen anderen zu töten oder mehr von der Erde zu begehren als ein anderer." (WG. S. 22) Die Digger gingen davon aus. dass eine solche Gesellschaft sie nicht von der Notwendigkeit harter Arbeit befreien würde.<br />
Die Digger stützten ihren Anspruch auf das Schöpfungsrecht, ihr Geburtsrecht als Engländer, den Sieg über den König, auf das Vertragsrecht und verschiedene Parlamentsbeschlüsse. Als Sprecher der Armen und zum Teil als ehemalige Soldaten fühlten sie sich „wegen des gleichen Anteils, den wir am Sieg über den König haben", (WO, S, 113) als gleichberechtigte Vertragspartner des Parlaments, die ihren Anteil an der eroberten Beute einfordern. Verschiedene Vereinbarungen und Beschlüsse, eine wirkliche Reformation anzustreben, deuteten die Digger als Verpflichtung zu einer sozialen Revolution nach ihren Vorstellungen; „Lasst Euch gesagt sein, dass das Volk von England nicht eher frei sein wird. als bis die Armen, die kein Land haben, frei und unbehelligt auf den Gemeindeweiden graben und arbeiten dürfen und mithin genau so sorgenfrei leben können, wie die Grundbesitzer auf ihrem eingehegten Boden." (WG, S. 29 f)<br />
Bezeichnend für die Digger war ihr Drang, ihre Ideen sofort umzusetzen. England war in einer beispiellosen revolutionären Situation, in der Hoffnungen auf radikalen Wandel nicht abwegig waren. Das Parlament war siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgegangen, wenige Wochen vor der Landbesetzung der Digger war der König enthauptet worden, und die Monarchie war unerwartet abgeschafft worden. Die Revolution war ohne historisches Vorbild. die Welt schien auf den Kopf gestellt, und nicht nur [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] erwartete die in der Bibel prophezeiten apokalyptischen Ereignisse, Die Digger schlossen daraus, dass ihre egalitäre und gerechte Gesellschaft unmittelbar bevorstünde und begannen sofort mit ihrem Aufbau. Ihre Kommunen auf besetztem Land sollten beispielhafte und werbewirksame Keimzellen und Prototypen ihres freiheitlichen Kommunismus und gleichzeitig für die Digger selbst wirtschaftliche Grundlage und Lebensgemeinschaft sein. Auch wenn grundsätzlich alle Menschen angesprochen werden sollten, sah [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] in den Armen das primäre revolutionäre Subjekt: „Und ich sehe wohl. dass die Armen die ersten sind, die zu diesem Werke berufen sein und sich darin hervortun sollen, da sie nun anfangen, die Botschaft der Gerechtigkeit in sich aufzunehmen, während die Reichen gemeinhin wirklicher Freiheit abhold sind." (WG, S. 97) Obwohl die Digger in einem unrealistisch hohem Maß auf die Überzeugungskraft ihrer nach eigener Einschätzung vernünftigen Argumente vertrauten, entwickelten sie eine gewaltfreie revolutionäre Strategie basierend auf Arbeitskräfteentzug und [[Boykott]]. Da die Armen mit ihrer Arbeitskraft das System schützten, sollten sie es durch Verweigerung der Lohnarbeit zum Einfall bringen und sich den Landkommunen der Digger anschließen. Die bestreikten und boykottierten Grundbesitzer und Anhänger des alten Systems gewaltsam zu enteignen, war nicht vorgesehen, sie sollten bis zu ihrem Sinneswandel toleriert werden, wobei die Digger von ihnen das Gleiche für sich verlangten, nämlich „dass eure Gesetze uns nicht erreichen sollen, um uns weiter niederzudrücken," (WG, S. 42) Unmittelbares Nahziel war somit als Übergangs Stadium ein Parallelsystem. in dem die bisherige Eigentums- und Rechtsordnung und die neue, auf Gütergemeinschaft beruhende Gesellschaft koexistieren sollten, wobei die Digger für ihren Bereich Autonomie ohne staatliche Einmischung forderten. Gewalt erschien den Digger als untaugliches. Mittel, eine herrschafts- und gewaltfreie Gesellschaft zu erreichen, da Gewalt, wie ihnen das Ergebnis des Bürgerkrieges demonstriert hatte, lediglich neue Tyrannen an die Macht bringe, aber nicht die Tyrannei beseitige und immer für irgendjemanden Unterwerfung beinhalte. „Ein durchs Schwert errungener Sieg ist ein Sieg, den Sklaven übereinander erringen." (WW, S. 379) [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] betonte, den Unterschied zwischen einer Person und der Rolle, die sie spielt; ihm ging es nicht um physische Eliminierung von Einzelpersonen, sondern darum, ihnen die Macht zu nehmen.<br />
<br />
== Öffentlichkeitsarbeit==<br />
Als Ergänzung ihrer direkten Landbesetzungsfunktion veröffentlichten die Digger bei Cobham gemeinsam oder individuell von April 1649 bis Mai 1650 18 Flugschriften, darunter The True Levellers Standard Advanced (Wofür das Banner der Wahren Gleichmacher weht, April 1649), A Declaration from the Poor opressed People of England (Eine Erklärung des armen unterdrückten Volkes von England, Mai 1649) und An Appeals to all Englishmen (Ein Aufruf an alle Engländer, März 1650), mit jeweils 15, 45 und 25 Unterzeichnern.<br />
[[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] veröffentlichte in seiner Zeit als Digger unter seinem eigenen Namen elf Schriften, Robert Coster erläuterte in A Mite Cast into the Common Treasury (Ein Scherflein für die gemeinsame Schatzkammer, Dezember 1649) die Generalstreikstrategie der Digger. Die Digger-Kommunen bei Iver in Buckinghamshire und Wellingborough in Nordhamptonshire publizierten jeweils eine Deklaration. Anfang 1650 reisten vier Digger aus Cobham durch England, um für ihre Ideen und für finanzielle Hilfe für ihre bedrängte Ansiedlung zu werben.<br />
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== Stellung im politischen Spektrum der Englischen Revolution==<br />
Für die Digger u.a. Gruppen war die Beseitigung des Königtums nicht das Ende, sondern der Anfang der Revolution. Das Umfeld der Digger und ihr Nährboden waren die [[Subkultur]] chiliastischer und antinomistischer Sekten einerseits und die Levellers und die politisierte Armee andererseits. Im Gegensatz zu den Levellers (= Gleichmacher), die sich gegen diesen Namen und den Vorwurf der Gleichmacherei wehrten, da sie lediglich Rechtsgleichheit, aber nicht Eigentumsgleichheit anstrebten, empfanden sich die Digger als die wahren Levellers. In einigen Gegenden waren die Grenzen zwischen Digger und Levellers fließend. Die Digger galten als so radikal, dass sich die meisten politischen Kräfte von ihnen distanzierten; die Digger wiederum distanzierten sich von den Ranters. Die Digger waren eine winzige Minderheit innerhalb der Minorität der eine Demokratisierung anstrebenden Strömung, die wiederum eine einflussarme Minderheit unter den radikalen Randgruppen der Englischen Revolution darstellte. Einerseits lehnten die Digger die republikanische Regierung ab, weil die alten Herrschaftsstrukturen weiterbestanden, andererseits begrüßten und unterstützten sie antimonarchische Maßnahmen des neuen Regimes als Schritte in die richtige Richtung.<br />
<br />
==Nachwirkungen==<br />
Die Digger blieben bis zu ihrer Wiederentdeckung durch Eduard Bernstein in den 1890er Jahren vergessen. Verschiedene sozialistische Strömungen, sowohl Marxisten-Leninisten und Sozialdemokraten als auch Anarchisten, betrachten aufgrund der ideologischen Gemeinsamkeiten die Digger und [[Winstanley, Gerrard|Gerrard Winstanley]] als eigene geistige Vorläufer. Eine Gruppe namens Digger stand 1965 in San Francisco am Anfang der Alternativbewegung der 60er Jahre. Ziel dieser Digger war eine geldlose Gegenkultur, der sie versuchten, eine wirtschaftliche Struktur zu geben.<br />
Heute sind in Großbritannien Digger u.a. Radikale der Englischen Revolution für Teile der sozialen Bewegungen Identifikationsfiguren auf die man sich in Publikationen, aber auch bei Veranstaltungen, Demonstrationen und [[direkten Aktionen]] beziehe. Das gewaltfreie Revolutionskonzept, die Landbesetzungen in direkter Aktion und die Kommune-Experimente der Digger machen sie für Anarchisten und Praktiker der [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreien Aktion]] besonders attraktiv. Ende der 80er Jahre beziehen sich „Christliche Anarchisten" oder „an Anarchie interessierte Christen" (Zeitschriften A Pinch off Salt [England], Digger [Kanada]) am stärksten auf die Digger.<br />
<br />
== Charakterisierung==<br />
Der Einfluss der Digger war gering. Den Digger blieb sehr wenig Zeit, ihre Ideen zu entwickeln und einer von Jahrhunderten der Monarchie geprägter; Bevölkerung zu vermitteln. Von chiliastischem Optimismus angespornt erwarteten sie die baldige Verwirklichung ihres Ziels; ein Fortbestehen als politische Bewegung war nach dem Scheitern ihrer Landkommunen nicht möglich.<br />
Die Digger strebten eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, teils aufgrund rationaler Analyse, teils im Zusammenhang mit christlich-chiliastischen Vorstellungen. Mit ihren [[direkten Aktion]]en und ihrer Strategie des Generalstreiks nahmen sie für Anarchisten typisch gewordene Aktionsformen vorweg.<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]]'''<br />
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== Literatur und Quellen: Schriften der Diggers==<br />
*T. Beedle jr. u.a.: A Declaration ... (from) Iver. In: T. Keith: Another Digger Broadside. In: Past and Present Nr. 42, 1969, S. 57 - 68, S. 61 - 68;<br />
*Winstanley: Gleicheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate (H. Klenner Hg.), Leipzig 1983, 1986, Frankfurt 1988;<br />
*Winstanley: Englands Spirit Unfoulded, or an Incouragement to take the Engagegement. A newly discovered pamphlet, (G. E. Aylmer, Hg.) in: Past and Present, Nr. 40, 1968, S. 3 – 15;<br />
*Winstanley: The Law of Freedoms and Other Writings. (Ch. Hill, Hg.) Cambridge 1983;<br />
*Winstanley: The works of Gerrard Winstanley with an Appendix of Documents Relating to the Digger Movement, (G. H. Sabine, Hg.), Ithaca, N. Y. 1941, Naudr. New. York 1965.<br />
<br />
== Quellen==<br />
*F. Brockway: Britain's First Socialists. The Levellers, Agitators and Diggers of the English Revolution, London/Melbourne/New York 1980;<br />
*K. Deppermann: Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, (H.-J. Goertz, Hg.), München 1984, S. 71 – 91;<br />
*F. D. Dow: Radicalism in the English Revolution 1640 - 1660, Oxford/New York 1985;<br />
*Ch. Hill: The WorId Turned Upside Down. Radical Ideas During the English Revolution, Harmondsworth 1984;<br />
*H. Klenner: Revolutionsprogramm als Reformationstheorie. Der Revolutionsbegriff utopischer Kommunisten in England Mitte des 17. Jahrhunderts, Ost-Berlin 1983, (Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften der DDR, Gesellschaftswissenschaften 6/G 1983);<br />
*G. Lennert: Die Diggers. Eine frühkommunistische Bewegung in der Englischen Revolution, Grafenau 1987;<br />
*O. Lutaud: Winstanley. Socialisme et christianisme sous CromwelI, Paris 1976;<br />
*D. Petegorsky: Left-Wing Democracy in the English Civil War. A Study of the Social Philosophy of Gerrard Winstanley, London 1940, Neudr. New York 1972.<br />
<br />
==DadA-Podcast==<br />
'''[[Die_Diggers_(Podcast)|Die Diggers]]'''<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Confederaci%C3%B3n_National_del_Trabajo_(CNT)&diff=17753Confederación National del Trabajo (CNT)2021-02-10T11:02:53Z<p>Rolf R: /* Nationaler Bund der Arbeit */</p>
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<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen]]'''<br />
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[[Bild:CNT-Poster_01.jpg|thumb|right|320px|Propagandaposter der CNT im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939)]]<br />
=Nationaler Bund der Arbeit=<br />
Die erste und wichtigste Strömung der spanischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung war der Anarchismus. Dessen organisatorische Anfänge reichen in das Jahr 1868 zurück, als der Italiener Giuseppe Fanelli (als Gesandter [[Bakunin|Michael Bakunins]]) in Spanien eintraf und die schon in den 1840er Jahren in Katalonien gegründeten Arbeitervereine, die sich zu den sozialistischen Ideen antistaatlicher Tendenz, zur direkten Aktion als Kampfwaffe und zum Föderalismus im Sinne des von [[Proudhon|Pierre Joseph Proudhon]] beeinflussten [[Pi y Margall]] bekannten und Konsum- und Produktivgenossenschaften proudhonistischer Richtung gegründet hatten, mit der 1864 gegründeten [[IAA|Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA)]] in Verbindung brachte. Bereits 1869 wurde in Madrid die „Regionale Spanische Arbeiterföderation" (Federación Obrera Regional Español) gegründet, die sich ein Jahr später der Ersten Internationale anschloss. l870 fand in Barcelona der erste spanische Arbeiterkongress statt, auf dem das Programm der [[Jura-Föderation]] - „in der Politik anarchistisch, in der Wirtschaft kollektivistisch, in der Religion atheistisch"- angenommen wurde. Die spanische Sektion der Internationale und somit die ganze „antiautoritäre" Bewegung der Internationalisten sprach breite Arbeiterschichten an und beeinflusste bis 1939 die gesamte nationale Arbeiterbewegung. Vor allem die Angaben [[Nettlau|Max Nettlaus]] über die Entwicklung und organisatorische Situation der spanischen Internationale in den 1870er und l880er Jahren belegen die konsequente Entwicklung des spanischen Anarchismus.<br />
<br />
Von 1874 bis I881 war die Internationale in Spanien verboten; nach ihrer Wiederzulassung durch die liberale Regierung Sagasta (1881) wurde die weitere Entwicklung des spanischen Anarchismus durch die vehementen Tendenzkämpfe zwischen den syndikalistisch organisierten Arbeitern Kataloniens, die den Bakuninschen Anarcho-Kollektivismus und seine Mittel (Massenbewegung, [[Generalstreik]], Kollektivierung der Produktionsmittel, Entlohnung nach der Leistung) bevorzugten, und den andalusischen Befürwortern eines Anarcho-Kommunismus [[Kropotkin]]scher Prägung (autonome Gruppen, individuell-revolutionäre Tat, [[Terrorismus]], Geheimgesellschaften, kein Privatbesitz an Konsumgütern, Entlohnung nach den Bedürfnissen) bestimmt. Die Auseinandersetzung zwischen kollektivistischen Anarchisten und aufständischen Anarcho-Kommunisten endete Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Kompromiss, der den Bakunismus als Grundlage des Klassenkampfes und der Arbeiterorganisation und den „freiheitlichen Kommunismus" als Endziel im revolutionären [[Syndikalismus]] vereinigte. Dieser folgte der anarchistischen Tradition insofern, als er der „spontanen“ Bewegung der Masse vertraute und in jeder„autoritären" Organisation ein Hindernis für die Entwicklung eines revolutionären Bewusstseins sah.<br />
<br />
Die Richtungskämpfe zwischen verschiedenen Flügeln blieben im organisierten Anarchismus auch nach der 1910 erfolgten Gründung des revolutionär-syndikalistischen „Nationalen Bundes der Arbeit" (CNT) bestehen. Die CNT blieb bei der den Anarchismus charakterisierenden konsequenten Ablehnung der partei- und verbandsförmigen Einflussnahme auf politische Willensbildung und Entscheidungsprozesse. Sie übernahm vom Anarchismus die Lehre, dass die Befreiung der Arbeiterklasse das Werk der Arbeiter selbst sein müsse. Das Programm der CNT war allerdings weder ein bloßes Wiedererstehen des Bakunismus noch lediglich eine Übernahme des revolutionären französischen Syndikalismus. Die Philosophie des täglichen Lebenskampfes, der „[[direkten Aktion]]" (Streik, [[Boykott]], Sabotage), trat neben die Auffassung vom Endkampf und bewaffneten Aufstand. Ein Generalstreik hatte stets revolutionären, niemals nur reformistisch-ökonomischen Charakter.<br />
<br />
Der Kurs der CNT schwankte nach 1910 zwischen dem Dogmatismus der extremistischen Fraktion und dem Pragmatismus einer gemäßigten Linie um [[Salvador Seguí]] und [[Angel Pestaña]]. Ausdruck der tastenden Unsicherheit des [[Anarchosyndikalismus]] waren sowohl der Pakt mit der sozialistischen UGT (1917) als auch der vorübergehende Eintritt (1920/22) in die Komintern bei gleichzeitigem Festhalten an den von Bakunin entworfenen Prinzipien. Ende 1922 trat die CNT der IAA bei, deren explizites Ziel es war, den Klassenkampf zu verschärfen, gegen ein Übergreifen politischer Parteien auf die Gewerkschaften anzukämpfen, schließlich den [[Kapitalismus]] und den [[Staat]] zu zerstören. 1923 löste sich die CNT formal auf, um einer Zwangsauflösung durch Primo de Rivera zuvorzukommen. Da sich innerhalb der im Untergrund operierenden CNT in den folgenden Jahren die „reformistische" Strömung durchzusetzen begann, die zum Sturz des Diktators eine Zusammenarbeit mit republikanischen Parteien befürwortete, wurde 1927 auf einem illegalen Kongress in Valencia die [[Federación Anarquista Ibérica]] (Iberische Anarchistische Föderation. FAI) als Geheimorganisation gegründet, die ihre Aufgabe darin sah, über die Reinerhaltung der Lehre Bakunins zu wachen und zu verhindern, dass sich die Arbeiter dem Reformismus und der Kooperation mit politischen Parteien oder dem sowjetischen Kommunismus und der Lehre von der Diktatur des Proletariats zuwendeten. Die verschiedenen Tendenzen innerhalb der CNT führten zu Beginn der Zweiten Republik zur Spaltung der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft. 1931 verkündete die rein syndikalistische Richtung ein „Manifest der Dreißig“ (Manifiesto de los treinta) genanntes Programm - deren Anhänger daraufhin treintistas genannt wurden -, das sich gegen die angeblich drohende Vorherrschaft der minoritären FAI in der Gewerkschaftsbewegung auflehnte und die Unabhängigkeit des Syndikalismus und seinen Anspruch, sich selbst zu genügen, bestärkte. Eine Anzahl von Einzelsyndikaten, die einen gewissen Grad an Mitarbeit in der gegebenen Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung vertrat, verließ unter der Führung von A. Pestaña die Dachorganisation CNT und gründete „Oppositionssyndikate". Wenn auch diese Gewerkschaften am Vorabend des Bürgerkrieges in die CNT zurückkehrten, blieb im Anarchosyndikalismus eine gemäßigte Richtung bestehen, die während des Bürgerkrieges erheblichen Einfluss gewinnen und die Entwicklung der CNT bis 1939 und danach wesentlich mitbestimmen sollte.<br />
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[[Bild:CNT_Kollektiv-Tram.jpg|thumb|left|420px|Kollektivierte und von der CNT betriebene Straßenbahn zur Zeit des Bürgerkrieges]]<br />
Während des [[Spanischen Bürgerkrieges]] erlebte die CNT mit über 2 Millionen Mitgliedern den Höhepunkt ihrer Geschichte. In jenen Jahren wurde auch der z. T. erfolgreiche Versuch einer Sozialen Revolution in dem republikanisch gebliebenen Territorium unternommen. Der Bürgerkrieg bedeutete jedoch für die CNT auch das Scheitern des Anarchosyndikalismus in der politischen Arena, vor allem in der innerrepublikanischen Auseinandersetzung mit den Parteien der Volksfront. Zu den erbittersten Gegnern entwickelten sich die Kommunisten der stalinistischen Kommunistischen Partei (Partido Comunista de España). Im Bürgerkrieg traten die Anarchisten von CNT und FAI sowohl in die Regierung der Republik (Kabinette Francisco Largo Caballero und Juan Negrín) als auch in die katalanische Regionalregierung ein: Als den anarchistischen Führern nach der Niederschlagung rebellierender Truppenteile in einigen Gegenden Spaniens klar geworden war, dass die vollständige Durchführung ihres programmatischen Vorentwurfs einer anarchistischen Diktatur gleichkommen würde, entschlossen sie sich - unter Missachtung ihrer Ideologie und jahrzehntelangen antistaatlichen Praxis - zur Zusammenarbeit mit Regierung und Staat. Sie verzichteten auf das Kampfziel der libertären Bewegung: der Zerschlagung des Staates, schufen dafür revolutionäre Machtorgane (Komitees), die auf lokaler und regionaler Ebene in Konkurrenz zur Zentral- und Regionalregierung traten, arbeiteten mit politischen Parteien zusammen und übernahmen, seit sie selbst in der Regierung saßen, deutlich wahrnehmbar gouvermentale Denkweisen. Der Bruch mit der anarchistischen Tradition des Antipolitizismus sowie mit ihren direkt-demokratischen Prinzipien führte in CNT und FAI zu Hierarchiebildung und Absonderung der oberen Entscheidungsgremien von der Mitgliederbasis. Die Regierungsbeteiligung der Anarchisten trug somit zur Restauration und Stärkung des Staatsapparates, mittelbar darüber hinaus zur Liquidierung der Revolution bei.<br />
<br />
Nach dem Bürgerkrieg wurden bis 1945 im Landesinneren 10 Nationalkomitees der CNT zerschlagen, bis 1949 waren es 16. An den Guerillaaktionen jener Jahre gegen das Francoregime waren die Anarcho-Syndikalisten führend beteiligt. Den wesentlichen Impuls zum Sturz des Franquismus erwarteten auch sie von den Alliierten. Als deren Unterstützung ausblieb, die Guerillataktik sich als ein Fehlschlag erwies und außerdem ideologische Probleme zwischen Exilführung und den Mitgliedern im Landesinneren auftraten, begann der eigentliche Niedergang der Anarchosyndikalisten. Und als 1945 zwei Anarchosyndikalisten in die Exilregierung Giral eintraten, spaltete sich über diese Frage außerdem die libertäre Bewegung in einen „politischen“ und einen „apolitischen“ Flügel. Bezeichnenderweise war es die innerspanische CNT, die sich für eine breite Zusammenarbeit mit allen antifranquistischen Kräften einsetzte, während die Toulouser Exilführung sich hinter der Bezeichnung Comisión Intercontinental del Movimiento Libertario Español verschanzte, zusehends den Kontakt zur sozialen Realität Spaniens verlor und sich erneut maximalistischen Positionen zuwandte.<br />
<br />
In den 50er Jahren erhielt die CNT im Landesinneren kaum mehr Unterstützung von außen. Ihre Strukturen wurden nahezu vollends zerschlagen. Der von libertärer Seite sporadisch fortgesetzte Kleinkrieg fand um 1960, nachdem die letzten Symbolfiguren des bewaffneten Widerstandes (u. a. die Brüder Sabater) hingerichtet worden waren, ein Ende. In den Jahren zuvor hatten sich immer mehr Anarchisten - enttäuscht von den internen Streitigkeiten, von der Erfolglosigkeit ihrer Anstrengungen, zermürbt von jahrelanger Untergrundtätigkeit und Gefängnishaft - vom bewaffneten Kampf gegen den Franquismus zurückgezogen.<br />
<br />
Obwohl auch in den folgenden Jahren zahlreiche anarchosyndikalistische Gruppen und Organisationen verschiedenster Tendenz bestehen blieben, verfügte die CNT 1975 bei Francos Tod über keinerlei landesweite Organisation, Die eigentliche Neugründung der Gewerkschaft erfolgte im Februar 1976 (noch illegal) durch die Zusammenfassung von drei bis dahin nebeneinander bestehenden Strömungen; den „historischen Anarchisten", der „christlichen Tendenz" und dem „sozialistisch- marxistischen Flügel". Diese neue CNT unterschied sich von Anfang an in mehreren Punkten von der traditionellen CNT der Bürgerkriegszeit: Sie war in ihrer ideologischen Zusammensetzung durch die Aufnahme christlicher und marxistischer Elemente bedeutend heterogener. Sie war nicht mehr eine reine Arbeitergewerkschaft, sondern umfasste zu einem nicht unerheblichen Teil auch Studenten, Intellektuelle, Kleinbürger, Bohemiens; und schließlich fehlte in ihr fast völlig die „mittlere“ Generation. Ihre Mitglieder gehörten entweder der „alten Garde“ an oder sie waren zwischen 18 und 25 Jahre alt.<br />
<br />
Seit September 1976 lag die organisatorische Zentrale der CNT wieder in Spanien. Da jedoch die CNT-Exilorganisation in Toulouse weiterbestand und neben der „rein“ anarchistischen FAI nach wie vor auf die Strategie der innerspanischen CNT Einfluss zu nehmen suchte, bildete sich ein immer stärker werdender anarchosyndikalistischer Flügel, der jegliche ideologische Majorisierung der CNT durch die Exilorganisation und die FAI entschieden ablehnte. In jenen Jahren bildeten sich zwei Grundpositionen heraus, die nach dem V. Kongress der Gewerkschaft vom Dezember 1979 (Congreso de la Casa de Campo) deutlich hervortraten. Der Kongress führte zur Spaltung der Gewerkschaft in eine „historische“ und eine „erneuerte“ CNT, die sich auf dem VI. Kongress 1983 in Barcelona noch vertiefte. Die „historische" CNT warf der „erneuerten“ vor, sie sei reformistisch, spalterisch, marxistisch und vertikalistisch; umgekehrt wurde der „historischen CNT“ vorgeworfen, sie sei autoritär-dogmatisch, entferne sich von der Arbeiterbasis und hänge immer noch anachronistischen Vorstellungen der 30er Jahre an. Die Minderheit (CNT Confederal) beteiligte sich 1986 erstmals an Betriebsratswahlen, errang jedoch nur ganz wenige Sitze. Da beide Gruppen Anspruch auf das von der CNT vom Franco-Regime beschlagnahmte Erbe (patri monio sindical) und auf das im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam aufbewahrte Gewerkschaftsarchiv erhoben, kam es zu einer Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit der Benutzung des Namens CNT, die gerichtlich zugunsten der ersten Gruppe entschieden wurde. Im April 1989 nahm der „erneuerte“ Sektor der CNT den Namen Confederación General del Trabajo (Allgemeiner Arbeiterbund) an; Generalsekretär ist José March. Die CGT verzichtete auf die 248 Millionen Peseten, die der CNT von Gerichten als Entschädigung für die franquistischen Beschlagnahmungen zugesprochen worden waren.<br />
<br />
Die „historische“ CNT-AIT verfügt nach eigenen Angaben über 50.000 zahlende Mitglieder und 200 Büros in Spanien; hinzu kommen 2.500 Mitglieder im Ausland. Die anfallenden Arbeiten werden von den Mitgliedern selbst erledigt, es gibt keine angestellten Funktionäre. Die Auflagenhöhe (6.000 - 8.000) der beiden Organe „Solidaridad Obrera“ (Barcelona, vierzehntägig) und „CNT“ (Madrid, monatlich) zeigt die geringe Bedeutung des heutigen Anarchosyndikalismus in Spanien an. Die CNT bildet heute weder eine dritte parteiunabhängige Gewerkschaft neben UGT und Arbeiterkommissionen noch ist es ihr gelungen, zentralisierender Faktor der alternativen Bewegungen (Ökoszene, Feminismus. Selbstverwaltungsgruppen) und der „Gegenkultur“ zu werden.<br />
<br />
==Organisation==<br />
[[Bild:Poster der CNT-FAI 2006.png|thumb|right|420px|Poster der CNT-FAI Madrid aus Anlass der Gedenkveranstaltungen zum 70jährigen Jahrestag des Beginns der Sozialen Revolution in Spanien (1936-1939)]]<br />
Die CNT erfuhr innerhalb weniger Jahre nach ihrer Gründung einen enormen Aufschwung. Auf dem Comedia-Kongress von 1919 hatte sie bereits über 715.000 Mitglieder; regionale Schwerpunkte waren Katalonien, Andalusien und Valencia. Im Juni 1931 zählte sie schon wieder knappe 540.000 Mitglieder. In der zweiten Republik erfuhr der Dachverband massiven Zulauf. Im Februar 1936 zählte die CNT ca. 1 Million Mitglieder, im Bürgerkrieg, dürfte sie an die 2 Millionen gehabt haben. Die CNT war ein lockerer Dachverband. Die Konföderation setzte sich aus regionalen Gewerkschaftsverbänden zusammen. Sie betonte das Prinzip der Dezentralisierung, die den regionalen Organisationen das fast uneingeschränkte Recht auf Autonomie gewährte. Die Grundeinheit der CNT war die Lokalgewerkschaft, die nach den einzelnen Berufsbranchen in Sektionen aufgeteilt war. Parallel zu dem föderativ-horizontalen Aufbau bestand seit 1937 ein zweites Organisationsprinzip: das der Nationalen Industrieföderationen, das allerdings bis zum Ende des Bürgerkrieges keine entscheidende Rolle mehr spielte.<br />
<br />
Im Übergang zur Demokratie erlebte die CNT einen ungeahnten Aufschwung. Im Mai 1978 gab sie die Zahl ihrer Mitglieder mit über 300.000 an, von denen der überwiegende Teil in den klassischen anarchosyndikalistischen Hochburgen Katalonien, Valencia und Andalusien angesiedelt war. In jenen Jahren war die Fluktuation zwischen den Gewerkschaften besonders stark; Mitglieder der sozialistischen UGT und der kommunistischen Arbeiterkommissionen, die die „politische“ .d.h. die auf Parteien orientierte Haltung ihrer Gewerkschaften ablehnten, liefen zur CNT über, die andererseits jedoch gleichzeitig viele Austritte registrierte. Nach der Spaltung der CNT dürfte die Gewerkschaft heute kaum mehr als 70.000 Mitglieder zählen. Der fast gleichzeitig mit dem Wiederaufschwung der CNT erfolgende Niedergang der anarchosyndikalistischen Bewegung hängt sicherlich mit der organisatorischen Schwäche der CNT zusammen, die nach der Zerschlagung ihrer Strukturen durch das Franco-Regime nicht auf bedeutsame Finanzhilfe von Schwestergewerkschaften in der Phase des Neuaufbaus (wie der UGT) zurückgreifen konnte. Führende ehemalige CNT-Mitglieder haben außerdem selbstkritisch darauf hingewiesen, dass das quantitative Anwachsen der CNT 1976/77 zu einem gleichzeitigen Bürokratisierungsprozess der CNT führte, der wiederum Hintergrund für Krise und Niedergang der Gewerkschaft war, dass somit der Anarchosyndikalismus zum Opfer seines zahlenmäßigen Wachstums wurde, das die Selbstnegierung der eigenen Organisationsprinzipien und interne Widersprüche zur Folge hatte, die sich in Ausschlüssen und Verdammungen artikulierten. Die durch den Massenzuwachs an Mitgliedern und das organisatorische Wachstum bedingte Konzentration von Informationen und „Herrschaftswissen“ in den oberen Komitees bewirkte eine Außerkraftsetzung klassischer anarchistischer Organisationsprinzipien: Übergeordnete Komitees koordinierten nicht nur sondern entschieden, der Willensbildungsprozess von unten nach oben funktionierte nicht mehr; das Rotationsprinzip wurde aufgehoben, allmählich entstand eine Arbeiteraristokratie und ein Funktionärskörper, die sich als „Freigestellte“ der realen Arbeitswelt entfremdeten - ein Bürokratisierungsprozess, den gerade der Anarchosyndikalisimus immer wieder in seiner Geschichte angeprangert hatte.<br />
<br />
==Programm und Politik==<br />
Der spanische Anarchismus hatte von Anfang an sozial und regional zwei Schwerpunkte: den latifundistischen Süden des Landes, in dem der andalusische Agrar- und Handwerkeranarchismus Wurzel schlug, und der relativ industrialisierte Nordosten der Halbinsel, wo sich der katalanische Anarchosyndikalismus durchsetzte. Die andalusischen Tagelöhner wurden schon früh auf einen antiparlamentarischen und antipolitischen Weg gedrängt. Ausgeschlossen von jeglicher politischen Partizipation, gesellschaftlich zu der untersten Schicht gehörig, ihr Dasein am Rande des Existenzminimums fristend, erhofften sie die ihnen vorenthaltenen Rechte nicht von graduellen Verbesserungen, die auf politisch-parlamentarischem Weg erreicht werden sollten, sondern eher von einer plötzlichen sozialen Revolution, in deren Gefolge die lange vermisste Gerechtigkeit Einzug halten würde. Diese Revolution gehörte zentral zum Programm des Anarchismus, der von Anfang an revolutionär-antistaatliche und antikapitalistische Ziele verfocht. Die für die CNT wesentlichen Postulate waren der [[Föderalismus]], der gewerkschaftliche Kampf und die im Generalstreik kulminierende „direkte Aktion“. Neben reformistisch-ökonomischen verfolgte ein Generalstreik immer auch politisch-revolutionäre Ziele: Durch ihn sollten der Staat beseitigt und die Gesellschaft Syndikalistisch organisiert werden. Keimzellen dieser neuen herrschaftsfreien Gesellschaft sollten das selbstverwaltete Munizipium und die Gewerkschaft selbst sein.<br />
<br />
Insofern war die CNT sowohl eine Gewerkschaft mit vorerst reformistischer Zielsetzung als auch eine revolutionäre Organisation mit letztlich systemtranszendierender Programmatik. Die Philosophie des täglichen Lebenskampfes, der direkten Aktion (Streik, [[Boykott]], Sabotage), trat neben die Auffassung vom Endkampf und bewaffneten Aufstand. Anarchosyndikalistisches Endziel blieb die „Reorganisation des gesamten gesellschaftlichen Lebens auf der Basis des freien Kommunismus durch die direkte revolutionäre Aktion der Unterdrückten“.<br />
<br />
Im Bürgerkrieg war die CNT nicht in der Lage, eine Strategie zu erarbeiten, wie der Krieg geführt und zugleich die proletarisch-soziale Revolution vorangetrieben werden konnte. In ihrer programmatischen Unsicherheit ließen sich die schwankend-unentschlossenen Anarchisten von den straff organisierten und ideologisch starren Kommunisten unter dem Schlagwort der nationalen Verteidigung und des national-revolutionären Krieges gegen den internationalen Faschismus einen politischen Burgfrieden aufnötigen, den sie mangels praktikabler Alternativen akzeptieren mussten. Sie wandten sich schon sehr früh gegen eine vollständige Realisierung ihres „Konzepts des Freiheitlichen Kommunismus“ und ließen an die Stelle der auf dem Zaragoza-Kongress (1936) manifestierten „revolutionären Ungeduld“ eine kooperationsfreudige Haltung treten, die zwar von der realistischen Einsicht in die Notwendigkeit des militärischen Sieges diktiert war und in der „Politisierung“ der Anarchisten ihren Niederschlag fand, infolge der geringen theoretischen Vorbereitung von CNT und FAI auf die nachrevolutionäre Gesellschaft und ihre Organisationsformen jedoch nicht nur zur faktischen Aufgabe des libertären Endziels eines herrschaftsfreien Kommunismus, sondern darüber hinaus zur wirtschaftlichen Marginalisierung und politischen Ausschaltung des organisierten Anarchismus führte.<br />
<br />
Die heftigen inner anarchistischen Auseinandersetzungen um die Regierungsbeteiligung waren Ausdruck der Fraktions- und Flügelbildungen innerhalb von CNT und FAI. Das Auseinanderklaffen zwischen Theorie und Praxis, das schließlich zum politischen Scheitern der Anarchisten im Bürgerkrieg führte, hatte bereits zu Beginn des Jahrhunderts zu revisionistischen Tendenzen und ideologisch-organisatorischer Aufsplitterung geführt. Neben dem „klassischen“ Anarchosyndikalismus trat rechts eine reformistisch-politische Tendenz, die in begrenztem Umfang eine Reformpolitik unter den gegebenen kapitalistischen Verhältnissen befürwortete (z.B. [[Salvador Seguí]], in abgewandelter Form auch [[Angel Pestaña]]), und links eine „anarchobolschewistische“ Richtung, die die Schaffung einer revolutionären Macht mit straffer Disziplin und den erforderlichen Apparaten (Exekutivkomitee etc.) befürwortete (z. B. Juan García Oliver). Diese Gruppierungen erfuhren während des Bürgerkrieges noch eine weitere Ausdifferenzierung und ließen damit die Heterogenität der anarchistischen Organisation, ihren Mangel an Einheitlichkeit und Schlagkraft und somit letztlich einen der Hauptgründe für ihren Untergang erkennen.<br />
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Die internen Divergenzen blieben auch nach 1939 bestehen und wurden 1975 derart verstärkt, dass es erneut zur Spaltung der Gewerkschaft kam; diese Spaltung war einer der Hauptgründe, die zum Niedergang und zur Existenzkrise der CNT führten. Die große Verweigerungsstrategie der „orthodoxen“ CNT nach 1975 erwies sich als unfähig, breitere Massen anzulocken - vor allem die Verweigerung gegenüber den grundlegenden Entscheidungen der Demokratisierung: Teilnahme an politischen und Betriebsratswahlen, Sozialpakte, konstitutioneller Konsens über die Parlamentarische Monarchie. Angesichts ihrer internen und externen Krisen verblasste auch das historische Ansehen der CNT, Vorkämpferin für Arbeiter- und Bauernforderungen zu sein. Das Gefangensein der CNT in ihrer Anti-Wahlhaltung der 30er Jahre (in denen unter historisch anderen Bedingungen diese Anti-Strategie durchaus Erfolge erzielen konnte), ohne effiziente Alternativen für den Übergang von einer Diktatur zur repräsentativen Demokratie zu bieten, wirkte auf die Masse der Bevölkerung nicht als überzeugendes Programm. Keine Radikallösungen waren gefragt, sondern Reformen, an denen der Spanier durch Stimmenabgabe partizipieren wollte.<br />
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==Charakterisierung==<br />
Alle libertären Autoren, die sich selbstkritisch mit ihrer Bewegung und deren Rolle in den sozialen Auseinandersetzungen im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt haben, weisen auf die mangelnde Übereinstimmung der verschiedenen Flügel des Anarchismus in wesentlichen programmatischen Fragen hin. Inneranarchistische Auseinandersetzungen und fehlender Konsens in wichtigen Fragen lassen sich bis in die Anfänge der Bewegung zurückverfolgen. Die unterschiedlichen Strategien wiederum sind auf den Entstehungszusammenhang der Bewegung zurückzuführen. Der spanische Anarchismus wurde zwar mit seiner Betonung der Individualität und Autonomie des Arbeiters sehr schnell die geistige Heimat verschiedener sozialer Gruppen; es gelang ihm jedoch nicht, die als Folge ungleichmäßiger Entwicklung zwischen Industriezentren und Agrarregionen auftretenden verschiedenartigen Interessen des Industrie- und des Landproletariats in einer gemeinsamen Strategie überzeugend zu bündeln. Die Differenziertheit innerhalb der anarchistischen Bewegung war deren Stärke und zugleich ihre Schwäche. Besonders deutlich wurde dies an der Entwicklung der CNT im Bürgerkrieg. Die Flügelbildungen und Spaltungstendenzen haben auch der CNT nach 1975 mehr geschadet als geholfen. Ob der rapide Niedergang der CNT nach 1977 allerdings primär auf (Fehl-) Entscheidungen einzelner Personen zurückzuführen ist oder ob in einem hochindustrialisierten Staat kein Raum mehr für eine anarchistische Massenorganisation ist, wird die Entwicklung der kommenden Jahre erweisen.<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Walther_B|Walther L. Bernecker]]'''<br />
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Endredaktion am 10.02.2021<br />
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==Literatur und Quellen==<br />
*Walther L. Bernecker: Anarchismus und Bürgerkrieg. Zur Geschichte der sozialen Revolution in Spanien 1936-1939, Hamburg 1978<br />
*Ders./J. Hallerbach: Anarchismus als Alternative, Berlin 1986<br />
*J. Gómez Casas: EI relanzamiento de la CNT 1973- 1979. Con un epílogo hasta la primavera de 1984, Paris 1984<br />
*Die libertäre Bewegung in Spanien. Mit Beiträgen von A. Souchy u.a.; Bremen ohne Jahrgang<br />
*C. M. Lorenzo: Los anarquistas españoles y el poder 1868 -1969, Paris 1969<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Provos&diff=17752Provos2021-02-09T10:37:59Z<p>Rolf R: </p>
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<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
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[[Bild:Provo-Zeitschrift.jpg|thumb|right|240px|"PROVO", das Organ der Provos (Extrausgabe)]]<br />
== Historische Tradition und Entwicklungsgeschichte ==<br />
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Die Bewegung der Provos entstand während der 1960er Jahre in den Niederlanden. Sie war Bestandteil der allgemeinen antiautoritären Jugendrevolte, die sich — zunächst ausgehend von den USA — seit dem Ende der 1950er Jahre in einer ungeheuren soziokulturellen Vielfalt in allen westlichen und z.T. auch in den östlichen Industrienationen ausgebreitet hatte. Innerhalb der so entstandenen jugendlichen Subkultur, die ein breites Spektrum von diffusen Protesthaltungen bis hin zu bewussten gegenkulturellen Emanzipationsbewegungen umfasste, nahmen die Provos eine Sonderstellung ein: Nicht nur, dass sie — wie etwa die US-amerikanischen "Yippies" — die "reine" individuelle Selbstbefreiung der eher unpolitischen Strömungen (z. B. "Gammler" und "Hippies") mit dem bewussten Kampf um soziale Befreiung verbanden. Darüber hinaus beriefen sie sich auch entschieden und eindeutig auf einen aktualisierten Anarchismus. So heißt es in einem 1965 erschienenen Manifest:<br />
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"Provo betrachtet den [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes|Anarchismus]] als die inspirierende Quelle des Aufstands. Provo will den traditionellen Anarchismus erneuern und unter der Jugend verbreiten." (Van Duyn 1983)<br />
Begonnen hatte es Anfang der 1960er Jahren in der Amsterdamer Innenstadt mit regelmäßigen avantgardistischen Happenings junger Künstler um den Fensterputzer und Magier Robert Jasper Grootveld. Ihr Ziel war die Suche nach neuen Kommunikationsmethoden, um ihren Mitmenschen zu anderen Formen der Beteiligung am öffentlichen Leben zu verhelfen. Die Gegensätze zwischen jugendlicher Kreativität und autoritären Gesellschaftsstrukturen, die in der ablehnenden Haltung der Amsterdamer Spießbürger ebenso deutlich wurden, wie in den zunehmenden Polizeiübergriffen, sorgten jedoch bald für eine weitergehende Politisierung der "Happeners". Entscheidenden Einfluss auf diesen Prozess nahm ein Kreis junger Arbeiter und Studenten, der sich — aus der Anti-Atomtod-Bewegung kommend — um den Philosophiestudenten und anarchistischen Verleger Roel van Duyn zusammengeschlossen hatte und im April 1965 zu der Grootveld-Gruppe gestoßen war. Nicht zuletzt dank ihrer Initiative erweiterten sich die anfänglich harmlosen Manifestationen schnell zu rebellischen Massenaktionen, in die immer weitere Kreise der Jugendprotestbewegung hineingezogen wurden. Mit dem Namen "Provo" übernahm die Bewegung schließlich ein ihr von außen auferlegtes Etikett: Der niederländische Soziologe Wouters Buikhuisen hatte in seiner Doktorarbeit über Analyse und Deutung der Halbstarkenphänomene den Begriff als Abkürzung für Provokateure geprägt. Den eigentlichen politischen Inhalt für dieses Wort gaben die Provos später durch ihre Aktionen selbst.<br />
<br />
== Programmatik, Organisation und Praxis ==<br />
<br />
Was den Amsterdamer Provos während ihrer Hochzeit in den Jahren 1965 / 66 internationale Aufmerksamkeit und Bewunderung einbrachte, war der Umstand, dass es ihnen — quasi über Nacht — gelungen war, eine saturierte und restaurativ-erstarrte Gesellschaft des Wohlstandes und der Langeweile durch die Verbreitung von Unruhe und Aufbegehren in ihren Grundfesten zu erschüttern. Außerordentliche Kreativität und innovative Phantasie bei der Entwicklung neuer und wirkungsvoller Methoden des politischen Protestes waren das Rezept ihres zeitlich befristeten, aber dafür umso intensiveren Erfolges.<br />
<br />
Wo die ritualisierten Politikformen der traditionellen Linken längst dazu verurteilt waren, ungehört und wirkungslos ins Leere zu laufen, verbanden die Provos unorthodoxe Ideen und verschiedene Traditionslinien des rebellischen Geistes in einem raffiniertaufrüttelnden Aktionismus zu einer explosiven Synthese: Mit der Methode der spektakulären Demonstration und des ironisch spöttischen Protestes im "Till Eulenspiegel"-Stil griffen sie bewusst auf einen Teil der holländischen Nationalkultur zurück. Beim Dadaismus und der zeitgenössischen Jugendkultur machten sie Anleihen für eine spezifische Ästhetisierung der politischen Aktion — indem sie "das Zeitalter der Pol-Art", "das permanente Happening" (Tuynman) oder die "Kollektive Kreativität" (Harn) proklamierten, versuchten sie die Grenze zwischen Politik und Kunst aufzuheben; bei den Provos wurden Versammlungen zu Kostümfesten, Pressekonferenzen zu Zirkusveranstaltungen und Demonstrationen zum Theater. Bei aller Entschiedenheit ihres politisch-praktischen Engagements beharrten sie ausdrücklich auf dem "Element des Spielerischen" (Tuynman), das ihre Aktionen vor dem Abgleiten in das letztlich aussichtslose Unterfangen einer "ernstgemeinten" gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem Machtapparat des politischen Systems bewahren sollte. Statt der offenen Konfrontation und der Vorstellung einer revolutionären Entscheidungsschlacht erinnerten die Handlungsmaxime der Provos eher an eine humorvoll-gewaltfreie Variante von Stadtguerillaprinzipien: Verteilen, konzentrieren, verteilen; sich nie vom Gegner die Waffen aufzwingen lassen; ihn aus der Reserve locken, zum Angriff zwingen und dann verschwinden, um ihn ins Leere laufen zu lassen.<br />
<br />
Alle diese Elemente flossen ein in die Strategie des "Provozismus", mit der die Öffentlichkeit selbst in ein großes Theater verwandelt werden sollte, in dem gerade auch die Polizei ihren Part zu spielen hatte:<br />
<br />
"Die Polizei provoziert — so wie wir — die Masse. Sie von der einen Seite, wir von der anderen. Sie sorgt dafür, dass sie Ärger unter den Menschen erweckt über ihr Auftreten und damit über die Behörde; wir versuchen diesen Ärger aufzuheizen bis zum Aufstand. Ausgesprochen günstig ist dabei, dass die Polizei sich unmittelbar aus ihrem Versteck locken lässt, wenn wir das wünschen. Wir brauchen uns eben nur auf die Straße zu setzen (...), ein paar Blumen vor ein Denkmal legen (...) Vor den Augen der entsetzten Öffentlichkeit schlägt sie dann auf friedliche Demonstranten ein. Einen besseren Werbetrommler für unsere Sache kann man sich doch gar nicht wünschen (...) Durch Provokationen müssen wir die Autoritäten zwingen, sich bloßzustellen (...) So werden sie sich mehr und mehr unpopulär machen und die Menschen reif für den Anarchismus. So kann wieder ein revolutionäres Klima entstehen (...)." (Van Duyn 1983)<br />
<br />
In der Tat hatte es die Obrigkeit sehr schwer, gegen diese Flut von Kreativität anzutreten. Mit ihren öffentlichkeitswirksamen Protestspektakeln, von denen Amsterdam besonders 1966 fast täglich erschüttert wurde, durchbrachen die Provos das scheinbar so wohl geregelte Ritual alltäglicher Politik, Administration und Herrschaft. Höhepunkte waren zweifellos die von der halben Welt live am Fernsehschirm mitverfolgten Demonstrationen am 10. März 1966 gegen die Heirat der niederländischen Kronprinzessin Beatrix mit dem ehemaligen Panzergrenadier in Hitlers Wehrmacht, Claus von Amsberg, sowie der von den Provos aktiv mitgetragene Amsterdamer Bauarbeiteraufstand am 13. / 14. Juni 1966, der von der holländischen Regierung nur durch ein starkes Kontingent von Militär und Reichspolizei unterdrückt werden konnte. Dabei waren es gerade die blindwütig-intoleranten Reaktionen der völlig verunsicherten Polizei und Justiz, welche die Situation immer weiter eskalieren ließen und die städtischen Behörden bei nicht unbeträchtlichen Teilen der Bevölkerung derart in Verruf brachten, dass schließlich Polizeipräsident und Bürgermeister ihren Hut nehmen mussten.<br />
<br />
Bei der Herausbildung der theoretischen Positionen des Provo-Anarchismus hatten in den frühen 60er Jahren die (alt-)anarchistischen Zeitschriften "De Vrije" und "Buiken de Perken" eine wichtige Rolle gespielt. Jedoch gingen die Wortführer der sog. "philosophischen Richtung" der Amsterdamer Provos bald ihre eigenen Wege. Sie waren zur Einsicht gelangt, dass die traditionellen, auf die Arbeiterschaft ausgerichteten Methoden der anarchistischen Bewegung sich in den modernen westlichen Gesellschaften als untauglich erweisen mussten. Aufgrund der Integration der Arbeiterbewegung in den Wohlfahrtsstaat sei einzig noch die Jugend für Rebellion und Protest zu gewinnen. Daher sei an die Stelle des Proletariats als Träger revolutionärer Kraft heutzutage das "Provotariat" getreten. Unter diesem Begriff subsumierten die Provos die verschiedenen Fraktionen der subkulturellen Jugendprotestbewegung, die sich alle bereits auf ihre eigene, aber mehr oder weniger ziellos-unpolitische Weise gegen die bestehende Gesellschaft und ihre Normen auflehnten.<br />
Das in dieser "anonymen Menge subversiver Elemente" brachliegende Potential an angestauter Aggressivität und an "anarchistischem Instinkt" wollten die Provos "(...) zu bewusstem Anarchismus sublimieren" (Duco van Weerlee, zit. bei Hollstein 1982) und in den aktiven Widerstand gegen Staat und Autorität vereinen. Ihre Avantgardefunktion begriffen sie jedoch weniger im Sinne einer autoritären Führung der "Massen", sondern mehr als individuelle "Verführung" zu selbständiger Initiative. D. h., die Provos beschränkten sich bewusst darauf, als kreative Kerne innerhalb der Protestbewegung diese voranzutreiben.<br />
<br />
Dabei beriefen sie sich nicht nur auf die Revolutionstheorien [[Bakunin, Michail Aleksandrovič|Michael Bakunins]], sondern "mit unsere(n) Genossen Domela Nieuwenhuis, Bart de Ligt, Rudolf de Jong und andere (...)" (Van Duyn 1983) auch auf die anarchistische Tradition im eigenen Land. Unter Bezugnahme auf die anarchistischen bzw. anarchosyndikalistischen Modelle in der Ukraine (der Machnow-Bewegung 1917-1921) und während der Spanischen Revolution (1936-1939) entwarfen die Provos das Bild einer anarchistischen Gesellschaftsalternative.<br />
<br />
Bestimmend war für sie dabei vor allem ihr Glaube an die emanzipatorischen Potentiale der fortschreitenden Automatisierung. Diese würde die Bedingungen dafür schaffen, dass die Individuen, von keinerlei Befehlen, Gesetzen und Tabus mehr in ihrer persönlichen Entfaltung behindert, sich neben der "kollektiven Politik (...) (ausschließlich) der Muße (...), der Kreativität (...) (und dem) totalen Spieltrieb (widmen könnten"(Constantin Nieuwenhuys, zit. bei: Hollstein 1982)<br />
"Im kommenden kybernetischen Zeitalter werden Volkscomputer die Verwaltungsfunktionen übernehmen, die bisher ständig als Vorwand für die Existenz der Politiker herhalten mussten. In der kybernetischen Gesellschaft, dezentralisiert in kleinere Gemeinschaften, soll wirkliche Demokratie verwirklicht werden." (Van Duyn 1983)<br />
<br />
Das gehörige Maß an dadaistischer Verfremdung und selbstironischem Witz, mit dem die Provos ihre Vorstellungen vortrugen, korrespondierte mit dem allgemeinen subkulturellen Lebensgefühl der aufbrechenden Jugend und trug damit entscheidend zum Erfolg ihrer anarchistischen Propaganda gerade in diesen Kreisen bei: Neben unzähligen Plakaten, Cartoons, Manifesten und Slogans "(...) gab es z. B. 15 Auflagen einer oft schlecht gedruckten Zeitung (`Provo´ erstmals am 12.07. 1965 erschienen und zeitweilig eine Auflage von immerhin 25.000 Exemplaren erreichend), die ihre Leser aufforderte, einen Verkehrstunnel in die Luft zu jagen; (oder) die Neuauflage eines alten Flugblattes `Der praktische Anarchist´, das recht unpraktische Hinweise zur Herstellung von Seeminen gab, die in die Weihwassertaufbecken der Kirchen gelegt werden sollten (...)." (de Jong)<br />
<br />
Die Macht, welche die Provos nach außen nicht erlangen wollten — "Wir haben keine Macht und wir wollen keine Macht, denn Macht korrumpiert." (Bernhard de Vries, zit. bei Hollstein 1982) —, lehnten sie auch in ihren Binnenstrukturen radikal ab. Was von außen als homogene und relativ schlagkräftige Organisation erschien, war in Wirklichkeit eine ebenso bunte wie heterogene Menge ähnlich gesinnter Jugendlicher ohne Führung, Hierarchie, Apparat oder Hauptquartier. Die Provos stammten aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, mehrheitlich aber aus dem Mittelklasse-Milieu, wobei insbesondere die große Beteiligung von Studenten auffiel. Weit verbreitete Lebensform waren die durchschnittlich drei- bis zwölfköpfigen "Provo-Kommunen".<br />
<br />
Da sich zu keinem Zeitpunkt der Zusammenhalt der Bewegung in festen Organisationsstrukturen institutionalisierte, entwickelten sich auch die Aktionen und Happenings der Provos stets spontan aus den jeweiligen Situationen. In anarchistischer Pluralität entwickelten die verschiedenen kleinen Provo-Gruppen jeweils eigene Strategien für eine Aktion, die dann meist (ohne Absprache) in eine aus dem Augenblick geborene Gesamtstrategie aller Gruppen einmündete.<br />
<br />
[[Bild:Provos witfiets plan.jpg|thumb|left|360px|Einweihung des ersten "weißen Fahrrads" im Rahmen des Weißen Fahrradplans der Amsterdamer Provos am 28. Juli 1965]]<br />
Schon auf dem Höhepunkt ihrer Popularität begannen die Provos sich an der Frage der zukünftig einzuschlagenden politischen Strategie zu spalten. Gegen den Widerstand des radikalen, auf dem anarchistischen Antiparlamentarismus beharrenden Flügels, konnten sich schließlich die "Revisionisten" zugunsten der Beteiligung an den Wahlen zum Amsterdamer Stadtparlament durchsetzen. Im Wahlkampf traten sie mit einer Reihe "Weißer Pläne" an die Öffentlichkeit. Anknüpfend an die schon seit längerem in Provo-Kreisen geführte Ökologiediskussion sollten diese nicht nur praktische Lösungen für konkrete kommunalpolitische Probleme und soziale Bedürfnisse anbieten, sondern auch Möglichkeiten einer ökologischen und basisdemokratischen Stadtpolitik aufzeigen: Der von den Provos auch praktisch umgesetzte "Weiße Fahrradplan" sollte dem Verkehrschaos in Amsterdam durch die kostenlose Bereitstellung weiß angestrichener Fahrräder ein Ende machen und den Auftakt zur Ersetzung des privaten Autoverkehrs in der Innenstadt durch einen groß angelegten und unentgeltlichen öffentlichen Verkehrsbetrieb bilden. "Der Weiße Schornsteinplan" sollte die Industrie zu Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung zwingen. Während "Der Weiße Hühnchenplan" die Entwaffnung der Polizisten und ihre Umschulung zu Sozialarbeitern vorsah, sollte der Wohnungsnot über den "Weißen Wohnungsplan" mit Besetzungen und Ingebrauchnahme leerstehenden Wohnraumes begegnet werden. "Der Weiße Frauenplan" schließlich forderte die Eröffnung von Büros für sexuelle Aufklärung und Beratung.<br />
<br />
Am 1. Juni 1966 stimmten 13.000 oder 2,5 % der Amsterdamer Bürger für dieses konstruktive Programm, was den Provos einen Sitz in der Gemeindevertretung einbrachte. Trotz oder vielmehr gerade wegen dieses Achtungserfolges schritt der interne Spaltungsprozess der Amsterdamer Provos während der nächsten Monate jedoch rapide voran. Die sich immer weiter zuspitzenden Differenzen zwischen dem reformistischen und dem radikalen Flügel führten schließlich dazu, dass sich die Bewegung ab Frühjahr 1967 allmählich wieder in die einzelnen voneinander isolierten Strömungen auflöste, aus denen sie zwei Jahre zuvor entstanden war. "Offiziell" dokumentiert wurde diese Entwicklung schließlich im Herbst 1967, als auf einer großen Provo-Versammlung in Amsterdam die Bewegung sich selbst zu Grabe trug:<br />
<br />
"Das Provotariat geht; die Jugend bleibt. Hinter dieser Formulierung verbarg sich die Intention, den Namen und das Etikett `Provo´ aufzugeben, um Neues zu suchen und zu versuchen." (Hollstein 1982)<br />
Entsprechend betrieb der politisch engagierteste Teil der ehemaligen Amsterdamer Provos um Roel van Duyn — einem zeitgenössischen Pressebericht zufolge — auch weiterhin "anarchistische Untergrundaktivitäten" (zit. bei J. Schmück, Nachwort zu: Van Duyn, 1983) und hatte starken Einfluss auf die 1970 entstehende Kabouter- und Kraaker-Bewegung.<br />
<br />
== Internationale Verbreitung ==<br />
<br />
Aber nicht allein in Amsterdam oder im übrigen Holland waren die Provos angetreten, um die bürgerliche Ordnung zu durchbrechen. In den Jahren 1966 / 67 griff die Provo-Bewegung auch auf fast alle europäischen Länder, ja selbst auf die USA, über und trat in Wechselbeziehung zur dortigen Subkultur und Protestbewegung.<br />
<br />
Im deutschen Sprachraum hatten die Mitglieder der Berliner "Kommune 1" als erste eine breitere Öffentlichkeit mit der Provo-Strategie bekannt gemacht. Zur eigentlichen Provo-Zentrale für die BRD und Westberlin wurde jedoch Frankfurt am Main. Hier waren die ersten Provos im Herbst 1966 aus der Gammler-Bewegung gekommen. Bis Frühjahr 1967 war die Gruppe auf ca. 30 Personen angewachsen. Bald hatten sich auch Lehrlinge, Schüler und Studenten angeschlossen und damit begonnen, "Peng - Zeitung für Provos und Linkssexuelle" herauszugeben. Aus der Gegnerschaft gegen alle Autoritäten ergab sich die Wahlverwandtschaft mit anderen sich als antiautoritär deklarierenden Organisationen innerhalb der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO), die im Frühjahr 1967 auch zu verschiedenen gemeinsamen Demonstrationen und Aktionen der Frankfurter Provos mit der "Kampagne für Demokratie und Abrüstung" und dem "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS) führte.<br />
<br />
== Stellenwert der Provos innerhalb des libertären Spektrums und kritische Gesamteinschätzung ==<br />
<br />
Was der politischen Aufklärungsarbeit oppositioneller Gruppen in den Niederlanden während Jahrzehnten nicht gelungen war, brachten die Ideen und Aktionen der Amsterdamer Provos innerhalb weniger Monate fertig: Ihre permanenten Provokationen demaskierten lang kaschierte Fehlentwicklungen und Missstände, bewirkten, dass die Grundlagen von Staat und Gesellschaft in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses rückten und Tabus plötzlich diskutiert wurden. Dieser emanzipatorische Einfluss überdauerte ihr Ende als Bewegung und blieb in der weiteren Entwicklung der holländischen Alternativkultur deutlich spürbar: Die Provos legten den Grundstein für das Entstehen eines ökologischen Bewusstseins und entschieden feministischer Positionen, für einen neuen Umgang mit Problemen der Sexualität und für ein wirkliches Interesse an Fragen der Stadtentwicklung. Alle diese vorwärtsweisenden Konzepte waren eingebettet in den Versuch einer zeitgemäßen Neuschöpfung des Anarchismus aus dem Geiste jugendlicher Subkultur heraus.<br />
<br />
Zwar waren ältere Anarchisten, die Kontakt mit den Amsterdamer Provos suchten, oft geradezu verzweifelt über deren Mangel an theoretischem Interesse und theoretischer Kenntnis. Dennoch brachte die Provo-Bewegung anarchistische Ideen erstmalig für die Nachkriegszeit wieder in Verbindung mit einer vitalen sozialen Bewegung und verhalf dem Anarchismus damit zu einer gesellschaftspolitisch relevanten Resonanz, wie sie es in Holland seit den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hatte. Daher ist [[Benutzer:Jochen_S|J. Schmücks]] These zuzustimmen, daß "Provo (...) den Beginn einer neuen anarchistischen Bewegung in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg (markierte)." (Nachwort zu Van Duyn 1983)<br />
<br />
Auch in Deutschland hinterließen die Aktionen und Proklamationen der dortigen Provos, ebenso wie die international verbreiteten Manifeste ihrer holländischen Gesinnungsgenossen nachhaltige Spuren: Das von den Provos entwickelte Ausmaß an Phantasie, Witz und neuem Strategiearsenal, und nicht zuletzt ihre anarchismusfreundlichen Positionen gaben der APO und Studentenbewegung, damit aber auch dem [[Anarchismus, Neo- | Neo-Anarchismus]] in der BRD und Westberlin wichtige Impulse.<br />
<br />
Ein Artikel aus der deutschen Provo-Zeitschrift "Peng" (Nr. 2 / 1967) macht jedoch die Grenzen deutlich, die von vornherein in der Provo-Taktik angelegt waren und an die früher oder später auch die von den Provos stimulierten Protestformen von APO und Studentenbewegung stoßen mussten:<br />
"Und der Provo muss demonstrieren (...), damit seine Weltanschauung groß und bekannt wird. Eine Weltanschauung groß und bekannt machen — das können nur ihre Gegner. Auf nichts ist der Provo daher so angewiesen, wie auf die Polizei und die gegnerische Presse (...)." (zit. bei: Kosel)<br />
<br />
Diese einseitige Fixierung auf die Reaktionen des Gegners musste sich in Deutschland langfristig umso fataler auswirken, als ihr hier eine konstruktive Entsprechung — etwa in der Art, wie sie die Amsterdamer Provos in ihrem Programm versucht hatten — fehlte: Sobald Staat, Massenmedien und das breite Publikum sich an Happenings und Manifestationen gewöhnt hatten, zunehmend unempfindlich für die Schocktherapie der Bewegung geworden waren, und diese daher nicht mehr die Titelseiten der Presse und die Fernsehnachrichten dominierte, musste sich die Provokationsstrategie mehr und mehr totlaufen. Der zum reinen Selbstzweck gewordene "Provozismus" war dann letztlich nichts mehr als ein in das Repertoire des Systems integriertes und beliebig kommerzialisierbares "buntes" Beiwerk.<br />
Unter dem Eindruck dieser Entwicklung zog H.-P. Ernst, der Vordenker der deutschen Provos, im März 1968 folgende abschließende Bilanz:<br />
<br />
"Die Provos sind tot, weil ihr bewusstester Teil Provo als die abgeschlossene Phase einer revolutionären Entwicklung begreift. Heute (...) haben spektakuläre Aktionen der Provos keine politische Funktion mehr." (Ernst)<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
* D. Cohn-Bendit: Wir haben sie so geliebt, die Revolution, Frankfurt / M. 1987<br />
* R. de Jong: Provos und Kabouter, in: Unter dem Pflaster liegt der Strand, Bd. 2 (hg. v. H.-P. Duerr), 2. Aufl., Berlin 1980<br />
* H.-P. Ernst: Die Provos sind tot. Es lebe die Revolution! in: Strategie und Organisationsfrage in der antiautoritären Bewegung. Eine Dokumentation. Materialsammlung Nr. 1, (hg. v. H. Martin) Darmstadt 1970<br />
* W. Essbach / J. Gutmann / B. u. U. Jany / U. Kreuzer: Yippies und Provos: Anarchistische Momente in der hedonistischen Linken, in: D. Kerbs (Hg.), Die hedonistische Linke. Beiträge zur Subkultur-Debatte, Wien 1974<br />
* J. Harn: Brief an einen Berliner Freund, v. 1. 9. 1966<br />
* M. Henning / R. Raasch: Neoanarchismus in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der antiautoritären Linken, Stuttgart 2016<br />
* W. Hollstein: Der Untergrund. Zur Soziologie jugendlicher Protestbewegungen, Neuwied u. Berlin 1969<br />
* W. Hollstein: Die Gegengesellschaft. Alternative Lebensformen, 2. Aufl., Reinbek b. Hamburg 1982<br />
* G. Kaubisch: Provos. Interview mit Rob Stolk, in: J. Gehret (Hg.), Gegenkultur Heute. Die Alternativbewegung von Woodstock bis Tunix, Amsterdam 1979<br />
* M. Kosel: Gammler Beatniks Provos. Die schleichende Revolution, Frankfurt / M. 1967<br />
* W. Kraushaar: Die 68er Bewegung international. Eine illustrierte Chronik. 4 Bände, Stuttgart 2018<br />
* "Provos. Knüppel aus dem Sack", in: Der Spiegel, Nr. 13, Hamburg, 20. März 1967<br />
* H. Tuynman: Ich bin ein Provo. Das permanente Happening, Darmstadt 1967<br />
* R. Van Duyn: Die Botschaft eines weisen Heinzelmännchens. Das politische Konzept der Kabouter. Eine Betrachtung über das philosophische Werk von Peter Kropotkin in Verbindung mit der heutigen Wahl zwischen Katastrophe und Heinzelmännchenstadt, Wuppertal 1971<br />
* R. Van Duyn: Provo. Einleitung ins provozierende Denken, anarchistische texte 30, Berlin 1983<br />
* R. Van Duyn: Der Vordenker von Provo war seiner Zeit weit voraus - und steckt immer noch voller Ideen. Ein Interview mit Roel Van Duyn, Juni 2020, in: espero (N.F.), Nr. 2 (Januar 2021) <br />
<br />
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<br />
'''Autor: [[Markus_H|Markus Henning]]'''<br />
<br />
Endredaktion am 09.02.2021<br />
<br />
{{Vorlage: ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Provos&diff=17751Provos2021-02-09T10:37:03Z<p>Rolf R: </p>
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<div>'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
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[[Bild:Provo-Zeitschrift.jpg|thumb|right|240px|"PROVO", das Organ der Provos (Extrausgabe)]]<br />
== Historische Tradition und Entwicklungsgeschichte ==<br />
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Die Bewegung der Provos entstand während der 1960er Jahre in den Niederlanden. Sie war Bestandteil der allgemeinen antiautoritären Jugendrevolte, die sich — zunächst ausgehend von den USA — seit dem Ende der 1950er Jahre in einer ungeheuren soziokulturellen Vielfalt in allen westlichen und z.T. auch in den östlichen Industrienationen ausgebreitet hatte. Innerhalb der so entstandenen jugendlichen Subkultur, die ein breites Spektrum von diffusen Protesthaltungen bis hin zu bewussten gegenkulturellen Emanzipationsbewegungen umfasste, nahmen die Provos eine Sonderstellung ein: Nicht nur, dass sie — wie etwa die US-amerikanischen "Yippies" — die "reine" individuelle Selbstbefreiung der eher unpolitischen Strömungen (z. B. "Gammler" und "Hippies") mit dem bewussten Kampf um soziale Befreiung verbanden. Darüber hinaus beriefen sie sich auch entschieden und eindeutig auf einen aktualisierten Anarchismus. So heißt es in einem 1965 erschienenen Manifest:<br />
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"Provo betrachtet den [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes|Anarchismus]] als die inspirierende Quelle des Aufstands. Provo will den traditionellen Anarchismus erneuern und unter der Jugend verbreiten." (Van Duyn 1983)<br />
Begonnen hatte es Anfang der 1960er Jahren in der Amsterdamer Innenstadt mit regelmäßigen avantgardistischen Happenings junger Künstler um den Fensterputzer und Magier Robert Jasper Grootveld. Ihr Ziel war die Suche nach neuen Kommunikationsmethoden, um ihren Mitmenschen zu anderen Formen der Beteiligung am öffentlichen Leben zu verhelfen. Die Gegensätze zwischen jugendlicher Kreativität und autoritären Gesellschaftsstrukturen, die in der ablehnenden Haltung der Amsterdamer Spießbürger ebenso deutlich wurden, wie in den zunehmenden Polizeiübergriffen, sorgten jedoch bald für eine weitergehende Politisierung der "Happeners". Entscheidenden Einfluss auf diesen Prozess nahm ein Kreis junger Arbeiter und Studenten, der sich — aus der Anti-Atomtod-Bewegung kommend — um den Philosophiestudenten und anarchistischen Verleger Roel van Duyn zusammengeschlossen hatte und im April 1965 zu der Grootveld-Gruppe gestoßen war. Nicht zuletzt dank ihrer Initiative erweiterten sich die anfänglich harmlosen Manifestationen schnell zu rebellischen Massenaktionen, in die immer weitere Kreise der Jugendprotestbewegung hineingezogen wurden. Mit dem Namen "Provo" übernahm die Bewegung schließlich ein ihr von außen auferlegtes Etikett: Der niederländische Soziologe Wouters Buikhuisen hatte in seiner Doktorarbeit über Analyse und Deutung der Halbstarkenphänomene den Begriff als Abkürzung für Provokateure geprägt. Den eigentlichen politischen Inhalt für dieses Wort gaben die Provos später durch ihre Aktionen selbst.<br />
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== Programmatik, Organisation und Praxis ==<br />
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Was den Amsterdamer Provos während ihrer Hochzeit in den Jahren 1965 / 66 internationale Aufmerksamkeit und Bewunderung einbrachte, war der Umstand, dass es ihnen — quasi über Nacht — gelungen war, eine saturierte und restaurativ-erstarrte Gesellschaft des Wohlstandes und der Langeweile durch die Verbreitung von Unruhe und Aufbegehren in ihren Grundfesten zu erschüttern. Außerordentliche Kreativität und innovative Phantasie bei der Entwicklung neuer und wirkungsvoller Methoden des politischen Protestes waren das Rezept ihres zeitlich befristeten, aber dafür umso intensiveren Erfolges.<br />
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Wo die ritualisierten Politikformen der traditionellen Linken längst dazu verurteilt waren, ungehört und wirkungslos ins Leere zu laufen, verbanden die Provos unorthodoxe Ideen und verschiedene Traditionslinien des rebellischen Geistes in einem raffiniertaufrüttelnden Aktionismus zu einer explosiven Synthese: Mit der Methode der spektakulären Demonstration und des ironisch spöttischen Protestes im "Till Eulenspiegel"-Stil griffen sie bewusst auf einen Teil der holländischen Nationalkultur zurück. Beim Dadaismus und der zeitgenössischen Jugendkultur machten sie Anleihen für eine spezifische Ästhetisierung der politischen Aktion — indem sie "das Zeitalter der Pol-Art", "das permanente Happening" (Tuynman) oder die "Kollektive Kreativität" (Harn) proklamierten, versuchten sie die Grenze zwischen Politik und Kunst aufzuheben; bei den Provos wurden Versammlungen zu Kostümfesten, Pressekonferenzen zu Zirkusveranstaltungen und Demonstrationen zum Theater. Bei aller Entschiedenheit ihres politisch-praktischen Engagements beharrten sie ausdrücklich auf dem "Element des Spielerischen" (Tuynman), das ihre Aktionen vor dem Abgleiten in das letztlich aussichtslose Unterfangen einer "ernstgemeinten" gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem Machtapparat des politischen Systems bewahren sollte. Statt der offenen Konfrontation und der Vorstellung einer revolutionären Entscheidungsschlacht erinnerten die Handlungsmaxime der Provos eher an eine humorvoll-gewaltfreie Variante von Stadtguerillaprinzipien: Verteilen, konzentrieren, verteilen; sich nie vom Gegner die Waffen aufzwingen lassen; ihn aus der Reserve locken, zum Angriff zwingen und dann verschwinden, um ihn ins Leere laufen zu lassen.<br />
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Alle diese Elemente flossen ein in die Strategie des "Provozismus", mit der die Öffentlichkeit selbst in ein großes Theater verwandelt werden sollte, in dem gerade auch die Polizei ihren Part zu spielen hatte:<br />
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"Die Polizei provoziert — so wie wir — die Masse. Sie von der einen Seite, wir von der anderen. Sie sorgt dafür, dass sie Ärger unter den Menschen erweckt über ihr Auftreten und damit über die Behörde; wir versuchen diesen Ärger aufzuheizen bis zum Aufstand. Ausgesprochen günstig ist dabei, dass die Polizei sich unmittelbar aus ihrem Versteck locken lässt, wenn wir das wünschen. Wir brauchen uns eben nur auf die Straße zu setzen (...), ein paar Blumen vor ein Denkmal legen (...) Vor den Augen der entsetzten Öffentlichkeit schlägt sie dann auf friedliche Demonstranten ein. Einen besseren Werbetrommler für unsere Sache kann man sich doch gar nicht wünschen (...) Durch Provokationen müssen wir die Autoritäten zwingen, sich bloßzustellen (...) So werden sie sich mehr und mehr unpopulär machen und die Menschen reif für den Anarchismus. So kann wieder ein revolutionäres Klima entstehen (...)." (Van Duyn 1983)<br />
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In der Tat hatte es die Obrigkeit sehr schwer, gegen diese Flut von Kreativität anzutreten. Mit ihren öffentlichkeitswirksamen Protestspektakeln, von denen Amsterdam besonders 1966 fast täglich erschüttert wurde, durchbrachen die Provos das scheinbar so wohl geregelte Ritual alltäglicher Politik, Administration und Herrschaft. Höhepunkte waren zweifellos die von der halben Welt live am Fernsehschirm mitverfolgten Demonstrationen am 10. März 1966 gegen die Heirat der niederländischen Kronprinzessin Beatrix mit dem ehemaligen Panzergrenadier in Hitlers Wehrmacht, Claus von Amsberg, sowie der von den Provos aktiv mitgetragene Amsterdamer Bauarbeiteraufstand am 13. / 14. Juni 1966, der von der holländischen Regierung nur durch ein starkes Kontingent von Militär und Reichspolizei unterdrückt werden konnte. Dabei waren es gerade die blindwütig-intoleranten Reaktionen der völlig verunsicherten Polizei und Justiz, welche die Situation immer weiter eskalieren ließen und die städtischen Behörden bei nicht unbeträchtlichen Teilen der Bevölkerung derart in Verruf brachten, dass schließlich Polizeipräsident und Bürgermeister ihren Hut nehmen mussten.<br />
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Bei der Herausbildung der theoretischen Positionen des Provo-Anarchismus hatten in den frühen 60er Jahren die (alt-)anarchistischen Zeitschriften "De Vrije" und "Buiken de Perken" eine wichtige Rolle gespielt. Jedoch gingen die Wortführer der sog. "philosophischen Richtung" der Amsterdamer Provos bald ihre eigenen Wege. Sie waren zur Einsicht gelangt, dass die traditionellen, auf die Arbeiterschaft ausgerichteten Methoden der anarchistischen Bewegung sich in den modernen westlichen Gesellschaften als untauglich erweisen mussten. Aufgrund der Integration der Arbeiterbewegung in den Wohlfahrtsstaat sei einzig noch die Jugend für Rebellion und Protest zu gewinnen. Daher sei an die Stelle des Proletariats als Träger revolutionärer Kraft heutzutage das "Provotariat" getreten. Unter diesem Begriff subsumierten die Provos die verschiedenen Fraktionen der subkulturellen Jugendprotestbewegung, die sich alle bereits auf ihre eigene, aber mehr oder weniger ziellos-unpolitische Weise gegen die bestehende Gesellschaft und ihre Normen auflehnten.<br />
Das in dieser "anonymen Menge subversiver Elemente" brachliegende Potential an angestauter Aggressivität und an "anarchistischem Instinkt" wollten die Provos "(...) zu bewusstem Anarchismus sublimieren" (Duco van Weerlee, zit. bei Hollstein 1982) und in den aktiven Widerstand gegen Staat und Autorität vereinen. Ihre Avantgardefunktion begriffen sie jedoch weniger im Sinne einer autoritären Führung der "Massen", sondern mehr als individuelle "Verführung" zu selbständiger Initiative. D. h., die Provos beschränkten sich bewusst darauf, als kreative Kerne innerhalb der Protestbewegung diese voranzutreiben.<br />
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Dabei beriefen sie sich nicht nur auf die Revolutionstheorien [[Bakunin, Michail Aleksandrovič|Michael Bakunins]], sondern "mit unsere(n) Genossen Domela Nieuwenhuis, Bart de Ligt, Rudolf de Jong und andere (...)" (Van Duyn 1983) auch auf die anarchistische Tradition im eigenen Land. Unter Bezugnahme auf die anarchistischen bzw. anarchosyndikalistischen Modelle in der Ukraine (der Machnow-Bewegung 1917-1921) und während der Spanischen Revolution (1936-1939) entwarfen die Provos das Bild einer anarchistischen Gesellschaftsalternative.<br />
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Bestimmend war für sie dabei vor allem ihr Glaube an die emanzipatorischen Potentiale der fortschreitenden Automatisierung. Diese würde die Bedingungen dafür schaffen, dass die Individuen, von keinerlei Befehlen, Gesetzen und Tabus mehr in ihrer persönlichen Entfaltung behindert, sich neben der "kollektiven Politik (...) (ausschließlich) der Muße (...), der Kreativität (...) (und dem) totalen Spieltrieb (widmen könnten"(Constantin Nieuwenhuys, zit. bei: Hollstein 1982)<br />
"Im kommenden kybernetischen Zeitalter werden Volkscomputer die Verwaltungsfunktionen übernehmen, die bisher ständig als Vorwand für die Existenz der Politiker herhalten mussten. In der kybernetischen Gesellschaft, dezentralisiert in kleinere Gemeinschaften, soll wirkliche Demokratie verwirklicht werden." (Van Duyn 1983)<br />
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Das gehörige Maß an dadaistischer Verfremdung und selbstironischem Witz, mit dem die Provos ihre Vorstellungen vortrugen, korrespondierte mit dem allgemeinen subkulturellen Lebensgefühl der aufbrechenden Jugend und trug damit entscheidend zum Erfolg ihrer anarchistischen Propaganda gerade in diesen Kreisen bei: Neben unzähligen Plakaten, Cartoons, Manifesten und Slogans "(...) gab es z. B. 15 Auflagen einer oft schlecht gedruckten Zeitung (`Provo´ erstmals am 12.07. 1965 erschienen und zeitweilig eine Auflage von immerhin 25.000 Exemplaren erreichend), die ihre Leser aufforderte, einen Verkehrstunnel in die Luft zu jagen; (oder) die Neuauflage eines alten Flugblattes `Der praktische Anarchist´, das recht unpraktische Hinweise zur Herstellung von Seeminen gab, die in die Weihwassertaufbecken der Kirchen gelegt werden sollten (...)." (de Jong)<br />
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Die Macht, welche die Provos nach außen nicht erlangen wollten — "Wir haben keine Macht und wir wollen keine Macht, denn Macht korrumpiert." (Bernhard de Vries, zit. bei Hollstein 1982) —, lehnten sie auch in ihren Binnenstrukturen radikal ab. Was von außen als homogene und relativ schlagkräftige Organisation erschien, war in Wirklichkeit eine ebenso bunte wie heterogene Menge ähnlich gesinnter Jugendlicher ohne Führung, Hierarchie, Apparat oder Hauptquartier. Die Provos stammten aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, mehrheitlich aber aus dem Mittelklasse-Milieu, wobei insbesondere die große Beteiligung von Studenten auffiel. Weit verbreitete Lebensform waren die durchschnittlich drei- bis zwölfköpfigen "Provo-Kommunen".<br />
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Da sich zu keinem Zeitpunkt der Zusammenhalt der Bewegung in festen Organisationsstrukturen institutionalisierte, entwickelten sich auch die Aktionen und Happenings der Provos stets spontan aus den jeweiligen Situationen. In anarchistischer Pluralität entwickelten die verschiedenen kleinen Provo-Gruppen jeweils eigene Strategien für eine Aktion, die dann meist (ohne Absprache) in eine aus dem Augenblick geborene Gesamtstrategie aller Gruppen einmündete.<br />
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[[Bild:Provos witfiets plan.jpg|thumb|left|360px|Einweihung des ersten "weißen Fahrrads" im Rahmen des Weißen Fahrradplans der Amsterdamer Provos am 28. Juli 1965]]<br />
Schon auf dem Höhepunkt ihrer Popularität begannen die Provos sich an der Frage der zukünftig einzuschlagenden politischen Strategie zu spalten. Gegen den Widerstand des radikalen, auf dem anarchistischen Antiparlamentarismus beharrenden Flügels, konnten sich schließlich die "Revisionisten" zugunsten der Beteiligung an den Wahlen zum Amsterdamer Stadtparlament durchsetzen. Im Wahlkampf traten sie mit einer Reihe "Weißer Pläne" an die Öffentlichkeit. Anknüpfend an die schon seit längerem in Provo-Kreisen geführte Ökologiediskussion sollten diese nicht nur praktische Lösungen für konkrete kommunalpolitische Probleme und soziale Bedürfnisse anbieten, sondern auch Möglichkeiten einer ökologischen und basisdemokratischen Stadtpolitik aufzeigen: Der von den Provos auch praktisch umgesetzte "Weiße Fahrradplan" sollte dem Verkehrschaos in Amsterdam durch die kostenlose Bereitstellung weiß angestrichener Fahrräder ein Ende machen und den Auftakt zur Ersetzung des privaten Autoverkehrs in der Innenstadt durch einen groß angelegten und unentgeltlichen öffentlichen Verkehrsbetrieb bilden. "Der Weiße Schornsteinplan" sollte die Industrie zu Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung zwingen. Während "Der Weiße Hühnchenplan" die Entwaffnung der Polizisten und ihre Umschulung zu Sozialarbeitern vorsah, sollte der Wohnungsnot über den "Weißen Wohnungsplan" mit Besetzungen und Ingebrauchnahme leerstehenden Wohnraumes begegnet werden. "Der Weiße Frauenplan" schließlich forderte die Eröffnung von Büros für sexuelle Aufklärung und Beratung.<br />
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Am 1. Juni 1966 stimmten 13.000 oder 2,5 % der Amsterdamer Bürger für dieses konstruktive Programm, was den Provos einen Sitz in der Gemeindevertretung einbrachte. Trotz oder vielmehr gerade wegen dieses Achtungserfolges schritt der interne Spaltungsprozess der Amsterdamer Provos während der nächsten Monate jedoch rapide voran. Die sich immer weiter zuspitzenden Differenzen zwischen dem reformistischen und dem radikalen Flügel führten schließlich dazu, dass sich die Bewegung ab Frühjahr 1967 allmählich wieder in die einzelnen voneinander isolierten Strömungen auflöste, aus denen sie zwei Jahre zuvor entstanden war. "Offiziell" dokumentiert wurde diese Entwicklung schließlich im Herbst 1967, als auf einer großen Provo-Versammlung in Amsterdam die Bewegung sich selbst zu Grabe trug:<br />
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"Das Provotariat geht; die Jugend bleibt. Hinter dieser Formulierung verbarg sich die Intention, den Namen und das Etikett `Provo´ aufzugeben, um Neues zu suchen und zu versuchen." (Hollstein 1982)<br />
Entsprechend betrieb der politisch engagierteste Teil der ehemaligen Amsterdamer Provos um Roel van Duyn — einem zeitgenössischen Pressebericht zufolge — auch weiterhin "anarchistische Untergrundaktivitäten" (zit. bei J. Schmück, Nachwort zu: Van Duyn, 1983) und hatte starken Einfluss auf die 1970 entstehende Kabouter- und Kraaker-Bewegung.<br />
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== Internationale Verbreitung ==<br />
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Aber nicht allein in Amsterdam oder im übrigen Holland waren die Provos angetreten, um die bürgerliche Ordnung zu durchbrechen. In den Jahren 1966 / 67 griff die Provo-Bewegung auch auf fast alle europäischen Länder, ja selbst auf die USA, über und trat in Wechselbeziehung zur dortigen Subkultur und Protestbewegung.<br />
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Im deutschen Sprachraum hatten die Mitglieder der Berliner "Kommune 1" als erste eine breitere Öffentlichkeit mit der Provo-Strategie bekannt gemacht. Zur eigentlichen Provo-Zentrale für die BRD und Westberlin wurde jedoch Frankfurt am Main. Hier waren die ersten Provos im Herbst 1966 aus der Gammler-Bewegung gekommen. Bis Frühjahr 1967 war die Gruppe auf ca. 30 Personen angewachsen. Bald hatten sich auch Lehrlinge, Schüler und Studenten angeschlossen und damit begonnen, "Peng - Zeitung für Provos und Linkssexuelle" herauszugeben. Aus der Gegnerschaft gegen alle Autoritäten ergab sich die Wahlverwandtschaft mit anderen sich als antiautoritär deklarierenden Organisationen innerhalb der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO), die im Frühjahr 1967 auch zu verschiedenen gemeinsamen Demonstrationen und Aktionen der Frankfurter Provos mit der "Kampagne für Demokratie und Abrüstung" und dem "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS) führte.<br />
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== Stellenwert der Provos innerhalb des libertären Spektrums und kritische Gesamteinschätzung ==<br />
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Was der politischen Aufklärungsarbeit oppositioneller Gruppen in den Niederlanden während Jahrzehnten nicht gelungen war, brachten die Ideen und Aktionen der Amsterdamer Provos innerhalb weniger Monate fertig: Ihre permanenten Provokationen demaskierten lang kaschierte Fehlentwicklungen und Missstände, bewirkten, dass die Grundlagen von Staat und Gesellschaft in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses rückten und Tabus plötzlich diskutiert wurden. Dieser emanzipatorische Einfluss überdauerte ihr Ende als Bewegung und blieb in der weiteren Entwicklung der holländischen Alternativkultur deutlich spürbar: Die Provos legten den Grundstein für das Entstehen eines ökologischen Bewusstseins und entschieden feministischer Positionen, für einen neuen Umgang mit Problemen der Sexualität und für ein wirkliches Interesse an Fragen der Stadtentwicklung. Alle diese vorwärtsweisenden Konzepte waren eingebettet in den Versuch einer zeitgemäßen Neuschöpfung des Anarchismus aus dem Geiste jugendlicher Subkultur heraus.<br />
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Zwar waren ältere Anarchisten, die Kontakt mit den Amsterdamer Provos suchten, oft geradezu verzweifelt über deren Mangel an theoretischem Interesse und theoretischer Kenntnis. Dennoch brachte die Provo-Bewegung anarchistische Ideen erstmalig für die Nachkriegszeit wieder in Verbindung mit einer vitalen sozialen Bewegung und verhalf dem Anarchismus damit zu einer gesellschaftspolitisch relevanten Resonanz, wie sie es in Holland seit den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hatte. Daher ist [[Benutzer:Jochen_S|J. Schmücks]] These zuzustimmen, daß "Provo (...) den Beginn einer neuen anarchistischen Bewegung in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg (markierte)." (Nachwort zu Van Duyn 1983)<br />
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Auch in Deutschland hinterließen die Aktionen und Proklamationen der dortigen Provos, ebenso wie die international verbreiteten Manifeste ihrer holländischen Gesinnungsgenossen nachhaltige Spuren: Das von den Provos entwickelte Ausmaß an Phantasie, Witz und neuem Strategiearsenal, und nicht zuletzt ihre anarchismusfreundlichen Positionen gaben der APO und Studentenbewegung, damit aber auch dem [[Anarchismus, Neo- | Neo-Anarchismus]] in der BRD und Westberlin wichtige Impulse.<br />
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Ein Artikel aus der deutschen Provo-Zeitschrift "Peng" (Nr. 2 / 1967) macht jedoch die Grenzen deutlich, die von vornherein in der Provo-Taktik angelegt waren und an die früher oder später auch die von den Provos stimulierten Protestformen von APO und Studentenbewegung stoßen mussten:<br />
"Und der Provo muss demonstrieren (...), damit seine Weltanschauung groß und bekannt wird. Eine Weltanschauung groß und bekannt machen — das können nur ihre Gegner. Auf nichts ist der Provo daher so angewiesen, wie auf die Polizei und die gegnerische Presse (...)." (zit. bei: Kosel)<br />
<br />
Diese einseitige Fixierung auf die Reaktionen des Gegners musste sich in Deutschland langfristig umso fataler auswirken, als ihr hier eine konstruktive Entsprechung — etwa in der Art, wie sie die Amsterdamer Provos in ihrem Programm versucht hatten — fehlte: Sobald Staat, Massenmedien und das breite Publikum sich an Happenings und Manifestationen gewöhnt hatten, zunehmend unempfindlich für die Schocktherapie der Bewegung geworden waren, und diese daher nicht mehr die Titelseiten der Presse und die Fernsehnachrichten dominierte, musste sich die Provokationsstrategie mehr und mehr totlaufen. Der zum reinen Selbstzweck gewordene "Provozismus" war dann letztlich nichts mehr als ein in das Repertoire des Systems integriertes und beliebig kommerzialisierbares "buntes" Beiwerk.<br />
Unter dem Eindruck dieser Entwicklung zog H.-P. Ernst, der Vordenker der deutschen Provos, im März 1968 folgende abschließende Bilanz:<br />
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"Die Provos sind tot, weil ihr bewusstester Teil Provo als die abgeschlossene Phase einer revolutionären Entwicklung begreift. Heute (...) haben spektakuläre Aktionen der Provos keine politische Funktion mehr." (Ernst)<br />
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== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
* D. Cohn-Bendit: Wir haben sie so geliebt, die Revolution, Frankfurt / M. 1987<br />
* R. de Jong: Provos und Kabouter, in: Unter dem Pflaster liegt der Strand, Bd. 2 (hg. v. H.-P. Duerr), 2. Aufl., Berlin 1980<br />
* H.-P. Ernst: Die Provos sind tot. Es lebe die Revolution! in: Strategie und Organisationsfrage in der antiautoritären Bewegung. Eine Dokumentation. Materialsammlung Nr. 1, (hg. v. H. Martin) Darmstadt 1970<br />
* W. Essbach / J. Gutmann / B. u. U. Jany / U. Kreuzer: Yippies und Provos: Anarchistische Momente in der hedonistischen Linken, in: D. Kerbs (Hg.), Die hedonistische Linke. Beiträge zur Subkultur-Debatte, Wien 1974<br />
* J. Harn: Brief an einen Berliner Freund, v. 1. 9. 1966<br />
* M. Henning / R. Raasch: Neoanarchismus in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der aniautoritären Linken, Stuttgart 2016<br />
* W. Hollstein: Der Untergrund. Zur Soziologie jugendlicher Protestbewegungen, Neuwied u. Berlin 1969<br />
* W. Hollstein: Die Gegengesellschaft. Alternative Lebensformen, 2. Aufl., Reinbek b. Hamburg 1982<br />
* G. Kaubisch: Provos. Interview mit Rob Stolk, in: J. Gehret (Hg.), Gegenkultur Heute. Die Alternativbewegung von Woodstock bis Tunix, Amsterdam 1979<br />
* M. Kosel: Gammler Beatniks Provos. Die schleichende Revolution, Frankfurt / M. 1967<br />
* W. Kraushaar: Die 68er Bewegung international. Eine illustrierte Chronik. 4 Bände, Stuttgart 2018<br />
* "Provos. Knüppel aus dem Sack", in: Der Spiegel, Nr. 13, Hamburg, 20. März 1967<br />
* H. Tuynman: Ich bin ein Provo. Das permanente Happening, Darmstadt 1967<br />
* R. Van Duyn: Die Botschaft eines weisen Heinzelmännchens. Das politische Konzept der Kabouter. Eine Betrachtung über das philosophische Werk von Peter Kropotkin in Verbindung mit der heutigen Wahl zwischen Katastrophe und Heinzelmännchenstadt, Wuppertal 1971<br />
* R. Van Duyn: Provo. Einleitung ins provozierende Denken, anarchistische texte 30, Berlin 1983<br />
* R. Van Duyn: Der Vordenker von Provo war seiner Zeit weit voraus - und steckt immer noch voller Ideen. Ein Interview mit Roel Van Duyn, Juni 2020, in: espero (N.F.), Nr. 2 (Januar 2021) <br />
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'''Autor: [[Markus_H|Markus Henning]]'''<br />
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Endredaktion am 09.02.2021<br />
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{{Vorlage: ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Organisationen|Lexikon der Anarchie: Organisationen/Bewegungen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Godwin,_William&diff=17750Godwin, William2021-02-09T10:08:50Z<p>Rolf R: </p>
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<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
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[[Bild:Godwin_William.jpg|thumb|right|240px|William Godwin (1756-1836)]]<br />
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== 1. Äußere Daten ==<br />
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'''William Godwin''', geb.: 3. März 1756 in Wisbeach, Cambridgeshire, England; gest.: 7. April 1836 in London.<br />
<br />
Godwin, politischer Philosoph und Schriftsteller der englischen Romantik, wurde in eine calvinistische Predigerfamilie hineingeboren. Unter dem Einfluss einer streng religiösen und vom radikalen Nonkonformismus der protestantischen „Dissenters“ gezeichneten Erziehung nahm Godwin 1773 das Studium der Theologie auf. Außerdem begann er, sich mit der zeitgenössischen Philosophie zu beschäftigen, deren u.a. auch religionskritischen Inhalte ihn stark beeinflussten. Schließlich gab er seine 1778 übernommene Tätigkeit als „Dissenters“-Prediger auf. Er wurde Atheist und begann, als Journalist und Privatlehrer Novellen und politische Schriften zu veröffentlichen.<br />
<br />
Entscheidend für seine geistige Entwicklung wurde der Ausbruch der französischen Revolution (1789). Godwin, der sich intensiv mit der französischen Aufklärungsphilosophie auseinandergesetzt hatte, war zunächst begeistert, fühlte sich aber bald von den autoritären Entwicklungen in Frankreich abgestoßen: Immer deutlicher traten seine Vorstellungen in Gegensatz zu jenen englischen Radikalen, die der Faszination des jakobinisch-etatistischen Revolutionsideals unterlagen.<br />
<br />
Ausfluss dieses Prozesses war sein politisches Hauptwerk „An Enquiry concerning the Principles of Political Justice, and its Influence on General Virtue and Happiness“, Erstausgabe in zwei Bänden 1793 (deutsch: „Eine Untersuchung über politische Gerechtigkeit und ihren Einfluss auf Tugend und Glück aller“ [Godwin 2004]). Ursprünglich als eine kritische Entgegnung auf Montesquieu geplant, entwickelte Godwin in diesem Werk seine politischen Ansichten zu einer Radikalität, die weit über die seiner fortschrittlichen Zeitgenossen hinausging: Es stellte die konsequenteste Zuspitzung der antikapitalistischen Bestrebungen seiner Zeit dar und gipfelte in dem Entwurf einer staatenlosen Gesellschaft auf der Grundlage absoluter Freiheit und ökonomischer Gleichheit eines jeden Individuums. Damit wurde Godwin – in den Worten seines Biographen Pierre Ramus – „... der erste wissenschaftliche Begründer des [[Anarchismus]], sein historisch erster ... Theoretiker“ [Ramus 1907, S. 80].<br />
<br />
Obwohl Godwin wesentliche theoretische Grundpositionen späterer anarchistischer Theorien antizipierte, mochte er das von ihm projektierte herrschaftsfreie Gesellschaftsmodell doch nicht mit dem Titel „Anarchie“ belegen; dem zeitgenössischen Sprachgebrauch folgend verwandte er diesen Begriff noch negativ im Sinne von Chaos und Unordnung – wenn er freilich auch der so verstandenen „Anarchie“ eindeutig den Vorzug vor dem „Despotismus“ gab.<br />
<br />
Seine „Politische Gerechtigkeit“ fand einen für damalige Verhältnisse glänzenden Absatz. Schon ein Jahr später veröffentliche Godwin sein wichtigstes literarisches Werk, „Things as They Are; or, the Adventures of Caleb Williams“, Erstausgabe in drei Bänden 1794. Rudolf Rocker charakterisierte diesen Roman folgendermaßen: Godwins „... Novelle ‚Caleb Williams oder Die Dinge, wie sie sind‘ ... bildet sozusagen den dichterischen Niederschlag der Gedanken, denen er in seinem philosophischen Hauptwerke nachgegangen war. ... Auf diese Weise entstand ein Werk mit ausgesprochen revolutionären Gedankengängen, das ganz im Geiste der Romantik geschrieben war. ... Der Roman ‚Caleb Williams‘ ... ist die Tragödie der Gesetze, in seinem tiefsten Sinne die Tragödie der Macht im allgemeinen“ [Rocker 1931, S. VI – VIII].<br />
<br />
Neben einem großen Publikumserfolg hatte „Caleb Williams“ auch einen nachhaltigen Einfluss auf die englische Literatur. In den neunziger Jahren machte sich Godwin einen Namen durch heftige publizistische Attacken und erfolgreich durchgeführte Pressekampagnen gegen die englische Regierung der großbürgerlichen Whigs, die mittels scharfer innenpolitischer Repression den von Frankreich herübergewehten Geist der Revolution zu ersticken suchte.<br />
<br />
1797 heiratete Godwin die bekannte Schriftstellerin und erste Frauenrechtlerin Englands, Mary Wollstonecraft. Dieser formale Eheschluss war eine Konzession an die puritanisch-prüde Moral ihrer Zeit – waren sich doch beide in der entschiedenen Ablehnung der Institution Ehe als Einschränkung der freien Entfaltung der Verheirateten einig. Dementsprechend betrachteten sich Godwin und seine Frau auch weiterhin als ungebundene und völlig autonome Individuen. Noch in demselben Jahr allerdings fand diese Beziehung mit dem Tod von Mary Wollstonecraft ihr jähes Ende. Von diesem Schicksalsschlag erholte sich Godwin nie. Es gelang ihm nicht mehr, etwas gleich Bedeutendes wie die „Politische Gerechtigkeit“ auf politisch-philosophischem, oder „Caleb Williams“ auf poetischem Gebiet zu produzieren.<br />
<br />
== 2. Politischer Werdegang ==<br />
<br />
'''2.1. Die Wurzeln des Godwinschen Denkens'''<br />
<br />
Es war kein Zufall, dass 1793 mit Godwins „Politischer Gerechtigkeit“ die erste ausformulierte philosophische Begründung des Anarchismus ausgerechnet in England und nicht etwa in Frankreich, dem Land der großen Revolution, erschien.<br />
<br />
Der philosophische Zeitgeist Frankreichs war dominiert von der Staatsphilosophie Jean-Jacques Rousseaus. Mit seiner „Gesellschaftsvertrags“-Theorie („Du contrat social“; 1762) hatte dieser den geistigen Boden für die revolutionäre Empörung gegen das „alte Regime“ bereitet. Seine Thesen von der Notwendigkeit der völligen Unterordnung des einzelnen unter den – im demokratischen Staat verkörperten – „Gemeinwillen“ hatten jedoch zugleich die Begründung geliefert für den autoritären Glauben an die positive und umfassende Kraft des Staates. Das jakobinische Streben nach einer starken zentralistischen Staatsmaschinerie war nichts anderes als die politische Konsequenz dieser Gedanken.<br />
<br />
Die radikale englische Philosophie hingegen stand am Ende des 18. Jahrhunderts ganz im Zeichen einer entgegengesetzten Ideenströmung, die in Godwin ihren Höhepunkt fand: im Zeichen des staatskritischen politischen Individualismus. Seine Vertreter waren u.a. Joseph Priestley, Richard Price, Thomas Paine, der frühe Edmund Burke und Jeremy Bentham. Das Grundlegende ihres Denkens war die feste Überzeugung, dass das größte Glück für die gesellschaftliche Allgemeinheit nicht etwa durch eine möglichst „gute“ und starke Regierung, sondern allein durch die freie Entwicklung eines jeden Individuums gewährleistet werden kann. Daraus entwickelten sie die Forderung nach einer weitgehenden Einschränkung der Machtbefugnisse des Staates. Dieser selbst blieb von ihnen aber in der Regel unberührt. Erst Godwin entfaltete diesen philosophischen Ansatz durch die grundsätzliche Negierung der Staatlichkeit zu seiner vollen politischen Konsequenz.<br />
<br />
Auf ökonomischem Gebiet wurde Godwin durch englische Frühkommunisten wie Richard Woodward, Thomas Spence und vor allem William Ogilvie beeinflusst. Aus der Kritik der sozialen Folgen der Herrschaft der Grundbesitzer-Oligarchie sowie der in England bereits eingesetzten kapitalistisch-industriellen Entwicklung hatten diese in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Ideen einer kommunistischen Eigentumsordnung entwickelt.<br />
<br />
[[Bild:Godwin_William_Karikatur.JPG|thumb|left|240px|William Godwin, zeitgenössische Karikatur]]<br />
<br />
== 2.2. Godwins „Untersuchung über politische Gerechtigkeit“ ==<br />
<br />
Den Ausgangspunkt von Godwins politischen Gedankengängen bildet die These, dass der wahre Weg zu individuellem und gesellschaftlichem Glück die „Gerechtigkeit“ ist, unter welcher er das ethische Prinzip solidarischer zwischenmenschlicher Beziehungen versteht. Gerecht zu sein, d.h. „Menschenliebe“ zu üben, ist aber eigentlich das natürliche Verhalten eines jeden. Denn „Gerechtigkeit“ ist das oberste, unveränderliche Vernunftgesetz und der Mensch ist „... im besten Sinne ein vernunftbegabtes Wesen ... [und] zur Übung der Verstandestätigkeit bestimmt ...“ [Godwin 2004, S. 607 und S. 500]. Wenn das Individuum also seine intellektuellen Fähigkeiten entfaltet und sich dabei allein auf die Autorität der eigenen Vernunft und des eigenen Gewissens verlässt, so gelangt es ganz von selbst zur „sittlichen Vervollkommnung“. Die derart von den einzelnen erlangte Mündigkeit und Tugendhaftigkeit muss zu einer zivilisierten, harmonischen und glücklichen Gesellschaft führen.<br />
<br />
Vor dem Hintergrund dieser Prämissen enthüllt sich Godwin die Ursache für den trostlosen Zustand der Gesellschaft: Es ist die Herrschaft des Menschen über den Menschen, welche seiner natürlichen sittlichen Vervollkommnung entgegensteht und daher dafür verantwortlich ist, dass die Geschichte eine einzige Abfolge von Verbrechen und gegenseitiger Selbstvernichtung darstellt. Herrschaft führt nicht nur zur moralischen Pervertierung derjenigen, welche sie ausüben, sondern auch derjenigen, welche ihr unterworfen sind. Denn die über Zwang und Manipulation vermittelte Fixierung auf Autoritäten und entfremdete Institutionen erzeugt bei den Beherrschten eine Mentalität blinden Gehorsams, die gleichbedeutend ist mit der Außerkraftsetzung des eigenen Verstandes.<br />
<br />
„Solange der Mensch seinen eigenen Verstand befragt, ist er die Zierde des Universums. Wenn der Mensch seine Vernunft aufgibt und Parteigänger des blinden Glaubens und passiven Gehorsams wird, ist er das schädlichste aller Lebewesen. ... Er ist im Augenblick der Unterwerfung das blinde Werkzeug jeder schändlichen Absicht seines Vorgesetzten und wenn er sich selbst überlassen wird, ist er anfällig für die Verführung zu Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Ruchlosigkeit. ... Derart gegängelte Personen sind streng genommen nicht einer einzigen Tugend fähig“ [Godwin 2004, S. 170 und S. 544].<br />
Um die „Schäden“ der Gesellschaft wirklich zu beseitigen, muss daher Herrschaft in allen ihren Formen aufgehoben und durch ein absolut gesetztes individuelles Freiheitsprinzip ersetzt werden. Denn nur in völliger Freiheit kann der Mensch sich zu einem mündigen, daher sittlichen und glücklichen Wesen entwickeln. Deswegen lehnt Godwin jegliche Einschränkung, Reglementierung und Einordnung des Individuums in autoritär vorgegebene Regelungen kategorisch ab.<br />
<br />
Insbesondere der Staat steht der menschlichen Selbstbestimmung antagonistisch gegenüber, da er selbst in seiner demokratischsten und liberalsten Form die Inkarnation des Herrschaftsprinzips und damit der eigentliche Garant der „gesellschaftlichen Übel“ ist. Deswegen kann es nicht darum gehen, die staatlichen Institutionen lediglich zu reformieren. Vielmehr gilt es, die Menschen endgültig vom Staat zu befreien. „Mit welcher Freude muss jeder wohlinformierte Menschenfreund auf die glückverheißende Zeit blicken, die Auflösung der politischen Regierung, jener primitiven Maschinerie, welche die einzig beständige Ursache der Schlechtigkeiten der Menschen gewesen ist und die ... Übel verschiedenster Art in ihrem Wesen vereinigt hat und sich nicht anders beseitigen lässt als durch ihre völlige Vernichtung!“ [Godwin 2004, S. 526/527].<br />
<br />
Godwin unterscheidet ausdrücklich zwischen Staat und Gesellschaft: Der gesellschaftliche Zusammenschluss der Menschen zum Zwecke gegenseitiger Unterstützung ist natürlich und in jeder Form ein „Segen“. Im Gegensatz dazu steht der Staat, der historisch erst später durch die „Verirrungen“ und die „Schlechtigkeit“ von wenigen zustande gekommen ist. Er ist unnatürlich, behindert noch in der besten seiner Formen das freie Zusammenleben und dient immer nur dem egoistischen Interesse einiger weniger.<br />
<br />
Jeder Eingriff des Staates in die Gesellschaft ist eine zutiefst antisoziale Tat. So lehnt Godwin auch grundsätzlich das vom Staat garantierte allgemeinverbindliche Recht und Gesetz ab. Zum einen ist der Anspruch absurd, die verschiedenen Handlungen der unterschiedlichen Individuen nach einem einheitlichen, festen Maßstab beurteilen zu wollen. Zum anderen hindert gesetzliches Recht die einzelnen daran, sich in jedem konkreten Fall ein selbständiges Urteil zu bilden. Auf diese Weise trägt es zur Aufrechterhaltung der intellektuellen und moralischen Unmündigkeit bei. Es verewigt also die eigentlichen Ursachen der Verbrechen, die es zu bekämpfen vorgibt. Dasselbe gilt für die Praxis des staatlichen Strafvollzugs. Sein einziger Zweck liegt darin, dem betroffenen Individuum „Qualen“ zuzufügen, wodurch aber dessen rationale und ethische Eigenschaften nicht etwa gebessert, sondern im Gegenteil vollends korrumpiert werden. Dies liegt in „... der allgemeinen Natur der Strafe, die den wahren Prinzipien des Geistes zuwider ist und innerhalb möglichst enger Grenzen beschränkt werden sollte, wenn nicht sofort abgeschafft“ [Godwin 2004, S. 581]. Die beste Resozialisierung eines inhaftierten „Verbrechers“ besteht offensichtlich in seiner Freilassung – „Es gibt keine andere Möglichkeit, ihn tugendhaft zu machen, als ihn unabhängig zu machen“ [Godwin 2004, S. 686].<br />
<br />
Auch allen anti-individualistischen Ideologien sagt Godwin entschieden den Kampf an: Neben dem Patriotismus wird z.B. auch die Idee des gesellschaftlichen Allgemeinwohls, bzw. die Rousseausche Fiktion des „Gemeinwillens“ von der institutionalisierten Herrschaft als manipulatives Unterdrückungsmittel gegen das einzelne Individuum angewendet.<br />
<br />
Ein weiteres Grundübel erblickt Godwin in der – auf ökonomischer Ausbeutung beruhenden – Eigentumsordnung. Die Akkumulation von Reichtum in den Händen weniger, der die materielle Not der großen Masse gegenübersteht, befestigt die Herrschaftsverhältnisse und ist die größte „Quelle des Verbrechens“.<br />
<br />
Die von Godwin angestrebte Neuaufteilung des gesellschaftlichen Reichtums soll ökonomischer Ausbeutung dadurch den Boden entziehen, dass jedem Menschen das, dessen er bedarf, frei verfügbar ist. Die solcherart realisierte Gleichheit aller Individuen würde erst die ökonomische Grundlage ihrer freien Selbstentfaltung schaffen. Außerdem würde der Arbeitsaufwand für die Notwendigkeiten des Lebens beträchtlich sinken. Denn sobald die Menschen ihre wahren Interessen erkannt hätten, würden sie nicht mehr vom entfremdeten Bedürfnis nach „Gepränge“ und „Luxus“ getrieben; irrationale Eitelkeit und Ehrgeiz würden durch echte Werte ersetzt werden. In einem solchen „... Zustand gleichen Eigentums ...[hätten] alle ... Muße, um die gütigen und menschenfreundlichen Neigungen der Seele zu kultivieren und ihren Fähigkeiten auf der Suche nach intellektueller Vervollkommnung freien Lauf zu lassen ... und folglich würde die Menschenfreundlichkeit die Herrschaft wiedergewinnen, welche die Vernunft ihr zuweist“ [Godwin 2004, S. 745, S. 732 und S. 736].<br />
<br />
Obwohl Godwin den unabhängigen Kleinproduzenten als Idealbild vor Augen hat, ist er doch kein Maschinenstürmer. Im Gegenteil will er alle Möglichkeiten einer rationell und mit wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausgestatteten Produktion ausgeschöpft wissen. Maschinelle Mechanisierung könnte schon bald die Menschen von einer Unzahl langweiliger und entwürdigender Handarbeiten befreien. Eines aber lehnt Godwin an der Industrialisierung entschieden ab: den – vom industriellen Produktionsprozess gesetzten – Zwang für das Individuum, bei der Bedienung von Maschinen mit anderen Menschen zusammenarbeiten zu müssen. Deswegen fordert er, möglichst rasch ins Zeitalter der Automation hinüberzugelangen, in dem der Einzelne Herr der Maschine und damit auch wieder seiner Zeiteinteilung wird.<br />
<br />
Ein radikalisiertes Prinzip individueller Freiheit stellt auch die Grundlage dar für Godwins Entwurf einer staats- und herrschaftsfreien Gesellschaftsordnung. Diese beruht allein auf der Vernunft und „Menschenliebe“ der vollständig autonomen Individuen. In diesem „lichten Reich der Gerechtigkeit“ ist das friedfertige Miteinander der Einzelnen auf eine Vielzahl freiwilliger, gegenseitiger und kurzfristiger Vereinbarungen gegründet. Langfristige Bindungen verwirft Godwin als Einschränkung der individuellen Unabhängigkeit.<br />
<br />
Wie die Ehe, so wird auch die patriarchale Familie abgeschafft werden, da sie auf zwischenmenschlicher Herrschaft und Eigentumsstreben gegründet ist. Bereits bei der Erziehung der Kinder ist der Freiheit in vollem Umfang Rechnung zu tragen; keinerlei autoritäres Recht der Eltern wird sich mehr gegen das rationale Interesse der Kinder geltend machen können.<br />
<br />
Wie sehr Godwin der Vernunft den Primat über die menschlichen Gefühle und Leidenschaften zuspricht, wird auch deutlich in seinen Überlegungen zu Liebe und Sexualität: „Ich werde beharrlich den Umgang mit der Frau pflegen, deren Bildung mich am nachhaltigsten beeindruckt. ‚Aber es kann geschehen, dass andere Männer die gleiche Vorliebe für sie empfinden wie ich.‘ Das wird keine Schwierigkeit bereiten. Wir können alle ihre Unterhaltung genießen und wir werden weise genug sein, um den körperlichen Verkehr als ein sehr belangloses Objekt anzusehen“ [Godwin 2004, S. 772/773].<br />
<br />
Ihre gemeinsamen öffentlichen Angelegenheiten werden von den Menschen unter Vermeidung jeder festen Institutionalisierung selber geregelt werden. Alle Handlungen und Entscheidungen sollen dabei auf Diskussion und rationaler Einsicht der jeweils Betroffenen beruhen. Daher muss die neue Gesellschaft dezentral aufgebaut sein. Ihre Basis ist die vom Einzelnen überschaubare kleine, autonome und selbstverwaltete Gemeinde, die sich bei Bedarf mit anderen Gemeinden gleicher Art föderiert. „So würde, was zuerst ein großes Reich mit einheitlicher Gesetzgebung war, schnell in einen Bund von kleineren Republiken umgeformt werden, mit einem allgemeinen Kongress ..., der dem Zweck eines gewissen Grades von Zusammenarbeit bei außergewöhnlichen Anlässen entspräche“ [Godwin 2004, S. 601].<br />
Die in bestimmten Fällen notwendige Zusammenarbeit zwischen einzelnen Gemeinden bzw. auf höherer Ebene zwischen einzelnen Bezirken wird ebenso wenig durch allgemeinverbindliche Richtlinien festgeschrieben sein, wie die Kooperation der Individuen in ihrer jeweiligen Gemeinde: „... es wird zu diesem Zweck keines ausdrücklichen Vertrages und noch weniger eines gemeinsamen Zentrums der Autorität bedürfen. Allgemeine Gerechtigkeit und gegenseitiges Interesse erweisen sich als geeigneter, die Menschen zu binden, denn Unterschriften und Siegel“ [Godwin 2004, S. 515].<br />
Die einzige Autorität von Menschen über Menschen gründet sich in dieser Gesellschaft auf die freiwillige Überzeugung mit dem Mittel der rationalen Argumentation, die Godwin scharf von der manipulierenden Überredung unterscheidet.<br />
<br />
Auch in den von Godwin vorgeschlagenen Mitteln zur Erlangung der neuen Gesellschaft spiegelt sich seine konsequent individualistisch-rationalistische Grundhaltung wider. Er hat durchaus den kapitalistischen Antagonismus von „Arbeit und Kapital“ durchschaut, jedoch zieht er nicht die marxistische Konsequenz des Klassenkampfes. Ihm geht es nicht um Klassen, sondern um die geistige Emanzipation des Individuums. Denn aus seiner Perspektive sind „Arme“ und „Reiche“ gleichermaßen verstrickt in die durch Herrschaft erzeugte „Falschheit des Bewusstseins“.<br />
<br />
Alle Herrschaft beruht letztlich auf dem Vertrauen der Beherrschten. Ihr Vertrauen aber ist die Folge von Unwissenheit. Beseitigt man diese auf dem Wege rationaler Aufklärungsprozesse, so wird unweigerlich die Grundlage der bestehenden →Herrschaftsverhältnisse untergraben. Aufgabe der Revolutionäre ist es also, kontinuierlich daran zu arbeiten, der Vernunft und Wahrheit größtmögliche Verbreitung zu verschaffen.<br />
<br />
Den Erfolg derartiger Aufklärungsbemühungen sieht Godwin jederzeit als möglich an. Diese Möglichkeit in die Wirklichkeit umzusetzen, hängt allein von der Aktivität der „Aufklärer“ ab und nicht von irgendwelchen „objektiven“ gesellschaftlich-geschichtlichen Bedingungen.<br />
<br />
Allerdings lehnt Godwin jede Form organisierter Propaganda ab. In der verbindlichen Disziplin, die in solchen Organisationen notwendig ist, erblickt er eine unerträgliche Einschränkung der freien Initiative ihrer Mitglieder. Stattdessen sollen die einzelnen „Aufklärer“ in völliger Unabhängigkeit und ausschließlich aus eigenem Antrieb heraus an der Verbreitung ihrer Ideen wirken.<br />
<br />
Auch der Versuch, die Herrschenden auf dem Wege revolutionärer Gewaltanwendung zur Aufgabe ihrer Privilegien zu bewegen, ist grundverkehrt. Denn in gewaltsamen Auseinandersetzungen regierten „Leidenschaften“ und nicht die Vernunft; außerdem sei ihr Ausgang stets von zufälligen Kräfteverhältnissen abhängig. Darüber hinaus sind gewaltsame Aufstandsversuche auf die Dauer ganz und gar überflüssig. „Die Phalanx der Vernunft ist unverletzlich, sie schreitet mit wohl erwogenem und entschlossenem Schritt voran, und nichts kann ihr widerstehen“ [Godwin 2004, S. 195].<br />
<br />
<br />
== 3. Stellenwert Godwins innerhalb des libertären Spektrums ==<br />
<br />
Mit seinen extremen Schlussfolgerungen aus dem Individualismus und dem Rationalismus der Aufklärung hat Godwin nahezu alle wesentlichen Gesichtspunkte der anarchistischen Theoriebildung vorweggenommen.<br />
<br />
Mit der Einsicht in die verderblichen Auswirkungen der Herrschaft auf die Menschen; dem konsequenten Insistieren auf den Bedürfnissen und Interessen des konkreten Individuums gegenüber allen Zwängen und abstrakten Ansprüchen, die an es herangetragen werden; seinem Gesellschaftsbegriff; der radikalen Absage an den Staat, seinen Institutionen und jeder Form der Regierung; der ausgesprochenen Tendenz zur gesellschaftlichen Dezentralisierung und zum föderalen Neuaufbau „von unten nach oben“; dem Vertrauen auf die Rationalität und Vervollkommnungsfähigkeit des von jeglicher Autorität befreiten Einzelnen und der kleinen Gruppe, die aus freien Vereinbarungen entsteht und jede starre Institutionalisierung vermeidet; und nicht zuletzt mit der Konzeption, dass Emanzipation historisch jederzeit möglich war und ist und allein von den subjektiven Bestrebungen derjenigen abhängt, die sie wollen – mit all dem sprach Godwin Grundthesen anarchistischen Denkens aus.<br />
<br />
Im Namen des „allgemeinen Glücks“ trieb Godwin seinen Begriff individueller Freiheit bis zur letzten Konsequenz (vgl. etwa seine prinzipielle Ablehnung jeder langfristigen Kooperation der die neue Gesellschaft anstrebenden „Aufklärer“). Diese Radikalität erlaubt es – bei aller Problematik einer solchen Klassifizierung – ihn in die Schule des Individual-Anarchismus einzureihen.<br />
Godwins ökonomische Vorstellungen von freier Bedürfnisbefriedigung bringen ihn in die Nähe des Kommunistischen Anarchismus.<br />
<br />
Sein Revolutionsbegriff schließlich läßt in ihm einen Vorläufer des Gewaltfreien Anarchismus erkennen.<br />
<br />
Gleichwohl blieb Godwin ohne direkten Einfluss auf die anarchistische Bewegung des 19. Jahrhunderts. Lediglich radikale Vertreter der frühen englischen Arbeiterbewegung wie Robert Owen und Francis Place hatten Anleihen bei ihm gemacht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geriet Godwins politische Theorie jedoch in nahezu vollständige Vergessenheit. Eine 1798 in Nordamerika erschienene Ausgabe der „Politischen Gerechtigkeit“ blieb ohne nennenswerte Resonanz, ebenso wie eine 1803 in Deutschland herausgegebene Übersetzung ihres ersten Bandes.<br />
<br />
[[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch|Peter Kropotkin]] war es, der Godwin als Vorläufer des Anarchismus wiederentdeckte. Vermutlich in den Jahren unmittelbar vor der Jahrhundertwende erkannte er den anarchistischen Charakter der Ideen Godwins und eröffnete diese einer Rezeption aus libertärer Sicht.<br />
<br />
Der Autor ist insbesondere Wolfgang Faller für dessen konstruktive Kritik an der Rohfassung dieses Artikels zu Dank verpflichtet.<br />
<br />
<br />
== 4. Literatur und Quellen ==<br />
<br />
'''4.1. Godwins wichtigste Werke (Auswahl)'''<br />
<br />
*An Enquiry concerning the Principles of Political Justice, and its Influence on General Virtue and Happiness. 2 vols, London 1793 (Weitere, vom Autor selbst revidierte Auflagen: Second Edition. 2 vols, London 1796; Third Edition. 2 vols, London 1798).<br />
<br />
*Things as They are; or, the Adventures of Caleb Williams. 3 vols, London 1794.<br />
<br />
*The Enquirer: Reflections on Education, Manners and Literature, London 1797.<br />
<br />
*Memoirs of the Author of an Vindication of the Rights of Woman, London 1798.<br />
<br />
*St. Leon: a Tale of the Sixteenth Century. 3 vols, London 1799.<br />
<br />
*Of Population: an Enquiry concerning the power of Increase in the Numbers of Mankind; being an Answer to Mr Malthus’s Essay, London 1820.<br />
<br />
== 4.2. Deutsche Übersetzungen ==<br />
<br />
Erstmalig im Jahre 2004 ist eine vollständige Übersetzung von Godwins Hauptwerk über „Political Justice“ in deutscher Sprache erschienen:<br />
<br />
*[[William_Godwin:_Politische_Gerechtigkeit|Godwin, William: Eine Untersuchung über politische Gerechtigkeit und ihren Einfluss auf Tugend und Glück aller]]. Aus dem Englischen übertragen von Jutta Schlösser. Herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Herrmann Klenner. Haufe Schriftenreihe zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung. Band 17, Freiburg / Berlin 2004 [zitiert als: Godwin 2004].<br />
<br />
Als Textvorlage dieser Übersetzung diente die erste Ausgabe der „Political Justice“ aus dem Jahre 1793. Eine editorische Entscheidung, die der Herausgeber werkimmanent begründet: „In der Erstauflage hat nämlich Godwin als Nichtanarchist begonnen und als Anarchist geendet! Er hat sich in seine Gerechtigkeitstheorie hineinargumentiert. Und genau das ist vermutlich die Ursache dafür, dass er damit die Leser mehr mitgerissen hat als mit dem – zugegeben – geglätteten Text der beiden späteren Auflagen“ [Klenner 2004, S. 819].<br />
<br />
Zuvor waren von der„Political Justice“ in deutscher Sprache lediglich auszugsweise Übersetzungen erschienen. Die wichtigsten hiervon finden sich in den folgenden Büchern:<br />
<br />
*Borries, Achim v. / Brandies, Ingeborg (Hrsg.): Anarchismus. Theorie, Kritik, Utopie. Texte und Kommentare, Frankfurt/M. 1970, S. 39 –59: William Godwin, Über die politische Gerechtigkeit [Teilübersetzung aus dem Nachdruck der dritten Auflage der „Political Justice“ (1798), Toronto 1946. Aus dem Englischen von Ingeborg Brandies].<br />
<br />
*Eltzbacher, Paul: Der Anarchismus, Berlin 1900 (Nachdruck: Berlin 1977 und 1987), S. 35 – 56: Die Lehre Godwins [Teilübersetzung aus der ersten Auflage der „Political Justice“, London 1793. Aus dem Englischen von Paul Eltzbacher].<br />
<br />
*Godwin, William: Das Eigentum. Aus dem Englischen übersetzt von Max Bahrfeldt. Mit einer Einleitung von Georg Adler. Hauptwerke des Sozialismus und der Sozialpolitik. Zweites Heft, Leipzig 1904 (Nachdruck: Glashütten im Taunus 1974) [Übersetzung von: Godwin‘s ‚political justice‘. A reprint of the essay on ‚property‘, from the original edition. Edited by H. S. Salt, London 1890].<br />
<br />
*Godwin, William: Über die politische Gerechtigkeit. Anarchistische Texte 4. Dritte und überarbeitete Auflage, Berlin 1983 [Auszüge aus den o.g. Teilübersetzungen von Max Bahrfeldt, Ingeborg Brandies und Paul Eltzbacher; sowie eine auszugsweise Neuübersetzung von Jochen Schmück aus: William Godwin, Selections from Political Justice, ed. by George Woodcock, London 1943].<br />
<br />
*[Godwin, William:] William Godwin’s Untersuchung über politische Gerechtigkeit und deren Einfluß auf Moral und Glückseligkeit. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen herausgegeben von G. M. Weber, Frankfurt und Leipzig 1803 [Übersetzung lediglich des ersten Bandes der dritten Auflage der „Political Justice“, London 1798].<br />
<br />
*Vester, Michael (Hrsg.): Die Frühsozialisten 1789 – 1848. Band 1. Texte des Sozialismus und Anarchismus, Reinbek bei Hamburg 1970, S. 10 – 25: William Godwin, Untersuchungen über politische Gerechtigkeit [Auszüge aus den o.g. Teilübersetzungen von Max Bahrfeldt und Paul Eltzbacher].<br />
<br />
Die von Rudolf Rocker besorgte Übersetzung von „Things as They are; or, the Adventures of Caleb Williams“ erschien bisher in vier verschiedenen Ausgaben:<br />
<br />
*William Godwin: Caleb Williams oder Die Dinge, wie sie sind. Ins Deutsche übertragen und mit einer Vorrede von Rudolf Rocker, Berlin 1931.<br />
<br />
*William Godwin: Die Abenteuer des Caleb Williams. Das Buch zur vierteiligen Fernsehserie: „Tödliches Geheimnis“. Deutsche Übersetzung von Rudolf Rocker. Mit einem Nachwort von Claus Beling. Heyne-Buch Nr. 5767, München 1980.<br />
<br />
*William Godwin: Caleb Williams oder Die Dinge, wie sie sind. Übersetzung von Rudolf Rocker. Mit einem Nachwort von Ingrid und Peter Kuczynski. Reclams Universal-Bibliothek. Band 1024, Leipzig 1985.<br />
<br />
*William Godwin: Caleb Williams oder Die Dinge wie sie sind. Übersetzt und eine Vorrede von Rudolf Rocker. Mit einem Nachwort von Jürgen Mümken. Libertäre Bibliothek. Band 1, Lich/Hessen 2007.<br />
<br />
== Weitere Quellen ==<br />
<br />
*Ammitzbøll, Niels Peter: Menschenbild und Erziehungskonzeption bei William Godwin. Zum sensualistischen und utilitaristischen Charakter seiner Pädagogik. Philosophische Texte und Studien. Band 28, Hildesheim / Zürich / New York 1991.<br />
<br />
*Klenner, Herrmann: Anhang: Zur vorliegenden Ausgabe / Die gesellschaftliche Gerechtigkeit des William Godwin. Eine Provokation, in: Godwin 2004, S. 815 – 856 [zitiert als: Klenner 2004].<br />
<br />
*Nettlau, Max: Geschichte der Anarchie. Band 1. Der Vorfrühling der Anarchie. Ihre historische Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1864. Herausgegeben von Heiner Becker, o.O. 1993 (Nachdruck der Ausgabe: Berlin 1925).<br />
<br />
*Oberländer, Erwin: Der Anarchismus. Dokumente der Weltrevolution. Band 4, Olten und Freiburg im Breisgau 1972.<br />
<br />
*Ramus, Pierre [d.i. Rudolf Großmann]: William Godwin, der Theoretiker des kommunistischen Anarchismus. Eine biographische Studie mit Auszügen aus seinen Schriften und eine Skizze über die sozial-politische Literatur des Anarcho-Sozialismus seiner Zeit, Leipzig 1907 (Nachdruck: Westbevern o.J.) [zitiert als: Ramus 1907].<br />
<br />
*Rocker, Rudolf: Vorrede, in: William Godwin: Caleb Williams oder Die Dinge, wie sie sind. Ins Deutsche übertragen von Rudolf Rocker, Berlin 1931, S. III – XI [zitiert als: Rocker 1931].<br />
<br />
*Woodcock, George: William Godwin. A biographical study. Montréal / New York 1989.<br />
<br />
<br />
Autor: '''Markus Henning'''<br />
<br />
Redaktionsschluss am 09.02.2021<br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Neoanarchismus&diff=17749Neoanarchismus2021-02-09T09:58:40Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''<br />
----<br />
[[bild:AAB-Berlin_Mitglieder.jpg|thumb|right|300px|Mitglieder des Anarchistischen Arbeiter-Bundes (AAB), Berlin-Neukölln, am 1. Mai 1971.]]<br />
Der Begriff '''Neoanarchismus''' (auch: ''Neo-Anarchismus'' und ''Neuer Anarchismus'') beschreibt keine inhaltlich neue Kategorie, sondern stellt lediglich die Bezeichnung einer historischen Erscheinungsform des Anarchismus dar.<br />
<br />
<br />
== Entwicklungsgeschichte ==<br />
Obwohl die Existenz anarchistischer Gruppen und Individuen während des Dritten Reiches und in der Nachkriegszeit nachweisbar ist, schien der Anarchismus in Deutschland als gesellschaftspolitisch relevante Theorie und Praxis seit dem Ende der Weimarer Republik "ausgestorben" zu sein. Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Radikalisierung der Studentenbewegung bzw. <br />
"Außerparlamentarischen Opposition" (APO) kam es seit Mitte der 1960er Jahre in der BRD und Berlin (West)jedoch zu einer Renaissance des Anarchismus. Mit Bezug auf die unterbrochene bzw. nicht mehr sichtbare historische Tradition wird dieser im Folgenden als Neoanarchismus bezeichnet.<br />
<br />
Dies ist sein entscheidendes Charakteristikum: Der Neoanarchismus entwickelte sich nicht aus dem traditionellen "Altanarchismus". Weder in personeller noch in organisatorischer Hinsicht bestand eine Kontinuität. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass traditionelle altanarchistische Gruppen mit Erfolg entsprechendes Gedankengut in die APO hineingetragen hätten.<br />
<br />
Der "Altanarchismus" war eine zersplitterte Bewegung, bestehend aus kleinen, politisch völlig bedeutungslosen Gruppen. Diese standen größtenteils dem Auftreten von anarchistischen Positionen im Theoriebildungsprozeß der APO und später auch einer neuen anarchistischen Bewegung anfangs ratlos, dann distanziert und sogar ablehnend gegenüber. <br />
<br />
Einzelne Initiativen wie der "Arbeitskreis der Freunde [[Landauer, Gustav|Gustav Landauers]]" um Uwe Timm in Hamburg sowie die "Sozialphilosophische Arbeitsgemeinschaft" um U. Timm und Reinhold Ellenrieder in Berlin (West), bildeten die eher erfolglosen Versuche der Zusammenarbeit von alt und jung und waren die Ausnahme. Im großen und ganzen scheiterten die Kontaktversuche zwischen alten und jungen Anarchisten nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen kulturellen Milieus. <br />
<br />
Die Jungen empfanden sich als Teil der allgemeinen antiautoritären Jugendrevolte, die während der 1960er Jahre angetreten war, alle tradierten gesellschaftlichen Werte in Frage zu stellen. Kommunen, "[[Freie Liebe|Freie Sexualität]]", Rockmusik und Drogenkonsum stießen auch bei diesen Vertretern der älteren Generation auf weitgehendes Unverständnis.<br />
<br />
Neben dem Generationskonflikt existierten zwischen Alt und Jung auch theoretische Differenzen. Aufgrund ihres theoretischen Herkommens aus der antiautoritären Studentenbewegung fühlten sich die jungen Anarchisten anfangs auch einem kritischen Marxismus verpflichtet. Dies wirkte auf die alten Anarchisten schockierend, die dem Marxismus generell in jeder Form entschieden feindlich gegenüberstanden. Sie hatten den historischen Gegensatz beider Strömungen – nicht zuletzt aufgrund ihrer z.T. persönlichen Erfahrungen mit dem "real existierenden Sozialismus" in der DDR – zutiefst verinnerlicht. Eine Ursache dieses Konflikts lag in den eher akademischen Wurzeln des Neoanarchismus.<br />
<br />
Das Zentrum der kritischen sozialistischen Theoriebildung in der BRD und Berlin (West) war seit dem Anfang der 1960er Jahre der "Sozialistische Deutsche Studentenbund" (SDS), der zunächst der marxistischen Tradition verpflichtet war. Die Protagonisten des studentischen Protests, meist SDS-Mitglieder, stießen, grundsätzlich vom marxistischen Denken geprägt, über die Vermittlung von Kritischer Theorie, linksmarxistischem "Dissidententum" und Rätekommunismus schrittweise auf anarchistische Inhalte. So läßt sich erklären, dass es im SDS in den 1960ern zu einem antiautoritären Flügel kam.<br />
<br />
Aus der Studentenbewegung kommend knüpfte der Neoanarchismus erst 1969 teilweise an die "legitime" historische Tradition des Anarchismus an:<br />
<br />
Mit der Auflösung des antiautoritären Konsens der APO setzte ein Fraktionierungsprozeß der Neuen Linken ein, in dessen Verlauf sich sehr unterschiedliche Strömungen herauskristallisierten.<br />
Ein Teil wandte sich wieder traditionellen Konzepten der Arbeiterbewegung zu (Deutsche Kommunistische Partei[DKP], Sozialdemokratische Partei Deutschlands[SPD], Gewerkschaften). Es entstanden daneben auch "neue" autoritär-etatistische Organisationskonzeptionen der "K-Gruppen" (Kommunistische Kleinparteien). Abgesehen davon differenzierte sich die "Neue Linke" in weitere Gruppierungen, von denen sich jede als Keimzelle einer neuen Bewegung empfand und Zulauf aus Kreisen der Schüler, Jungarbeiter und andere Anhänger der APO erhielt.<br />
<br />
Demgegenüber versuchte die Undogmatische Linke das antiautoritäre Erbe der Revolte fortzuführen. Neben dem "Sozialistischen Büro", einem Zusammenschluss von Intellektuellen, der einen Mittelweg zwischen autoritär-bürokratischen Organisationsvorstellungen und "blinder" bzw. "reiner" Spontaneität suchte, entwickelte sich langsam das vielseitige Spektrum der Neuen Sozialen Bewegungen (z. B. Frauen-, Hausbesetzer- und Ökologiebewegung). Deren Theorie und Praxis enthielt, oft auch unbewusst, anarchistische Elemente.<br />
<br />
Zugleich formierte sich eine autonome antiautoritäre Bewegung, die sich eher selektiv auf klassische anarchistische Konzeptionen berief und theoretisch wie organisatorisch immer noch beeinflusst vom Antiautoritarismus der Studentenrevolte bewusst traditionslos blieb. Das Spektrum reichte dabei von einer "politischen" anarchistischen Hauptströmung bis zu eher emotional orientierten subkulturell-anarchistischen Initiativen.<br />
<br />
Aufgrund der verbreiteten Experimentierfreudigkeit und starker Fluktuation zwischen den Gruppierungen sind eindeutige inhaltliche Zuordnungen und Abgrenzungen nahezu unmöglich. Indifferenz war ein entscheidendes Charakteristikum der neoanarchistischen Bewegung, wie es z. B. in der folgenden Selbstverständniserklärung junger Anarchisten vom Oktober 1972<br />
zum Ausdruck kommt: "Wir bezeichnen als Anarchismus ein breites Spektrum revolutionär-emanzipatorischer Bewegungen mit antiautoritär-libertärem Charakter. (...) Selbst innerhalb der sich anarchistisch nennenden Bewegung finden wir analog zu den unterschiedlichen Strömungen (...) eine beachtliche Begriffsverwirrung des Wortes. Deshalb ist das Kriterium die antiautoritär-emanzipatorische Praxis." (in: Bartsch 1973)<br />
<br />
Die eigentliche Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin (West)begann jedoch nicht erst mit dem Auftreten einer sich auf den Anarchismus berufenden neuen Bewegung. Sie setze schon ab 1968 im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker und nicht nur deren marxistische Kritik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />
Den Anfang machten studentische Initiativen, die mit Hilfe einfacher fotomechanischer Verfahren unkommentierte Raub- und Nachdrucke herausbrachten. Um den neu entstehenden Markt zu bedienen, zogen bald kommerzielle Verlage nach. Allein in den Jahren 1968/69 sollen so mehr anarchistische Titel als in der gesamten Nachkriegsgeschichte des Altanarchismus erschienen sein.<br />
<br />
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium zunächst die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung brachte im Jahre 1969 beispielsweise das "Institut für Praxis und Theorie des Rätekommunismus" in Berlin (West) die "Geschichte der Machnobewegung" neu heraus. Der gleichen Absicht diente die gleichzeitig wieder zugänglich gemachte Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans. <br />
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/[[Bakunin, Michail Aleksandrovič|Bakunin]] in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und [[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch|Kropotkins]] wurde am Anfang der siebziger Jahre mit der Gründung anarchistischer Verlage intensiviert.<br />
<br />
[[bild:Agit883_Nr11_Cover.gif|thumb|left|300px|Das legendäre Berliner Anarcho-Blatt "Agit 883".<br> Cover der Nr. 11 (24.04.1969)]]<br />
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die "Untergrundzeitung". Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums. Ab 1967 erschienen z.B. in Berlin (West) die ersten Nummern von "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000652.HTM Linkeck]" und 1969 "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000921.HTM Agit 883]". 1971 erschienen dann "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000594.HTM Fizz]", 1972 "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000235.HTM Berliner Anzünder]", "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000822.HTM Hundert Blumen]" und "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000813.HTM Bambule]". <br />
<br />
Unbestreitbar bildeten publizistische Aktivitäten einen Schwerpunkt des politischen Engagements der anarchistischen Gruppen jener Zeit; bei den rätekommunistisch-anarchistischen Gruppen sogar den Hauptschwerpunkt. Dies wird u. a. dann deutlich, wenn die Auflagezahlen der Publikationen mit den "Mitgliederzahlen" der Bewegung verglichen werden. So erreichte z.B. "Linkeck" eine Auflagenhöhe zwischen 4000 und 8500, "Agit 883" eine zwischen 4000 und 7000 Exemplaren und zeitweise knapp über 10.000.<br />
<br />
Dagegen bezifferte das Koordinationsbüro der anarchistisch-rätekommunistischen Gruppen in Wetzlar in einer soziologischen Erhebung vom Oktober 1972 den "Kaderstamm" der neoanarchistischen Gruppen auf 1000 bis 1500 Mitglieder. <br />
<br />
Über weitere Aktivitäten der Gruppen, sowie deren Strukturen gibt dieselbe Erhebung aufschlussreiche Auskünfte. Aus der Beantwortung von Fragen, die das Koordinationsbüro an alle Gruppen verschickte, ergab sich folgende soziale Schichtung: Die Anarchos waren im Oktober 1972 zu 28% Schüler, zu 24% Studenten, zu 22% Lehrlinge, zu 19% Arbeiter, zu 7% Angestellte und Freiberufler.<br />
<br />
Im September 1972 existierten in ca. 50 westdeutschen Städten anarchistische Gruppen. In einer Reihe von Städten bestanden jeweils mehrere Gruppen nebeneinander; so in Berlin (West), Hamburg, München, Frankfurt/M., Köln, Willhelmshafen und Wetzlar.<br />
<br />
Ein Jahr später war die Zahl auf ca. 70 Gruppen in 55 Städten angewachsen. Davon agierten fünf in Industriebetrieben, rund zehn an Gymnasien, vier an Universitäten und die restlichen in Stadtteilen oder als Redaktionskollektive. Die Größeren waren in Projektgruppen unterteilt (für Lehrlingsarbeit, Schülerarbeit, Hochschularbeit, Hilfe für Trebegänger, Knast- und Betriebsarbeit, Schulung usw.). Daneben gab es "ad-hoc-Gruppen" für aktuelle Aktionen, die sich anschließend wieder auflösten.<br />
<br />
In den frühen 1970er Jahren versuchte die neoanarchistische Bewegung immer wieder festere Organisationsstrukturen aufzubauen. Am 17. und 18. Mai 1970 fand auf einem überregionalen Treffen in Hamburg der erste Versuch zur Bildung einer bundesweiten anarchistischen Föderation statt. Jedoch konnten sich die Anwesenden lediglich auf die Herausgabe eines regelmäßig erscheinenden Informationsdienstes einigen, der im Rotationsverfahren jeweils von einer anderen Gruppe erstellt werden sollte (Dieses "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000915.HTM Anarcho-Info]" erschien bis 1973 in 21 Nummern). Bald wurde auch das schon erwähnte "Koordinationsbüro" eingerichtet, um die Gruppenaktivitäten besser aufeinander abstimmen zu können.<br />
<br />
Zugleich wurde in Hannover, Berlin (West), Hamburg, München und Wetzlar die Gründung von Stadtföderationen betrieben. <br />
<br />
Zwischen 1970 und 1973 fanden insgesamt vier Bundeskongresse statt. Da die regionalen Föderationsversuche entweder scheiterten oder nur kurzen Bestand hatten, gelang es ebenso wenig, eine landesweite Föderation aufzubauen.<br />
<br />
Erfolg- und Perspektivlosigkeit sorgten für Frustration und Resignation in der neoanarchistischen Szene. Viele Aktivisten zogen sich ganz aus der politischen Arbeit zurück oder gingen – dem "Konzept Stadtguerilla" folgend – in den Untergrund. Um die Mitte der siebziger Jahre zeichnete sich ein deutlicher zahlenmäßiger Niedergang der neoanarchistischen Bewegung ab. <br />
<br />
Im Großen und Ganzen waren am Anfang der 1990er Jahre in Deutschland vier Hauptströmungen des Anarchismus auszumachen:<br />
<br />
===Die am traditionellen Anarchismus orientierten Gruppierungen===<br />
Hierunter fällt z.B. die in individualanarchistischer und mutualistischer Tradition stehende "Mackay-Gesellschaft", die von Kurt Zube, Hermann Fournes, Günther Ehret und Uwe Timm im Jahre 1974 gegründet wurde. Die "[[Mackay, John Henry|Mackay-Gesellschaft]]", die bis zu 200 Mitglieder hatte, sah einen ihrer Hauptschwerpunkte in der Verlagstätigkeit, durch die schließlich über 50 Publikationen erscheinen konnten. 1986 erschien die letzte Ausgabe der Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000779.HTM Zur Sache]" mit Beiträgen von Ulrich Klemm, Peter Bernhardi u. a. Anfang der 1990er Jahre reduzierten sich die Aktivitäten der "Mackay-Gesellschaft" bis zur Auflösung des Verlages.<br />
<br />
Eine neue Anlaufstelle für den [[individualistischer Anarchismus|Individualanarchismus]] bildet seit 1994 die Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001069.HTM espero]" (Herausgeber: "Mackay-Gesellschaft" - V.i.S.d.P.:Jochen Knoblauch [Berlin]und Uwe Timm [Neu Wulmstorf]).<br />
<br />
Zum Lager der traditionellen Strömungen zählt auch die anarchosyndikalistische "Freie Arbeiter Union" (FAU), mit ihrer Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000934.HTM Direkte Aktion]", die sich als deutsche Sektion der anarchosyndikalistischen Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) versteht. Der aus verschiedenen Orts- und Branchengruppen bestehende Organisationsverbund engagiert sich nicht unbedingt nur in der Arbeitswelt, sondern hält sich offen gegenüber anderen gesellschaftsrelevanten Themen. Horst Stowasser merkt kritisch an:<br />
<br />
''"Die FAU ist indes nicht, wie zu vermuten wäre, eine Gewerkschaft, sondern muss sich mangels Basis in den Betrieben mit der Rolle eines Propagandaverbandes begnügen, der die Idee des Anarchosyndikalismus vertritt."''<br />
<br />
===Der gewaltfreie Anarchismus===<br />
Bestehend aus einer Anzahl radikal-pazifistischer Gruppen um die Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000947.HTM Graswurzelrevolution]", in denen auch viele Nicht-Anarchisten engagiert waren. Der gewaltfreie Anarchismus hat nach Einschätzung Horst Stowassers die von ihm festgestellte Modernisierung am besten realisiert. Darunter versteht er die Entwicklung weg von einer frontal angelegten Kampfformation hin zur "Diffusion" im Sinne eines wurzelwerkartigen Einsickerns in gesellschaftliche Zusammenhänge. <br />
Dazu Stowasser: "Die Gruppierung, die die Herausbildung eines Wurzelwerks am konsequentesten vorangetrieben hat und zugleich der anarchistischen Ethik am nächsten kommt, ist die `Gewaltfreie Aktion´. Nicht zufällig trägt ihre recht verbreitete Zeitung den Namen Graswurzelrevolution." <br />
Die Hauptaktivitäten der "Graswurzler", die seit 1980 eine lose "[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]" bildeten, bestanden im gewaltfreien Kampf gegen Militarismus ([[Anti-Militarismus]])und Umweltzerstörung, für Kriegsdienstverweigerung (insbesondere "Totalverweigerung"), alternative Ökonomie und Anarchafeminismus. Zugleich vertraten sie eine Vielzahl projektorientierter Ansätze.<br />
<br />
Die FÖGA hat sich inzwischen aufgelöst, da eine reine "Aktionseinheit" ohne "Ideelle Einheit" verdeutlichte, dass mit vielen Mitgliedsgruppierungen ein libertärer Konsens inzwischen nicht mehr herstellbar war.<br />
<br />
===Die "Autonomen"===<br />
Bildeten keine klar identifizierbare Bewegung oder Organisation, sondern tauchten eher als radikale politische Tendenz im Auf und Ab der Neuen Sozialen Bewegungen und einzelner gesellschaftlicher Konflikte auf. Ihr politisches Spektrum war inhaltlich ausgesprochen vielseitig und umfasste eine große Spannweite. Diese reichte von anarchistisch verstandenen bis hin zu marxistisch-leninistischen Konzepten: "Inhaltlich vertritt die autonome Bewegung ein recht starres Gemisch aus altkommunistischem Avantgardeanspruch und einem anarchospontaneistischen Kult der Direkten Aktion. Angereichert wird das Ganze zu einem umgemodelten Klassenstandpunkt, der auf die Kraft eines neuen Subproletariats baut, das sich aus Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängern rekrutiert." <br />
<br />
Wegen ihres punktuell militant-gewalttätigen Auftretens wurden die "Autonomen" oft pauschal als "anarchistisch" etikettiert. Zwar scheint sich ein Teil auf den Anarchismus berufen zu haben, jedoch ist die häufig gewaltförmige Anti-System-Opposition nur sehr schwer mit der klassischen "Propaganda der Tat" zu vergleichen. <br />
<br />
Zu den gesellschaftspolitischen Aktionsfeldern der "Autonomen" zählten beispielsweise "Häuserkampf", Antifaschismus, Antisexismus und Antiimperialismus. Das Offenhalten einer revolutionären Perspektive bildete die politische Klammer, die diese vielgestaltige Bewegung immer wieder als "Aktionsgemeinschaften" um einzelne gesellschaftspolitische Brennpunkte herum zusammenhielt.<br />
Eine politische Strategie, die sich an konstruktiven anarchistischen Gesellschaftsentwürfen orientiert, ist meines Erachtens jedoch kaum auszumachen.<br />
<br />
===Der "Projektanarchismus":===<br />
Eine Variante, zu deren Wortführer sich insbesondere Horst Stowasser erklärte: "Seit Anfang der achtziger Jahre zeichnet sich weltweit eine Tendenz im Anarchismus ab, (...) der "Projektanarchismus". <br />
<br />
Ein Beispiel dafür stellt das "Projekt A" dar, das sich als praktikables anarchistisches Organisationsmodell der Vernetzung und des "Wurzelwerks" versteht und auch an historische Parallelen erinnert: ''"Ähnlich wie beim Syndikalismus der Jahrhundertwende war eine Lösung gefragt, die den Alltag mit der Utopie verbinden und einen gangbaren Weg aus der Isolation zeigen könnte (...) Er baut zwar nicht auf Gewerkschaften und Klassenkampf auf, aber er versucht, den wirtschaftlichen Bereich mit dem der Politik und der alltäglichen Lebenskultur zu einem Instrument praktischer Umsetzung zu verbinden (...)."'' (H. Stowasser) <br />
<br />
Konkretes Beispiel: W.E.S.P.E in Neustadt/.W., ein Projektzusammenschluss, der sich als Teil eines – wohl noch nicht realisierten – bundesweiten "Projekt-A-Netzwerkes" versteht.<br />
<br />
Grundgedanke dabei ist, die Trennung von Politik, Leben und Geldverdienen in selbstverwalteten Projekten aufzuheben. Das können Läden, Kindergärten, Werkstätten, Wohngemeinschaften, Kulturprojekte, Kneipen, Bildungseinrichtungen, Manufakturen, Bibliotheken, Kommunen, Bauernhöfe, Verlage, Nachbarschaftshilfen usw. sein.<br />
<br />
Ein weiteres Beispiel für Projektanarchismus ist ein von P.M. vorgeschlagener Gesellschaftsentwurf, der im Wesentlichen auf einer planetaren Gesellschaft von "bolos" basieren soll. Dieser Entwurf mutet im Gegensatz zum "Projekt A" eher utopistisch an, ist weniger pragmatisch aber dafür subversiver als dieser angelegt. "bolo'bolo" ist wohl weniger als praktische Handlungsanleitung anzusehen, sondern scheint vielmehr als Inspirationsquelle und Diskussionsgrundlage angelegt zu sein.<br />
<br />
==Fazit==<br />
Eine Bestandsaufnahme des neueren Anarchismus in Deutschland kann – auch aus libertärer Sicht – recht unterschiedlich ausfallen. Zwei Protagonisten des neueren Anarchismus sollen hier beispielhaft zur Sprache kommen. Horst Stowassers Fazit über den Zustand der anarchistischen Bewegung im Jahre 1995 fällt reichlich illusionslos aus:<br />
<br />
''"Diese spezifisch anarchistischen Strukturen sind nicht viel mehr als das Röntgenbild einer kleinen, weltanschaulich geprägten Gemeinde. Ohne die geschilderte Diffusion in soziale Bewegungen und ihre Wurzelwerk-Funktion könnte man das getrost als das Diagramm einer Sekte abtun. Aus dieser Perspektive stellt sich der deutsche Mainstream-Anarchismus unserer Tage in der Tat als eine etwas skurrile Glaubensgemeinschaft dar. Er ist in seinem eigenen sozialen Ghetto verfangen (...). Oft genügt sich dieser Insiderkreis als eigene Zielgruppe und betreibt einen geistigen Inzest, für den das Fehlen einer Publikumszeitschrift bei gleichzeitiger Existenz von mehreren Theorieblättern ein bezeichnendes Indiz ist."'' <br />
<br />
Hans Jürgen Degen gesteht den Anarchisten unter bestimmten Voraussetzungen immerhin ein Stück Zukunftsfähigkeit zu. Seiner Meinung nach haben die Anarchisten ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und seien nicht auf der Höhe der Zeit. Für ihn besteht zunächst die Aufgabe, ''"(...) die anarchistischen Theorien einer radikalen und permanenten Revision zu unterziehen: das, was besonders nach 1945 von einigen wenigen als Revision formuliert wurde, erreichte keine Breitenwirkung und verlief sich; (...) der 'Neo-Anarchismus' (ab den 1960er Jahren) war a) teilweise (soweit er sich mit [[Marxismus]] verschränkte) ein Rückfall auf die Vorstufe des Anarcho-Syndikalismus: des stark vom Marxismus (mit wenig Marx) bestimmten Syndikalismus; b) ist der 'Neoanarchismus' in der Rezeption des 'alten' Anarchismus von vor 1933 fast stecken geblieben: er hat ihn durchdiskutiert, ausgewalzt, neu drapiert; deshalb ist c) der Anarchismus – eng gesehen – noch immer in dieser neoanarchistischen Verharrungsphase".''<br />
<br />
Eine Bestandsaufnahme des Anarchismus bzw. Neoanarchismus kann nicht ausschließlich anhand quantitativer Kriterien erfolgen. Was der Anarchismus historisch geleistet hat und was davon als sozialer Gebrauchswert wirklich weiterhin Bestand hat, wird nicht anhand mengenmäßigen Zahlenmaterials darstellbar sein. Welche Existenzberechtigung hat er dann überhaupt?<br />
<br />
Wie die sich regelmäßig bestätigende historische Erfahrung zeigt, liegen seine Chancen und seine Zukunft in der Qualität seiner radikaldemokratischen Ideen und Wertvorstellungen. Dies hat der Einfluss neoanarchistischer Partizipation im Zuge des gesellschaftlichen Demokratisierungsprozesses während der 1970er und 1980er Jahre bewiesen:<br />
<br />
Im Zuge einer sich Anfang der 1970er Jahre entwickelnden "undogmatischen Linken" schleusten engagierte Anarchisten anarchistische Elemente in den Wertekontext der "Neuen Sozialen Bewegungen" (z.B. Ökologie-, Friedens-, Bürgerinitiativ-, Alternativbewegung) ein. Diese punktuelle Aneignung anarchistischer Prämissen (z.B. Dezentralität, Föderalität, Hierarchiekritik, Selbstverwaltung, gewaltfreier Widerstand, Rotationsprinzip) bildete ein verbindendes Ferment im heterogenen Spektrum dieser Bewegungen.<br />
<br />
Erstaunlicherweise war es dieser – eher ungewollte – Reformismus, der als der eigentliche Erfolg des neueren Anarchismus gelten kann, da er quasi "durch die Hintertür", der gesamten Gesellschaft einen Demokratisierungsschub verpasste. <br />
<br />
Hat der Anarchismus mit diesem Reformismus seine historische Mission erfüllt? Wahrscheinlich nicht!<br />
<br />
Gerade das grün-alternative Parteiprojekt hat gezeigt, dass die Vereinnahmung durch staatlich-parlamentarische Konzeptionen zur Korrumpierung und Integration basisdemokratischer Opposition führt.<br />
<br />
Die Berechtigung moderner Anarchiekonzepte liegt im permanenten Aufzeigen eben dieser Zusammenhänge und der Propagierung und Praktizierung "eigentlicher Alternativen" – eben gesellschaftlich-emanzipatorischer und nicht staatlicher:<br />
<br />
''"Eine gesellschaftspolitische Relevanz des Anarchismus könnte von der Umsetzung einer lebenspraktischen freiheitlichen Ethik ausgehen, das heißt z.B. zu überlegen, was `das gute Leben´ eigentlich sein könnte? Was Anarchie unter heutigen Lebensbedingungen interessant machen könnte, ist z.B. Antworten zu geben auf individuelle und globale Fragen wie: Was heißt Lebensqualität mit wenig Geld oder unter Bedingungen materieller Armut? Dies im Sinne von Selbsthilfe, einer Art `Anleitung zum Glücklich-Sein´, aber auch als gesellschaftspolitisch gemeintes alternatives Angebot gegenüber einer sinnentleerten und weitgehend konsumorientierten Lebensperspektive sowie sich entsolidarisierender Sozialbeziehungen."'' <br />
<br />
Gerade der Punkt "Solidarität" könnte auch für Libertäre eine Herausforderung darstellen. Der enorme historische Fundus des libertären Spektrums an sozialer Kreativität braucht unter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eigentlich "nur" umformuliert zu werden:<br />
<br />
''"Kernpunkt dabei ist eine Neuformulierung von Solidarität. Alte Solidaritätsformen treten in den Hintergrund, wie beispielsweise die Arbeitersolidarität, als eine Beziehung zwischen sozial Gleichen. Angesichts von Globalisierungs-, Pluralisierungs- und Individualisierungsprozessen tritt statt der Gleichheit die Verschiedenheit verstärkt ins Blickfeld. Deshalb bedarf es neuer Formen von Solidarität gerade mit denen, die anders sind. Dazu sind gewaltfreie Formen der Konfliktlösung und verstärkte interkulturelle Kommunikation mehr den je erforderlich."''<br />
<br />
Es ergibt sich aus der Sache selbst, dass libertäres Denken und Handeln zeitlose Phänomene sind, ganz im Sinne eines Gesprächs zwischen Daniel Mermet und Noam Chomsky:<br />
<br />
''"Mermet: Stimmt es denn nicht, dass alle Formen der Selbstorganisation nach anarchistischen Prinzipien endgültig am Ende sind? Chomsky: Es gibt keine festen „anarchistischen Prinzipien“ oder einen verbindlichen libertären Katechismus. Der Anarchismus, wie ich ihn verstehe, ist menschliches Denken und Handeln, das Autoritäts- und Herrschaftsstrukturen zu erkennen sucht, ihnen Rechenschaft abverlangt, und falls sie diese nicht ablegen können, sie zu durchbrechen versucht. Der Anarchismus, das libertäre Denken, ist übrigens gar nicht am Ende, es geht ihm im Gegenteil sehr gut. Er bringt viele echte Fortschritte hervor. Viele Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, die kaum erkannt und noch weniger bekämpft wurden, nimmt man heute nicht mehr hin. Das ist ein Erfolg und ein Fortschritt für die ganze Menschheit – und kein Scheitern."''<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
*Bartsch, Günter: Anarchismus in Deutschland, Bd. II/III, Hannover 1973<br />
*Bock, Hans Manfred: Bibliographischer Versuch zur Geschichte des Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland, in: C. Pozzoli, (Hg.): Jahrbuch Arbeiterbewegung, Bd. 1: Über Karl Korsch, Frankfurt/M. 1973<br />
*Cantzen, Rolf: Weniger Staat - mehr Gesellschaft. Freiheit - Ökologie - Anarchismus, Frankfurt/M. 1987<br />
*Chomsky, Noam/Mermet, Daniel: Zum Besten der Beherrschten, Interview in: Le Monde Diplomatique, August 2007<br />
*Degen, Hans Jürgen (Hg.): Anarchismus heute - Positionen, Bösdorf 1991<br />
*Degen, Hans Jürgen; Knoblauch, Jochen: Anarchismus. Eine Einführung, Stuttgart 2006<br />
*Geronimo: Feuer und Flamme - Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen, Berlin 1990<br />
*Drücke, Bernd: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, Ulm 1998<br />
*Henning, Markus/Raasch, Rolf: Neoanarchismus in Deutschland. Entstehung - Verlauf - Konfliktlinien, Berlin 2005, [http://www.mecopo.de/clients/oppo/3-926880-13-9.htm ISBN: 3-926880-13-9]<br />
*Henning, Markus/Raasch, Rolf: Neoanarchismus in Deutschland. Geschichte, Bilanz und Perspektiven der antiautoritären Linken. Stuttgart 2016<br />
*Holzapfel, Gert: Vom schönen Traum der Anarchie - Zur Wiederaneignung und Neuformulierung des Anarchismus in der Neuen Linken, Berlin (West) 1984<br />
*Jenrich, Holger: Anarchistische Presse in Deutschland 1945 - 1985, Grafenau-Döffingen 1988<br />
*Kramer, Bernd (Hg.): Gefundene Fragmente 1967-1980. Die umherschweifenden Haschrebellen & Peter Handke, Hartmut Sander, Rolf Dieter Brinkmann, Rudi Dutschke, Rainer Langhans, Fritz Teufel u.a., Berlin 2004<br />
*Kurz, Kurz: Alternativ leben? - Zur Theorie und Praxis der Gegenkultur, Berlin (West) 1979<br />
*Raasch, Rolf: Neo-Anarchismus, in: H. J. Degen (Hg.): Lexikon der Anarchie, Bösdorf 1994<br />
*Schmück, Jochen/Hoerig, Günter: DadA - Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus, Berlin/Köln seit 1987<br />
*Schwendter, Rolf: Strömungen und heutige Erscheinungsformen des Anarchismus, in: J. Harms (Hg.): Christentum und Anarchismus - Beiträge zu einem ungeklärten Verhältnis, Frankfurt/M. 1988<br />
*Stowasser, Horst: Anarchismus Heute - Definition, Bewegung, Kritik, Vortrag in der Evangelischen Akademie Arnoldsheim (unveröffentl. Redemanuskript) 1986<br />
*Ders.: Wege aus dem Ghetto - Die Anarchistische Bewegung und das Projekt A, aus: R. Cantzen: Anarchismus - Was heißt das heute?, Neustadt/W. 1990<br />
*Ders.: Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft, Frankfurt/M. 1995<br />
*Ders.: Anarchie! Idee - Geschichte - Perspektiven, Hamburg 2007<br />
----<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
Endredaktion am 09.02.2021<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Neoanarchismus&diff=17748Neoanarchismus2021-02-09T09:50:17Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''<br />
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[[bild:AAB-Berlin_Mitglieder.jpg|thumb|right|300px|Mitglieder des Anarchistischen Arbeiter-Bundes (AAB), Berlin-Neukölln, am 1. Mai 1971.]]<br />
Der Begriff '''Neoanarchismus''' (auch: ''Neo-Anarchismus'' und ''Neuer Anarchismus'') beschreibt keine inhaltlich neue Kategorie, sondern stellt lediglich die Bezeichnung einer historischen Erscheinungsform des Anarchismus dar.<br />
<br />
<br />
== Entwicklungsgeschichte ==<br />
Obwohl die Existenz anarchistischer Gruppen und Individuen während des Dritten Reiches und in der Nachkriegszeit nachweisbar ist, schien der Anarchismus in Deutschland als gesellschaftspolitisch relevante Theorie und Praxis seit dem Ende der Weimarer Republik "ausgestorben" zu sein. Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Radikalisierung der Studentenbewegung bzw. <br />
"Außerparlamentarischen Opposition" (APO) kam es seit Mitte der 1960er Jahre in der BRD und Berlin (West)jedoch zu einer Renaissance des Anarchismus. Mit Bezug auf die unterbrochene bzw. nicht mehr sichtbare historische Tradition wird dieser im Folgenden als Neoanarchismus bezeichnet.<br />
<br />
Dies ist sein entscheidendes Charakteristikum: Der Neoanarchismus entwickelte sich nicht aus dem traditionellen "Altanarchismus". Weder in personeller noch in organisatorischer Hinsicht bestand eine Kontinuität. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass traditionelle altanarchistische Gruppen mit Erfolg entsprechendes Gedankengut in die APO hineingetragen hätten.<br />
<br />
Der "Altanarchismus" war eine zersplitterte Bewegung, bestehend aus kleinen, politisch völlig bedeutungslosen Gruppen. Diese standen größtenteils dem Auftreten von anarchistischen Positionen im Theoriebildungsprozeß der APO und später auch einer neuen anarchistischen Bewegung anfangs ratlos, dann distanziert und sogar ablehnend gegenüber. <br />
<br />
Einzelne Initiativen wie der "Arbeitskreis der Freunde [[Landauer, Gustav|Gustav Landauers]]" um Uwe Timm in Hamburg sowie die "Sozialphilosophische Arbeitsgemeinschaft" um U. Timm und Reinhold Ellenrieder in Berlin (West), bildeten die eher erfolglosen Versuche der Zusammenarbeit von alt und jung und waren die Ausnahme. Im großen und ganzen scheiterten die Kontaktversuche zwischen alten und jungen Anarchisten nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen kulturellen Milieus. <br />
<br />
Die Jungen empfanden sich als Teil der allgemeinen antiautoritären Jugendrevolte, die während der 1960er Jahre angetreten war, alle tradierten gesellschaftlichen Werte in Frage zu stellen. Kommunen, "[[Freie Liebe|Freie Sexualität]]", Rockmusik und Drogenkonsum stießen auch bei diesen Vertretern der älteren Generation auf weitgehendes Unverständnis.<br />
<br />
Neben dem Generationskonflikt existierten zwischen Alt und Jung auch theoretische Differenzen. Aufgrund ihres theoretischen Herkommens aus der antiautoritären Studentenbewegung fühlten sich die jungen Anarchisten anfangs einem kritischen Marxismus verpflichtet. Dies wirkte auf die alten Anarchisten schockierend, die dem Marxismus generell in jeder Form entschieden feindlich gegenüberstanden. Sie hatten den historischen Gegensatz beider Strömungen – nicht zuletzt aufgrund ihrer z.T. persönlichen Erfahrungen mit dem "real existierenden Sozialismus" in der DDR – zutiefst verinnerlicht. Eine Ursache dieses Konflikts lag in den eher akademischen Wurzeln des Neoanarchismus.<br />
<br />
Das Zentrum der kritischen sozialistischen Theoriebildung in der BRD und Berlin (West) war seit dem Anfang der 1960er Jahre der "Sozialistische Deutsche Studentenbund" (SDS), der zunächst der marxistischen Tradition verpflichtet war. Die Protagonisten des studentischen Protests, meist SDS-Mitglieder, stießen, grundsätzlich vom marxistischen Denken geprägt, über die Vermittlung von Kritischer Theorie, linksmarxistischem "Dissidententum" und Rätekommunismus schrittweise auf anarchistische Inhalte. So läßt sich erklären, dass es im SDS in den 1960ern zu einem antiautoritären Flügel kam.<br />
<br />
Aus der Studentenbewegung kommend knüpfte der Neoanarchismus erst 1969 teilweise an die "legitime" historische Tradition des Anarchismus an:<br />
<br />
Mit der Auflösung des antiautoritären Konsens der APO setzte ein Fraktionierungsprozeß der Neuen Linken ein, in dessen Verlauf sich sehr unterschiedliche Strömungen herauskristallisierten.<br />
Ein Teil wandte sich wieder traditionellen Konzepten der Arbeiterbewegung zu (Deutsche Kommunistische Partei[DKP], Sozialdemokratische Partei Deutschlands[SPD], Gewerkschaften). Es entstanden daneben auch "neue" autoritär-etatistische Organisationskonzeptionen der "K-Gruppen" (Kommunistische Kleinparteien). Abgesehen davon differenzierte sich die "Neue Linke" in weitere Gruppierungen, von denen sich jede als Keimzelle einer neuen Bewegung empfand und Zulauf aus Kreisen der Schüler, Jungarbeiter und andere Anhänger der APO erhielt.<br />
<br />
Demgegenüber versuchte die Undogmatische Linke das antiautoritäre Erbe der Revolte fortzuführen. Neben dem "Sozialistischen Büro", einem Zusammenschluss von Intellektuellen, der einen Mittelweg zwischen autoritär-bürokratischen Organisationsvorstellungen und "blinder" bzw. "reiner" Spontaneität suchte, entwickelte sich langsam das vielseitige Spektrum der Neuen Sozialen Bewegungen (z. B. Frauen-, Hausbesetzer- und Ökologiebewegung). Deren Theorie und Praxis enthielt, oft auch unbewusst, anarchistische Elemente.<br />
<br />
Zugleich formierte sich eine autonome antiautoritäre Bewegung, die sich eher selektiv auf klassische anarchistische Konzeptionen berief und theoretisch wie organisatorisch immer noch beeinflusst vom Antiautoritarismus der Studentenrevolte bewusst traditionslos blieb. Das Spektrum reichte dabei von einer "politischen" anarchistischen Hauptströmung bis zu eher emotional orientierten subkulturell-anarchistischen Initiativen.<br />
<br />
Aufgrund der verbreiteten Experimentierfreudigkeit und starker Fluktuation zwischen den Gruppierungen sind eindeutige inhaltliche Zuordnungen und Abgrenzungen nahezu unmöglich. Indifferenz war ein entscheidendes Charakteristikum der neoanarchistischen Bewegung, wie es z. B. in der folgenden Selbstverständniserklärung junger Anarchisten vom Oktober 1972<br />
zum Ausdruck kommt: "Wir bezeichnen als Anarchismus ein breites Spektrum revolutionär-emanzipatorischer Bewegungen mit antiautoritär-libertärem Charakter. (...) Selbst innerhalb der sich anarchistisch nennenden Bewegung finden wir analog zu den unterschiedlichen Strömungen (...) eine beachtliche Begriffsverwirrung des Wortes. Deshalb ist das Kriterium die antiautoritär-emanzipatorische Praxis." (in: Bartsch 1973)<br />
<br />
Die eigentliche Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin (West)begann jedoch nicht erst mit dem Auftreten einer sich auf den Anarchismus berufenden neuen Bewegung. Sie setze schon ab 1968 im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker und nicht nur deren marxistische Kritik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />
Den Anfang machten studentische Initiativen, die mit Hilfe einfacher fotomechanischer Verfahren unkommentierte Raub- und Nachdrucke herausbrachten. Um den neu entstehenden Markt zu bedienen, zogen bald kommerzielle Verlage nach. Allein in den Jahren 1968/69 sollen so mehr anarchistische Titel als in der gesamten Nachkriegsgeschichte des Altanarchismus erschienen sein.<br />
<br />
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium zunächst die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung brachte im Jahre 1969 beispielsweise das "Institut für Praxis und Theorie des Rätekommunismus" in Berlin (West) die "Geschichte der Machnobewegung" neu heraus. Der gleichen Absicht diente die gleichzeitig wieder zugänglich gemachte Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans. <br />
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/[[Bakunin, Michail Aleksandrovič|Bakunin]] in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und [[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch|Kropotkins]] wurde am Anfang der siebziger Jahre mit der Gründung anarchistischer Verlage intensiviert.<br />
<br />
[[bild:Agit883_Nr11_Cover.gif|thumb|left|300px|Das legendäre Berliner Anarcho-Blatt "Agit 883".<br> Cover der Nr. 11 (24.04.1969)]]<br />
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die "Untergrundzeitung". Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums. Ab 1967 erschienen z.B. in Berlin (West) die ersten Nummern von "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000652.HTM Linkeck]" und 1969 "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000921.HTM Agit 883]". 1971 erschienen dann "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000594.HTM Fizz]", 1972 "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000235.HTM Berliner Anzünder]", "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000822.HTM Hundert Blumen]" und "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000813.HTM Bambule]". <br />
<br />
Unbestreitbar bildeten publizistische Aktivitäten einen Schwerpunkt des politischen Engagements der anarchistischen Gruppen jener Zeit; bei den rätekommunistisch-anarchistischen Gruppen sogar den Hauptschwerpunkt. Dies wird u. a. dann deutlich, wenn die Auflagezahlen der Publikationen mit den "Mitgliederzahlen" der Bewegung verglichen werden. So erreichte z.B. "Linkeck" eine Auflagenhöhe zwischen 4000 und 8500, "Agit 883" eine zwischen 4000 und 7000 Exemplaren und zeitweise knapp über 10.000.<br />
<br />
Dagegen bezifferte das Koordinationsbüro der anarchistisch-rätekommunistischen Gruppen in Wetzlar in einer soziologischen Erhebung vom Oktober 1972 den "Kaderstamm" der neoanarchistischen Gruppen auf 1000 bis 1500 Mitglieder. <br />
<br />
Über weitere Aktivitäten der Gruppen, sowie deren Strukturen gibt dieselbe Erhebung aufschlussreiche Auskünfte. Aus der Beantwortung von Fragen, die das Koordinationsbüro an alle Gruppen verschickte, ergab sich folgende soziale Schichtung: Die Anarchos waren im Oktober 1972 zu 28% Schüler, zu 24% Studenten, zu 22% Lehrlinge, zu 19% Arbeiter, zu 7% Angestellte und Freiberufler.<br />
<br />
Im September 1972 existierten in ca. 50 westdeutschen Städten anarchistische Gruppen. In einer Reihe von Städten bestanden jeweils mehrere Gruppen nebeneinander; so in Berlin (West), Hamburg, München, Frankfurt/M., Köln, Willhelmshafen und Wetzlar.<br />
<br />
Ein Jahr später war die Zahl auf ca. 70 Gruppen in 55 Städten angewachsen. Davon agierten fünf in Industriebetrieben, rund zehn an Gymnasien, vier an Universitäten und die restlichen in Stadtteilen oder als Redaktionskollektive. Die Größeren waren in Projektgruppen unterteilt (für Lehrlingsarbeit, Schülerarbeit, Hochschularbeit, Hilfe für Trebegänger, Knast- und Betriebsarbeit, Schulung usw.). Daneben gab es "ad-hoc-Gruppen" für aktuelle Aktionen, die sich anschließend wieder auflösten.<br />
<br />
In den frühen 1970er Jahren versuchte die neoanarchistische Bewegung immer wieder festere Organisationsstrukturen aufzubauen. Am 17. und 18. Mai 1970 fand auf einem überregionalen Treffen in Hamburg der erste Versuch zur Bildung einer bundesweiten anarchistischen Föderation statt. Jedoch konnten sich die Anwesenden lediglich auf die Herausgabe eines regelmäßig erscheinenden Informationsdienstes einigen, der im Rotationsverfahren jeweils von einer anderen Gruppe erstellt werden sollte (Dieses "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000915.HTM Anarcho-Info]" erschien bis 1973 in 21 Nummern). Bald wurde auch das schon erwähnte "Koordinationsbüro" eingerichtet, um die Gruppenaktivitäten besser aufeinander abstimmen zu können.<br />
<br />
Zugleich wurde in Hannover, Berlin (West), Hamburg, München und Wetzlar die Gründung von Stadtföderationen betrieben. <br />
<br />
Zwischen 1970 und 1973 fanden insgesamt vier Bundeskongresse statt. Da die regionalen Föderationsversuche entweder scheiterten oder nur kurzen Bestand hatten, gelang es ebenso wenig, eine landesweite Föderation aufzubauen.<br />
<br />
Erfolg- und Perspektivlosigkeit sorgten für Frustration und Resignation in der neoanarchistischen Szene. Viele Aktivisten zogen sich ganz aus der politischen Arbeit zurück oder gingen – dem "Konzept Stadtguerilla" folgend – in den Untergrund. Um die Mitte der siebziger Jahre zeichnete sich ein deutlicher zahlenmäßiger Niedergang der neoanarchistischen Bewegung ab. <br />
<br />
Im Großen und Ganzen waren am Anfang der 1990er Jahre in Deutschland vier Hauptströmungen des Anarchismus auszumachen:<br />
<br />
===Die am traditionellen Anarchismus orientierten Gruppierungen===<br />
Hierunter fällt z.B. die in individualanarchistischer und mutualistischer Tradition stehende "Mackay-Gesellschaft", die von Kurt Zube, Hermann Fournes, Günther Ehret und Uwe Timm im Jahre 1974 gegründet wurde. Die "[[Mackay, John Henry|Mackay-Gesellschaft]]", die bis zu 200 Mitglieder hatte, sah einen ihrer Hauptschwerpunkte in der Verlagstätigkeit, durch die schließlich über 50 Publikationen erscheinen konnten. 1986 erschien die letzte Ausgabe der Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000779.HTM Zur Sache]" mit Beiträgen von Ulrich Klemm, Peter Bernhardi u. a. Anfang der 1990er Jahre reduzierten sich die Aktivitäten der "Mackay-Gesellschaft" bis zur Auflösung des Verlages.<br />
<br />
Eine neue Anlaufstelle für den [[individualistischer Anarchismus|Individualanarchismus]] bildet seit 1994 die Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001069.HTM espero]" (Herausgeber: "Mackay-Gesellschaft" - V.i.S.d.P.:Jochen Knoblauch [Berlin]und Uwe Timm [Neu Wulmstorf]).<br />
<br />
Zum Lager der traditionellen Strömungen zählt auch die anarchosyndikalistische "Freie Arbeiter Union" (FAU), mit ihrer Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000934.HTM Direkte Aktion]", die sich als deutsche Sektion der anarchosyndikalistischen Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) versteht. Der aus verschiedenen Orts- und Branchengruppen bestehende Organisationsverbund engagiert sich nicht unbedingt nur in der Arbeitswelt, sondern hält sich offen gegenüber anderen gesellschaftsrelevanten Themen. Horst Stowasser merkt kritisch an:<br />
<br />
''"Die FAU ist indes nicht, wie zu vermuten wäre, eine Gewerkschaft, sondern muss sich mangels Basis in den Betrieben mit der Rolle eines Propagandaverbandes begnügen, der die Idee des Anarchosyndikalismus vertritt."''<br />
<br />
===Der gewaltfreie Anarchismus===<br />
Bestehend aus einer Anzahl radikal-pazifistischer Gruppen um die Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000947.HTM Graswurzelrevolution]", in denen auch viele Nicht-Anarchisten engagiert waren. Der gewaltfreie Anarchismus hat nach Einschätzung Horst Stowassers die von ihm festgestellte Modernisierung am besten realisiert. Darunter versteht er die Entwicklung weg von einer frontal angelegten Kampfformation hin zur "Diffusion" im Sinne eines wurzelwerkartigen Einsickerns in gesellschaftliche Zusammenhänge. <br />
Dazu Stowasser: "Die Gruppierung, die die Herausbildung eines Wurzelwerks am konsequentesten vorangetrieben hat und zugleich der anarchistischen Ethik am nächsten kommt, ist die `Gewaltfreie Aktion´. Nicht zufällig trägt ihre recht verbreitete Zeitung den Namen Graswurzelrevolution." <br />
Die Hauptaktivitäten der "Graswurzler", die seit 1980 eine lose "[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]" bildeten, bestanden im gewaltfreien Kampf gegen Militarismus ([[Anti-Militarismus]])und Umweltzerstörung, für Kriegsdienstverweigerung (insbesondere "Totalverweigerung"), alternative Ökonomie und Anarchafeminismus. Zugleich vertraten sie eine Vielzahl projektorientierter Ansätze.<br />
<br />
Die FÖGA hat sich inzwischen aufgelöst, da eine reine "Aktionseinheit" ohne "Ideelle Einheit" verdeutlichte, dass mit vielen Mitgliedsgruppierungen ein libertärer Konsens inzwischen nicht mehr herstellbar war.<br />
<br />
===Die "Autonomen"===<br />
Bildeten keine klar identifizierbare Bewegung oder Organisation, sondern tauchten eher als radikale politische Tendenz im Auf und Ab der Neuen Sozialen Bewegungen und einzelner gesellschaftlicher Konflikte auf. Ihr politisches Spektrum war inhaltlich ausgesprochen vielseitig und umfasste eine große Spannweite. Diese reichte von anarchistisch verstandenen bis hin zu marxistisch-leninistischen Konzepten: "Inhaltlich vertritt die autonome Bewegung ein recht starres Gemisch aus altkommunistischem Avantgardeanspruch und einem anarchospontaneistischen Kult der Direkten Aktion. Angereichert wird das Ganze zu einem umgemodelten Klassenstandpunkt, der auf die Kraft eines neuen Subproletariats baut, das sich aus Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängern rekrutiert." <br />
<br />
Wegen ihres punktuell militant-gewalttätigen Auftretens wurden die "Autonomen" oft pauschal als "anarchistisch" etikettiert. Zwar scheint sich ein Teil auf den Anarchismus berufen zu haben, jedoch ist die häufig gewaltförmige Anti-System-Opposition nur sehr schwer mit der klassischen "Propaganda der Tat" zu vergleichen. <br />
<br />
Zu den gesellschaftspolitischen Aktionsfeldern der "Autonomen" zählten beispielsweise "Häuserkampf", Antifaschismus, Antisexismus und Antiimperialismus. Das Offenhalten einer revolutionären Perspektive bildete die politische Klammer, die diese vielgestaltige Bewegung immer wieder als "Aktionsgemeinschaften" um einzelne gesellschaftspolitische Brennpunkte herum zusammenhielt.<br />
Eine politische Strategie, die sich an konstruktiven anarchistischen Gesellschaftsentwürfen orientiert, ist meines Erachtens jedoch kaum auszumachen.<br />
<br />
===Der "Projektanarchismus":===<br />
Eine Variante, zu deren Wortführer sich insbesondere Horst Stowasser erklärte: "Seit Anfang der achtziger Jahre zeichnet sich weltweit eine Tendenz im Anarchismus ab, (...) der "Projektanarchismus". <br />
<br />
Ein Beispiel dafür stellt das "Projekt A" dar, das sich als praktikables anarchistisches Organisationsmodell der Vernetzung und des "Wurzelwerks" versteht und auch an historische Parallelen erinnert: ''"Ähnlich wie beim Syndikalismus der Jahrhundertwende war eine Lösung gefragt, die den Alltag mit der Utopie verbinden und einen gangbaren Weg aus der Isolation zeigen könnte (...) Er baut zwar nicht auf Gewerkschaften und Klassenkampf auf, aber er versucht, den wirtschaftlichen Bereich mit dem der Politik und der alltäglichen Lebenskultur zu einem Instrument praktischer Umsetzung zu verbinden (...)."'' (H. Stowasser) <br />
<br />
Konkretes Beispiel: W.E.S.P.E in Neustadt/.W., ein Projektzusammenschluss, der sich als Teil eines – wohl noch nicht realisierten – bundesweiten "Projekt-A-Netzwerkes" versteht.<br />
<br />
Grundgedanke dabei ist, die Trennung von Politik, Leben und Geldverdienen in selbstverwalteten Projekten aufzuheben. Das können Läden, Kindergärten, Werkstätten, Wohngemeinschaften, Kulturprojekte, Kneipen, Bildungseinrichtungen, Manufakturen, Bibliotheken, Kommunen, Bauernhöfe, Verlage, Nachbarschaftshilfen usw. sein.<br />
<br />
Ein weiteres Beispiel für Projektanarchismus ist ein von P.M. vorgeschlagener Gesellschaftsentwurf, der im Wesentlichen auf einer planetaren Gesellschaft von "bolos" basieren soll. Dieser Entwurf mutet im Gegensatz zum "Projekt A" eher utopistisch an, ist weniger pragmatisch aber dafür subversiver als dieser angelegt. "bolo'bolo" ist wohl weniger als praktische Handlungsanleitung anzusehen, sondern scheint vielmehr als Inspirationsquelle und Diskussionsgrundlage angelegt zu sein.<br />
<br />
==Fazit==<br />
Eine Bestandsaufnahme des neueren Anarchismus in Deutschland kann – auch aus libertärer Sicht – recht unterschiedlich ausfallen. Zwei Protagonisten des neueren Anarchismus sollen hier beispielhaft zur Sprache kommen. Horst Stowassers Fazit über den Zustand der anarchistischen Bewegung im Jahre 1995 fällt reichlich illusionslos aus:<br />
<br />
''"Diese spezifisch anarchistischen Strukturen sind nicht viel mehr als das Röntgenbild einer kleinen, weltanschaulich geprägten Gemeinde. Ohne die geschilderte Diffusion in soziale Bewegungen und ihre Wurzelwerk-Funktion könnte man das getrost als das Diagramm einer Sekte abtun. Aus dieser Perspektive stellt sich der deutsche Mainstream-Anarchismus unserer Tage in der Tat als eine etwas skurrile Glaubensgemeinschaft dar. Er ist in seinem eigenen sozialen Ghetto verfangen (...). Oft genügt sich dieser Insiderkreis als eigene Zielgruppe und betreibt einen geistigen Inzest, für den das Fehlen einer Publikumszeitschrift bei gleichzeitiger Existenz von mehreren Theorieblättern ein bezeichnendes Indiz ist."'' <br />
<br />
Hans Jürgen Degen gesteht den Anarchisten unter bestimmten Voraussetzungen immerhin ein Stück Zukunftsfähigkeit zu. Seiner Meinung nach haben die Anarchisten ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und seien nicht auf der Höhe der Zeit. Für ihn besteht zunächst die Aufgabe, ''"(...) die anarchistischen Theorien einer radikalen und permanenten Revision zu unterziehen: das, was besonders nach 1945 von einigen wenigen als Revision formuliert wurde, erreichte keine Breitenwirkung und verlief sich; (...) der 'Neo-Anarchismus' (ab den 1960er Jahren) war a) teilweise (soweit er sich mit [[Marxismus]] verschränkte) ein Rückfall auf die Vorstufe des Anarcho-Syndikalismus: des stark vom Marxismus (mit wenig Marx) bestimmten Syndikalismus; b) ist der 'Neoanarchismus' in der Rezeption des 'alten' Anarchismus von vor 1933 fast stecken geblieben: er hat ihn durchdiskutiert, ausgewalzt, neu drapiert; deshalb ist c) der Anarchismus – eng gesehen – noch immer in dieser neoanarchistischen Verharrungsphase".''<br />
<br />
Eine Bestandsaufnahme des Anarchismus bzw. Neoanarchismus kann nicht ausschließlich anhand quantitativer Kriterien erfolgen. Was der Anarchismus historisch geleistet hat und was davon als sozialer Gebrauchswert wirklich weiterhin Bestand hat, wird nicht anhand mengenmäßigen Zahlenmaterials darstellbar sein. Welche Existenzberechtigung hat er dann überhaupt?<br />
<br />
Wie die sich regelmäßig bestätigende historische Erfahrung zeigt, liegen seine Chancen und seine Zukunft in der Qualität seiner radikaldemokratischen Ideen und Wertvorstellungen. Dies hat der Einfluss neoanarchistischer Partizipation im Zuge des gesellschaftlichen Demokratisierungsprozesses während der 1970er und 1980er Jahre bewiesen:<br />
<br />
Im Zuge einer sich Anfang der 1970er Jahre entwickelnden "undogmatischen Linken" schleusten engagierte Anarchisten anarchistische Elemente in den Wertekontext der "Neuen Sozialen Bewegungen" (z.B. Ökologie-, Friedens-, Bürgerinitiativ-, Alternativbewegung) ein. Diese punktuelle Aneignung anarchistischer Prämissen (z.B. Dezentralität, Föderalität, Hierarchiekritik, Selbstverwaltung, gewaltfreier Widerstand, Rotationsprinzip) bildete ein verbindendes Ferment im heterogenen Spektrum dieser Bewegungen.<br />
<br />
Erstaunlicherweise war es dieser – eher ungewollte – Reformismus, der als der eigentliche Erfolg des neueren Anarchismus gelten kann, da er quasi "durch die Hintertür", der gesamten Gesellschaft einen Demokratisierungsschub verpasste. <br />
<br />
Hat der Anarchismus mit diesem Reformismus seine historische Mission erfüllt? Wahrscheinlich nicht!<br />
<br />
Gerade das grün-alternative Parteiprojekt hat gezeigt, dass die Vereinnahmung durch staatlich-parlamentarische Konzeptionen zur Korrumpierung und Integration basisdemokratischer Opposition führt.<br />
<br />
Die Berechtigung moderner Anarchiekonzepte liegt im permanenten Aufzeigen eben dieser Zusammenhänge und der Propagierung und Praktizierung "eigentlicher Alternativen" – eben gesellschaftlich-emanzipatorischer und nicht staatlicher:<br />
<br />
''"Eine gesellschaftspolitische Relevanz des Anarchismus könnte von der Umsetzung einer lebenspraktischen freiheitlichen Ethik ausgehen, das heißt z.B. zu überlegen, was `das gute Leben´ eigentlich sein könnte? Was Anarchie unter heutigen Lebensbedingungen interessant machen könnte, ist z.B. Antworten zu geben auf individuelle und globale Fragen wie: Was heißt Lebensqualität mit wenig Geld oder unter Bedingungen materieller Armut? Dies im Sinne von Selbsthilfe, einer Art `Anleitung zum Glücklich-Sein´, aber auch als gesellschaftspolitisch gemeintes alternatives Angebot gegenüber einer sinnentleerten und weitgehend konsumorientierten Lebensperspektive sowie sich entsolidarisierender Sozialbeziehungen."'' <br />
<br />
Gerade der Punkt "Solidarität" könnte auch für Libertäre eine Herausforderung darstellen. Der enorme historische Fundus des libertären Spektrums an sozialer Kreativität braucht unter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eigentlich "nur" umformuliert zu werden:<br />
<br />
''"Kernpunkt dabei ist eine Neuformulierung von Solidarität. Alte Solidaritätsformen treten in den Hintergrund, wie beispielsweise die Arbeitersolidarität, als eine Beziehung zwischen sozial Gleichen. Angesichts von Globalisierungs-, Pluralisierungs- und Individualisierungsprozessen tritt statt der Gleichheit die Verschiedenheit verstärkt ins Blickfeld. Deshalb bedarf es neuer Formen von Solidarität gerade mit denen, die anders sind. Dazu sind gewaltfreie Formen der Konfliktlösung und verstärkte interkulturelle Kommunikation mehr den je erforderlich."''<br />
<br />
Es ergibt sich aus der Sache selbst, dass libertäres Denken und Handeln zeitlose Phänomene sind, ganz im Sinne eines Gesprächs zwischen Daniel Mermet und Noam Chomsky:<br />
<br />
''"Mermet: Stimmt es denn nicht, dass alle Formen der Selbstorganisation nach anarchistischen Prinzipien endgültig am Ende sind? Chomsky: Es gibt keine festen „anarchistischen Prinzipien“ oder einen verbindlichen libertären Katechismus. Der Anarchismus, wie ich ihn verstehe, ist menschliches Denken und Handeln, das Autoritäts- und Herrschaftsstrukturen zu erkennen sucht, ihnen Rechenschaft abverlangt, und falls sie diese nicht ablegen können, sie zu durchbrechen versucht. Der Anarchismus, das libertäre Denken, ist übrigens gar nicht am Ende, es geht ihm im Gegenteil sehr gut. Er bringt viele echte Fortschritte hervor. Viele Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, die kaum erkannt und noch weniger bekämpft wurden, nimmt man heute nicht mehr hin. Das ist ein Erfolg und ein Fortschritt für die ganze Menschheit – und kein Scheitern."''<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
*G. Bartsch: Anarchismus in Deutschland, Bd. II/III, Hannover 1973<br />
*H. M. Bock: Bibliographischer Versuch zur Geschichte des Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland, in: C. Pozzoli, (Hg.): Jahrbuch Arbeiterbewegung, Bd. 1: Über Karl Korsch, Frankfurt/M. 1973<br />
*R. Cantzen: Weniger Staat - mehr Gesellschaft. Freiheit - Ökologie - Anarchismus, Frankfurt/M. 1987<br />
*Chomsky, Noam/Mermet, Daniel: Zum Besten der Beherrschten, Interview in: Le Monde Diplomatique, August 2007<br />
*H. J. Degen (Hg.): Anarchismus heute - Positionen, Bösdorf 1991<br />
*H. J. Degen; Jochen Knoblauch: Anarchismus. Eine Einführung, Stuttgart 2006<br />
*Geronimo: Feuer und Flamme - Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen, Berlin 1990<br />
*B. Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, Ulm 1998<br />
*M. Henning/R. Raasch: Neoanarchismus in Deutschland. Entstehung - Verlauf - Konfliktlinien, Berlin 2005, [http://www.mecopo.de/clients/oppo/3-926880-13-9.htm ISBN: 3-926880-13-9]<br />
*G. Holzapfel: Vom schönen Traum der Anarchie - Zur Wiederaneignung und Neuformulierung des Anarchismus in der Neuen Linken, Berlin (West) 1984<br />
*H. Jenrich: Anarchistische Presse in Deutschland 1945 - 1985, Grafenau-Döffingen 1988<br />
*B. Kramer (Hg.): Gefundene Fragmente 1967-1980. Die umherschweifenden Haschrebellen & Peter Handke, Hartmut Sander, Rolf Dieter Brinkmann, Rudi Dutschke, Rainer Langhans, Fritz Teufel u.a., Berlin 2004<br />
*G. Kurz: Alternativ leben? - Zur Theorie und Praxis der Gegenkultur, Berlin (West) 1979<br />
*W. Müller: Subkultur Westberlin 1979-1989. Freizeit, Hamburg 2013<br />
*R. Raasch: Neo-Anarchismus, in: H. J. Degen (Hg.): Lexikon der Anarchie, Bösdorf 1994<br />
*J. Schmück/G. Hoerig: DadA - Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus, Berlin/Köln seit 1987<br />
*R. Schwendter. Strömungen und heutige Erscheinungsformen des Anarchismus, in: J. Harms (Hg.): Christentum und Anarchismus - Beiträge zu einem ungeklärten Verhältnis, Frankfurt/M. 1988<br />
*H. Stowasser: Anarchismus Heute - Definition, Bewegung, Kritik, Vortrag in der Evangelischen Akademie Arnoldsheim (unveröffentl. Redemanuskript) 1986<br />
*Ders.: Wege aus dem Ghetto - Die Anarchistische Bewegung und das Projekt A, aus: R. Cantzen: Anarchismus - Was heißt das heute?, Neustadt/W. 1990<br />
*Ders.: Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft, Frankfurt/M. 1995<br />
*Ders.: Anarchie! Idee - Geschichte - Perspektiven, Hamburg 2007<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
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'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Mexikanische_Revolution&diff=17743Mexikanische Revolution2021-02-04T14:10:31Z<p>Rolf R: /* DadA-Links */</p>
<hr />
<div>[[Bild:Tierra y libertad.jpg|thumb|right|360px|Land und Freiheit]]<br />
== Kleine Geschichte der Mexikanischen Revolution (1910-1920) ==<br />
<br />
'''Politische Einordnung'''<br />
<br />
In der politischen Literatur fällt die Charakterisierung der revolutionären Ereignisse in Mexiko unterschiedlich aus:<br />
<br />
* Konservative sehen die Revolution als bloßen Elitenkonflikt zwischen verschiedenen Fraktionen der Agraroligarchie und des Bürgertums.<br />
<br />
* Gemäßigt-liberale bezeichnen sie als eine bürgerliche Revolution, in der um die Art und Weise der Agrarreform gerungen wurde und die auf die Etablierung eines demokratischen Systems zielte.<br />
<br />
* Linke betrachten sie eher als eine „unvollendete“ bzw. „unterbrochene“ Revolution, in der die Interessen der mobilisierten Arbeiter und Bauern den entscheidenden Druck ausübten, sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten.<br />
<br />
Welche Charakterisierung auch immer, entscheidend für Heftigkeit und Verlauf dieser Revolution war die Mobilisierung vor allem der bäuerlichen Bevölkerung und ihre Intervention in das politische Geschehen.<br />
Diese Mobilisierung ist nur vor dem Hintergrund der sozialen Gärung zu verstehen, welche das Regime vor der Revolution – das „Porfiriat“ (1876-1910) – mit sich brachte.<br />
<br />
== Am Vorabend: Das „Porfiriat“ ==<br />
Das „Porfiriat“ ist die Bezeichnung einer historischen Epoche: 1876 etablierte sich unter General Porfirio Díaz eine über dreißig Jahre anhaltende Entwicklungsdiktatur. Díaz – politisch ursprünglich liberal orientiert – hatte es in diesem Zeitraum immer wieder verstanden, die Wahlen so zu manipulieren, dass er die Präsidentschaft stets erneut antreten konnte.<br />
<br />
Sein Regime strebte eine forcierte wirtschaftliche Modernisierung Mexikos an. Die Voraussetzung dafür sollte die Beendigung der politischen Instabilität des Landes bilden. Dazu wurde die Bevölkerung einer strikten staatlichen Kontrolle unterworfen und die Macht der Großgrundbesitzer und des Klerus gestärkt.<br />
<br />
Die wirtschaftliche Expansion erfolgte durch eine exportorientierte Ausrichtung der Landwirtschaft und auf Grundlage ausländischer Kapitalinvestitionen (diese machten zwischen 1900 und 1910 rund zwei Drittel der Gesamtinvestitionen in Mexiko aus). Die Investitionen flossen vornehmlich in den Ausbau des Eisenbahnnetzes und in Industrieprojekte (Bergbau, Textilindustrie, Erdölförderung).<br />
Die für den Ausbruch der Revolution entscheidende Dynamik bildete die enorme Landaneignung durch Ausdehnung des Großgrundbesitzes während des „Porfiriats“:<br />
<br />
Im Jahre 1883 verabschiedete die Díaz-Regierung ein neutral formuliertes Agrargesetz, dessen erklärtes Ziel die Erschließung und Urbarmachung von unbebautem Grund und Boden war. In Wirklichkeit diente dieses Gesetz jedoch einem aggressiv durchgeführten Umverteilungs- und Konzentrationsprozess des Landbesitzes zugunsten der Latifundien (Großgrundbesitz) und Haziendas (monokulturelle Agrarfabriken), die oft von ausländischen Gesellschaften bewirtschaftet wurden. Das Gesetz billigte den Gesellschaften, die Staatsland oder brachliegendes Dschungelgebiet vermaßen, ein Drittel des zu vermessenden Landes kostenlos und weiteres zu Spottpreisen zu.<br />
<br />
Die Vermessungsaktionen machten auch nicht vor dem kleinbäuerlichen Besitz im Norden Halt. Ebenso nicht vor dem jahrhunderte alten Gemeindeland (den „Ejidos“) der indianischen Dorfgemeinden im Süden. Dabei wurde ausgenutzt, dass keine schriftlich fixierten Besitztitel existierten, so dass die Betroffenen dadurch oder durch direkte Gewaltanwendung mit Hilfe staatlicher Organe, ihren angestammten Besitz verloren. Schließlich waren am Ende der Díazdiktatur 90 Prozent der „Ejidos“ zerschlagen.<br />
<br />
Viele, denen so ihre Existenzgrundlage geraubt wurde, mussten das Land ihrer Vorfahren verlassen und vegetierten fortan in den Städten am Rande der Gesellschaft dahin. Als Arbeitslose bildeten sie die Reservearmee billiger Arbeitskräfte für die neu entstandenen Industrien im Norden Mexikos oder mussten zur Arbeit auf die Plantagen in die angrenzenden USA emigrieren.<br />
Manche indianische Dorfgemeinschaften behaupteten sich unter schwierigsten Bedingungen auf verkleinerter Fläche. Um die Familien überhaupt noch ernähren zu können, mussten sich Familienmitglieder als Saisonarbeiter auf den Gütern in der Umgebung verdingen. Dort gerieten sie als Peónes leicht in die Schuldknechtschaft („Peónaje“).<br />
<br />
Dieses System funktionierte so: Die Betroffenen wurden durch den Verlust ihres Landes und der Auflösung der schützenden Dorfgemeinschaft gezwungen, Schulden zu machen. Dies führte meistens zu einer lebenslänglichen Abhängigkeit vom Gläubiger. Das bedeutete auf Lebenszeit, sieben Tage in der Woche, Schwerstarbeit auf den Gummi-, Kaffee-, Sisal- oder Mahagonihaziendas unter schwierigsten Bedingungen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Soviel auch gearbeitet wurde, der Schuldenberg wuchs ständig an, da der Peón gezwungen war, das Lebensnotwendige im haziendaeigenen Laden zu überhöhten Preisen einzukaufen. Die Schulden vererbten sich schließlich auf die Kinder, deren Schicksal im Teufelskreis zwischen Schuften und Schuldenanhäufung damit ebenso vorgezeichnet war.<br />
<br />
Es ist nachvollziehbar, dass dieses Sklavereisystem nur mit Terror und Gewalt aufrechterhalten werden konnte. Dazu verfügten die Haziendas über ein eigenes Disziplinarsystem mit brutalen Aufsehern, eigenen Gefängnissen und sogar eigener angemaßter Gerichtsbarkeit. Das korrupte Verwaltungssystem sicherte dieses Regime mit Unterstützung von Polizei und Militär staatlicherseits ab.<br />
<br />
„Rurales“, unter Díaz eingeführte Anti-Guerilla-Polizeieinheiten, sorgten für die brutale Unterdrückung der zunehmenden Aufstände der verzweifelten Landbevölkerung. <br />
<br />
Im Jahre 1884 verabschiedete die Díaz-Regierung ein Gesetz, durch das alle Bodenschätze den jeweiligen Grundstücksbesitzern zufielen. Dadurch sicherten sich vor allem ausländische Gesellschaften den Zugriff auf die nationalen Bodenschätze, besonders der Erdölvorkommen.<br />
Zur Absicherung seines Regimes umgab sich Díaz in Politik und Verwaltung mit Vertretern einer neuen politisch-technokratischen Klasse, den „Científicos“ („Wissenschaftler“, so genannt wegen ihrer Vorliebe, zur Lösung anstehender Probleme, „wissenschaftliche“ Erkenntnisse heran zu ziehen). Sie vertraten die rassistische Lehre, dass die mexikanische Bevölkerung, insbesondere der indianische Teil, von ihrer Zusammensetzung her zu minderwertig sei, um das Land zu entwickeln. Deshalb könne die Industrialisierung Mexikos nur durch den Zustrom europäischer Einwanderer und ausländischen Kapitals vorangetrieben werden.<br />
<br />
Durch den zunehmenden politischen Einfluss der „Científicos“ sicherten sich vor allem us-amerikanische Gesellschaften den Zugriff auf die mexikanische Wirtschaft. Als Strohmänner auf leitenden Posten betrieben sie mit illegalen Methoden deren Finanz- und Bodenspekulationsgeschäfte.<br />
<br />
== Die Opposition zum „Porfiriat“ ==<br />
Bald ergab sich eine wirtschaftliche Hegemonie der USA. Dies hatte für das Díaz-Regime bedrohliche Folgen. Die Regierung sah sich zu einem Befreiungsschlag in Form eines Nationalisierungsprogrammes gezwungen: 1903 übernahm sie 51 Prozent der bislang zu 80 Prozent in us-amerikanischer Hand liegenden Eisenbahnaktien.<br />
<br />
Solche Maßnahmen kamen auf Druck der neuen selbstbewussten Schicht des mexikanischen Bürgertums zustande, welches eigene – „nationale“ – Interessen verfolgte. Dazu zählten vor allem die Hacendados (Großgrundbesitzer) im Norden des Landes, die inzwischen genug Kapital angehäuft hatten, um in eigene moderne Fabriken zu investieren.<br />
<br />
Ab 1910 entwickelte sich um den liberal gesinnten Großgrundbesitzer Francisco Madero (1878-1913) ein Oppositionszirkel. Schon 1908 hatte er ein Buch veröffentlicht, in dem er für freie Wahlen und zum Kampf gegen die Wiederwahl von Díaz aufgerufen hatte und zwar ausschließlich mit legalen Mitteln. Seine Regimekritik bewegte sich folglich im rein politisch-institutionellen Rahmen und vermied Forderungen nach Veränderung überholter Sozialstrukturen.<br />
Zugleich formierte sich Widerstand gegen das Díaz-Regime durch die Industriearbeiterschaft, die um 1910 ca. fünf Prozent der Bevölkerung ausmachte. <br />
<br />
Von der nördlichen Industriearbeiterschaft gingen die heftigsten sozialen Bewegungen während des „Porfiriats“ aus und nicht – wie später – von der Landbevölkerung. Die organisatorische Herausbildung einer Arbeiterbewegung vollzog sich jedoch größtenteils in der Hauptstadt.<br />
Zwar ging es der Arbeiterschaft im Vergleich zu den Péones relativ besser, jedoch lebten auch sie unter so harten Bedingungen, dass militante Arbeitskämpfe, trotz des Gewerkschaftsverbots, immer mehr um sich griffen. Zwischen 1881 und 1911 gab es 250 Streiks, obwohl jede Art von Streik verboten war.<br />
<br />
In diesem Milieu konnten Anfang des 20. Jahrhunderts in Mexiko auch sozialistische bzw. anarchistische Ideen Fuß fassen.<br />
<br />
Im liberal-bürgerlichen Lager mehrten sich inzwischen die Stimmen, die auf eine Ablösung des Generals drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón , die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet.<br />
<br />
In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter [[Ricardo Flores Magón]] ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. <br />
<br />
Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikalen öffentlichkeitswirksamen Flugblättern, Plakaten und Schriften. Die dadurch mit ausgelösten Unruhen zogen Verhaftungswellen nach sich, auf die wiederum eine Reihe militanter Auseinandersetzungen und Aufstände folgte.<br />
<br />
In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Der drängendsten Frage des Landes – dem Agrarproblem – wendete sie sich zu dieser Zeit jedoch weder programmatisch noch politisch zu.<br />
Eine Wirtschaftskrise, die ab 1907 die USA erfasst hatte, erhöhte die ökonomischen und politischen Spannungen in Mexiko. Die exportorientierte Wirtschaft des Landes geriet damit unter Druck. Vielen der Arbeiter, die auf den Haziendas und in den Industriebetrieben entlassen worden waren, blieb die Rückkehr in die Subsistenzlandwirtschaft wegen der inzwischen forcierten Landkonzentration verwehrt.<br />
Vor diesem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen und neu entstandener sozialer Bewegungen, spitzte sich die politische Auseinandersetzung um die Wiederwahl von Porfirio Díaz schließlich zu einer revolutionären Krise zu.<br />
<br />
== Erste Phase: November 1910 bis Mai 1911 ==<br />
Im April 1910 fand der Gründungskongress des „Partido Nacional Anti-Reelecionista“ („Nationale Partei gegen die Wiederwahl“) statt, auf dem sich die gesamte mexikanische Opposition auf Francisco Madero als Gegenkandidaten zu Díaz einigte. Kurz vor der Präsidentschaftswahl ließ Díaz jedoch den Rivalen Madero verhaften. Darauf bestätigte am 27. September die Deputiertenkammer den 80-jährigen Diktator für die Zeit von 1910-1916 erneut die Präsidentschaft.<br />
<br />
Madero, dem es am fünften Oktober gelungen war, in die USA zu fliehen, veröffentlichte darauf hin seinen „Plan von San Luis Potosí“, in dem er die Präsidentschaftswahl für ungültig erklärte und die Bevölkerung aufforderte, sich zu bewaffnen, um am 20. November 1910 die Regierung durch einen Aufstand zu stürzen. Aufgrund eines agrarpolitischen Minimalprogrammes (Rückgabe der enteigneten Ländereien an die früheren Besitzer) gelang es ihm, die ländlichen Widerstandsbewegungen und deren Führer auf seine Seite zu ziehen. Die Revolution brach schließlich in den Bundesstaaten Puebla und Chihuahua aus.<br />
<br />
Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen.<br />
Die Aufstandsbewegung war dennoch nicht mehr aufzuhalten. An der Spitze der Revolution standen im Süden die Landarbeiterbewegungen um Emiliano Zapata und im Norden um Pancho Villa. Innerhalb eines halben Jahres brachten die Aufständischen einen Großteil des Landes unter ihre Kontrolle. Díaz musste schließlich nach 30 Jahren uneingeschränkter Diktatur abdanken und begab sich am 31. Mai auf die Flucht nach Europa.<br />
<br />
Am siebten Juni 1911 zog der aus den USA zurückgekehrte Madero im Triumphzug in die Hauptstadt ein und wurde zum neuen Präsidenten ausgerufen. Madero setzte zwar eine Reihe politischer Reformen durch (Wiedereinsetzung der liberalen Verfassung von 1857, Verbot der Wiederwahl des Präsidenten, Garantie demokratischer Freiheiten), aber für ihn galt mit den politisch-konstitutionellen Reformen die Revolution als abgeschlossen. Fortan suchte er den Ausgleich mit den Vertretern des alten Regimes. Auch blieben der Staatsapparat und die Position des Militärs unangetastet.<br />
<br />
Das große Problem der elenden soziökonomischen Verhältnisse – besonders die Lösung der Agrarfrage – blieb jedoch unverändert bestehen. Die vom Großteil der Bevölkerung herbeigesehnten Reformen, wegen denen sie die Revolution überhaupt unterstützt hatte, blieben aus.<br />
<br />
<br />
== Zweite Phase: Mai 1911-Februar 1912: Die „Revolution von unten“ ==<br />
Die „Revolution von unten“ nahm nun ihren Anfang. Unter Emiliano Zapata wurde der Bundesstaat Morelos faktisch unabhängig von der Zentralregierung. Diese Revolution des Südens verkörperte das radikalste agrarrevolutionäre Element der Mexikanischen Revolution. In Morelos hatte sich unter dem „Porfiriat“ eine weitgehende Enteignung der Indiogemeinden vollzogen (Morelos wurde als die „perfekte Hazienda“ bezeichnet). Schon im neunzehnten Jahrhundert war es gegen die Ausbreitung der Zuckerrohrhaziendas zu vielfältigen Formen des Widerstandes gekommen (von bloßen juristischen <br />
Schritten bis hin zu gewalttätigen Aktionen).<br />
<br />
Die herausragende Figur war Emiliano Zapata (1877-1919). Er wurde im Jahre 1910 im Dorf Anenecuilco zum Gemeindepräsidenten gewählt und stieg in kurzer Zeit zum Führer der Agrarbewegung von Morelos auf. Deren große Schlagkraft beruhte letztendlich auf einer homogenen sozialen Basis und gut organisierten bewaffneten Formationen. Bevor Zapata in die Politik ging, hatten er und seine Familie sich schon lange für die Belange und Sorgen der lokalen, zumeist indianischen Landbevölkerung, eingesetzt. Sein Ruf als Verteidiger der Entrechteten war legendär und die Bevölkerung brachte ihm fast religiöse Verehrung entgegen. Seine politischen Ideale wurden stark von den anarchistischen Ideen Ricardo Flores Magóns beeinflusst.<br />
<br />
Emiliano Zapata erklärte am 12. August 1911, dass die Rebellenarmee des Südens so lange unter Waffen bleiben würde, bis die „Ejidos“ durch die Regierung an die Dorfgemeinschaften zurückgegeben würden.<br />
Dies war nicht zu erwarten und die Regierung Madero stieß zunehmend auf das Misstrauen ihrer früheren Bündnispartner. Nach weniger als einem Jahr seiner Präsidentschaft waren die eigentlichen Ziele der Revolution weit von ihrer Realisierung entfernt.<br />
<br />
Nun sammelten sich im Süden erneut die bewaffneten Revolutionäre um Zapata, der am 28. November im „Plan von Ayala“ Madero zum „Verräter des Vaterlandes“ erklärte.<br />
<br />
Im „Plan von Ayala“, der programmatischen Grundlage der Revolution des Südens, waren im Wesentlichen folgende Forderungen formuliert:<br />
<br />
* Rückgabe der Gemeindeländereien<br />
<br />
* Vergabe von einem Drittel des Großgrundbesitzes an die Bauern<br />
<br />
* Enteignung der Revolutionsgegner<br />
<br />
Dieses Programm verdeutlicht die doppelte Beschränkung der Revolution des Südens: Zum einen in seiner Begrenzung auf eine soziale Gruppe, also auf unmittelbar bäuerliche Forderungen und zum anderen in seiner regionalen Begrenztheit auf den Bundesstaat Morelos.<br />
<br />
Aber immerhin bildete der „Plan“ die Handlungsgrundlage, durch die die revolutionäre Bauernbewegung unter der Losung „Tierra y Libertad“ („Land und Freiheit“) auf Jahre mobilisiert werden konnte. Obwohl Madero sofort Truppen in Marsch setzen ließ, gelang es der Regierung nicht, die Zapatabewegung unter Kontrolle zu bekommen. Dagegen gelang es den Aufständischen im Februar 1912 die Stadt Juarez zu besetzen und weitere militärische Erfolge zu erringen.<br />
<br />
Inzwischen wurden alle sozialrevolutionären Bewegungen seitens der „revolutionären“ Regierung aktiv militärisch bekämpft. Zugleich sah sich das neue Regime auch noch zunehmend von konterrevolutionären Truppen bedroht.<br />
<br />
Auch im Norden des Landes braute sich Unheil gegen die Regierung zusammen. Dort hatten sich die Revolutionäre um den späteren Überläufer zur Konterrevolution Pascual Orozco gescharrt. Orozco hatte sich am 25. März 1912 in seinem „Plan von Chihuahua“ von Madero losgesagt und in Chihuahua einen Aufstand angezettelt, der zur vorübergehenden militärischen Niederlage der Regierungstruppen führte.<br />
Einige Monate später war Madero jedoch wieder Herr der Lage: Am dritten Juli 1912 gelang es seinen Truppen unter dem Befehl Huertas – gemeinsam mit den Truppen Pancho Villas – den Aufstand von Chihuahua niederzuschlagen.<br />
<br />
Nach nur 15 Monaten der Regierung Maderos entlud sich das politisch aufgeheizte Klima in einem Aufstand in der Hauptstadt. Die Regierung stand zwischen den bewaffneten Kräften, die auf eine Radikalisierung der Revolution drängten und denen, die Alles rückgängig machen wollten. In den folgenden „Decena Tragica“ („Die zehn blutigen Tage“), die am neunten Februar 1913 begannen, lieferten sich Regierungstruppen unter der Führung von General Victoriano Huerta mit reaktionären Putschisten erbitterte Gefechte.<br />
<br />
Eine Woche später jedoch intrigierte Huerta gegen seinen Präsidenten und schloss sich am 18. Februar 1913 den Putschisten an. Madero und sein Vizepräsident wurden verhaftet. Schon einen Tag darauf ernannte die Deputiertenkammer mit us-amerikanischer Rückendeckung Victoriano Huerta offiziell zum neuen Präsidenten. Seine erste Amtshandlung bestand in der Veranlassung der Ermordung Maderos und des Vizepräsidenten Pino Suárez, denen zuvor freies Geleit aus Mexiko zugesichert worden war.<br />
<br />
== Dritte Phase: Februar 1912-Juli 1914: Der Kampf gegen Huerta ==<br />
Huertas Machtergreifung und insbesondere die Morde an Madero und Suárez hatten im ganzen Land große Empörung hervorgerufen. Als er versuchte, sich per Staatsstreich diktatorische Vollmachten zu verschaffen, formierte sich ein breites und heterogenes Bündnis gegen ihn. Darin übernahm der bürgerlich-liberale Großgrundbesitzer Venustiano Carranza die Führung. Im „Plan von Guadelupe“ wurde das Programm dieses Bündnisses formuliert, das jedoch den Forderungen nach einer Agrarreform nur vage entgegen kam.<br />
<br />
Dem Bündnis der Truppen, dem außer der Bewegung um Zapata, alle übrigen revolutionären Fraktionen angehörten, gelang es innerhalb weniger Monate, den Großteil des Landes unter seine Kontrolle zu bringen. Huerta musste am 15. Juli 1914 abdanken und floh ins Ausland.<br />
<br />
In der Zeit der folgenden Übergangsregierung intervenierten die USA in das Geschehen. US-Präsident Woodrow Wilson bezeichnete sich als einen Gegner Huertas. Deshalb hob er schon im Februar 1914 das Waffenembargo gegenüber Mexiko auf und begünstigte damit die Rebellen. Im April 1914 griff er sogar direkt in die innermexikanischen Kämpfe ein, indem er Marinetruppen den Hafen von Veracruz besetzen ließ und dadurch die Lieferung deutscher Waffen an das Huerta-Regime verhinderte.<br />
<br />
Die Finanzierung der Waffen für die Revolutionäre durch Geldgeber in den USA weist auf einen allgemein wichtigen Faktor in der Mexikanischen Revolution hin: Die Einflussnahme fremder Mächte. Ob nun die Verwicklung in den konterrevolutionären Staatsstreich von General Huerta, die Landung von US-Marineeinheiten in Veracruz, die Finanzierung der Revolutionsarmeen des Nordens oder die spätere Strafexpedition amerikanischer Truppen – die USA und europäische Mächte intervenierten auf vielfältige Weise in den mexikanischen Revolutionsprozess. Und schon vorher aber besonders während der Revolution, konnten die USA ihre ökonomische Vormachtstellung in Mexiko auf Kosten Großbritanniens ausbauen.<br />
<br />
== Exkurs: Die Arbeiterbewegung in der Mexikanischen Revolution ==<br />
Die ersten mexikanischen Gewerkschaftsformierungen entstanden unter anarcho-syndikalistischem Einfluss. Als Vorbild galt die us-amerikanische Gewerkschaft „Industrial Workers of the World“ (IWW). <br />
<br />
In den ersten Jahren der Revolution stand die organisierte Arbeiterschaft der Hauptstadt abseits. Am 15. Juli 1912 wurde die Gewerkschaftsvereinigung „Casa del Obrero Mundial“ („Haus der Arbeiter der Welt“) gegründet. Die Gruppe gab eine Zeitung namens „Luz“ („Licht“) heraus, die die Revolutionslosung „Tierra y Libertad“ in ihr Programm aufnahm.<br />
<br />
Die „Casa del Obrero Mundial“ fühlte sich zur Neutralität im revolutionären Konflikt verpflichtet. Damit glaubte sie der anarchistischen Tradition zu entsprechen, Distanz zu politischen Auseinandersetzungen zu halten. <br />
<br />
In den nördlichen Industriezentren nahmen jedoch Arbeiter an den zahlreichen revolutionären Erhebungen teil. <br />
<br />
== Revolution in der Revolution ==<br />
In den Jahren 1914 / 15 radikalisierte sich die Bewegung im Bundesstaat Morelos weiter. Es kam zu einer „Revolution in der Revolution“. Die Radikalisierung war einerseits der polarisierenden Dynamik des Revolutionsverlaufs geschuldet (Auseinanderbrechen des Bündnisses mit bürgerlich-liberalen Kräften), andererseits machte sich der ideologische Einfluss radikaler städtischer Intellektueller (z.B. Ricardo Flores Magón und Zapatas Sekretär Manuel Palafox) bemerkbar.<br />
<br />
Die revolutionären Maßnahmen gingen inzwischen weit über eine reine Restauration der Landverhältnisse vor dem „Porfiriat“ hinaus. Für Enteignungen wurden keine Entschädigungen mehr geleistet und von den Gemeinden getragene Agrarkommissionen führten eine radikale Landverteilung durch. Die Gründung einer Landkreditbank sollte den Wiederaufbau einer kleinbäuerlichen Wirtschaft unterstützen. Darüber hinaus kam es zur Vergesellschaftung der Zuckerrohrmühlen.<br />
<br />
== Pancho Villa und die Revolution des Nordens ==<br />
Der Norden Mexikos wies im Vergleich zu Morelos eine besonders heterogene Sozialstruktur auf: Ein Teil der Landbevölkerung lebte als Peónes auf den Haziendas. Ihre Mobilisierung verlief äußerst unterschiedlich. Teils schlossen sie sich den entstehenden Bauernarmeen an, teils verharrten sie passiv im sozialen Mikrokosmos ihrer Hazienda.<br />
<br />
Eine andere Gruppe im Norden bildeten die Nachkommen von „Militärkolonisten“. Diese waren bereits in der Kolonialzeit als freie Kleinbauern unter der Auflage angesiedelt worden, gegen die Indianerstämme zu kämpfen. Diese freien Kleinbauern („Rancheros“) hatten im „Porfiriat“ ihr Land zunehmend an Großgrundbesitzer verloren. Darüber hinaus war im Norden durch Bergbau und Textilindustrie ein Proletariat entstanden.<br />
<br />
Die herausragende Figur im Norden war Francisco „Pancho“ Villa (1877-1923). Er war einer der wenigen Führerfiguren der Revolution des Nordens, der kein Vertreter der lokalen Elite war und der Schicht der Peónes entstammte. Villa organisierte nach der Ermordung Maderos die Revolutionstruppen des Nordens („División del Norte“) im Staat Chihuahua mit einer bäuerlichen Basis und war militärisch für eine lange Zeit sehr erfolgreich.<br />
<br />
Pancho Villa (Pseudonym für Doroteo Arango) war ein verwegener Guerillakämpfer, in dessen Mythos sich soziales Banditentum und Robin Hood-Legende vermischten. In seinen Aktionen ließ er militärische Genialität erkennen. Es mangelte ihm jedoch, verglichen mit dem Kampf Zapatas, an politischer Weitsicht und Konsequenz. Dies wird deutlich beim Vergleich der unterschiedlichen Durchführung und sozialen Folgen der Landreform, wie sie von der „División del Norte“ von Pancho Villa auf der einen und von der Zapata-Bewegung auf der anderen Seite in die Wege geleitet wurde:<br />
Die Zapata-Bewegung enteignete den Grund und Boden der Latifundien und Haziendas und verteilte ihn unverzüglich an die Landbevölkerung. In Morelos waren die „freien Dörfer“ noch so intakt, dass diese selbständigen und selbstbewussten Gemeinden die Landreform in die eigene Hände nehmen konnten.<br />
Diese Bedingungen für eine konsequente Bodenreform fand Villa in Nordmexiko nicht vor. Die Inhomogenität der Bevölkerung bot keinen guten Ansatzpunkt für gemeinschaftliche Bewirtschaftungsformen. Pancho Villa enteignete zwar die großen Landgüter, doch er verteilte sie nicht an die Bauern, sondern er „verstaatlichte“ sie und exportierte fast die gesamte Produktion in die USA, um Waffen und Munition zu kaufen. Jedoch beabsichtigte er für die Zukunft, den Ertrag dieses Landes „Witwen und Waisen“ zukommen zu lassen. Ohne es zu wollen, hatte er sich so eine Schicht von Militärs herangezüchtet, die in ihre eigenen Taschen wirtschafteten.<br />
<br />
Die Mobilisierung der übrigen revolutionären Formationen und der unterschiedlichen sozialen Gruppen vollzog sich unter der Führung von Großgrundbesitzern (Francisco Madero, Venustiano Carranza, Pascual Orozco) und städtischen Intellektuellen. Sie konnten professionelle Bauernarmeen organisieren, ohne dafür eine Agrarreform durchführen zu müssen, denn sie bezahlten die Soldaten nicht mit Land, sondern in bar (Geldgeber in den USA). Die Offiziere und Generäle dieser Armeen sollten später zur neuen Land besitzenden Bourgeoisie im postrevolutionären Mexiko werden.<br />
<br />
== Vierte Phase: Juli 1914 - Februar 1917: Bruderkampf der Revolutionäre ==<br />
Als am 15. Juli 1914 Huerta abdankte und das Land verließ, hatte die Revolution ihren zweiten großen Sieg über die Konterrevolution errungen. Der Zeitpunkt schien gekommen, die revolutionären Errungenschaften zu konsolidieren. Da es an einer von allen revolutionären Fraktionen akzeptierten und breit sozial verankerten politischen Ideologie mangelte, schien es für Viele auf eine neue, wenn auch „revolutionäre Diktatur“ hinauszulaufen. Wer würde von den drei großen Revolutionsführern die Macht im Staate an sich reißen: Zapata, Villa oder Carranza?<br />
<br />
Einen Monat nach dem Sturz Huertas wurde diese Frage zugunsten Carranzas entschieden.<br />
Venustiano Carranza war ein echter Machtpolitiker, der auf die Unterstützung großer Kreise im bürgerlichen Lager rechnen konnte.Mit ganz geringen Abweichungen vertrat er die bürgerlich-liberale und demokratische Ideologie seines Vorgängers Madero. In seinem politischen Programm waren vor allem die Interessen des neuen Großbürgertums vertreten. Zugeständnisse an die Reformvorstellungen der armen Landbevölkerung und des Proletariats der Städte erfolgten von ihm stets aus rein taktischen Überlegungen oder auf direkten Druck von unten.<br />
<br />
Bald war klar, dass die Kräfte um Carranza („Constitucionalistas“) die Revolution als beendet ansahen. Das fragile Bündnis fiel nun auseinander und ein Bürgerkrieg innerhalb des revolutionären Lagers begann:<br />
<br />
Als im August 1914 die konstitutionalistischen Truppen – insbesondere durch die Erfolge von Villas „División del Norte“ – bis vor die Hauptstadt gelangt waren, kam es zu einem ersten Zerwürfnis zwischen den drei Revolutionsführern. Die vordergründige Streitfrage war, welche der drei Truppenteile zuerst in die Stadt einziehen dürfe. Es gelang Carranza, sich durchzusetzen, indem er seinen Kontrahenten den Nachschub abschnitt und ein Bündnis mit dem ehemaligen Polizeichef Huertas einging und am 20. August schließlich auch die Exekutivgewalt ergriff. Daraufhin kündigte Pancho Villa Carranza die Gefolgschaft und veröffentlichte in Chihuahua ein Manifest, in dem er zur Fortsetzung des Kampfes aufrief.<br />
Die revolutionären Gruppen, die sich in der kurzen Pause nach dem Sturz Huertas demobilisiert hatten, bewaffneten sich erneut, um sich entweder den Truppen Villas und Zapatas oder Carranzas anzuschließen.<br />
Obwohl die Widersprüche und Differenzen im so genannten „konventionalistischen“ Lager zwischen Zapatisten und Villa-Anhängern nicht ausgetragen waren, sah sich Carranza am 24. November 1914 gezwungen, die Hauptstadt zu räumen.<br />
Am sechsten Dezember zogen dann die Revolutionstruppen Zapatas und Villas sowie die Konventsregierung unter der Führung des Präsidenten Eulalio Gutierrez in einer achtstündigen Prunkparade in die Hauptstadt ein.<br />
Aus der Perspektive der sozialen Bewegungen ist dies der eigentliche Höhepunkt der Mexikanischen Revolution. Damit eröffnete sich eine kurze Phase der Doppelherrschaft. Die Agrarrevolutionäre verfügten jedoch über kein gemeinsames systematisches Programm und auch über keine langfristige Strategie durch die es ihnen gelungen wäre, ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung zu organisieren. Das Gesetz des Handelns fiel an Carranza zurück. Von Veracruz aus, das er zur neuen Hauptstadt erklärt hatte, erließ Carranza aus taktischen Gründen eine Vielzahl von Reformen zur Agrarfrage und Linderung der sozialen Not des Städteproletariats. <br />
<br />
General Álvaro Obregón vollzog im Auftrage Carranzas nach 1914 eine Annäherung an die „Casa del Obrero Mundial“ und es kam zu einem Bündnis zwischen großen Teilen der städtischen Arbeiterschaft und den bürgerlich-liberalen Konstitutionalisten. In den „Roten Bataillonen“ bekämpften die Arbeiter sogar die Zapatisten und Pancho Villa. <br />
Im Januar 1915 ging Carranza mit seiner konstitutionalistischen Armee schließlich auch zur militärischen Offensive über. In den ersten sechs Monaten des Jahres kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen, bei denen die Hauptstadt heiß umkämpft und mehrmals abwechselnd von beiden Seiten eingenommen wurde.<br />
<br />
In den Monaten zwischen April und Juli 1915 gelang es der Armee Carranzas, Villas Truppen aus Zentralmexiko zurückzuschlagen und damit die Verbindung zur Zapata-Bewegung abzuschneiden. Von diesem Zeitpunkt an befand sich Pancho Villa in der Defensive und die Bewegung Zapatas beschränkte sich nur noch auf den Staat Morelos.<br />
<br />
Spätestens ab Juli 1915 hatte Carranza endgültig die militärische Oberhand zurückgewonnen. Seine Truppen besetzten mehrere wichtige Städte und am 26. August fiel auch Mexiko-Stadt in ihre Hände. Am 11. Oktober 1915, als ein Großteil des Landes unter seiner Kontrolle war, kehrten Carranza und sein Kabinett wieder nach Mexiko-Stadt zurück und erklärten es wieder zur Regierungshauptstadt.<br />
Am 19. desselben Monats erkannte die USA und in der Folge auch die Mehrheit der südamerikanischen Staaten, die Regierung Carranzas als rechtmäßig an. Darüber hinaus verhängten die USA, um der Revolution ein Ende zu bereiten, gegen Mexiko ein Waffenembargo, mit Ausnahme der Waffen, die für die Regierung Carranzas bestimmt waren.<br />
<br />
Unter diesen Umständen verschlechterte sich die militärische Lage Pancho Villas dramatisch. So in die Defensive gedrängt und in eine verzweifelte Lage gebracht, verübte er einen Überfall auf einen Zug im Bahnhof von Santa Isabel (Chihuahua), bei dem 15 nordamerikanische Reisende getötet wurden. Doch damit nicht genug; am neunten März überschritt er die Grenze zur USA und griff die Grenzstadt Columbus in New Mexiko an. Dabei wurden vierzehn US-Amerikaner getötet und zwei Häuserblocks gingen bei dem Angriff in Flammen auf.<br />
<br />
Wie nicht anders zu erwarten, riefen diese Aktionen Pancho Villas eine äußerst harte Reaktion der USA hervor. Im Verlauf der folgenden, über ein Jahr dauernden Strafaktion, kam es zu mehreren blutigen Zwischenfällen auf mexikanischem Territorium. Militärisch beschränkte sich die Strafaktion jedoch darauf, die Person Villa aufzuspüren. Sie wurde schließlich am fünften Februar 1917 eingestellt, da es nicht gelungen war, ihn aufzustöbern. <br />
<br />
Nachdem die Gefahr durch die Agrarbewegungen größtenteils militärisch gebannt war, vollzog Carranza eine Kehrtwendung, die sich gegen den Einfluss der städtischen Arbeiterbewegung richtete. Ihren Ansprüchen wurde nun mit offener Repression begegnet (1916 Verhängung der Todesstrafe für Streiks).<br />
Ende 1916 versammelte sich die „Konstituante von Querétaro“ – eine Versammlung der besitzenden Klassen. Die aus ihr hervorgehende Verfassung bedeutete eine Festlegung auf ein bürgerlich-kapitalistisches Mexiko. Allerdings hatte die Energie der Volksbewegung in der Mexikanischen Revolution und der soziale Druck während der Verfassungsdiskussion die bis dahin fortschrittlichste Verfassung der Welt entstehen lassen. Besonders drei Artikel spiegeln dies wider:<br />
<br />
* Artikel 3: Völlige Trennung von Staat und Kirche; staatliche Grundschulausbildung<br />
<br />
* Artikel 27: Nationalisierung der Bodenschätze; Verfassungsgrundlage für eine Agrarreform<br />
<br />
* Artikel 123: Umfangreiche Agrar- und Sozialgesetzgebung<br />
<br />
Am 10. April 1919 gelang es den Regierungstruppen, Emiliano Zapata durch Verrat in Chinameca in einen Hinterhalt zu locken und heimtückisch zu ermorden. Seine geschockten Anhänger ließen sich durch Versprechungen und Zugeständnis-se Carranzas hinsichtlich der Bodenreform dazu bewegen, fortan nur noch friedlich mit der nachrevolutionären Regierung zu kooperieren.<br />
<br />
Obwohl überall im Lande noch bewaffnete Splittergruppen von Pancho Villa und Anderen existierten und in der Bevölkerung eine von Hass und Unzufriedenheit geprägte Stimmung herrschte, ging die Revolution ihrem endgültigen Ende entgegen. Die sozial-revolutionären Ansätze, die sich in ihr manifestiert hatten, verkümmerten, und der Kampf konzentrierte sich von nun an nur noch auf Personen und politische Programme.<br />
<br />
Anfang 1920 wurden die Widersprüche im konstitutionalistischen Lager immer größer. Sowohl die ländlichen als auch die städtischen Massen fühlten sich um die Früchte der Revolution, die lang ersehnten sozialen Reformen, betrogen. <br />
<br />
Alvaro Obregón, der langjährige Vertraute Carranzas, sah seine Stunde gekommen und kündigte dem Präsidenten seine Gefolgschaft auf. Unter dem Oberkommando von Plutarco Elias Calles initiierte er einen Militärputsch, der sich rasch verbreitete und zur Besetzung der Bundesstaaten Sinaloa, Guerrero, Michocán, Zacatecas und Tabasco führte. Am siebten Mai 1920 sahen sich Carranza und sein Kabinett gezwungen, die Hauptstadt zu verlassen, die dann zwei Tage später von Obregón und seinen Truppen besetzt wurde.<br />
<br />
Am 21. Mai 1920 gelang es den Truppen Obregóns, Carranza und seine Begleiter in einen Hinterhalt zu locken und Carranza selbst zu ermorden. Schließlich wurde am fünften September Álvaro Obregón offiziell auf die Präsidentschaft für die Zeit von 1920 bis 1924 vereidigt.<br />
<br />
Der letzte Überlebende der drei großen Revolutionsführer, Pancho Villa, wurde am 20. Juli 1923 ermordet, obwohl er sich bereits drei Jahre zuvor aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte.<br />
<br />
== Fazit ==<br />
Zusammenfassend lassen sich für die Mexikanische Revolution folgende Charakteristika feststellen:<br />
<br />
* Die Volksbewegung und Massenmobilisierung bestimmten Rhythmus und Reichweite der Revolution.<br />
<br />
* Es gelang, dieses agrarrevolutionäre Moment abzufangen und zu kanalisieren.<br />
<br />
* Der Druck der Intervention von unten prägte die weitere Entwicklung des politischen Systems.<br />
<br />
* Die sozialrevolutionären Ansprüche der Volksbewegung blieben jedoch bis heute uneingelöst.<br />
<br />
Aus der Sicht der sozialen Bewegungen, welche die Auseinandersetzungen im Wesentlichen getragen hatten und ihre eigentlichen Ziele nicht erreichen konnten (die landlosen Bauern und das Industrieproletariat), kann mit dem mexikanischen Historiker Adolfo Gilly die Mexikanische Revolution als „unterbrochene Revolution“ bezeichnet werden. <br />
<br />
Ihre Anliegen konnten zwar in der noch heute gültigen Sozialgesetzgebung verankert werden. Trotz allen „Fortschritts“ sollten aber viele der die Mexikanische Revolution auslösenden Probleme und sozialen Konflikte bis heute ungelöst bleiben. <br />
<br />
== Literatur ==<br />
Baumgarten, Charlotte: Vorwort zu John Reed: Mexiko in Aufruhr. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1977<br />
<br />
Beck, Barbara; Kurnitzky, Horst: Zapata. Bilder aus der Mexikanischen Revolution. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin (West) 1975<br />
<br />
Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
Bock, Gisela; Lewis, Austin: Die Wobblies, Bd.1 / Bd. 2, Karlsruher Stadtzeitung, Karlsruhe, o. J.<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
Gilly, Adolfo: La Revolución interrumpida. Guía de estudio de la historia universal II, CCH Naucalpan, UNAM, Mexico D.F. 1991<br />
<br />
Hart, John Mason: Revolutionary Mexico. The Coming and Process of the Mexican Revolution. University of California Press , Berkeley and Los Angeles 1989<br />
<br />
Reed, John: Eine Revolutionsballade. Mexico 1914. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2005<br />
<br />
Ross, John: Mexiko. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. Das politische Reisebuch. Unrast-Verlag, Münster 2004<br />
<br />
==DadA-Links==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
----<br />
Dieser Artikel ist - leicht verändert - folgendem Buch entnommen: Rolf Raasch: [[Portal DadA-Buchempfehlung|B. Traven und Mexiko]]. Ein Anarchist im Land des Frühlings - Eine politisch-literarische Reise. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
<br />
Endredaktion am: 04.02.2021<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Mexikanische_Revolution&diff=17742Mexikanische Revolution2021-02-04T14:06:00Z<p>Rolf R: /* Vierte Phase: Juli 1914 -Februar 1917: Bruderkampf der Revolutionäre */</p>
<hr />
<div>[[Bild:Tierra y libertad.jpg|thumb|right|360px|Land und Freiheit]]<br />
== Kleine Geschichte der Mexikanischen Revolution (1910-1920) ==<br />
<br />
'''Politische Einordnung'''<br />
<br />
In der politischen Literatur fällt die Charakterisierung der revolutionären Ereignisse in Mexiko unterschiedlich aus:<br />
<br />
* Konservative sehen die Revolution als bloßen Elitenkonflikt zwischen verschiedenen Fraktionen der Agraroligarchie und des Bürgertums.<br />
<br />
* Gemäßigt-liberale bezeichnen sie als eine bürgerliche Revolution, in der um die Art und Weise der Agrarreform gerungen wurde und die auf die Etablierung eines demokratischen Systems zielte.<br />
<br />
* Linke betrachten sie eher als eine „unvollendete“ bzw. „unterbrochene“ Revolution, in der die Interessen der mobilisierten Arbeiter und Bauern den entscheidenden Druck ausübten, sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten.<br />
<br />
Welche Charakterisierung auch immer, entscheidend für Heftigkeit und Verlauf dieser Revolution war die Mobilisierung vor allem der bäuerlichen Bevölkerung und ihre Intervention in das politische Geschehen.<br />
Diese Mobilisierung ist nur vor dem Hintergrund der sozialen Gärung zu verstehen, welche das Regime vor der Revolution – das „Porfiriat“ (1876-1910) – mit sich brachte.<br />
<br />
== Am Vorabend: Das „Porfiriat“ ==<br />
Das „Porfiriat“ ist die Bezeichnung einer historischen Epoche: 1876 etablierte sich unter General Porfirio Díaz eine über dreißig Jahre anhaltende Entwicklungsdiktatur. Díaz – politisch ursprünglich liberal orientiert – hatte es in diesem Zeitraum immer wieder verstanden, die Wahlen so zu manipulieren, dass er die Präsidentschaft stets erneut antreten konnte.<br />
<br />
Sein Regime strebte eine forcierte wirtschaftliche Modernisierung Mexikos an. Die Voraussetzung dafür sollte die Beendigung der politischen Instabilität des Landes bilden. Dazu wurde die Bevölkerung einer strikten staatlichen Kontrolle unterworfen und die Macht der Großgrundbesitzer und des Klerus gestärkt.<br />
<br />
Die wirtschaftliche Expansion erfolgte durch eine exportorientierte Ausrichtung der Landwirtschaft und auf Grundlage ausländischer Kapitalinvestitionen (diese machten zwischen 1900 und 1910 rund zwei Drittel der Gesamtinvestitionen in Mexiko aus). Die Investitionen flossen vornehmlich in den Ausbau des Eisenbahnnetzes und in Industrieprojekte (Bergbau, Textilindustrie, Erdölförderung).<br />
Die für den Ausbruch der Revolution entscheidende Dynamik bildete die enorme Landaneignung durch Ausdehnung des Großgrundbesitzes während des „Porfiriats“:<br />
<br />
Im Jahre 1883 verabschiedete die Díaz-Regierung ein neutral formuliertes Agrargesetz, dessen erklärtes Ziel die Erschließung und Urbarmachung von unbebautem Grund und Boden war. In Wirklichkeit diente dieses Gesetz jedoch einem aggressiv durchgeführten Umverteilungs- und Konzentrationsprozess des Landbesitzes zugunsten der Latifundien (Großgrundbesitz) und Haziendas (monokulturelle Agrarfabriken), die oft von ausländischen Gesellschaften bewirtschaftet wurden. Das Gesetz billigte den Gesellschaften, die Staatsland oder brachliegendes Dschungelgebiet vermaßen, ein Drittel des zu vermessenden Landes kostenlos und weiteres zu Spottpreisen zu.<br />
<br />
Die Vermessungsaktionen machten auch nicht vor dem kleinbäuerlichen Besitz im Norden Halt. Ebenso nicht vor dem jahrhunderte alten Gemeindeland (den „Ejidos“) der indianischen Dorfgemeinden im Süden. Dabei wurde ausgenutzt, dass keine schriftlich fixierten Besitztitel existierten, so dass die Betroffenen dadurch oder durch direkte Gewaltanwendung mit Hilfe staatlicher Organe, ihren angestammten Besitz verloren. Schließlich waren am Ende der Díazdiktatur 90 Prozent der „Ejidos“ zerschlagen.<br />
<br />
Viele, denen so ihre Existenzgrundlage geraubt wurde, mussten das Land ihrer Vorfahren verlassen und vegetierten fortan in den Städten am Rande der Gesellschaft dahin. Als Arbeitslose bildeten sie die Reservearmee billiger Arbeitskräfte für die neu entstandenen Industrien im Norden Mexikos oder mussten zur Arbeit auf die Plantagen in die angrenzenden USA emigrieren.<br />
Manche indianische Dorfgemeinschaften behaupteten sich unter schwierigsten Bedingungen auf verkleinerter Fläche. Um die Familien überhaupt noch ernähren zu können, mussten sich Familienmitglieder als Saisonarbeiter auf den Gütern in der Umgebung verdingen. Dort gerieten sie als Peónes leicht in die Schuldknechtschaft („Peónaje“).<br />
<br />
Dieses System funktionierte so: Die Betroffenen wurden durch den Verlust ihres Landes und der Auflösung der schützenden Dorfgemeinschaft gezwungen, Schulden zu machen. Dies führte meistens zu einer lebenslänglichen Abhängigkeit vom Gläubiger. Das bedeutete auf Lebenszeit, sieben Tage in der Woche, Schwerstarbeit auf den Gummi-, Kaffee-, Sisal- oder Mahagonihaziendas unter schwierigsten Bedingungen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Soviel auch gearbeitet wurde, der Schuldenberg wuchs ständig an, da der Peón gezwungen war, das Lebensnotwendige im haziendaeigenen Laden zu überhöhten Preisen einzukaufen. Die Schulden vererbten sich schließlich auf die Kinder, deren Schicksal im Teufelskreis zwischen Schuften und Schuldenanhäufung damit ebenso vorgezeichnet war.<br />
<br />
Es ist nachvollziehbar, dass dieses Sklavereisystem nur mit Terror und Gewalt aufrechterhalten werden konnte. Dazu verfügten die Haziendas über ein eigenes Disziplinarsystem mit brutalen Aufsehern, eigenen Gefängnissen und sogar eigener angemaßter Gerichtsbarkeit. Das korrupte Verwaltungssystem sicherte dieses Regime mit Unterstützung von Polizei und Militär staatlicherseits ab.<br />
<br />
„Rurales“, unter Díaz eingeführte Anti-Guerilla-Polizeieinheiten, sorgten für die brutale Unterdrückung der zunehmenden Aufstände der verzweifelten Landbevölkerung. <br />
<br />
Im Jahre 1884 verabschiedete die Díaz-Regierung ein Gesetz, durch das alle Bodenschätze den jeweiligen Grundstücksbesitzern zufielen. Dadurch sicherten sich vor allem ausländische Gesellschaften den Zugriff auf die nationalen Bodenschätze, besonders der Erdölvorkommen.<br />
Zur Absicherung seines Regimes umgab sich Díaz in Politik und Verwaltung mit Vertretern einer neuen politisch-technokratischen Klasse, den „Científicos“ („Wissenschaftler“, so genannt wegen ihrer Vorliebe, zur Lösung anstehender Probleme, „wissenschaftliche“ Erkenntnisse heran zu ziehen). Sie vertraten die rassistische Lehre, dass die mexikanische Bevölkerung, insbesondere der indianische Teil, von ihrer Zusammensetzung her zu minderwertig sei, um das Land zu entwickeln. Deshalb könne die Industrialisierung Mexikos nur durch den Zustrom europäischer Einwanderer und ausländischen Kapitals vorangetrieben werden.<br />
<br />
Durch den zunehmenden politischen Einfluss der „Científicos“ sicherten sich vor allem us-amerikanische Gesellschaften den Zugriff auf die mexikanische Wirtschaft. Als Strohmänner auf leitenden Posten betrieben sie mit illegalen Methoden deren Finanz- und Bodenspekulationsgeschäfte.<br />
<br />
== Die Opposition zum „Porfiriat“ ==<br />
Bald ergab sich eine wirtschaftliche Hegemonie der USA. Dies hatte für das Díaz-Regime bedrohliche Folgen. Die Regierung sah sich zu einem Befreiungsschlag in Form eines Nationalisierungsprogrammes gezwungen: 1903 übernahm sie 51 Prozent der bislang zu 80 Prozent in us-amerikanischer Hand liegenden Eisenbahnaktien.<br />
<br />
Solche Maßnahmen kamen auf Druck der neuen selbstbewussten Schicht des mexikanischen Bürgertums zustande, welches eigene – „nationale“ – Interessen verfolgte. Dazu zählten vor allem die Hacendados (Großgrundbesitzer) im Norden des Landes, die inzwischen genug Kapital angehäuft hatten, um in eigene moderne Fabriken zu investieren.<br />
<br />
Ab 1910 entwickelte sich um den liberal gesinnten Großgrundbesitzer Francisco Madero (1878-1913) ein Oppositionszirkel. Schon 1908 hatte er ein Buch veröffentlicht, in dem er für freie Wahlen und zum Kampf gegen die Wiederwahl von Díaz aufgerufen hatte und zwar ausschließlich mit legalen Mitteln. Seine Regimekritik bewegte sich folglich im rein politisch-institutionellen Rahmen und vermied Forderungen nach Veränderung überholter Sozialstrukturen.<br />
Zugleich formierte sich Widerstand gegen das Díaz-Regime durch die Industriearbeiterschaft, die um 1910 ca. fünf Prozent der Bevölkerung ausmachte. <br />
<br />
Von der nördlichen Industriearbeiterschaft gingen die heftigsten sozialen Bewegungen während des „Porfiriats“ aus und nicht – wie später – von der Landbevölkerung. Die organisatorische Herausbildung einer Arbeiterbewegung vollzog sich jedoch größtenteils in der Hauptstadt.<br />
Zwar ging es der Arbeiterschaft im Vergleich zu den Péones relativ besser, jedoch lebten auch sie unter so harten Bedingungen, dass militante Arbeitskämpfe, trotz des Gewerkschaftsverbots, immer mehr um sich griffen. Zwischen 1881 und 1911 gab es 250 Streiks, obwohl jede Art von Streik verboten war.<br />
<br />
In diesem Milieu konnten Anfang des 20. Jahrhunderts in Mexiko auch sozialistische bzw. anarchistische Ideen Fuß fassen.<br />
<br />
Im liberal-bürgerlichen Lager mehrten sich inzwischen die Stimmen, die auf eine Ablösung des Generals drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón , die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet.<br />
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In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter [[Ricardo Flores Magón]] ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. <br />
<br />
Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikalen öffentlichkeitswirksamen Flugblättern, Plakaten und Schriften. Die dadurch mit ausgelösten Unruhen zogen Verhaftungswellen nach sich, auf die wiederum eine Reihe militanter Auseinandersetzungen und Aufstände folgte.<br />
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In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Der drängendsten Frage des Landes – dem Agrarproblem – wendete sie sich zu dieser Zeit jedoch weder programmatisch noch politisch zu.<br />
Eine Wirtschaftskrise, die ab 1907 die USA erfasst hatte, erhöhte die ökonomischen und politischen Spannungen in Mexiko. Die exportorientierte Wirtschaft des Landes geriet damit unter Druck. Vielen der Arbeiter, die auf den Haziendas und in den Industriebetrieben entlassen worden waren, blieb die Rückkehr in die Subsistenzlandwirtschaft wegen der inzwischen forcierten Landkonzentration verwehrt.<br />
Vor diesem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen und neu entstandener sozialer Bewegungen, spitzte sich die politische Auseinandersetzung um die Wiederwahl von Porfirio Díaz schließlich zu einer revolutionären Krise zu.<br />
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== Erste Phase: November 1910 bis Mai 1911 ==<br />
Im April 1910 fand der Gründungskongress des „Partido Nacional Anti-Reelecionista“ („Nationale Partei gegen die Wiederwahl“) statt, auf dem sich die gesamte mexikanische Opposition auf Francisco Madero als Gegenkandidaten zu Díaz einigte. Kurz vor der Präsidentschaftswahl ließ Díaz jedoch den Rivalen Madero verhaften. Darauf bestätigte am 27. September die Deputiertenkammer den 80-jährigen Diktator für die Zeit von 1910-1916 erneut die Präsidentschaft.<br />
<br />
Madero, dem es am fünften Oktober gelungen war, in die USA zu fliehen, veröffentlichte darauf hin seinen „Plan von San Luis Potosí“, in dem er die Präsidentschaftswahl für ungültig erklärte und die Bevölkerung aufforderte, sich zu bewaffnen, um am 20. November 1910 die Regierung durch einen Aufstand zu stürzen. Aufgrund eines agrarpolitischen Minimalprogrammes (Rückgabe der enteigneten Ländereien an die früheren Besitzer) gelang es ihm, die ländlichen Widerstandsbewegungen und deren Führer auf seine Seite zu ziehen. Die Revolution brach schließlich in den Bundesstaaten Puebla und Chihuahua aus.<br />
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Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen.<br />
Die Aufstandsbewegung war dennoch nicht mehr aufzuhalten. An der Spitze der Revolution standen im Süden die Landarbeiterbewegungen um Emiliano Zapata und im Norden um Pancho Villa. Innerhalb eines halben Jahres brachten die Aufständischen einen Großteil des Landes unter ihre Kontrolle. Díaz musste schließlich nach 30 Jahren uneingeschränkter Diktatur abdanken und begab sich am 31. Mai auf die Flucht nach Europa.<br />
<br />
Am siebten Juni 1911 zog der aus den USA zurückgekehrte Madero im Triumphzug in die Hauptstadt ein und wurde zum neuen Präsidenten ausgerufen. Madero setzte zwar eine Reihe politischer Reformen durch (Wiedereinsetzung der liberalen Verfassung von 1857, Verbot der Wiederwahl des Präsidenten, Garantie demokratischer Freiheiten), aber für ihn galt mit den politisch-konstitutionellen Reformen die Revolution als abgeschlossen. Fortan suchte er den Ausgleich mit den Vertretern des alten Regimes. Auch blieben der Staatsapparat und die Position des Militärs unangetastet.<br />
<br />
Das große Problem der elenden soziökonomischen Verhältnisse – besonders die Lösung der Agrarfrage – blieb jedoch unverändert bestehen. Die vom Großteil der Bevölkerung herbeigesehnten Reformen, wegen denen sie die Revolution überhaupt unterstützt hatte, blieben aus.<br />
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<br />
== Zweite Phase: Mai 1911-Februar 1912: Die „Revolution von unten“ ==<br />
Die „Revolution von unten“ nahm nun ihren Anfang. Unter Emiliano Zapata wurde der Bundesstaat Morelos faktisch unabhängig von der Zentralregierung. Diese Revolution des Südens verkörperte das radikalste agrarrevolutionäre Element der Mexikanischen Revolution. In Morelos hatte sich unter dem „Porfiriat“ eine weitgehende Enteignung der Indiogemeinden vollzogen (Morelos wurde als die „perfekte Hazienda“ bezeichnet). Schon im neunzehnten Jahrhundert war es gegen die Ausbreitung der Zuckerrohrhaziendas zu vielfältigen Formen des Widerstandes gekommen (von bloßen juristischen <br />
Schritten bis hin zu gewalttätigen Aktionen).<br />
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Die herausragende Figur war Emiliano Zapata (1877-1919). Er wurde im Jahre 1910 im Dorf Anenecuilco zum Gemeindepräsidenten gewählt und stieg in kurzer Zeit zum Führer der Agrarbewegung von Morelos auf. Deren große Schlagkraft beruhte letztendlich auf einer homogenen sozialen Basis und gut organisierten bewaffneten Formationen. Bevor Zapata in die Politik ging, hatten er und seine Familie sich schon lange für die Belange und Sorgen der lokalen, zumeist indianischen Landbevölkerung, eingesetzt. Sein Ruf als Verteidiger der Entrechteten war legendär und die Bevölkerung brachte ihm fast religiöse Verehrung entgegen. Seine politischen Ideale wurden stark von den anarchistischen Ideen Ricardo Flores Magóns beeinflusst.<br />
<br />
Emiliano Zapata erklärte am 12. August 1911, dass die Rebellenarmee des Südens so lange unter Waffen bleiben würde, bis die „Ejidos“ durch die Regierung an die Dorfgemeinschaften zurückgegeben würden.<br />
Dies war nicht zu erwarten und die Regierung Madero stieß zunehmend auf das Misstrauen ihrer früheren Bündnispartner. Nach weniger als einem Jahr seiner Präsidentschaft waren die eigentlichen Ziele der Revolution weit von ihrer Realisierung entfernt.<br />
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Nun sammelten sich im Süden erneut die bewaffneten Revolutionäre um Zapata, der am 28. November im „Plan von Ayala“ Madero zum „Verräter des Vaterlandes“ erklärte.<br />
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Im „Plan von Ayala“, der programmatischen Grundlage der Revolution des Südens, waren im Wesentlichen folgende Forderungen formuliert:<br />
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* Rückgabe der Gemeindeländereien<br />
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* Vergabe von einem Drittel des Großgrundbesitzes an die Bauern<br />
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* Enteignung der Revolutionsgegner<br />
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Dieses Programm verdeutlicht die doppelte Beschränkung der Revolution des Südens: Zum einen in seiner Begrenzung auf eine soziale Gruppe, also auf unmittelbar bäuerliche Forderungen und zum anderen in seiner regionalen Begrenztheit auf den Bundesstaat Morelos.<br />
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Aber immerhin bildete der „Plan“ die Handlungsgrundlage, durch die die revolutionäre Bauernbewegung unter der Losung „Tierra y Libertad“ („Land und Freiheit“) auf Jahre mobilisiert werden konnte. Obwohl Madero sofort Truppen in Marsch setzen ließ, gelang es der Regierung nicht, die Zapatabewegung unter Kontrolle zu bekommen. Dagegen gelang es den Aufständischen im Februar 1912 die Stadt Juarez zu besetzen und weitere militärische Erfolge zu erringen.<br />
<br />
Inzwischen wurden alle sozialrevolutionären Bewegungen seitens der „revolutionären“ Regierung aktiv militärisch bekämpft. Zugleich sah sich das neue Regime auch noch zunehmend von konterrevolutionären Truppen bedroht.<br />
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Auch im Norden des Landes braute sich Unheil gegen die Regierung zusammen. Dort hatten sich die Revolutionäre um den späteren Überläufer zur Konterrevolution Pascual Orozco gescharrt. Orozco hatte sich am 25. März 1912 in seinem „Plan von Chihuahua“ von Madero losgesagt und in Chihuahua einen Aufstand angezettelt, der zur vorübergehenden militärischen Niederlage der Regierungstruppen führte.<br />
Einige Monate später war Madero jedoch wieder Herr der Lage: Am dritten Juli 1912 gelang es seinen Truppen unter dem Befehl Huertas – gemeinsam mit den Truppen Pancho Villas – den Aufstand von Chihuahua niederzuschlagen.<br />
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Nach nur 15 Monaten der Regierung Maderos entlud sich das politisch aufgeheizte Klima in einem Aufstand in der Hauptstadt. Die Regierung stand zwischen den bewaffneten Kräften, die auf eine Radikalisierung der Revolution drängten und denen, die Alles rückgängig machen wollten. In den folgenden „Decena Tragica“ („Die zehn blutigen Tage“), die am neunten Februar 1913 begannen, lieferten sich Regierungstruppen unter der Führung von General Victoriano Huerta mit reaktionären Putschisten erbitterte Gefechte.<br />
<br />
Eine Woche später jedoch intrigierte Huerta gegen seinen Präsidenten und schloss sich am 18. Februar 1913 den Putschisten an. Madero und sein Vizepräsident wurden verhaftet. Schon einen Tag darauf ernannte die Deputiertenkammer mit us-amerikanischer Rückendeckung Victoriano Huerta offiziell zum neuen Präsidenten. Seine erste Amtshandlung bestand in der Veranlassung der Ermordung Maderos und des Vizepräsidenten Pino Suárez, denen zuvor freies Geleit aus Mexiko zugesichert worden war.<br />
<br />
== Dritte Phase: Februar 1912-Juli 1914: Der Kampf gegen Huerta ==<br />
Huertas Machtergreifung und insbesondere die Morde an Madero und Suárez hatten im ganzen Land große Empörung hervorgerufen. Als er versuchte, sich per Staatsstreich diktatorische Vollmachten zu verschaffen, formierte sich ein breites und heterogenes Bündnis gegen ihn. Darin übernahm der bürgerlich-liberale Großgrundbesitzer Venustiano Carranza die Führung. Im „Plan von Guadelupe“ wurde das Programm dieses Bündnisses formuliert, das jedoch den Forderungen nach einer Agrarreform nur vage entgegen kam.<br />
<br />
Dem Bündnis der Truppen, dem außer der Bewegung um Zapata, alle übrigen revolutionären Fraktionen angehörten, gelang es innerhalb weniger Monate, den Großteil des Landes unter seine Kontrolle zu bringen. Huerta musste am 15. Juli 1914 abdanken und floh ins Ausland.<br />
<br />
In der Zeit der folgenden Übergangsregierung intervenierten die USA in das Geschehen. US-Präsident Woodrow Wilson bezeichnete sich als einen Gegner Huertas. Deshalb hob er schon im Februar 1914 das Waffenembargo gegenüber Mexiko auf und begünstigte damit die Rebellen. Im April 1914 griff er sogar direkt in die innermexikanischen Kämpfe ein, indem er Marinetruppen den Hafen von Veracruz besetzen ließ und dadurch die Lieferung deutscher Waffen an das Huerta-Regime verhinderte.<br />
<br />
Die Finanzierung der Waffen für die Revolutionäre durch Geldgeber in den USA weist auf einen allgemein wichtigen Faktor in der Mexikanischen Revolution hin: Die Einflussnahme fremder Mächte. Ob nun die Verwicklung in den konterrevolutionären Staatsstreich von General Huerta, die Landung von US-Marineeinheiten in Veracruz, die Finanzierung der Revolutionsarmeen des Nordens oder die spätere Strafexpedition amerikanischer Truppen – die USA und europäische Mächte intervenierten auf vielfältige Weise in den mexikanischen Revolutionsprozess. Und schon vorher aber besonders während der Revolution, konnten die USA ihre ökonomische Vormachtstellung in Mexiko auf Kosten Großbritanniens ausbauen.<br />
<br />
== Exkurs: Die Arbeiterbewegung in der Mexikanischen Revolution ==<br />
Die ersten mexikanischen Gewerkschaftsformierungen entstanden unter anarcho-syndikalistischem Einfluss. Als Vorbild galt die us-amerikanische Gewerkschaft „Industrial Workers of the World“ (IWW). <br />
<br />
In den ersten Jahren der Revolution stand die organisierte Arbeiterschaft der Hauptstadt abseits. Am 15. Juli 1912 wurde die Gewerkschaftsvereinigung „Casa del Obrero Mundial“ („Haus der Arbeiter der Welt“) gegründet. Die Gruppe gab eine Zeitung namens „Luz“ („Licht“) heraus, die die Revolutionslosung „Tierra y Libertad“ in ihr Programm aufnahm.<br />
<br />
Die „Casa del Obrero Mundial“ fühlte sich zur Neutralität im revolutionären Konflikt verpflichtet. Damit glaubte sie der anarchistischen Tradition zu entsprechen, Distanz zu politischen Auseinandersetzungen zu halten. <br />
<br />
In den nördlichen Industriezentren nahmen jedoch Arbeiter an den zahlreichen revolutionären Erhebungen teil. <br />
<br />
== Revolution in der Revolution ==<br />
In den Jahren 1914 / 15 radikalisierte sich die Bewegung im Bundesstaat Morelos weiter. Es kam zu einer „Revolution in der Revolution“. Die Radikalisierung war einerseits der polarisierenden Dynamik des Revolutionsverlaufs geschuldet (Auseinanderbrechen des Bündnisses mit bürgerlich-liberalen Kräften), andererseits machte sich der ideologische Einfluss radikaler städtischer Intellektueller (z.B. Ricardo Flores Magón und Zapatas Sekretär Manuel Palafox) bemerkbar.<br />
<br />
Die revolutionären Maßnahmen gingen inzwischen weit über eine reine Restauration der Landverhältnisse vor dem „Porfiriat“ hinaus. Für Enteignungen wurden keine Entschädigungen mehr geleistet und von den Gemeinden getragene Agrarkommissionen führten eine radikale Landverteilung durch. Die Gründung einer Landkreditbank sollte den Wiederaufbau einer kleinbäuerlichen Wirtschaft unterstützen. Darüber hinaus kam es zur Vergesellschaftung der Zuckerrohrmühlen.<br />
<br />
== Pancho Villa und die Revolution des Nordens ==<br />
Der Norden Mexikos wies im Vergleich zu Morelos eine besonders heterogene Sozialstruktur auf: Ein Teil der Landbevölkerung lebte als Peónes auf den Haziendas. Ihre Mobilisierung verlief äußerst unterschiedlich. Teils schlossen sie sich den entstehenden Bauernarmeen an, teils verharrten sie passiv im sozialen Mikrokosmos ihrer Hazienda.<br />
<br />
Eine andere Gruppe im Norden bildeten die Nachkommen von „Militärkolonisten“. Diese waren bereits in der Kolonialzeit als freie Kleinbauern unter der Auflage angesiedelt worden, gegen die Indianerstämme zu kämpfen. Diese freien Kleinbauern („Rancheros“) hatten im „Porfiriat“ ihr Land zunehmend an Großgrundbesitzer verloren. Darüber hinaus war im Norden durch Bergbau und Textilindustrie ein Proletariat entstanden.<br />
<br />
Die herausragende Figur im Norden war Francisco „Pancho“ Villa (1877-1923). Er war einer der wenigen Führerfiguren der Revolution des Nordens, der kein Vertreter der lokalen Elite war und der Schicht der Peónes entstammte. Villa organisierte nach der Ermordung Maderos die Revolutionstruppen des Nordens („División del Norte“) im Staat Chihuahua mit einer bäuerlichen Basis und war militärisch für eine lange Zeit sehr erfolgreich.<br />
<br />
Pancho Villa (Pseudonym für Doroteo Arango) war ein verwegener Guerillakämpfer, in dessen Mythos sich soziales Banditentum und Robin Hood-Legende vermischten. In seinen Aktionen ließ er militärische Genialität erkennen. Es mangelte ihm jedoch, verglichen mit dem Kampf Zapatas, an politischer Weitsicht und Konsequenz. Dies wird deutlich beim Vergleich der unterschiedlichen Durchführung und sozialen Folgen der Landreform, wie sie von der „División del Norte“ von Pancho Villa auf der einen und von der Zapata-Bewegung auf der anderen Seite in die Wege geleitet wurde:<br />
Die Zapata-Bewegung enteignete den Grund und Boden der Latifundien und Haziendas und verteilte ihn unverzüglich an die Landbevölkerung. In Morelos waren die „freien Dörfer“ noch so intakt, dass diese selbständigen und selbstbewussten Gemeinden die Landreform in die eigene Hände nehmen konnten.<br />
Diese Bedingungen für eine konsequente Bodenreform fand Villa in Nordmexiko nicht vor. Die Inhomogenität der Bevölkerung bot keinen guten Ansatzpunkt für gemeinschaftliche Bewirtschaftungsformen. Pancho Villa enteignete zwar die großen Landgüter, doch er verteilte sie nicht an die Bauern, sondern er „verstaatlichte“ sie und exportierte fast die gesamte Produktion in die USA, um Waffen und Munition zu kaufen. Jedoch beabsichtigte er für die Zukunft, den Ertrag dieses Landes „Witwen und Waisen“ zukommen zu lassen. Ohne es zu wollen, hatte er sich so eine Schicht von Militärs herangezüchtet, die in ihre eigenen Taschen wirtschafteten.<br />
<br />
Die Mobilisierung der übrigen revolutionären Formationen und der unterschiedlichen sozialen Gruppen vollzog sich unter der Führung von Großgrundbesitzern (Francisco Madero, Venustiano Carranza, Pascual Orozco) und städtischen Intellektuellen. Sie konnten professionelle Bauernarmeen organisieren, ohne dafür eine Agrarreform durchführen zu müssen, denn sie bezahlten die Soldaten nicht mit Land, sondern in bar (Geldgeber in den USA). Die Offiziere und Generäle dieser Armeen sollten später zur neuen Land besitzenden Bourgeoisie im postrevolutionären Mexiko werden.<br />
<br />
== Vierte Phase: Juli 1914 - Februar 1917: Bruderkampf der Revolutionäre ==<br />
Als am 15. Juli 1914 Huerta abdankte und das Land verließ, hatte die Revolution ihren zweiten großen Sieg über die Konterrevolution errungen. Der Zeitpunkt schien gekommen, die revolutionären Errungenschaften zu konsolidieren. Da es an einer von allen revolutionären Fraktionen akzeptierten und breit sozial verankerten politischen Ideologie mangelte, schien es für Viele auf eine neue, wenn auch „revolutionäre Diktatur“ hinauszulaufen. Wer würde von den drei großen Revolutionsführern die Macht im Staate an sich reißen: Zapata, Villa oder Carranza?<br />
<br />
Einen Monat nach dem Sturz Huertas wurde diese Frage zugunsten Carranzas entschieden.<br />
Venustiano Carranza war ein echter Machtpolitiker, der auf die Unterstützung großer Kreise im bürgerlichen Lager rechnen konnte.Mit ganz geringen Abweichungen vertrat er die bürgerlich-liberale und demokratische Ideologie seines Vorgängers Madero. In seinem politischen Programm waren vor allem die Interessen des neuen Großbürgertums vertreten. Zugeständnisse an die Reformvorstellungen der armen Landbevölkerung und des Proletariats der Städte erfolgten von ihm stets aus rein taktischen Überlegungen oder auf direkten Druck von unten.<br />
<br />
Bald war klar, dass die Kräfte um Carranza („Constitucionalistas“) die Revolution als beendet ansahen. Das fragile Bündnis fiel nun auseinander und ein Bürgerkrieg innerhalb des revolutionären Lagers begann:<br />
<br />
Als im August 1914 die konstitutionalistischen Truppen – insbesondere durch die Erfolge von Villas „División del Norte“ – bis vor die Hauptstadt gelangt waren, kam es zu einem ersten Zerwürfnis zwischen den drei Revolutionsführern. Die vordergründige Streitfrage war, welche der drei Truppenteile zuerst in die Stadt einziehen dürfe. Es gelang Carranza, sich durchzusetzen, indem er seinen Kontrahenten den Nachschub abschnitt und ein Bündnis mit dem ehemaligen Polizeichef Huertas einging und am 20. August schließlich auch die Exekutivgewalt ergriff. Daraufhin kündigte Pancho Villa Carranza die Gefolgschaft und veröffentlichte in Chihuahua ein Manifest, in dem er zur Fortsetzung des Kampfes aufrief.<br />
Die revolutionären Gruppen, die sich in der kurzen Pause nach dem Sturz Huertas demobilisiert hatten, bewaffneten sich erneut, um sich entweder den Truppen Villas und Zapatas oder Carranzas anzuschließen.<br />
Obwohl die Widersprüche und Differenzen im so genannten „konventionalistischen“ Lager zwischen Zapatisten und Villa-Anhängern nicht ausgetragen waren, sah sich Carranza am 24. November 1914 gezwungen, die Hauptstadt zu räumen.<br />
Am sechsten Dezember zogen dann die Revolutionstruppen Zapatas und Villas sowie die Konventsregierung unter der Führung des Präsidenten Eulalio Gutierrez in einer achtstündigen Prunkparade in die Hauptstadt ein.<br />
Aus der Perspektive der sozialen Bewegungen ist dies der eigentliche Höhepunkt der Mexikanischen Revolution. Damit eröffnete sich eine kurze Phase der Doppelherrschaft. Die Agrarrevolutionäre verfügten jedoch über kein gemeinsames systematisches Programm und auch über keine langfristige Strategie durch die es ihnen gelungen wäre, ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung zu organisieren. Das Gesetz des Handelns fiel an Carranza zurück. Von Veracruz aus, das er zur neuen Hauptstadt erklärt hatte, erließ Carranza aus taktischen Gründen eine Vielzahl von Reformen zur Agrarfrage und Linderung der sozialen Not des Städteproletariats. <br />
<br />
General Álvaro Obregón vollzog im Auftrage Carranzas nach 1914 eine Annäherung an die „Casa del Obrero Mundial“ und es kam zu einem Bündnis zwischen großen Teilen der städtischen Arbeiterschaft und den bürgerlich-liberalen Konstitutionalisten. In den „Roten Bataillonen“ bekämpften die Arbeiter sogar die Zapatisten und Pancho Villa. <br />
Im Januar 1915 ging Carranza mit seiner konstitutionalistischen Armee schließlich auch zur militärischen Offensive über. In den ersten sechs Monaten des Jahres kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen, bei denen die Hauptstadt heiß umkämpft und mehrmals abwechselnd von beiden Seiten eingenommen wurde.<br />
<br />
In den Monaten zwischen April und Juli 1915 gelang es der Armee Carranzas, Villas Truppen aus Zentralmexiko zurückzuschlagen und damit die Verbindung zur Zapata-Bewegung abzuschneiden. Von diesem Zeitpunkt an befand sich Pancho Villa in der Defensive und die Bewegung Zapatas beschränkte sich nur noch auf den Staat Morelos.<br />
<br />
Spätestens ab Juli 1915 hatte Carranza endgültig die militärische Oberhand zurückgewonnen. Seine Truppen besetzten mehrere wichtige Städte und am 26. August fiel auch Mexiko-Stadt in ihre Hände. Am 11. Oktober 1915, als ein Großteil des Landes unter seiner Kontrolle war, kehrten Carranza und sein Kabinett wieder nach Mexiko-Stadt zurück und erklärten es wieder zur Regierungshauptstadt.<br />
Am 19. desselben Monats erkannte die USA und in der Folge auch die Mehrheit der südamerikanischen Staaten, die Regierung Carranzas als rechtmäßig an. Darüber hinaus verhängten die USA, um der Revolution ein Ende zu bereiten, gegen Mexiko ein Waffenembargo, mit Ausnahme der Waffen, die für die Regierung Carranzas bestimmt waren.<br />
<br />
Unter diesen Umständen verschlechterte sich die militärische Lage Pancho Villas dramatisch. So in die Defensive gedrängt und in eine verzweifelte Lage gebracht, verübte er einen Überfall auf einen Zug im Bahnhof von Santa Isabel (Chihuahua), bei dem 15 nordamerikanische Reisende getötet wurden. Doch damit nicht genug; am neunten März überschritt er die Grenze zur USA und griff die Grenzstadt Columbus in New Mexiko an. Dabei wurden vierzehn US-Amerikaner getötet und zwei Häuserblocks gingen bei dem Angriff in Flammen auf.<br />
<br />
Wie nicht anders zu erwarten, riefen diese Aktionen Pancho Villas eine äußerst harte Reaktion der USA hervor. Im Verlauf der folgenden, über ein Jahr dauernden Strafaktion, kam es zu mehreren blutigen Zwischenfällen auf mexikanischem Territorium. Militärisch beschränkte sich die Strafaktion jedoch darauf, die Person Villa aufzuspüren. Sie wurde schließlich am fünften Februar 1917 eingestellt, da es nicht gelungen war, ihn aufzustöbern. <br />
<br />
Nachdem die Gefahr durch die Agrarbewegungen größtenteils militärisch gebannt war, vollzog Carranza eine Kehrtwendung, die sich gegen den Einfluss der städtischen Arbeiterbewegung richtete. Ihren Ansprüchen wurde nun mit offener Repression begegnet (1916 Verhängung der Todesstrafe für Streiks).<br />
Ende 1916 versammelte sich die „Konstituante von Querétaro“ – eine Versammlung der besitzenden Klassen. Die aus ihr hervorgehende Verfassung bedeutete eine Festlegung auf ein bürgerlich-kapitalistisches Mexiko. Allerdings hatte die Energie der Volksbewegung in der Mexikanischen Revolution und der soziale Druck während der Verfassungsdiskussion die bis dahin fortschrittlichste Verfassung der Welt entstehen lassen. Besonders drei Artikel spiegeln dies wider:<br />
<br />
* Artikel 3: Völlige Trennung von Staat und Kirche; staatliche Grundschulausbildung<br />
<br />
* Artikel 27: Nationalisierung der Bodenschätze; Verfassungsgrundlage für eine Agrarreform<br />
<br />
* Artikel 123: Umfangreiche Agrar- und Sozialgesetzgebung<br />
<br />
Am 10. April 1919 gelang es den Regierungstruppen, Emiliano Zapata durch Verrat in Chinameca in einen Hinterhalt zu locken und heimtückisch zu ermorden. Seine geschockten Anhänger ließen sich durch Versprechungen und Zugeständnis-se Carranzas hinsichtlich der Bodenreform dazu bewegen, fortan nur noch friedlich mit der nachrevolutionären Regierung zu kooperieren.<br />
<br />
Obwohl überall im Lande noch bewaffnete Splittergruppen von Pancho Villa und Anderen existierten und in der Bevölkerung eine von Hass und Unzufriedenheit geprägte Stimmung herrschte, ging die Revolution ihrem endgültigen Ende entgegen. Die sozial-revolutionären Ansätze, die sich in ihr manifestiert hatten, verkümmerten, und der Kampf konzentrierte sich von nun an nur noch auf Personen und politische Programme.<br />
<br />
Anfang 1920 wurden die Widersprüche im konstitutionalistischen Lager immer größer. Sowohl die ländlichen als auch die städtischen Massen fühlten sich um die Früchte der Revolution, die lang ersehnten sozialen Reformen, betrogen. <br />
<br />
Alvaro Obregón, der langjährige Vertraute Carranzas, sah seine Stunde gekommen und kündigte dem Präsidenten seine Gefolgschaft auf. Unter dem Oberkommando von Plutarco Elias Calles initiierte er einen Militärputsch, der sich rasch verbreitete und zur Besetzung der Bundesstaaten Sinaloa, Guerrero, Michocán, Zacatecas und Tabasco führte. Am siebten Mai 1920 sahen sich Carranza und sein Kabinett gezwungen, die Hauptstadt zu verlassen, die dann zwei Tage später von Obregón und seinen Truppen besetzt wurde.<br />
<br />
Am 21. Mai 1920 gelang es den Truppen Obregóns, Carranza und seine Begleiter in einen Hinterhalt zu locken und Carranza selbst zu ermorden. Schließlich wurde am fünften September Álvaro Obregón offiziell auf die Präsidentschaft für die Zeit von 1920 bis 1924 vereidigt.<br />
<br />
Der letzte Überlebende der drei großen Revolutionsführer, Pancho Villa, wurde am 20. Juli 1923 ermordet, obwohl er sich bereits drei Jahre zuvor aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte.<br />
<br />
== Fazit ==<br />
Zusammenfassend lassen sich für die Mexikanische Revolution folgende Charakteristika feststellen:<br />
<br />
* Die Volksbewegung und Massenmobilisierung bestimmten Rhythmus und Reichweite der Revolution.<br />
<br />
* Es gelang, dieses agrarrevolutionäre Moment abzufangen und zu kanalisieren.<br />
<br />
* Der Druck der Intervention von unten prägte die weitere Entwicklung des politischen Systems.<br />
<br />
* Die sozialrevolutionären Ansprüche der Volksbewegung blieben jedoch bis heute uneingelöst.<br />
<br />
Aus der Sicht der sozialen Bewegungen, welche die Auseinandersetzungen im Wesentlichen getragen hatten und ihre eigentlichen Ziele nicht erreichen konnten (die landlosen Bauern und das Industrieproletariat), kann mit dem mexikanischen Historiker Adolfo Gilly die Mexikanische Revolution als „unterbrochene Revolution“ bezeichnet werden. <br />
<br />
Ihre Anliegen konnten zwar in der noch heute gültigen Sozialgesetzgebung verankert werden. Trotz allen „Fortschritts“ sollten aber viele der die Mexikanische Revolution auslösenden Probleme und sozialen Konflikte bis heute ungelöst bleiben. <br />
<br />
== Literatur ==<br />
Baumgarten, Charlotte: Vorwort zu John Reed: Mexiko in Aufruhr. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1977<br />
<br />
Beck, Barbara; Kurnitzky, Horst: Zapata. Bilder aus der Mexikanischen Revolution. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin (West) 1975<br />
<br />
Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
Bock, Gisela; Lewis, Austin: Die Wobblies, Bd.1 / Bd. 2, Karlsruher Stadtzeitung, Karlsruhe, o. J.<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
Gilly, Adolfo: La Revolución interrumpida. Guía de estudio de la historia universal II, CCH Naucalpan, UNAM, Mexico D.F. 1991<br />
<br />
Hart, John Mason: Revolutionary Mexico. The Coming and Process of the Mexican Revolution. University of California Press , Berkeley and Los Angeles 1989<br />
<br />
Reed, John: Eine Revolutionsballade. Mexico 1914. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2005<br />
<br />
Ross, John: Mexiko. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. Das politische Reisebuch. Unrast-Verlag, Münster 2004<br />
<br />
==DadA-Links==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
----<br />
Dieser Artikel ist - leicht verändert - folgendem Buch entnommen: Rolf Raasch: [[Portal DadA-Buchempfehlung|B. Traven und Mexiko]]. Ein Anarchist im Land des Frühlings - Eine politisch-literarische Reise. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Mexikanische_Revolution&diff=17741Mexikanische Revolution2021-02-04T13:45:50Z<p>Rolf R: /* Die Opposition zum „Porfiriat“ */</p>
<hr />
<div>[[Bild:Tierra y libertad.jpg|thumb|right|360px|Land und Freiheit]]<br />
== Kleine Geschichte der Mexikanischen Revolution (1910-1920) ==<br />
<br />
'''Politische Einordnung'''<br />
<br />
In der politischen Literatur fällt die Charakterisierung der revolutionären Ereignisse in Mexiko unterschiedlich aus:<br />
<br />
* Konservative sehen die Revolution als bloßen Elitenkonflikt zwischen verschiedenen Fraktionen der Agraroligarchie und des Bürgertums.<br />
<br />
* Gemäßigt-liberale bezeichnen sie als eine bürgerliche Revolution, in der um die Art und Weise der Agrarreform gerungen wurde und die auf die Etablierung eines demokratischen Systems zielte.<br />
<br />
* Linke betrachten sie eher als eine „unvollendete“ bzw. „unterbrochene“ Revolution, in der die Interessen der mobilisierten Arbeiter und Bauern den entscheidenden Druck ausübten, sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten.<br />
<br />
Welche Charakterisierung auch immer, entscheidend für Heftigkeit und Verlauf dieser Revolution war die Mobilisierung vor allem der bäuerlichen Bevölkerung und ihre Intervention in das politische Geschehen.<br />
Diese Mobilisierung ist nur vor dem Hintergrund der sozialen Gärung zu verstehen, welche das Regime vor der Revolution – das „Porfiriat“ (1876-1910) – mit sich brachte.<br />
<br />
== Am Vorabend: Das „Porfiriat“ ==<br />
Das „Porfiriat“ ist die Bezeichnung einer historischen Epoche: 1876 etablierte sich unter General Porfirio Díaz eine über dreißig Jahre anhaltende Entwicklungsdiktatur. Díaz – politisch ursprünglich liberal orientiert – hatte es in diesem Zeitraum immer wieder verstanden, die Wahlen so zu manipulieren, dass er die Präsidentschaft stets erneut antreten konnte.<br />
<br />
Sein Regime strebte eine forcierte wirtschaftliche Modernisierung Mexikos an. Die Voraussetzung dafür sollte die Beendigung der politischen Instabilität des Landes bilden. Dazu wurde die Bevölkerung einer strikten staatlichen Kontrolle unterworfen und die Macht der Großgrundbesitzer und des Klerus gestärkt.<br />
<br />
Die wirtschaftliche Expansion erfolgte durch eine exportorientierte Ausrichtung der Landwirtschaft und auf Grundlage ausländischer Kapitalinvestitionen (diese machten zwischen 1900 und 1910 rund zwei Drittel der Gesamtinvestitionen in Mexiko aus). Die Investitionen flossen vornehmlich in den Ausbau des Eisenbahnnetzes und in Industrieprojekte (Bergbau, Textilindustrie, Erdölförderung).<br />
Die für den Ausbruch der Revolution entscheidende Dynamik bildete die enorme Landaneignung durch Ausdehnung des Großgrundbesitzes während des „Porfiriats“:<br />
<br />
Im Jahre 1883 verabschiedete die Díaz-Regierung ein neutral formuliertes Agrargesetz, dessen erklärtes Ziel die Erschließung und Urbarmachung von unbebautem Grund und Boden war. In Wirklichkeit diente dieses Gesetz jedoch einem aggressiv durchgeführten Umverteilungs- und Konzentrationsprozess des Landbesitzes zugunsten der Latifundien (Großgrundbesitz) und Haziendas (monokulturelle Agrarfabriken), die oft von ausländischen Gesellschaften bewirtschaftet wurden. Das Gesetz billigte den Gesellschaften, die Staatsland oder brachliegendes Dschungelgebiet vermaßen, ein Drittel des zu vermessenden Landes kostenlos und weiteres zu Spottpreisen zu.<br />
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Die Vermessungsaktionen machten auch nicht vor dem kleinbäuerlichen Besitz im Norden Halt. Ebenso nicht vor dem jahrhunderte alten Gemeindeland (den „Ejidos“) der indianischen Dorfgemeinden im Süden. Dabei wurde ausgenutzt, dass keine schriftlich fixierten Besitztitel existierten, so dass die Betroffenen dadurch oder durch direkte Gewaltanwendung mit Hilfe staatlicher Organe, ihren angestammten Besitz verloren. Schließlich waren am Ende der Díazdiktatur 90 Prozent der „Ejidos“ zerschlagen.<br />
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Viele, denen so ihre Existenzgrundlage geraubt wurde, mussten das Land ihrer Vorfahren verlassen und vegetierten fortan in den Städten am Rande der Gesellschaft dahin. Als Arbeitslose bildeten sie die Reservearmee billiger Arbeitskräfte für die neu entstandenen Industrien im Norden Mexikos oder mussten zur Arbeit auf die Plantagen in die angrenzenden USA emigrieren.<br />
Manche indianische Dorfgemeinschaften behaupteten sich unter schwierigsten Bedingungen auf verkleinerter Fläche. Um die Familien überhaupt noch ernähren zu können, mussten sich Familienmitglieder als Saisonarbeiter auf den Gütern in der Umgebung verdingen. Dort gerieten sie als Peónes leicht in die Schuldknechtschaft („Peónaje“).<br />
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Dieses System funktionierte so: Die Betroffenen wurden durch den Verlust ihres Landes und der Auflösung der schützenden Dorfgemeinschaft gezwungen, Schulden zu machen. Dies führte meistens zu einer lebenslänglichen Abhängigkeit vom Gläubiger. Das bedeutete auf Lebenszeit, sieben Tage in der Woche, Schwerstarbeit auf den Gummi-, Kaffee-, Sisal- oder Mahagonihaziendas unter schwierigsten Bedingungen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Soviel auch gearbeitet wurde, der Schuldenberg wuchs ständig an, da der Peón gezwungen war, das Lebensnotwendige im haziendaeigenen Laden zu überhöhten Preisen einzukaufen. Die Schulden vererbten sich schließlich auf die Kinder, deren Schicksal im Teufelskreis zwischen Schuften und Schuldenanhäufung damit ebenso vorgezeichnet war.<br />
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Es ist nachvollziehbar, dass dieses Sklavereisystem nur mit Terror und Gewalt aufrechterhalten werden konnte. Dazu verfügten die Haziendas über ein eigenes Disziplinarsystem mit brutalen Aufsehern, eigenen Gefängnissen und sogar eigener angemaßter Gerichtsbarkeit. Das korrupte Verwaltungssystem sicherte dieses Regime mit Unterstützung von Polizei und Militär staatlicherseits ab.<br />
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„Rurales“, unter Díaz eingeführte Anti-Guerilla-Polizeieinheiten, sorgten für die brutale Unterdrückung der zunehmenden Aufstände der verzweifelten Landbevölkerung. <br />
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Im Jahre 1884 verabschiedete die Díaz-Regierung ein Gesetz, durch das alle Bodenschätze den jeweiligen Grundstücksbesitzern zufielen. Dadurch sicherten sich vor allem ausländische Gesellschaften den Zugriff auf die nationalen Bodenschätze, besonders der Erdölvorkommen.<br />
Zur Absicherung seines Regimes umgab sich Díaz in Politik und Verwaltung mit Vertretern einer neuen politisch-technokratischen Klasse, den „Científicos“ („Wissenschaftler“, so genannt wegen ihrer Vorliebe, zur Lösung anstehender Probleme, „wissenschaftliche“ Erkenntnisse heran zu ziehen). Sie vertraten die rassistische Lehre, dass die mexikanische Bevölkerung, insbesondere der indianische Teil, von ihrer Zusammensetzung her zu minderwertig sei, um das Land zu entwickeln. Deshalb könne die Industrialisierung Mexikos nur durch den Zustrom europäischer Einwanderer und ausländischen Kapitals vorangetrieben werden.<br />
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Durch den zunehmenden politischen Einfluss der „Científicos“ sicherten sich vor allem us-amerikanische Gesellschaften den Zugriff auf die mexikanische Wirtschaft. Als Strohmänner auf leitenden Posten betrieben sie mit illegalen Methoden deren Finanz- und Bodenspekulationsgeschäfte.<br />
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== Die Opposition zum „Porfiriat“ ==<br />
Bald ergab sich eine wirtschaftliche Hegemonie der USA. Dies hatte für das Díaz-Regime bedrohliche Folgen. Die Regierung sah sich zu einem Befreiungsschlag in Form eines Nationalisierungsprogrammes gezwungen: 1903 übernahm sie 51 Prozent der bislang zu 80 Prozent in us-amerikanischer Hand liegenden Eisenbahnaktien.<br />
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Solche Maßnahmen kamen auf Druck der neuen selbstbewussten Schicht des mexikanischen Bürgertums zustande, welches eigene – „nationale“ – Interessen verfolgte. Dazu zählten vor allem die Hacendados (Großgrundbesitzer) im Norden des Landes, die inzwischen genug Kapital angehäuft hatten, um in eigene moderne Fabriken zu investieren.<br />
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Ab 1910 entwickelte sich um den liberal gesinnten Großgrundbesitzer Francisco Madero (1878-1913) ein Oppositionszirkel. Schon 1908 hatte er ein Buch veröffentlicht, in dem er für freie Wahlen und zum Kampf gegen die Wiederwahl von Díaz aufgerufen hatte und zwar ausschließlich mit legalen Mitteln. Seine Regimekritik bewegte sich folglich im rein politisch-institutionellen Rahmen und vermied Forderungen nach Veränderung überholter Sozialstrukturen.<br />
Zugleich formierte sich Widerstand gegen das Díaz-Regime durch die Industriearbeiterschaft, die um 1910 ca. fünf Prozent der Bevölkerung ausmachte. <br />
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Von der nördlichen Industriearbeiterschaft gingen die heftigsten sozialen Bewegungen während des „Porfiriats“ aus und nicht – wie später – von der Landbevölkerung. Die organisatorische Herausbildung einer Arbeiterbewegung vollzog sich jedoch größtenteils in der Hauptstadt.<br />
Zwar ging es der Arbeiterschaft im Vergleich zu den Péones relativ besser, jedoch lebten auch sie unter so harten Bedingungen, dass militante Arbeitskämpfe, trotz des Gewerkschaftsverbots, immer mehr um sich griffen. Zwischen 1881 und 1911 gab es 250 Streiks, obwohl jede Art von Streik verboten war.<br />
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In diesem Milieu konnten Anfang des 20. Jahrhunderts in Mexiko auch sozialistische bzw. anarchistische Ideen Fuß fassen.<br />
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Im liberal-bürgerlichen Lager mehrten sich inzwischen die Stimmen, die auf eine Ablösung des Generals drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón , die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet.<br />
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In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter [[Ricardo Flores Magón]] ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. <br />
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Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikalen öffentlichkeitswirksamen Flugblättern, Plakaten und Schriften. Die dadurch mit ausgelösten Unruhen zogen Verhaftungswellen nach sich, auf die wiederum eine Reihe militanter Auseinandersetzungen und Aufstände folgte.<br />
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In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Der drängendsten Frage des Landes – dem Agrarproblem – wendete sie sich zu dieser Zeit jedoch weder programmatisch noch politisch zu.<br />
Eine Wirtschaftskrise, die ab 1907 die USA erfasst hatte, erhöhte die ökonomischen und politischen Spannungen in Mexiko. Die exportorientierte Wirtschaft des Landes geriet damit unter Druck. Vielen der Arbeiter, die auf den Haziendas und in den Industriebetrieben entlassen worden waren, blieb die Rückkehr in die Subsistenzlandwirtschaft wegen der inzwischen forcierten Landkonzentration verwehrt.<br />
Vor diesem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen und neu entstandener sozialer Bewegungen, spitzte sich die politische Auseinandersetzung um die Wiederwahl von Porfirio Díaz schließlich zu einer revolutionären Krise zu.<br />
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== Erste Phase: November 1910 bis Mai 1911 ==<br />
Im April 1910 fand der Gründungskongress des „Partido Nacional Anti-Reelecionista“ („Nationale Partei gegen die Wiederwahl“) statt, auf dem sich die gesamte mexikanische Opposition auf Francisco Madero als Gegenkandidaten zu Díaz einigte. Kurz vor der Präsidentschaftswahl ließ Díaz jedoch den Rivalen Madero verhaften. Darauf bestätigte am 27. September die Deputiertenkammer den 80-jährigen Diktator für die Zeit von 1910-1916 erneut die Präsidentschaft.<br />
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Madero, dem es am fünften Oktober gelungen war, in die USA zu fliehen, veröffentlichte darauf hin seinen „Plan von San Luis Potosí“, in dem er die Präsidentschaftswahl für ungültig erklärte und die Bevölkerung aufforderte, sich zu bewaffnen, um am 20. November 1910 die Regierung durch einen Aufstand zu stürzen. Aufgrund eines agrarpolitischen Minimalprogrammes (Rückgabe der enteigneten Ländereien an die früheren Besitzer) gelang es ihm, die ländlichen Widerstandsbewegungen und deren Führer auf seine Seite zu ziehen. Die Revolution brach schließlich in den Bundesstaaten Puebla und Chihuahua aus.<br />
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Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen.<br />
Die Aufstandsbewegung war dennoch nicht mehr aufzuhalten. An der Spitze der Revolution standen im Süden die Landarbeiterbewegungen um Emiliano Zapata und im Norden um Pancho Villa. Innerhalb eines halben Jahres brachten die Aufständischen einen Großteil des Landes unter ihre Kontrolle. Díaz musste schließlich nach 30 Jahren uneingeschränkter Diktatur abdanken und begab sich am 31. Mai auf die Flucht nach Europa.<br />
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Am siebten Juni 1911 zog der aus den USA zurückgekehrte Madero im Triumphzug in die Hauptstadt ein und wurde zum neuen Präsidenten ausgerufen. Madero setzte zwar eine Reihe politischer Reformen durch (Wiedereinsetzung der liberalen Verfassung von 1857, Verbot der Wiederwahl des Präsidenten, Garantie demokratischer Freiheiten), aber für ihn galt mit den politisch-konstitutionellen Reformen die Revolution als abgeschlossen. Fortan suchte er den Ausgleich mit den Vertretern des alten Regimes. Auch blieben der Staatsapparat und die Position des Militärs unangetastet.<br />
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Das große Problem der elenden soziökonomischen Verhältnisse – besonders die Lösung der Agrarfrage – blieb jedoch unverändert bestehen. Die vom Großteil der Bevölkerung herbeigesehnten Reformen, wegen denen sie die Revolution überhaupt unterstützt hatte, blieben aus.<br />
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== Zweite Phase: Mai 1911-Februar 1912: Die „Revolution von unten“ ==<br />
Die „Revolution von unten“ nahm nun ihren Anfang. Unter Emiliano Zapata wurde der Bundesstaat Morelos faktisch unabhängig von der Zentralregierung. Diese Revolution des Südens verkörperte das radikalste agrarrevolutionäre Element der Mexikanischen Revolution. In Morelos hatte sich unter dem „Porfiriat“ eine weitgehende Enteignung der Indiogemeinden vollzogen (Morelos wurde als die „perfekte Hazienda“ bezeichnet). Schon im neunzehnten Jahrhundert war es gegen die Ausbreitung der Zuckerrohrhaziendas zu vielfältigen Formen des Widerstandes gekommen (von bloßen juristischen <br />
Schritten bis hin zu gewalttätigen Aktionen).<br />
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Die herausragende Figur war Emiliano Zapata (1877-1919). Er wurde im Jahre 1910 im Dorf Anenecuilco zum Gemeindepräsidenten gewählt und stieg in kurzer Zeit zum Führer der Agrarbewegung von Morelos auf. Deren große Schlagkraft beruhte letztendlich auf einer homogenen sozialen Basis und gut organisierten bewaffneten Formationen. Bevor Zapata in die Politik ging, hatten er und seine Familie sich schon lange für die Belange und Sorgen der lokalen, zumeist indianischen Landbevölkerung, eingesetzt. Sein Ruf als Verteidiger der Entrechteten war legendär und die Bevölkerung brachte ihm fast religiöse Verehrung entgegen. Seine politischen Ideale wurden stark von den anarchistischen Ideen Ricardo Flores Magóns beeinflusst.<br />
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Emiliano Zapata erklärte am 12. August 1911, dass die Rebellenarmee des Südens so lange unter Waffen bleiben würde, bis die „Ejidos“ durch die Regierung an die Dorfgemeinschaften zurückgegeben würden.<br />
Dies war nicht zu erwarten und die Regierung Madero stieß zunehmend auf das Misstrauen ihrer früheren Bündnispartner. Nach weniger als einem Jahr seiner Präsidentschaft waren die eigentlichen Ziele der Revolution weit von ihrer Realisierung entfernt.<br />
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Nun sammelten sich im Süden erneut die bewaffneten Revolutionäre um Zapata, der am 28. November im „Plan von Ayala“ Madero zum „Verräter des Vaterlandes“ erklärte.<br />
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Im „Plan von Ayala“, der programmatischen Grundlage der Revolution des Südens, waren im Wesentlichen folgende Forderungen formuliert:<br />
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* Rückgabe der Gemeindeländereien<br />
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* Vergabe von einem Drittel des Großgrundbesitzes an die Bauern<br />
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* Enteignung der Revolutionsgegner<br />
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Dieses Programm verdeutlicht die doppelte Beschränkung der Revolution des Südens: Zum einen in seiner Begrenzung auf eine soziale Gruppe, also auf unmittelbar bäuerliche Forderungen und zum anderen in seiner regionalen Begrenztheit auf den Bundesstaat Morelos.<br />
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Aber immerhin bildete der „Plan“ die Handlungsgrundlage, durch die die revolutionäre Bauernbewegung unter der Losung „Tierra y Libertad“ („Land und Freiheit“) auf Jahre mobilisiert werden konnte. Obwohl Madero sofort Truppen in Marsch setzen ließ, gelang es der Regierung nicht, die Zapatabewegung unter Kontrolle zu bekommen. Dagegen gelang es den Aufständischen im Februar 1912 die Stadt Juarez zu besetzen und weitere militärische Erfolge zu erringen.<br />
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Inzwischen wurden alle sozialrevolutionären Bewegungen seitens der „revolutionären“ Regierung aktiv militärisch bekämpft. Zugleich sah sich das neue Regime auch noch zunehmend von konterrevolutionären Truppen bedroht.<br />
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Auch im Norden des Landes braute sich Unheil gegen die Regierung zusammen. Dort hatten sich die Revolutionäre um den späteren Überläufer zur Konterrevolution Pascual Orozco gescharrt. Orozco hatte sich am 25. März 1912 in seinem „Plan von Chihuahua“ von Madero losgesagt und in Chihuahua einen Aufstand angezettelt, der zur vorübergehenden militärischen Niederlage der Regierungstruppen führte.<br />
Einige Monate später war Madero jedoch wieder Herr der Lage: Am dritten Juli 1912 gelang es seinen Truppen unter dem Befehl Huertas – gemeinsam mit den Truppen Pancho Villas – den Aufstand von Chihuahua niederzuschlagen.<br />
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Nach nur 15 Monaten der Regierung Maderos entlud sich das politisch aufgeheizte Klima in einem Aufstand in der Hauptstadt. Die Regierung stand zwischen den bewaffneten Kräften, die auf eine Radikalisierung der Revolution drängten und denen, die Alles rückgängig machen wollten. In den folgenden „Decena Tragica“ („Die zehn blutigen Tage“), die am neunten Februar 1913 begannen, lieferten sich Regierungstruppen unter der Führung von General Victoriano Huerta mit reaktionären Putschisten erbitterte Gefechte.<br />
<br />
Eine Woche später jedoch intrigierte Huerta gegen seinen Präsidenten und schloss sich am 18. Februar 1913 den Putschisten an. Madero und sein Vizepräsident wurden verhaftet. Schon einen Tag darauf ernannte die Deputiertenkammer mit us-amerikanischer Rückendeckung Victoriano Huerta offiziell zum neuen Präsidenten. Seine erste Amtshandlung bestand in der Veranlassung der Ermordung Maderos und des Vizepräsidenten Pino Suárez, denen zuvor freies Geleit aus Mexiko zugesichert worden war.<br />
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== Dritte Phase: Februar 1912-Juli 1914: Der Kampf gegen Huerta ==<br />
Huertas Machtergreifung und insbesondere die Morde an Madero und Suárez hatten im ganzen Land große Empörung hervorgerufen. Als er versuchte, sich per Staatsstreich diktatorische Vollmachten zu verschaffen, formierte sich ein breites und heterogenes Bündnis gegen ihn. Darin übernahm der bürgerlich-liberale Großgrundbesitzer Venustiano Carranza die Führung. Im „Plan von Guadelupe“ wurde das Programm dieses Bündnisses formuliert, das jedoch den Forderungen nach einer Agrarreform nur vage entgegen kam.<br />
<br />
Dem Bündnis der Truppen, dem außer der Bewegung um Zapata, alle übrigen revolutionären Fraktionen angehörten, gelang es innerhalb weniger Monate, den Großteil des Landes unter seine Kontrolle zu bringen. Huerta musste am 15. Juli 1914 abdanken und floh ins Ausland.<br />
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In der Zeit der folgenden Übergangsregierung intervenierten die USA in das Geschehen. US-Präsident Woodrow Wilson bezeichnete sich als einen Gegner Huertas. Deshalb hob er schon im Februar 1914 das Waffenembargo gegenüber Mexiko auf und begünstigte damit die Rebellen. Im April 1914 griff er sogar direkt in die innermexikanischen Kämpfe ein, indem er Marinetruppen den Hafen von Veracruz besetzen ließ und dadurch die Lieferung deutscher Waffen an das Huerta-Regime verhinderte.<br />
<br />
Die Finanzierung der Waffen für die Revolutionäre durch Geldgeber in den USA weist auf einen allgemein wichtigen Faktor in der Mexikanischen Revolution hin: Die Einflussnahme fremder Mächte. Ob nun die Verwicklung in den konterrevolutionären Staatsstreich von General Huerta, die Landung von US-Marineeinheiten in Veracruz, die Finanzierung der Revolutionsarmeen des Nordens oder die spätere Strafexpedition amerikanischer Truppen – die USA und europäische Mächte intervenierten auf vielfältige Weise in den mexikanischen Revolutionsprozess. Und schon vorher aber besonders während der Revolution, konnten die USA ihre ökonomische Vormachtstellung in Mexiko auf Kosten Großbritanniens ausbauen.<br />
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== Exkurs: Die Arbeiterbewegung in der Mexikanischen Revolution ==<br />
Die ersten mexikanischen Gewerkschaftsformierungen entstanden unter anarcho-syndikalistischem Einfluss. Als Vorbild galt die us-amerikanische Gewerkschaft „Industrial Workers of the World“ (IWW). <br />
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In den ersten Jahren der Revolution stand die organisierte Arbeiterschaft der Hauptstadt abseits. Am 15. Juli 1912 wurde die Gewerkschaftsvereinigung „Casa del Obrero Mundial“ („Haus der Arbeiter der Welt“) gegründet. Die Gruppe gab eine Zeitung namens „Luz“ („Licht“) heraus, die die Revolutionslosung „Tierra y Libertad“ in ihr Programm aufnahm.<br />
<br />
Die „Casa del Obrero Mundial“ fühlte sich zur Neutralität im revolutionären Konflikt verpflichtet. Damit glaubte sie der anarchistischen Tradition zu entsprechen, Distanz zu politischen Auseinandersetzungen zu halten. <br />
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In den nördlichen Industriezentren nahmen jedoch Arbeiter an den zahlreichen revolutionären Erhebungen teil. <br />
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== Revolution in der Revolution ==<br />
In den Jahren 1914 / 15 radikalisierte sich die Bewegung im Bundesstaat Morelos weiter. Es kam zu einer „Revolution in der Revolution“. Die Radikalisierung war einerseits der polarisierenden Dynamik des Revolutionsverlaufs geschuldet (Auseinanderbrechen des Bündnisses mit bürgerlich-liberalen Kräften), andererseits machte sich der ideologische Einfluss radikaler städtischer Intellektueller (z.B. Ricardo Flores Magón und Zapatas Sekretär Manuel Palafox) bemerkbar.<br />
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Die revolutionären Maßnahmen gingen inzwischen weit über eine reine Restauration der Landverhältnisse vor dem „Porfiriat“ hinaus. Für Enteignungen wurden keine Entschädigungen mehr geleistet und von den Gemeinden getragene Agrarkommissionen führten eine radikale Landverteilung durch. Die Gründung einer Landkreditbank sollte den Wiederaufbau einer kleinbäuerlichen Wirtschaft unterstützen. Darüber hinaus kam es zur Vergesellschaftung der Zuckerrohrmühlen.<br />
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== Pancho Villa und die Revolution des Nordens ==<br />
Der Norden Mexikos wies im Vergleich zu Morelos eine besonders heterogene Sozialstruktur auf: Ein Teil der Landbevölkerung lebte als Peónes auf den Haziendas. Ihre Mobilisierung verlief äußerst unterschiedlich. Teils schlossen sie sich den entstehenden Bauernarmeen an, teils verharrten sie passiv im sozialen Mikrokosmos ihrer Hazienda.<br />
<br />
Eine andere Gruppe im Norden bildeten die Nachkommen von „Militärkolonisten“. Diese waren bereits in der Kolonialzeit als freie Kleinbauern unter der Auflage angesiedelt worden, gegen die Indianerstämme zu kämpfen. Diese freien Kleinbauern („Rancheros“) hatten im „Porfiriat“ ihr Land zunehmend an Großgrundbesitzer verloren. Darüber hinaus war im Norden durch Bergbau und Textilindustrie ein Proletariat entstanden.<br />
<br />
Die herausragende Figur im Norden war Francisco „Pancho“ Villa (1877-1923). Er war einer der wenigen Führerfiguren der Revolution des Nordens, der kein Vertreter der lokalen Elite war und der Schicht der Peónes entstammte. Villa organisierte nach der Ermordung Maderos die Revolutionstruppen des Nordens („División del Norte“) im Staat Chihuahua mit einer bäuerlichen Basis und war militärisch für eine lange Zeit sehr erfolgreich.<br />
<br />
Pancho Villa (Pseudonym für Doroteo Arango) war ein verwegener Guerillakämpfer, in dessen Mythos sich soziales Banditentum und Robin Hood-Legende vermischten. In seinen Aktionen ließ er militärische Genialität erkennen. Es mangelte ihm jedoch, verglichen mit dem Kampf Zapatas, an politischer Weitsicht und Konsequenz. Dies wird deutlich beim Vergleich der unterschiedlichen Durchführung und sozialen Folgen der Landreform, wie sie von der „División del Norte“ von Pancho Villa auf der einen und von der Zapata-Bewegung auf der anderen Seite in die Wege geleitet wurde:<br />
Die Zapata-Bewegung enteignete den Grund und Boden der Latifundien und Haziendas und verteilte ihn unverzüglich an die Landbevölkerung. In Morelos waren die „freien Dörfer“ noch so intakt, dass diese selbständigen und selbstbewussten Gemeinden die Landreform in die eigene Hände nehmen konnten.<br />
Diese Bedingungen für eine konsequente Bodenreform fand Villa in Nordmexiko nicht vor. Die Inhomogenität der Bevölkerung bot keinen guten Ansatzpunkt für gemeinschaftliche Bewirtschaftungsformen. Pancho Villa enteignete zwar die großen Landgüter, doch er verteilte sie nicht an die Bauern, sondern er „verstaatlichte“ sie und exportierte fast die gesamte Produktion in die USA, um Waffen und Munition zu kaufen. Jedoch beabsichtigte er für die Zukunft, den Ertrag dieses Landes „Witwen und Waisen“ zukommen zu lassen. Ohne es zu wollen, hatte er sich so eine Schicht von Militärs herangezüchtet, die in ihre eigenen Taschen wirtschafteten.<br />
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Die Mobilisierung der übrigen revolutionären Formationen und der unterschiedlichen sozialen Gruppen vollzog sich unter der Führung von Großgrundbesitzern (Francisco Madero, Venustiano Carranza, Pascual Orozco) und städtischen Intellektuellen. Sie konnten professionelle Bauernarmeen organisieren, ohne dafür eine Agrarreform durchführen zu müssen, denn sie bezahlten die Soldaten nicht mit Land, sondern in bar (Geldgeber in den USA). Die Offiziere und Generäle dieser Armeen sollten später zur neuen Land besitzenden Bourgeoisie im postrevolutionären Mexiko werden.<br />
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== Vierte Phase: Juli 1914 -Februar 1917: Bruderkampf der Revolutionäre ==<br />
Als am 15. Juli 1914 Huerta abdankte und das Land verließ, hatte die Revolution ihren zweiten großen Sieg über die Konterrevolution errungen. Der Zeitpunkt schien gekommen, die revolutionären Errungenschaften zu konsolidieren. Da es an einer von allen revolutionären Fraktionen akzeptierten und breit sozial verankerten politischen Ideologie mangelte, schien es für Viele auf eine neue, wenn auch „revolutionäre Diktatur“ hinauszulaufen. Wer würde von den drei großen Revolutionsführern die Macht im Staate an sich reißen: Zapata, Villa oder Carranza?<br />
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Einen Monat nach dem Sturz Huertas wurde diese Frage zugunsten Carranzas entschieden.<br />
Venustiano Carranza war ein echter Machtpolitiker, der auf die Unterstützung großer Kreise im bürgerlichen Lager rechnen konnte.Mit ganz geringen Abweichungen vertrat er die bürgerlich-liberale und demokratische Ideologie seines Vorgängers Madero. In seinem politischen Programm waren vor allem die Interessen des neuen Großbürgertums vertreten. Zugeständnisse an die Reformvorstellungen der armen Landbevölkerung und des Proletariats der Städte erfolgten von ihm stets aus rein taktischen Überlegungen oder auf direkten Druck von unten.<br />
<br />
Bald war klar, dass die Kräfte um Carranza („Constitucionalistas“) die Revolution als beendet ansahen. Das fragile Bündnis fiel nun auseinander und ein Bürgerkrieg innerhalb des revolutionären Lagers begann:<br />
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Als im August 1914 die konstitutionalistischen Truppen – insbesondere durch die Erfolge von Villas „División del Norte“ – bis vor die Hauptstadt gelangt waren, kam es zu einem ersten Zerwürfnis zwischen den drei Revolutionsführern. Die vordergründige Streitfrage war, welche der drei Truppenteile zuerst in die Stadt einziehen dürfe. Es gelang Carranza, sich durchzusetzen, indem er seinen Kontrahenten den Nachschub abschnitt und ein Bündnis mit dem ehemaligen Polizeichef Huertas einging und am 20. August schließlich auch die Exekutivgewalt ergriff. Daraufhin kündigte Pancho Villa Carranza die Gefolgschaft und veröffentlichte in Chihuahua ein Manifest, in dem er zur Fortsetzung des Kampfes aufrief.<br />
Die revolutionären Gruppen, die sich in der kurzen Pause nach dem Sturz Huertas demobilisiert hatten, bewaffneten sich erneut, um sich entweder den Truppen Vil-las und Zapatas oder Carranzas anzuschließen.<br />
Obwohl die Widersprüche und Differenzen im so genannten „konventionalistischen“ Lager zwischen Zapatisten und Villa-Anhängern nicht ausgetragen waren, sah sich Carranza am 24. November 1914 gezwungen, die Hauptstadt zu räumen.<br />
Am sechsten Dezember zogen dann die Revolutionstruppen Zapatas und Villas sowie die Konventsregierung unter der Führung des Präsidenten Eulalio Gutierrez in einer achtstündigen Prunkparade in die Hauptstadt ein.<br />
Aus der Perspektive der sozialen Bewegungen ist dies der eigentliche Höhepunkt der Mexikanischen Revolution. Damit eröffnete sich eine kurze Phase der Doppelherrschaft. Die Agrarrevolutionäre verfügten jedoch über kein gemeinsames systematisches Programm und auch über keine langfristige Strategie durch die es ihnen gelungen wäre, ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung zu organisieren. Das Gesetz des Handelns fiel an Carranza zurück. Von Veracruz aus, das er zur neuen Hauptstadt erklärt hatte, erließ Carranza aus taktischen Gründen eine Vielzahl von Reformen zur Agrarfrage und Linderung der sozialen Not des Städteproletariats. <br />
<br />
General Álvaro Obregón vollzog im Auftrage Carranzas nach 1914 eine Annäherung an die „Casa del Obrero Mundial“ und es kam zu einem Bündnis zwischen großen Teilen der städtischen Arbeiterschaft und den bürgerlich-liberalen Konstitutionalisten. In den „Roten Bataillonen“ bekämpften die Arbeiter sogar die Zapatisten und Pancho Villa. <br />
Im Januar 1915 ging Carranza mit seiner konstitutionalistischen Armee schließlich auch zur militärischen Offensive über. In den ersten sechs Monaten des Jahres kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen, bei denen die Hauptstadt heiß umkämpft und mehrmals abwechselnd von beiden Seiten eingenommen wurde.<br />
<br />
In den Monaten zwischen April und Juli 1915 gelang es der Armee Carranzas, Villas Truppen aus Zentralmexiko zurückzuschlagen und damit die Verbindung zur Zapata-Bewegung abzuschneiden. Von diesem Zeitpunkt an befand sich Pancho Villa in der Defensive und die Bewegung Zapatas beschränkte sich nur noch auf den Staat Morelos.<br />
<br />
Spätestens ab Juli 1915 hatte Carranza endgültig die militärische Oberhand zurückgewonnen. Seine Truppen besetzten mehrere wichtige Städte und am 26. August fiel auch Mexiko-Stadt in ihre Hände. Am 11. Oktober 1915, als ein Großteil des Landes unter seiner Kontrolle war, kehrten Carranza und sein Kabinett wieder nach Mexiko-Stadt zurück und erklärten es wieder zur Regierungshauptstadt.<br />
Am 19. desselben Monats erkannte die USA und in der Folge auch die Mehrheit der südamerikanischen Staaten, die Regierung Carranzas als rechtmäßig an. Darüber hinaus verhängten die USA, um der Revolution ein Ende zu bereiten, gegen Mexiko ein Waffenembargo, mit Ausnahme der Waffen, die für die Regierung Carranzas bestimmt waren.<br />
<br />
Unter diesen Umständen verschlechterte sich die militärische Lage Pancho Villas dramatisch. So in die Defensive gedrängt und in eine verzweifelte Lage gebracht, verübte er einen Überfall auf einen Zug im Bahnhof von Santa Isabel (Chihuahua), bei dem 15 nordamerikanische Reisende getötet wurden. Doch damit nicht genug; am neunten März überschritt er die Grenze zur USA und griff die Grenzstadt Columbus in New Mexiko an. Dabei wurden vierzehn US-Amerikaner getötet und zwei Häuserblocks gingen bei dem Angriff in Flammen auf.<br />
<br />
Wie nicht anders zu erwarten, riefen diese Aktionen Pancho Villas eine äußerst harte Reaktion der USA hervor. Im Verlauf der folgenden, über ein Jahr dauernden Strafaktion, kam es zu mehreren blutigen Zwischenfällen auf mexikanischem Territorium. Militärisch beschränkte sich die Strafaktion jedoch darauf, die Person Villa aufzuspüren. Sie wurde schließlich am fünften Februar 1917 eingestellt, da es nicht gelungen war, ihn aufzustöbern. <br />
<br />
Nachdem die Gefahr durch die Agrarbewegungen größtenteils militärisch gebannt war, vollzog Carranza eine Kehrtwendung, die sich gegen den Einfluss der städtischen Arbeiterbewegung richtete. Ihren Ansprüchen wurde nun mit offener Repression begegnet (1916 Verhängung der Todesstrafe für Streiks).<br />
Ende 1916 versammelte sich die „Konstituante von Querétaro“ – eine Versammlung der besitzenden Klassen. Die aus ihr hervorgehende Verfassung bedeutete eine Festlegung auf ein bürgerlich-kapitalistisches Mexiko. Allerdings hatte die Energie der Volksbewegung in der Mexikanischen Revolution und der soziale Druck während der Verfassungsdiskussion die bis dahin fortschrittlichste Verfassung der Welt entstehen lassen. Besonders drei Artikel spiegeln dies wider:<br />
<br />
* Artikel 3: Völlige Trennung von Staat und Kirche; staatliche Grundschulausbildung<br />
<br />
* Artikel 27: Nationalisierung der Bodenschätze; Verfassungsgrundlage für eine Agrarreform<br />
<br />
* Artikel 123: Umfangreiche Agrar- und Sozialgesetzgebung<br />
<br />
Am 10. April 1919 gelang es den Regierungstruppen, Emiliano Zapata durch Verrat in Chinameca in einen Hinterhalt zu locken und heimtückisch zu ermorden. Seine geschockten Anhänger ließen sich durch Versprechungen und Zugeständnis-se Carranzas hinsichtlich der Bodenreform dazu bewegen, fortan nur noch friedlich mit der nachrevolutionären Regierung zu kooperieren.<br />
<br />
Obwohl überall im Lande noch bewaffnete Splittergruppen von Pancho Villa und Anderen existierten und in der Bevölkerung eine von Hass und Unzufriedenheit geprägte Stimmung herrschte, ging die Revolution ihrem endgültigen Ende entgegen. Die sozial-revolutionären Ansätze, die sich in ihr manifestiert hatten, verkümmerten, und der Kampf konzentrierte sich von nun an nur noch auf Personen und politische Programme.<br />
<br />
Anfang 1920 wurden die Widersprüche im konstitutionalistischen Lager immer größer. Sowohl die ländlichen als auch die städtischen Massen fühlten sich um die Früchte der Revolution, die lang ersehnten sozialen Reformen, betrogen. <br />
<br />
Alvaro Obregón, der langjährige Vertraute Carranzas, sah seine Stunde gekommen und kündigte dem Präsidenten seine Gefolgschaft auf. Unter dem Oberkommando von Plutarco Elias Calles initiierte er einen Militärputsch, der sich rasch verbreitete und zur Besetzung der Bundesstaaten Sinaloa, Guerrero, Michocán, Zacatecas und Tabasco führte. Am siebten Mai 1920 sahen sich Carranza und sein Kabinett gezwungen, die Hauptstadt zu verlassen, die dann zwei Tage später von Obregón und seinen Truppen besetzt wurde.<br />
<br />
Am 21. Mai 1920 gelang es den Truppen Obregóns, Carranza und seine Begleiter in einen Hinterhalt zu locken und Carranza selbst zu ermorden. Schließlich wurde am fünften September Álvaro Obregón offiziell auf die Präsidentschaft für die Zeit von 1920 bis 1924 vereidigt.<br />
<br />
Der letzte Überlebende der drei großen Revolutionsführer, Pancho Villa, wurde am 20. Juli 1923 ermordet, obwohl er sich bereits drei Jahre zuvor aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte. <br />
<br />
== Fazit ==<br />
Zusammenfassend lassen sich für die Mexikanische Revolution folgende Charakteristika feststellen:<br />
<br />
* Die Volksbewegung und Massenmobilisierung bestimmten Rhythmus und Reichweite der Revolution.<br />
<br />
* Es gelang, dieses agrarrevolutionäre Moment abzufangen und zu kanalisieren.<br />
<br />
* Der Druck der Intervention von unten prägte die weitere Entwicklung des politischen Systems.<br />
<br />
* Die sozialrevolutionären Ansprüche der Volksbewegung blieben jedoch bis heute uneingelöst.<br />
<br />
Aus der Sicht der sozialen Bewegungen, welche die Auseinandersetzungen im Wesentlichen getragen hatten und ihre eigentlichen Ziele nicht erreichen konnten (die landlosen Bauern und das Industrieproletariat), kann mit dem mexikanischen Historiker Adolfo Gilly die Mexikanische Revolution als „unterbrochene Revolution“ bezeichnet werden. <br />
<br />
Ihre Anliegen konnten zwar in der noch heute gültigen Sozialgesetzgebung verankert werden. Trotz allen „Fortschritts“ sollten aber viele der die Mexikanische Revolution auslösenden Probleme und sozialen Konflikte bis heute ungelöst bleiben. <br />
<br />
== Literatur ==<br />
Baumgarten, Charlotte: Vorwort zu John Reed: Mexiko in Aufruhr. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1977<br />
<br />
Beck, Barbara; Kurnitzky, Horst: Zapata. Bilder aus der Mexikanischen Revolution. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin (West) 1975<br />
<br />
Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
Bock, Gisela; Lewis, Austin: Die Wobblies, Bd.1 / Bd. 2, Karlsruher Stadtzeitung, Karlsruhe, o. J.<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
Gilly, Adolfo: La Revolución interrumpida. Guía de estudio de la historia universal II, CCH Naucalpan, UNAM, Mexico D.F. 1991<br />
<br />
Hart, John Mason: Revolutionary Mexico. The Coming and Process of the Mexican Revolution. University of California Press , Berkeley and Los Angeles 1989<br />
<br />
Reed, John: Eine Revolutionsballade. Mexico 1914. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2005<br />
<br />
Ross, John: Mexiko. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. Das politische Reisebuch. Unrast-Verlag, Münster 2004<br />
<br />
==DadA-Links==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
----<br />
Dieser Artikel ist - leicht verändert - folgendem Buch entnommen: Rolf Raasch: [[Portal DadA-Buchempfehlung|B. Traven und Mexiko]]. Ein Anarchist im Land des Frühlings - Eine politisch-literarische Reise. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Mexikanische_Revolution&diff=17740Mexikanische Revolution2021-02-04T13:41:19Z<p>Rolf R: /* Am Vorabend: Das „Porfiriat“ */</p>
<hr />
<div>[[Bild:Tierra y libertad.jpg|thumb|right|360px|Land und Freiheit]]<br />
== Kleine Geschichte der Mexikanischen Revolution (1910-1920) ==<br />
<br />
'''Politische Einordnung'''<br />
<br />
In der politischen Literatur fällt die Charakterisierung der revolutionären Ereignisse in Mexiko unterschiedlich aus:<br />
<br />
* Konservative sehen die Revolution als bloßen Elitenkonflikt zwischen verschiedenen Fraktionen der Agraroligarchie und des Bürgertums.<br />
<br />
* Gemäßigt-liberale bezeichnen sie als eine bürgerliche Revolution, in der um die Art und Weise der Agrarreform gerungen wurde und die auf die Etablierung eines demokratischen Systems zielte.<br />
<br />
* Linke betrachten sie eher als eine „unvollendete“ bzw. „unterbrochene“ Revolution, in der die Interessen der mobilisierten Arbeiter und Bauern den entscheidenden Druck ausübten, sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten.<br />
<br />
Welche Charakterisierung auch immer, entscheidend für Heftigkeit und Verlauf dieser Revolution war die Mobilisierung vor allem der bäuerlichen Bevölkerung und ihre Intervention in das politische Geschehen.<br />
Diese Mobilisierung ist nur vor dem Hintergrund der sozialen Gärung zu verstehen, welche das Regime vor der Revolution – das „Porfiriat“ (1876-1910) – mit sich brachte.<br />
<br />
== Am Vorabend: Das „Porfiriat“ ==<br />
Das „Porfiriat“ ist die Bezeichnung einer historischen Epoche: 1876 etablierte sich unter General Porfirio Díaz eine über dreißig Jahre anhaltende Entwicklungsdiktatur. Díaz – politisch ursprünglich liberal orientiert – hatte es in diesem Zeitraum immer wieder verstanden, die Wahlen so zu manipulieren, dass er die Präsidentschaft stets erneut antreten konnte.<br />
<br />
Sein Regime strebte eine forcierte wirtschaftliche Modernisierung Mexikos an. Die Voraussetzung dafür sollte die Beendigung der politischen Instabilität des Landes bilden. Dazu wurde die Bevölkerung einer strikten staatlichen Kontrolle unterworfen und die Macht der Großgrundbesitzer und des Klerus gestärkt.<br />
<br />
Die wirtschaftliche Expansion erfolgte durch eine exportorientierte Ausrichtung der Landwirtschaft und auf Grundlage ausländischer Kapitalinvestitionen (diese machten zwischen 1900 und 1910 rund zwei Drittel der Gesamtinvestitionen in Mexiko aus). Die Investitionen flossen vornehmlich in den Ausbau des Eisenbahnnetzes und in Industrieprojekte (Bergbau, Textilindustrie, Erdölförderung).<br />
Die für den Ausbruch der Revolution entscheidende Dynamik bildete die enorme Landaneignung durch Ausdehnung des Großgrundbesitzes während des „Porfiriats“:<br />
<br />
Im Jahre 1883 verabschiedete die Díaz-Regierung ein neutral formuliertes Agrargesetz, dessen erklärtes Ziel die Erschließung und Urbarmachung von unbebautem Grund und Boden war. In Wirklichkeit diente dieses Gesetz jedoch einem aggressiv durchgeführten Umverteilungs- und Konzentrationsprozess des Landbesitzes zugunsten der Latifundien (Großgrundbesitz) und Haziendas (monokulturelle Agrarfabriken), die oft von ausländischen Gesellschaften bewirtschaftet wurden. Das Gesetz billigte den Gesellschaften, die Staatsland oder brachliegendes Dschungelgebiet vermaßen, ein Drittel des zu vermessenden Landes kostenlos und weiteres zu Spottpreisen zu.<br />
<br />
Die Vermessungsaktionen machten auch nicht vor dem kleinbäuerlichen Besitz im Norden Halt. Ebenso nicht vor dem jahrhunderte alten Gemeindeland (den „Ejidos“) der indianischen Dorfgemeinden im Süden. Dabei wurde ausgenutzt, dass keine schriftlich fixierten Besitztitel existierten, so dass die Betroffenen dadurch oder durch direkte Gewaltanwendung mit Hilfe staatlicher Organe, ihren angestammten Besitz verloren. Schließlich waren am Ende der Díazdiktatur 90 Prozent der „Ejidos“ zerschlagen.<br />
<br />
Viele, denen so ihre Existenzgrundlage geraubt wurde, mussten das Land ihrer Vorfahren verlassen und vegetierten fortan in den Städten am Rande der Gesellschaft dahin. Als Arbeitslose bildeten sie die Reservearmee billiger Arbeitskräfte für die neu entstandenen Industrien im Norden Mexikos oder mussten zur Arbeit auf die Plantagen in die angrenzenden USA emigrieren.<br />
Manche indianische Dorfgemeinschaften behaupteten sich unter schwierigsten Bedingungen auf verkleinerter Fläche. Um die Familien überhaupt noch ernähren zu können, mussten sich Familienmitglieder als Saisonarbeiter auf den Gütern in der Umgebung verdingen. Dort gerieten sie als Peónes leicht in die Schuldknechtschaft („Peónaje“).<br />
<br />
Dieses System funktionierte so: Die Betroffenen wurden durch den Verlust ihres Landes und der Auflösung der schützenden Dorfgemeinschaft gezwungen, Schulden zu machen. Dies führte meistens zu einer lebenslänglichen Abhängigkeit vom Gläubiger. Das bedeutete auf Lebenszeit, sieben Tage in der Woche, Schwerstarbeit auf den Gummi-, Kaffee-, Sisal- oder Mahagonihaziendas unter schwierigsten Bedingungen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Soviel auch gearbeitet wurde, der Schuldenberg wuchs ständig an, da der Peón gezwungen war, das Lebensnotwendige im haziendaeigenen Laden zu überhöhten Preisen einzukaufen. Die Schulden vererbten sich schließlich auf die Kinder, deren Schicksal im Teufelskreis zwischen Schuften und Schuldenanhäufung damit ebenso vorgezeichnet war.<br />
<br />
Es ist nachvollziehbar, dass dieses Sklavereisystem nur mit Terror und Gewalt aufrechterhalten werden konnte. Dazu verfügten die Haziendas über ein eigenes Disziplinarsystem mit brutalen Aufsehern, eigenen Gefängnissen und sogar eigener angemaßter Gerichtsbarkeit. Das korrupte Verwaltungssystem sicherte dieses Regime mit Unterstützung von Polizei und Militär staatlicherseits ab.<br />
<br />
„Rurales“, unter Díaz eingeführte Anti-Guerilla-Polizeieinheiten, sorgten für die brutale Unterdrückung der zunehmenden Aufstände der verzweifelten Landbevölkerung. <br />
<br />
Im Jahre 1884 verabschiedete die Díaz-Regierung ein Gesetz, durch das alle Bodenschätze den jeweiligen Grundstücksbesitzern zufielen. Dadurch sicherten sich vor allem ausländische Gesellschaften den Zugriff auf die nationalen Bodenschätze, besonders der Erdölvorkommen.<br />
Zur Absicherung seines Regimes umgab sich Díaz in Politik und Verwaltung mit Vertretern einer neuen politisch-technokratischen Klasse, den „Científicos“ („Wissenschaftler“, so genannt wegen ihrer Vorliebe, zur Lösung anstehender Probleme, „wissenschaftliche“ Erkenntnisse heran zu ziehen). Sie vertraten die rassistische Lehre, dass die mexikanische Bevölkerung, insbesondere der indianische Teil, von ihrer Zusammensetzung her zu minderwertig sei, um das Land zu entwickeln. Deshalb könne die Industrialisierung Mexikos nur durch den Zustrom europäischer Einwanderer und ausländischen Kapitals vorangetrieben werden.<br />
<br />
Durch den zunehmenden politischen Einfluss der „Científicos“ sicherten sich vor allem us-amerikanische Gesellschaften den Zugriff auf die mexikanische Wirtschaft. Als Strohmänner auf leitenden Posten betrieben sie mit illegalen Methoden deren Finanz- und Bodenspekulationsgeschäfte.<br />
<br />
== Die Opposition zum „Porfiriat“ ==<br />
Bald ergab sich eine wirtschaftliche Hegemonie der USA. Dies hatte für das Díaz-Regime bedrohliche Folgen. Die Regierung sah sich zu einem Befreiungsschlag in Form eines Nationalisierungsprogrammes gezwungen: 1903 übernahm sie 51 Prozent der bislang zu 80 Prozent in us-amerikanischer Hand liegenden Eisenbahnaktien.<br />
<br />
Solche Maßnahmen kamen auf Druck der neuen selbstbewussten Schicht des mexikanischen Bürgertums zustande, welches eigene – „nationale“ – Interessen verfolgte. Dazu zählten vor allem die Hacendados (Großgrundbesitzer) im Norden des Landes, die inzwischen genug Kapital angehäuft hatten, um in eigene moderne Fabriken zu investieren.<br />
<br />
Ab 1910 entwickelte sich um den liberal gesinnten Großgrundbesitzer Francisco Madero (1878-1913) ein Oppositionszirkel. Schon 1908 hatte er ein Buch veröffentlicht, in dem er für freie Wahlen und zum Kampf gegen die Wiederwahl von Díaz aufgerufen hatte und zwar ausschließlich mit legalen Mitteln. Seine Regimekritik bewegte sich folglich im rein politisch-institutionellen Rahmen und vermied Forderungen nach Veränderung überholter Sozialstrukturen.<br />
Zugleich formierte sich Widerstand gegen das Díaz-Regime durch die Industriearbeiterschaft, die um 1910 ca. fünf Prozent der Bevölkerung ausmachte. <br />
<br />
Von der nördlichen Industriearbeiterschaft gingen die heftigsten sozialen Bewegungen während des „Porfiriats“ aus und nicht – wie später – von der Landbevölkerung. Die organisatorische Herausbildung einer Arbeiterbewegung vollzog sich jedoch größtenteils in der Hauptstadt.<br />
Zwar ging es der Arbeiterschaft im Vergleich zu den Péones relativ besser, jedoch lebten auch sie unter so harten Bedingungen, dass militante Arbeitskämpfe, trotz des Gewerkschaftsverbots, immer mehr um sich griffen. Zwischen 1881 und 1911 gab es 250 Streiks, obwohl jede Art von Streik verboten war.<br />
<br />
In diesem Milieu konnten Anfang des 20. Jahrhunderts in Mexiko auch sozialistische bzw. anarchistische Ideen Fuß fassen.<br />
<br />
Im liberal-bürgerlichen Lager mehrten sich inzwischen die Stimmen, die auf eine Ablösung des Generals drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón , die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet.<br />
<br />
In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter [[Ricardo Flores Magón]] ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. <br />
<br />
Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikalen öffentlichkeitswirksamen Flugblättern, Plakaten und Schriften. Die dadurch mit ausgelösten Unruhen zogen Verhaftungswellen nach sich, auf die wiederum eine Reihe militanter Auseinanderset-zungen und Aufstände folgte.<br />
<br />
In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Der drängendsten Frage des Landes – dem Agrarproblem – wendete sie sich zu dieser Zeit jedoch weder programmatisch noch politisch zu.<br />
Eine Wirtschaftskrise, die ab 1907 die USA erfasst hatte, erhöhte die ökonomischen und politischen Spannungen in Mexiko. Die exportorientierte Wirtschaft des Landes geriet damit unter Druck. Vielen der Arbeiter, die auf den Haziendas und in den Industriebetrieben entlassen worden waren, blieb die Rückkehr in die Subsistenzlandwirtschaft wegen der inzwischen forcierten Landkonzentration verwehrt.<br />
Vor diesem Hintergrund wachsender sozialer Spannungen und neu entstandener sozialer Bewegungen, spitzte sich die politische Auseinandersetzung um die Wiederwahl von Porfirio Díaz schließlich zu einer revolutionären Krise zu.<br />
<br />
== Erste Phase: November 1910 bis Mai 1911 ==<br />
Im April 1910 fand der Gründungskongress des „Partido Nacional Anti-Reelecionista“ („Nationale Partei gegen die Wiederwahl“) statt, auf dem sich die gesamte mexikanische Opposition auf Francisco Madero als Gegenkandidaten zu Díaz einigte. Kurz vor der Präsidentschaftswahl ließ Díaz jedoch den Rivalen Madero verhaften. Darauf bestätigte am 27. September die Deputiertenkammer den 80-jährigen Diktator für die Zeit von 1910-1916 erneut die Präsidentschaft.<br />
<br />
Madero, dem es am fünften Oktober gelungen war, in die USA zu fliehen, veröffentlichte darauf hin seinen „Plan von San Luis Potosí“, in dem er die Präsidentschaftswahl für ungültig erklärte und die Bevölkerung aufforderte, sich zu bewaffnen, um am 20. November 1910 die Regierung durch einen Aufstand zu stürzen. Aufgrund eines agrarpolitischen Minimalprogrammes (Rückgabe der enteigneten Ländereien an die früheren Besitzer) gelang es ihm, die ländlichen Widerstandsbewegungen und deren Führer auf seine Seite zu ziehen. Die Revolution brach schließlich in den Bundesstaaten Puebla und Chihuahua aus.<br />
<br />
Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen.<br />
Die Aufstandsbewegung war dennoch nicht mehr aufzuhalten. An der Spitze der Revolution standen im Süden die Landarbeiterbewegungen um Emiliano Zapata und im Norden um Pancho Villa. Innerhalb eines halben Jahres brachten die Aufständischen einen Großteil des Landes unter ihre Kontrolle. Díaz musste schließlich nach 30 Jahren uneingeschränkter Diktatur abdanken und begab sich am 31. Mai auf die Flucht nach Europa.<br />
<br />
Am siebten Juni 1911 zog der aus den USA zurückgekehrte Madero im Triumphzug in die Hauptstadt ein und wurde zum neuen Präsidenten ausgerufen. Madero setzte zwar eine Reihe politischer Reformen durch (Wiedereinsetzung der liberalen Verfassung von 1857, Verbot der Wiederwahl des Präsidenten, Garantie demokratischer Freiheiten), aber für ihn galt mit den politisch-konstitutionellen Reformen die Revolution als abgeschlossen. Fortan suchte er den Ausgleich mit den Vertretern des alten Regimes. Auch blieben der Staatsapparat und die Position des Militärs unangetastet.<br />
<br />
Das große Problem der elenden soziökonomischen Verhältnisse – besonders die Lösung der Agrarfrage – blieb jedoch unverändert bestehen. Die vom Großteil der Bevölkerung herbeigesehnten Reformen, wegen denen sie die Revolution überhaupt unterstützt hatte, blieben aus.<br />
<br />
<br />
== Zweite Phase: Mai 1911-Februar 1912: Die „Revolution von unten“ ==<br />
Die „Revolution von unten“ nahm nun ihren Anfang. Unter Emiliano Zapata wurde der Bundesstaat Morelos faktisch unabhängig von der Zentralregierung. Diese Revolution des Südens verkörperte das radikalste agrarrevolutionäre Element der Mexikanischen Revolution. In Morelos hatte sich unter dem „Porfiriat“ eine weitgehende Enteignung der Indiogemeinden vollzogen (Morelos wurde als die „perfekte Hazienda“ bezeichnet). Schon im neunzehnten Jahrhundert war es gegen die Ausbreitung der Zuckerrohrhaziendas zu vielfältigen Formen des Widerstandes gekommen (von bloßen juristischen <br />
Schritten bis hin zu gewalttätigen Aktionen).<br />
<br />
Die herausragende Figur war Emiliano Zapata (1877-1919). Er wurde im Jahre 1910 im Dorf Anenecuilco zum Gemeindepräsidenten gewählt und stieg in kurzer Zeit zum Führer der Agrarbewegung von Morelos auf. Deren große Schlagkraft beruhte letztendlich auf einer homogenen sozialen Basis und gut organisierten bewaffneten Formationen. Bevor Zapata in die Politik ging, hatten er und seine Familie sich schon lange für die Belange und Sorgen der lokalen, zumeist indianischen Landbevölkerung, eingesetzt. Sein Ruf als Verteidiger der Entrechteten war legendär und die Bevölkerung brachte ihm fast religiöse Verehrung entgegen. Seine politischen Ideale wurden stark von den anarchistischen Ideen Ricardo Flores Magóns beeinflusst.<br />
<br />
Emiliano Zapata erklärte am 12. August 1911, dass die Rebellenarmee des Südens so lange unter Waffen bleiben würde, bis die „Ejidos“ durch die Regierung an die Dorfgemeinschaften zurückgegeben würden.<br />
Dies war nicht zu erwarten und die Regierung Madero stieß zunehmend auf das Misstrauen ihrer früheren Bündnispartner. Nach weniger als einem Jahr seiner Präsidentschaft waren die eigentlichen Ziele der Revolution weit von ihrer Realisierung entfernt.<br />
<br />
Nun sammelten sich im Süden erneut die bewaffneten Revolutionäre um Zapata, der am 28. November im „Plan von Ayala“ Madero zum „Verräter des Vaterlandes“ erklärte.<br />
<br />
Im „Plan von Ayala“, der programmatischen Grundlage der Revolution des Südens, waren im Wesentlichen folgende Forderungen formuliert:<br />
<br />
* Rückgabe der Gemeindeländereien<br />
<br />
* Vergabe von einem Drittel des Großgrundbesitzes an die Bauern<br />
<br />
* Enteignung der Revolutionsgegner<br />
<br />
Dieses Programm verdeutlicht die doppelte Beschränkung der Revolution des Südens: Zum einen in seiner Begrenzung auf eine soziale Gruppe, also auf unmittelbar bäuerliche Forderungen und zum anderen in seiner regionalen Begrenztheit auf den Bundesstaat Morelos.<br />
<br />
Aber immerhin bildete der „Plan“ die Handlungsgrundlage, durch die die revolutionäre Bauernbewegung unter der Losung „Tierra y Libertad“ („Land und Freiheit“) auf Jahre mobilisiert werden konnte. Obwohl Madero sofort Truppen in Marsch setzen ließ, gelang es der Regierung nicht, die Zapatabewegung unter Kontrolle zu bekommen. Dagegen gelang es den Aufständischen im Februar 1912 die Stadt Juarez zu besetzen und weitere militärische Erfolge zu erringen.<br />
<br />
Inzwischen wurden alle sozialrevolutionären Bewegungen seitens der „revolutionären“ Regierung aktiv militärisch bekämpft. Zugleich sah sich das neue Regime auch noch zunehmend von konterrevolutionären Truppen bedroht.<br />
<br />
Auch im Norden des Landes braute sich Unheil gegen die Regierung zusammen. Dort hatten sich die Revolutionäre um den späteren Überläufer zur Konterrevolution Pascual Orozco gescharrt. Orozco hatte sich am 25. März 1912 in seinem „Plan von Chihuahua“ von Madero losgesagt und in Chihuahua einen Aufstand angezettelt, der zur vorübergehenden militärischen Niederlage der Regierungstruppen führte.<br />
Einige Monate später war Madero jedoch wieder Herr der Lage: Am dritten Juli 1912 gelang es seinen Truppen unter dem Befehl Huertas – gemeinsam mit den Truppen Pancho Villas – den Aufstand von Chihuahua niederzuschlagen.<br />
<br />
Nach nur 15 Monaten der Regierung Maderos entlud sich das politisch aufgeheizte Klima in einem Aufstand in der Hauptstadt. Die Regierung stand zwischen den bewaffneten Kräften, die auf eine Radikalisierung der Revolution drängten und denen, die Alles rückgängig machen wollten. In den folgenden „Decena Tragica“ („Die zehn blutigen Tage“), die am neunten Februar 1913 begannen, lieferten sich Regierungstruppen unter der Führung von General Victoriano Huerta mit reaktionären Putschisten erbitterte Gefechte.<br />
<br />
Eine Woche später jedoch intrigierte Huerta gegen seinen Präsidenten und schloss sich am 18. Februar 1913 den Putschisten an. Madero und sein Vizepräsident wurden verhaftet. Schon einen Tag darauf ernannte die Deputiertenkammer mit us-amerikanischer Rückendeckung Victoriano Huerta offiziell zum neuen Präsidenten. Seine erste Amtshandlung bestand in der Veranlassung der Ermordung Maderos und des Vizepräsidenten Pino Suárez, denen zuvor freies Geleit aus Mexiko zugesichert worden war.<br />
<br />
== Dritte Phase: Februar 1912-Juli 1914: Der Kampf gegen Huerta ==<br />
Huertas Machtergreifung und insbesondere die Morde an Madero und Suárez hatten im ganzen Land große Empörung hervorgerufen. Als er versuchte, sich per Staatsstreich diktatorische Vollmachten zu verschaffen, formierte sich ein breites und heterogenes Bündnis gegen ihn. Darin übernahm der bürgerlich-liberale Großgrundbesitzer Venustiano Carranza die Führung. Im „Plan von Guadelupe“ wurde das Programm dieses Bündnisses formuliert, das jedoch den Forderungen nach einer Agrarreform nur vage entgegen kam.<br />
<br />
Dem Bündnis der Truppen, dem außer der Bewegung um Zapata, alle übrigen revolutionären Fraktionen angehörten, gelang es innerhalb weniger Monate, den Großteil des Landes unter seine Kontrolle zu bringen. Huerta musste am 15. Juli 1914 abdanken und floh ins Ausland.<br />
<br />
In der Zeit der folgenden Übergangsregierung intervenierten die USA in das Geschehen. US-Präsident Woodrow Wilson bezeichnete sich als einen Gegner Huertas. Deshalb hob er schon im Februar 1914 das Waffenembargo gegenüber Mexiko auf und begünstigte damit die Rebellen. Im April 1914 griff er sogar direkt in die innermexikanischen Kämpfe ein, indem er Marinetruppen den Hafen von Veracruz besetzen ließ und dadurch die Lieferung deutscher Waffen an das Huerta-Regime verhinderte.<br />
<br />
Die Finanzierung der Waffen für die Revolutionäre durch Geldgeber in den USA weist auf einen allgemein wichtigen Faktor in der Mexikanischen Revolution hin: Die Einflussnahme fremder Mächte. Ob nun die Verwicklung in den konterrevolutionären Staatsstreich von General Huerta, die Landung von US-Marineeinheiten in Veracruz, die Finanzierung der Revolutionsarmeen des Nordens oder die spätere Strafexpedition amerikanischer Truppen – die USA und europäische Mächte intervenierten auf vielfältige Weise in den mexikanischen Revolutionsprozess. Und schon vorher aber besonders während der Revolution, konnten die USA ihre ökonomische Vormachtstellung in Mexiko auf Kosten Großbritanniens ausbauen.<br />
<br />
== Exkurs: Die Arbeiterbewegung in der Mexikanischen Revolution ==<br />
Die ersten mexikanischen Gewerkschaftsformierungen entstanden unter anarcho-syndikalistischem Einfluss. Als Vorbild galt die us-amerikanische Gewerkschaft „Industrial Workers of the World“ (IWW). <br />
<br />
In den ersten Jahren der Revolution stand die organisierte Arbeiterschaft der Hauptstadt abseits. Am 15. Juli 1912 wurde die Gewerkschaftsvereinigung „Casa del Obrero Mundial“ („Haus der Arbeiter der Welt“) gegründet. Die Gruppe gab eine Zeitung namens „Luz“ („Licht“) heraus, die die Revolutionslosung „Tierra y Libertad“ in ihr Programm aufnahm.<br />
<br />
Die „Casa del Obrero Mundial“ fühlte sich zur Neutralität im revolutionären Konflikt verpflichtet. Damit glaubte sie der anarchistischen Tradition zu entsprechen, Distanz zu politischen Auseinandersetzungen zu halten. <br />
<br />
In den nördlichen Industriezentren nahmen jedoch Arbeiter an den zahlreichen revolutionären Erhebungen teil. <br />
<br />
== Revolution in der Revolution ==<br />
In den Jahren 1914 / 15 radikalisierte sich die Bewegung im Bundesstaat Morelos weiter. Es kam zu einer „Revolution in der Revolution“. Die Radikalisierung war einerseits der polarisierenden Dynamik des Revolutionsverlaufs geschuldet (Auseinanderbrechen des Bündnisses mit bürgerlich-liberalen Kräften), andererseits machte sich der ideologische Einfluss radikaler städtischer Intellektueller (z.B. Ricardo Flores Magón und Zapatas Sekretär Manuel Palafox) bemerkbar.<br />
<br />
Die revolutionären Maßnahmen gingen inzwischen weit über eine reine Restauration der Landverhältnisse vor dem „Porfiriat“ hinaus. Für Enteignungen wurden keine Entschädigungen mehr geleistet und von den Gemeinden getragene Agrarkommissionen führten eine radikale Landverteilung durch. Die Gründung einer Landkreditbank sollte den Wiederaufbau einer kleinbäuerlichen Wirtschaft unterstützen. Darüber hinaus kam es zur Vergesellschaftung der Zuckerrohrmühlen.<br />
<br />
== Pancho Villa und die Revolution des Nordens ==<br />
Der Norden Mexikos wies im Vergleich zu Morelos eine besonders heterogene Sozialstruktur auf: Ein Teil der Landbevölkerung lebte als Peónes auf den Haziendas. Ihre Mobilisierung verlief äußerst unterschiedlich. Teils schlossen sie sich den entstehenden Bauernarmeen an, teils verharrten sie passiv im sozialen Mikrokosmos ihrer Hazienda.<br />
<br />
Eine andere Gruppe im Norden bildeten die Nachkommen von „Militärkolonisten“. Diese waren bereits in der Kolonialzeit als freie Kleinbauern unter der Auflage angesiedelt worden, gegen die Indianerstämme zu kämpfen. Diese freien Kleinbauern („Rancheros“) hatten im „Porfiriat“ ihr Land zunehmend an Großgrundbesitzer verloren. Darüber hinaus war im Norden durch Bergbau und Textilindustrie ein Proletariat entstanden.<br />
<br />
Die herausragende Figur im Norden war Francisco „Pancho“ Villa (1877-1923). Er war einer der wenigen Führerfiguren der Revolution des Nordens, der kein Vertreter der lokalen Elite war und der Schicht der Peónes entstammte. Villa organisierte nach der Ermordung Maderos die Revolutionstruppen des Nordens („División del Norte“) im Staat Chihuahua mit einer bäuerlichen Basis und war militärisch für eine lange Zeit sehr erfolgreich.<br />
<br />
Pancho Villa (Pseudonym für Doroteo Arango) war ein verwegener Guerillakämpfer, in dessen Mythos sich soziales Banditentum und Robin Hood-Legende vermischten. In seinen Aktionen ließ er militärische Genialität erkennen. Es mangelte ihm jedoch, verglichen mit dem Kampf Zapatas, an politischer Weitsicht und Konsequenz. Dies wird deutlich beim Vergleich der unterschiedlichen Durchführung und sozialen Folgen der Landreform, wie sie von der „División del Norte“ von Pancho Villa auf der einen und von der Zapata-Bewegung auf der anderen Seite in die Wege geleitet wurde:<br />
Die Zapata-Bewegung enteignete den Grund und Boden der Latifundien und Haziendas und verteilte ihn unverzüglich an die Landbevölkerung. In Morelos waren die „freien Dörfer“ noch so intakt, dass diese selbständigen und selbstbewussten Gemeinden die Landreform in die eigene Hände nehmen konnten.<br />
Diese Bedingungen für eine konsequente Bodenreform fand Villa in Nordmexiko nicht vor. Die Inhomogenität der Bevölkerung bot keinen guten Ansatzpunkt für gemeinschaftliche Bewirtschaftungsformen. Pancho Villa enteignete zwar die großen Landgüter, doch er verteilte sie nicht an die Bauern, sondern er „verstaatlichte“ sie und exportierte fast die gesamte Produktion in die USA, um Waffen und Munition zu kaufen. Jedoch beabsichtigte er für die Zukunft, den Ertrag dieses Landes „Witwen und Waisen“ zukommen zu lassen. Ohne es zu wollen, hatte er sich so eine Schicht von Militärs herangezüchtet, die in ihre eigenen Taschen wirtschafteten.<br />
<br />
Die Mobilisierung der übrigen revolutionären Formationen und der unterschiedlichen sozialen Gruppen vollzog sich unter der Führung von Großgrundbesitzern (Francisco Madero, Venustiano Carranza, Pascual Orozco) und städtischen Intellektuellen. Sie konnten professionelle Bauernarmeen organisieren, ohne dafür eine Agrarreform durchführen zu müssen, denn sie bezahlten die Soldaten nicht mit Land, sondern in bar (Geldgeber in den USA). Die Offiziere und Generäle dieser Armeen sollten später zur neuen Land besitzenden Bourgeoisie im postrevolutionären Mexiko werden.<br />
<br />
== Vierte Phase: Juli 1914 -Februar 1917: Bruderkampf der Revolutionäre ==<br />
Als am 15. Juli 1914 Huerta abdankte und das Land verließ, hatte die Revolution ihren zweiten großen Sieg über die Konterrevolution errungen. Der Zeitpunkt schien gekommen, die revolutionären Errungenschaften zu konsolidieren. Da es an einer von allen revolutionären Fraktionen akzeptierten und breit sozial verankerten politischen Ideologie mangelte, schien es für Viele auf eine neue, wenn auch „revolutionäre Diktatur“ hinauszulaufen. Wer würde von den drei großen Revolutionsführern die Macht im Staate an sich reißen: Zapata, Villa oder Carranza?<br />
<br />
Einen Monat nach dem Sturz Huertas wurde diese Frage zugunsten Carranzas entschieden.<br />
Venustiano Carranza war ein echter Machtpolitiker, der auf die Unterstützung großer Kreise im bürgerlichen Lager rechnen konnte.Mit ganz geringen Abweichungen vertrat er die bürgerlich-liberale und demokratische Ideologie seines Vorgängers Madero. In seinem politischen Programm waren vor allem die Interessen des neuen Großbürgertums vertreten. Zugeständnisse an die Reformvorstellungen der armen Landbevölkerung und des Proletariats der Städte erfolgten von ihm stets aus rein taktischen Überlegungen oder auf direkten Druck von unten.<br />
<br />
Bald war klar, dass die Kräfte um Carranza („Constitucionalistas“) die Revolution als beendet ansahen. Das fragile Bündnis fiel nun auseinander und ein Bürgerkrieg innerhalb des revolutionären Lagers begann:<br />
<br />
Als im August 1914 die konstitutionalistischen Truppen – insbesondere durch die Erfolge von Villas „División del Norte“ – bis vor die Hauptstadt gelangt waren, kam es zu einem ersten Zerwürfnis zwischen den drei Revolutionsführern. Die vordergründige Streitfrage war, welche der drei Truppenteile zuerst in die Stadt einziehen dürfe. Es gelang Carranza, sich durchzusetzen, indem er seinen Kontrahenten den Nachschub abschnitt und ein Bündnis mit dem ehemaligen Polizeichef Huertas einging und am 20. August schließlich auch die Exekutivgewalt ergriff. Daraufhin kündigte Pancho Villa Carranza die Gefolgschaft und veröffentlichte in Chihuahua ein Manifest, in dem er zur Fortsetzung des Kampfes aufrief.<br />
Die revolutionären Gruppen, die sich in der kurzen Pause nach dem Sturz Huertas demobilisiert hatten, bewaffneten sich erneut, um sich entweder den Truppen Vil-las und Zapatas oder Carranzas anzuschließen.<br />
Obwohl die Widersprüche und Differenzen im so genannten „konventionalistischen“ Lager zwischen Zapatisten und Villa-Anhängern nicht ausgetragen waren, sah sich Carranza am 24. November 1914 gezwungen, die Hauptstadt zu räumen.<br />
Am sechsten Dezember zogen dann die Revolutionstruppen Zapatas und Villas sowie die Konventsregierung unter der Führung des Präsidenten Eulalio Gutierrez in einer achtstündigen Prunkparade in die Hauptstadt ein.<br />
Aus der Perspektive der sozialen Bewegungen ist dies der eigentliche Höhepunkt der Mexikanischen Revolution. Damit eröffnete sich eine kurze Phase der Doppelherrschaft. Die Agrarrevolutionäre verfügten jedoch über kein gemeinsames systematisches Programm und auch über keine langfristige Strategie durch die es ihnen gelungen wäre, ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung zu organisieren. Das Gesetz des Handelns fiel an Carranza zurück. Von Veracruz aus, das er zur neuen Hauptstadt erklärt hatte, erließ Carranza aus taktischen Gründen eine Vielzahl von Reformen zur Agrarfrage und Linderung der sozialen Not des Städteproletariats. <br />
<br />
General Álvaro Obregón vollzog im Auftrage Carranzas nach 1914 eine Annäherung an die „Casa del Obrero Mundial“ und es kam zu einem Bündnis zwischen großen Teilen der städtischen Arbeiterschaft und den bürgerlich-liberalen Konstitutionalisten. In den „Roten Bataillonen“ bekämpften die Arbeiter sogar die Zapatisten und Pancho Villa. <br />
Im Januar 1915 ging Carranza mit seiner konstitutionalistischen Armee schließlich auch zur militärischen Offensive über. In den ersten sechs Monaten des Jahres kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen, bei denen die Hauptstadt heiß umkämpft und mehrmals abwechselnd von beiden Seiten eingenommen wurde.<br />
<br />
In den Monaten zwischen April und Juli 1915 gelang es der Armee Carranzas, Villas Truppen aus Zentralmexiko zurückzuschlagen und damit die Verbindung zur Zapata-Bewegung abzuschneiden. Von diesem Zeitpunkt an befand sich Pancho Villa in der Defensive und die Bewegung Zapatas beschränkte sich nur noch auf den Staat Morelos.<br />
<br />
Spätestens ab Juli 1915 hatte Carranza endgültig die militärische Oberhand zurückgewonnen. Seine Truppen besetzten mehrere wichtige Städte und am 26. August fiel auch Mexiko-Stadt in ihre Hände. Am 11. Oktober 1915, als ein Großteil des Landes unter seiner Kontrolle war, kehrten Carranza und sein Kabinett wieder nach Mexiko-Stadt zurück und erklärten es wieder zur Regierungshauptstadt.<br />
Am 19. desselben Monats erkannte die USA und in der Folge auch die Mehrheit der südamerikanischen Staaten, die Regierung Carranzas als rechtmäßig an. Darüber hinaus verhängten die USA, um der Revolution ein Ende zu bereiten, gegen Mexiko ein Waffenembargo, mit Ausnahme der Waffen, die für die Regierung Carranzas bestimmt waren.<br />
<br />
Unter diesen Umständen verschlechterte sich die militärische Lage Pancho Villas dramatisch. So in die Defensive gedrängt und in eine verzweifelte Lage gebracht, verübte er einen Überfall auf einen Zug im Bahnhof von Santa Isabel (Chihuahua), bei dem 15 nordamerikanische Reisende getötet wurden. Doch damit nicht genug; am neunten März überschritt er die Grenze zur USA und griff die Grenzstadt Columbus in New Mexiko an. Dabei wurden vierzehn US-Amerikaner getötet und zwei Häuserblocks gingen bei dem Angriff in Flammen auf.<br />
<br />
Wie nicht anders zu erwarten, riefen diese Aktionen Pancho Villas eine äußerst harte Reaktion der USA hervor. Im Verlauf der folgenden, über ein Jahr dauernden Strafaktion, kam es zu mehreren blutigen Zwischenfällen auf mexikanischem Territorium. Militärisch beschränkte sich die Strafaktion jedoch darauf, die Person Villa aufzuspüren. Sie wurde schließlich am fünften Februar 1917 eingestellt, da es nicht gelungen war, ihn aufzustöbern. <br />
<br />
Nachdem die Gefahr durch die Agrarbewegungen größtenteils militärisch gebannt war, vollzog Carranza eine Kehrtwendung, die sich gegen den Einfluss der städtischen Arbeiterbewegung richtete. Ihren Ansprüchen wurde nun mit offener Repression begegnet (1916 Verhängung der Todesstrafe für Streiks).<br />
Ende 1916 versammelte sich die „Konstituante von Querétaro“ – eine Versammlung der besitzenden Klassen. Die aus ihr hervorgehende Verfassung bedeutete eine Festlegung auf ein bürgerlich-kapitalistisches Mexiko. Allerdings hatte die Energie der Volksbewegung in der Mexikanischen Revolution und der soziale Druck während der Verfassungsdiskussion die bis dahin fortschrittlichste Verfassung der Welt entstehen lassen. Besonders drei Artikel spiegeln dies wider:<br />
<br />
* Artikel 3: Völlige Trennung von Staat und Kirche; staatliche Grundschulausbildung<br />
<br />
* Artikel 27: Nationalisierung der Bodenschätze; Verfassungsgrundlage für eine Agrarreform<br />
<br />
* Artikel 123: Umfangreiche Agrar- und Sozialgesetzgebung<br />
<br />
Am 10. April 1919 gelang es den Regierungstruppen, Emiliano Zapata durch Verrat in Chinameca in einen Hinterhalt zu locken und heimtückisch zu ermorden. Seine geschockten Anhänger ließen sich durch Versprechungen und Zugeständnis-se Carranzas hinsichtlich der Bodenreform dazu bewegen, fortan nur noch friedlich mit der nachrevolutionären Regierung zu kooperieren.<br />
<br />
Obwohl überall im Lande noch bewaffnete Splittergruppen von Pancho Villa und Anderen existierten und in der Bevölkerung eine von Hass und Unzufriedenheit geprägte Stimmung herrschte, ging die Revolution ihrem endgültigen Ende entgegen. Die sozial-revolutionären Ansätze, die sich in ihr manifestiert hatten, verkümmerten, und der Kampf konzentrierte sich von nun an nur noch auf Personen und politische Programme.<br />
<br />
Anfang 1920 wurden die Widersprüche im konstitutionalistischen Lager immer größer. Sowohl die ländlichen als auch die städtischen Massen fühlten sich um die Früchte der Revolution, die lang ersehnten sozialen Reformen, betrogen. <br />
<br />
Alvaro Obregón, der langjährige Vertraute Carranzas, sah seine Stunde gekommen und kündigte dem Präsidenten seine Gefolgschaft auf. Unter dem Oberkommando von Plutarco Elias Calles initiierte er einen Militärputsch, der sich rasch verbreitete und zur Besetzung der Bundesstaaten Sinaloa, Guerrero, Michocán, Zacatecas und Tabasco führte. Am siebten Mai 1920 sahen sich Carranza und sein Kabinett gezwungen, die Hauptstadt zu verlassen, die dann zwei Tage später von Obregón und seinen Truppen besetzt wurde.<br />
<br />
Am 21. Mai 1920 gelang es den Truppen Obregóns, Carranza und seine Begleiter in einen Hinterhalt zu locken und Carranza selbst zu ermorden. Schließlich wurde am fünften September Álvaro Obregón offiziell auf die Präsidentschaft für die Zeit von 1920 bis 1924 vereidigt.<br />
<br />
Der letzte Überlebende der drei großen Revolutionsführer, Pancho Villa, wurde am 20. Juli 1923 ermordet, obwohl er sich bereits drei Jahre zuvor aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte. <br />
<br />
== Fazit ==<br />
Zusammenfassend lassen sich für die Mexikanische Revolution folgende Charakteristika feststellen:<br />
<br />
* Die Volksbewegung und Massenmobilisierung bestimmten Rhythmus und Reichweite der Revolution.<br />
<br />
* Es gelang, dieses agrarrevolutionäre Moment abzufangen und zu kanalisieren.<br />
<br />
* Der Druck der Intervention von unten prägte die weitere Entwicklung des politischen Systems.<br />
<br />
* Die sozialrevolutionären Ansprüche der Volksbewegung blieben jedoch bis heute uneingelöst.<br />
<br />
Aus der Sicht der sozialen Bewegungen, welche die Auseinandersetzungen im Wesentlichen getragen hatten und ihre eigentlichen Ziele nicht erreichen konnten (die landlosen Bauern und das Industrieproletariat), kann mit dem mexikanischen Historiker Adolfo Gilly die Mexikanische Revolution als „unterbrochene Revolution“ bezeichnet werden. <br />
<br />
Ihre Anliegen konnten zwar in der noch heute gültigen Sozialgesetzgebung verankert werden. Trotz allen „Fortschritts“ sollten aber viele der die Mexikanische Revolution auslösenden Probleme und sozialen Konflikte bis heute ungelöst bleiben. <br />
<br />
== Literatur ==<br />
Baumgarten, Charlotte: Vorwort zu John Reed: Mexiko in Aufruhr. Dietz Verlag, Berlin (DDR) 1977<br />
<br />
Beck, Barbara; Kurnitzky, Horst: Zapata. Bilder aus der Mexikanischen Revolution. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin (West) 1975<br />
<br />
Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
Bock, Gisela; Lewis, Austin: Die Wobblies, Bd.1 / Bd. 2, Karlsruher Stadtzeitung, Karlsruhe, o. J.<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
Gilly, Adolfo: La Revolución interrumpida. Guía de estudio de la historia universal II, CCH Naucalpan, UNAM, Mexico D.F. 1991<br />
<br />
Hart, John Mason: Revolutionary Mexico. The Coming and Process of the Mexican Revolution. University of California Press , Berkeley and Los Angeles 1989<br />
<br />
Reed, John: Eine Revolutionsballade. Mexico 1914. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2005<br />
<br />
Ross, John: Mexiko. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. Das politische Reisebuch. Unrast-Verlag, Münster 2004<br />
<br />
==DadA-Links==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
----<br />
Dieser Artikel ist - leicht verändert - folgendem Buch entnommen: Rolf Raasch: [[Portal DadA-Buchempfehlung|B. Traven und Mexiko]]. Ein Anarchist im Land des Frühlings - Eine politisch-literarische Reise. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Ricardo_Flores_Mag%C3%B3n&diff=17723Ricardo Flores Magón2021-02-03T11:35:48Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
<br />
Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Flores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie [[Bakunin|Michael Bakunin]] und [[Proudhon, Pierre-Joseph|Pierre Joseph Proudhon]]. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie [[Reclus, Élisée|Élisée Reclus]], [[Malatesta, Errico|Errico Malatesta]], [[Goldman, Emma|Emma Goldman]] und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Pjotr A. Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas). Die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
<br />
<br />
'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
<br />
"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt "Regeneración" und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. Wuppertal 2004; Bd. 2, S. 323<br />
<br />
<br />
'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
<br />
<br />
'''Das Erbe Magóns'''<br />
<br />
Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
<br />
Autor: Rolf Raasch<br />
<br />
Endredaktion am: 03.02.2021<br />
<br />
== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
<br />
*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. 2 Bde., Wuppertal 2004<br />
<br />
== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=17662Traven, B.2021-01-26T17:46:05Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geb. 23. Februar 1882 in Schwiebus; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt) ist das Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs, individualanarchistischen Journalisten und Schriftstellers [[Ret Marut]], unter dem er ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indigenenmilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg; heute: Świebodzin/Polen) geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftssekretär tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualistischer Anarchismus|individualanarchistische]] und [[Pazifismus|pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Mühsam, Erich|Erich Mühsam]] und [[Landauer, Gustav|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er eine Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt). Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Leser*innen die Zerstörung der indigenen Welt durch die Kolonisation nahe. Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen*innen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalist*innen belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter*innen ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.<br />
Der Travenbiograf Jan-Christof Hausschild hat im Jahr 2012 in seinem Buch "B. Traven - Die unbekannten Jahre" die Identität Marut/Travens mit Herrmann Albert Otto Max Feige (vorerst?) abschließend nachgewiesen.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Christoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Christoph: Das Phantom. Die fünf Leben des B. Traven. Edition TIAMAT, Berlin 2018<br />
<br />
*Helmes, Günter: B. Traven. Frühe Romane und mediale Adaptionen. Carl Böschen Verlag, Siegen 2003<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
<br />
Redaktionsschluss für den Artikel: Januar 2021<br />
<br />
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<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
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{{Copyright}}<br />
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'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Portal_Personen&diff=14182Portal Personen2016-08-31T08:44:53Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>[[DadAWeb:Portal]] | [[Lexikon der Anarchie]] <br />
----<br />
* [[Améry, Jean]] von [[Benutzer:Siegbert_W|Siegbert Wolf]] {{fertig}}<br />
* [[Bakunin, Michael Aleksandrovič|Bakunin, Michail]] von [[Wolfgang Eckhardt|Wolfgang Eckhardt]]{{fertig}}<br />
* [[Baumann, Michail "Bommi"]] von [[Rolf Raasch]]{{InArbeit}}<br />
* [[Berkman, Alexander]] von [[Benutzer:Joerg_A|Jörg Auberg]] {{fertig}}<br />
* [[Bovshover, Josef]] von [[Benutzer:Marcel_G|Marcel Gruber]] {{fertig}}<br />
* [[Brupbacher, Fritz]] von Manfred Burazerovic {{fertig}}<br />
* [[Buber, Martin]] von [[Benutzer:Siegbert_W|Siegbert Wolf]] {{fertig}}<br />
* [[Camus, Albert]] von [[Benutzer:Wolfram_B|Wolfram Beyer]] und [[Benutzer:Normann_S|Normann Stock]] {{fertig}}<br />
* [[Cleyre, Voltairine de]] von [[Benutzer: Stefan_B|Stefan Blankertz]] {{fertig}}<br />
* [[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade, Donatien Alphonse François]] von [[Benutzer:Maurice_S|Maurice Schuhmann]] {{fertig}}<br />
* [[Godwin, William]] von [[Benutzer:Markus_H|Markus Henning]] {{fertig}}<br />
* [[Graf, Oskar Maria | Oskar Maria Graf]] von Gerhard Bauer {{InArbeit}}<br />
* [[Otto Gross|Gross, Otto]] von Hubert van den Berg {{fertig}} und von [[Benutzer:Gottfried_H|Gottfried Heuer]] {{zugesagt}}<br />
* [[Einstein, Carl]] von Marianne Kröger {{fertig}} <br />
* [[Johannes Holzmann|Holzmann, Johannes (Senna Hoy)]] von Walter Fähnders {{fertig}}<br />
* [[Ibánez, Félix Martí | Ibánez, Marti Félix ]] von Richard Cleminson {{fertig}}<br />
* [[Jung, Franz|Jung, Franz]] von [[Benutzer:Walter_F|Walter Fähnders]] {{fertig}}<br />
* [[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch|Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch]] von [[Benutzer:Heinz_H|Heinz Hug]] {{fertig}}<br />
* [[Gustav Landauer|Landauer, Gustav]] von [[Benutzer:Siegbert_W|Siegbert Wolf]] {{fertig}} ('''Muster-Artikel''') <br />
* [[Lazare, Bernard | Lazare, Bernard ]] von Chaim Seeligmann {{fertig}}<br />
* [[Lehning, Arthur | Lehning, Arthur]] von Johannes Hilmer {{InArbeit}}<br />
* [[Dwight Macdonald |Macdonald, Dwight]] von Jörg Auberg {{fertig}}<br />
* [[John Henry Mackay|Mackay, John Henry]] von Uwe Timm {{fertig}}<br />
* [[Wilhelm Marr|Marr, Wilhelm]] von Jochen Schmück {{InArbeit}}<br />
* [[Dora Marsden|Marsden, Dora]] von [[Benutzer:Bernd.A_L|Bernd A. Laska]] {{fertig}}<br />
* [[Ricardo Flores Magón|Magón, Ricardo Flores]] von [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]] {{InArbeit}}<br />
* [[Michel, Louise|Michel, Louise]] von Hans Ulrich Grunder {{fertig}}<br />
* [[Mühsam, Erich]] von [[Benutzer:Heinz_H|Heinz Hug]] {{fertig}}<br />
* [[Nettlau, Max | Max Nettlau]] von Manfred Buracerovic {{InArbeit}}<br />
* [[Franz Oppenheimer|Oppenheimer, Franz]] von Gerhard Senft {{zugesagt}}<br />
* [[Pierre-Joseph Proudhon|Proudhon, Pierre-Joseph]] von Lutz Roemheld {{fertig}}<br />
* [[Wilhelm Reich|Reich, Wilhelm]] von [[Benutzer:Bernd.A_L|Bernd A. Laska]] {{fertig}}<br />
* [[Reimers, Otto | Reimers, Otto]] von Manfred Buracerovic {{InArbeit}}<br />
* [[Rocker, Rudolf|Rocker, Rudolf]] von [[Benutzer:Hartmut_R|Hartmut Rübner]] {{fertig}}<br />
* [[Max Stirner|Stirner, Max]] von [[Benutzer:Bernd.A_L|Bernd A. Laska]] {{fertig}}<br />
* [[Artur Streiter|Streiter, Artur]] von Henning Zimpel und Walter Fähnders {{fertig}}<br />
* [[B._Traven|Traven, B.]] von [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]] {{fertig}}<br />
* [[Winstanley, Gerrard]] von [[Benutzer:Gernot_L|Gernot Lennert]] {{InArbeit}}<br />
* [[Witkop%2C_Milly|Witkop, Milly]] von [[Benutzer:Siegbert_W|Siegbert Wolf]] {{InArbeit}}<br />
* [[Weil, Simone]] von Hans Jürgen Degen {{fertig}}<br />
* [[Wolfgang Zucht|Zucht, Wolfgang]] {{InArbeit}}<br />
<br />
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[[DadAWeb:Portal]] | [[Lexikon der Anarchie]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Michael_(%22Bommi%22)_Baumann_-_Gedenkseite&diff=14180Michael ("Bommi") Baumann - Gedenkseite2016-08-24T09:29:53Z<p>Rolf R: Die Seite wurde neu angelegt: „'''Michael („Bommi“) Baumann (25.08.1947-19.07.2016)''' Es ist so erschreckend wie banal, dass zum Leben am Ende der Tod gehört, aber immer geht der Tod…“</p>
<hr />
<div>'''Michael („Bommi“) Baumann (25.08.1947-19.07.2016)'''<br />
<br />
Es ist so erschreckend wie banal, dass zum Leben am Ende der Tod gehört, aber immer geht der Tod eines Menschen einem besonders nah, je mehr der eigene Blickwinkel mit dem Werdegang einer herausragenden Persönlichkeit verknüpft ist. Mit Michael („Bommi“) Baumann ist ein Veteran der antiautoritären Jugendrevolte gestorben, die einen konstituierenden Teil der späteren grün-linksliberalen Identität dieses Landes ausmacht. Bommi Baumann wurde oft schlicht als das proletarische Aushängeschild einer anfangs eher akademisch geprägten Jugendbewegung („Studentenrevolte“) bezeichnet. <br />
<br />
Aber seine Fähigkeiten und Möglichkeiten gingen weit darüber hinaus: Denn er war viel mehr als nur proletarischer Protagonist der Westberliner antiautoritären Jugendbewegung und soziokulturelle Ergänzung zur studentisch-akademischen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Darüber hinaus wirkte er im Aufkommen des Neo-Anarchismus Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als Aktivist und Mitbegründer des "Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen", der "Tupamaros Westberlin" und der "Bewegung 2. Juni". Letztere gilt als antiautoritäres Gegenkonzept zur selbst ernannten und hierarchisch strukturierten "Rote Armee Fraktion" (RAF): Möglichst ohne Hierarchien, überschaubare Gruppen, deren Mitglieder sich kennen, Verwurzelung in der eigenen Subkultur und Stadt, ohne „professionelles Spezialistentum“ – jeder sollte alles machen können - dass sollten die Merkmale einer selbstbestimmten Integration von Individuum und politischer Aktion sein. Orientiert an der anarchistisch inspirierten "Propaganda der Tat", in der durch beispielhafte Aktionen die Bevölkerung motiviert werden sollte, an gesellschaftlichen Veränderungen mitzuwirken.<br />
<br />
Es versteht sich von selbst, dass sich so eine schillernde Persönlichkeit auch als ein Fokus mannigfacher Widersprüche darstellte, die, bei Bedarf isoliert herausgegriffen, auch gegen ihn verwendet werden konnten.<br />
Bekanntestes Beispiel ist eine Veröffentlichung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Januar 1998 aus Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Darin ging es um einen umfangreichen Bericht Bommis aus dem Jahr 1973, den er über insgesamt 94 Personen des bewaffneten Kampfs in der BRD abgeliefert hatte. Hintergrund war, dass Baumann auf der Transitstrecke durch die DDR nach Westberlin verhaftet wurde. Er rechtfertigte seine Mitarbeit mit der Furcht vor der Abschiebung in den Westen. <br />
<br />
Was wäre ihm auch anderes Übrig geblieben? Die „Informationen“, die er lieferte, gestaltete er wahrscheinlich so unverfänglich wie möglich. Viele ehemalige Mitstreiter des "2. Juni" wandten sich darauf hin von ihm ab. Andere alte Freunde von den "Haschrebellen" hielten weiterhin zu ihm, bis hin zu seiner Beerdigung in Berlin-Friedrichshain am 19. August 2016.<br />
<br />
Rolf Raasch</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Portal_DadA-Memorial&diff=14179Portal DadA-Memorial2016-08-24T08:56:12Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>[[Bild:Flickr.com photos 65817306@N00 72164474.jpg|thumb|right|500px|Foto: Flickr, Lizenz: CC BY 2.0, [http://www.flickr.com/photos/65817306@N00/72164474/sizes/l/in/photostream/ Jens-Olaf]]]<br />
<div align="right">'''<BIG>Tot ist nur, wer vergessen wird.<br>Immanuel Kant</BIG>'''</div><br />
<br><br />
Das '''DadA-Memorial''' ist eine Internet-Gedenkstätte für unsere verstorbenen Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen. Wer Fotos und Erinnerungen an sie hat und diese mit uns teilen möchte, kann sie hier auf den Gedenkseiten veröffentlichen. <br />
<br />
==Gedenkseiten==<br />
* '''[[Michael ("Bommi")_Baumann_-_Gedenkseite|Michael Baumann]]''' (gestorben am 19. Juli 2016)<br />
<br />
* '''[[Wolfgang_Zucht_-_Gedenkseite|Wolfgang Zucht]]''' (gestorben am 17. September 2015)<br />
<br />
* '''[[Barbara_Uebel_-_Gedenkseite|Barbara_Uebel]]''' (gestorben am 9. August 2015)<br />
<br />
* '''[[Christian_Sigrist - Gedenkseite|Christian Sigrist]]''' (gestorben am 14. Februar 2015)<br />
<br />
* '''[[Bernd_Kramer - Gedenkseite|Bernd Kramer]]''' (gestorben am 5. September 2014)<br />
<br />
* '''[[Karin_Kramer - Gedenkseite|Karin Kramer]]''' (gestorben am 20. März 2014)<br />
<br />
* '''[[Uwe Timm_-_Gedenkseite|Uwe Timm]]''' (gestorben am 7. März 2014)<br />
<br />
* '''[[Andreas_G._Graf_-_Gedenkseite|Andreas G. Graf]]''' (gestorben am 5. Juli 2013)<br />
<br />
* '''[[Lutz_Schulenburg_-_Gedenkseite|Lutz Schulenburg]]''' (gestorben am 1. Mai 2013)<br />
<br />
* '''[[Dieter_Schrage_-_Gedenkseite|Dieter Schrage]]''' (gestorben am 29. Juni 2011)<br />
<br />
* '''[[Harry_Hoffmann_-_Gedenkseite|Harry Hoffmann]]''' (gestorben am 21. April 2011)<br />
<br />
* '''[[Peter_Paul_Zahl_-_Gedenkseite|Peter Paul Zahl]]''' (gestorben am 24. Januar 2011)<br />
<br />
* '''[[Wolf_Dieter_Brünn_-_Gedenkseite|Wolf Dieter Brünn]]''' (gestorben am November 2010)<br />
<br />
* '''[[Günter_Freitag_Gedenkseite|Günter Freitag]]''' (gestorben am 8. Februar 2010)<br />
<br />
* '''[[Fritz_Teufel_-_Gedenkseite|Fritz Teufel]]''' (gestorben am 6. Juli 2010)<br />
<br />
* '''[[Dieter_Keiner_-_Gedenkseite|Dieter Keiner]]''' (gestorben am 28. Dezember 2009)<br />
<br />
* '''[[Horst_Stowasser_-_Gedenkseite|Horst Stowasser]]''' (gestorben am 30. August 2009)<br />
<br />
* '''[[Max-Otto Lorenzen]]''' (gestorben am 24. August 2008)<br />
<br />
* '''[[Ilse Schwipper - Gedenkseite|Ilse Schwipper]]''' (gestorben am 27. September 2007)<br />
<br />
* '''[[Arno Giegerich]]''' (gestorben am 21. März 2006)<br />
<br />
* '''[[Adi Rasworschegg]]''' (gestorben am 25. Juli 2003)<br />
<br />
* '''[[Wilfried_Kunz_-_Gedenkseite|Wilfried Kunz]]''' (gestorben am 14. März 2001)<br />
<br />
* '''[[Fritz Scherer]]''' (gestorben 1988)</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Bernd_Kramer_-_Gedenkseite&diff=13472Bernd Kramer - Gedenkseite2014-09-14T11:48:45Z<p>Rolf R: /* Der Tod von Bernd Kramer: Auch eine Erinnerung an die Zukunft. Von Rolf Raasch */</p>
<hr />
<div>[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]<br />
<!--<br />
Kurznachricht <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #EFEFEF; font-size:100%"><br />
<BIG><BIG>DIE BEERDIGUNG VON BERND KRAMER</BIG></BIG><br />
<br />
<BIG>findet statt am Freitag, den 19. September 2014, in Neukölln auf dem Neuen St. Thomas Friedhof/Luise Kirchhof, [http://goo.gl/maps/5mRtG Hermannstr. 186, 12049 Berlin] um 11.00 Uhr.</BIG><br />
</div><!-- Ende Kurznachricht --><br />
<br><br />
[[Datei:Bernd_Kramer_1997_2.jpg|thumb|right|400px|Bernd Kramer 1997]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Bernd Kramer ist tot</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
Am 5. September 2014 ist in Berlin der anarchistische Verleger Bernd Kramer im Alter von 74 Jahren gestorben. <br />
<br />
Bernd Kramer, am 22. Januar 1940 in Remscheid geboren, war acht Jahre Schriftsetzer und Buchdrucker, bevor er in Berlin 1967 Mitherausgeber der ersten anarchistischen Underground-Zeitung [http://ur.dadaweb.de/dada-p/P0000652.shtml linkeck] wurde. Zusammen mit seiner (im März 2014 verstorbenen) Frau [[Karin_Kramer_-_Gedenkseite|Karin]] hatte Bernd Kramer seit Anfang der 1970er Jahre den [http://www.karin-kramer-verlag.de/ Karin Kramer Verlag] in Berlin-Neukölln betrieben, der für viele seiner Leserinnen und Leser zum Synonym für anarchistische Literatur werden sollte. <br />
<br />
Über vier Jahrzehnte haben Bernd und Karin mit ihren Buchveröffentlichungen maßgeblich dazu beigetragen, dass auch im deutschen Sprachraum neu und vermehrt über Anarchie und Anarchismus nachgedacht und diskutiert wurde. <br />
<br />
Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des [[Lexikon_der_Anarchie|Lexikons der Anarchie]] trauern um einen lieben Freund und kämpferischen Weggefährten. <br />
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Bernd, wir vermissen Dich! <br />
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<br><br />
Wer seine Erinnerungen an Bernd Kramer mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Bernd Kramer - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die '''Bernd-Kramer-Gedenkseite'''.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der [[Diskussion:Bernd Kramer - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: [mailto:redaktion@dadaweb.de redaktion@dadaweb.de]. <br />
<br />
Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
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=Reaktionen, Nachrufe und Erinnerungen=<br />
__TOC__<br />
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==Der junge Kramer. Von Hansjörg Viesel==<br />
<div align="right"><sub>Sagen Sie Ihm, daß er für die Träume seiner Jugend<br>soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird...<br>(Schiller, Don Carlos)</sub></div><br />
<br />
Die meisten kennen Bernd als Produzent der Zwarte Boeken, wie sie Maria Hunink vom IISG Amsterdam, dem Mekka der Anarchisten, liebevoll genannt hat. <br />
[[Datei:Gustav_Kramer_1911-1972.jpg|thumb|left|300px|Der Vater von Bernd Kramer, der Maler und Bildhauer [http://www.karin-kramer-verlag.de/lp/297-0-lp.html Gustav Kramer (1911-1972)] in seinem Atelier.]]<br />
<br />
Einige Anmerkungen zum Leben davor.<br />
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Bernd stammt aus einem proletarischen Milieu. Sein Großvater war Arbeiter, ging schon 1933 in die SA, 1934 zur NSDAP. Sein Vater Gustav (1911-1972) war ein arbeitsloser Dreher, Mitglied der KPD, 1934 verhaftet, überlebte die KZ Kemna und Börgermoor bis Anfang 1936. Er arbeitete als Bildhauer und Maler mit Ausstellungsverbot. Bernd, Jahrgang 1940, lernte und arbeitete als Schriftsetzer. Im Atelier seines Vaters baute er im Keller eine alte Druckmaschine auf und gab mit Freunden, darunter Rainer Langhans und dessen Schwester "[http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/SET=1/TTL=1/SHW?FRST=1 das experiment. unabhängige zeitschrift für die jugend]" heraus. Von 1961 bis 1962 erschienen drei Hefte im Handsatz - avantgardistisches Layout, Linolschnitte, Gedichte und Aufsätze; Tendenz antifaschistisch, antimilitaristisch, gegen den Mief der Nachkriegszeit, schon Texte zu Südafrika und Algerien. <br />
<br />
Dann Berlin. In einem Fotoband von Michael Ruetz gibt es ein Foto, wo man einen schlanken, wütenden, brüllenden Bernd in einer Gruppe von Demonstranten sieht. 1967. Er war angekommen in der berliner antiautoritären Bewegung. Im selben Jahr Linkeck-Kommune mit Karin, Bernhard Fleischer (Butcher), Hartmut Sander u.a. Dazu dann die Underground-Zeitung Linkeck. Die ersten Bücher erscheinen, als Verlag firmieren sie unter "Sozial-Revolutionäre Schriften, Underground Press L ". Texte zur antiautoritären Erziehung, Psychoanalyse, Faschismus, Anarchie. Im Verlagsalmanach 1978-1980 sind die ersten 124 Titel aufgeführt (alle nicht schwarz!), auch unter dem Verlagsnamen "Infodruck Köln" oder " Editions clandestines Toulouse-Berlin". Der erste Titel war ein Mäppchen mit 4 Postkarten: Enteignet Springer! - Wie es weitergehen kann und soll wird sich zeigen. Ein erstes kollektives Projekt sollte die Fortsetzung der Bibliographie von 1979-2014 sein, damit konkret gezeigt werden kann, was der Karin Kramer Verlag in den 47 Jahren für die libertäre Bewegung geleistet hat. <br />
<br />
Hansjörg Viesel<br><br />
Berlin, im September 2014<br />
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==Die Bücher des Karin Kramer Verlages werden weiterleben. Von Rengha Rodewill==<br />
[[Datei:Cover_Einblicke_2012.jpg|thumb|right|300px|Das 2012 im Karin Kramer Verlag erschienene Buch "EINBLICKE.<br />
Künstlerische – Literarische – Politische" mit Fotografien von Rengha Rodewill.]]<br />
Mit sehr großem Bedauern erfuhr ich, dass mein Verleger Bernd Kramer am 5. September 2014 in Berlin verstorben ist. <br />
Mein Buch EINBLICKE erschien 2012 im Karin Kramer Verlag über die bedeutende Berliner Bildhauerin Ingeborg Hunzinger, mit den außergewöhnlichen Liebesbriefen Rosa Luxemburgs an ihre Geliebten Leo Jogiches und Kostja Zetkin. <br />
<br />
Bernd Kramer, der Mann mit den stahlblauen Augen wie die von Hans Albers, wird mir immer in liebenswerter Erinnerung bleiben, auch seiner Bitte folgend, aus Italien seine geliebten "Toscano Garibaldi" mitzubringen, wie gerne habe ich das für ihn getan und sehe ihn jetzt genüsslich den Qualm in die Luft pusten. <br />
<br />
Der ehrwürdige Karin Kramer Verlag verliert mit Karin Kramer, die im März 2014 auch mit 74 Jahren verstarb und Bernd Kramer seine Seele. Zu hoffen ist, dass so ein alter Verlag, der über 40 Jahre nicht nur in Deutschland sehr bekannt und bedeutend war weiterleben wird, dass nicht mit dem Tod von Karin und Bernd Kramer die Verlagstür für immer geschlossen wird. <br />
<br />
Die unzähligen Bücher des Karin Kramer Verlages werden weiterleben in Bibliotheken und in ganz vielen Bücherregalen von Menschen. EINBLICKE ist im Getty Research Institute in Los Angeles zu finden, außerdem auch im The Library of Congress in Washington DC. <br />
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Rengha Rodewill,<br><br />
Berlin, 12. September 2014<br><br />
[https://www.facebook.com/pages/Rengha-Rodewill-ART-Page-officielle/140202626002055?hc_location=timeline Rengha Rodewill - ART - Page officielle]<br />
<br />
<br><br />
== Der Tod von Bernd Kramer: Auch eine Erinnerung an die Zukunft. Von Rolf Raasch ==<br />
Vor kurzem erst [[Karin_Kramer_-_Gedenkseite|Karin]] und nun auch Bernd: Der Tod der Anderen scheint in der eigenen Wahrnehmung eine Beschleunigung der Lebenszeit hervorzurufen. Auch kommen verschüttete Erinnerungen plötzlich hoch, die ganz weit weg zu sein schienen: Alles wirkt nun so, als sei es erst gestern gewesen. <br />
<br />
Eine Zeit lebt wieder in einem auf, in der man jung und voller Hoffnung auf das war, was die Zukunft noch bringen sollte: Die Zeit des Neo-Anarchismus, eine Zeit des Aufbruchs, in der alles Wünschbare möglich schien. Bernd Kramer gilt für mich als ein Urgestein dieser Epoche. <br />
<br />
[[bild:AAB-Berlin_Mitglieder.jpg|thumb|left|400px|Freunde des Karin-Kramer-Verlages, Mitglieder des Anarchistischen Arbeiter-Bundes (AAB), in Berlin-Neukölln auf der 1.-Mai-Demo 1971.]]<br />
Ich kannte ihn über 40 Jahre. Für mich und für uns damalige Westberliner Junganarchos war er Anfang der 1970er Jahre die prägende libertäre Persönlichkeit - neben - vielleicht noch - Horst Stowasser. <br />
Innerhalb dieses Zeitraums gab es unterschiedlichste Intensitäten des Kontaktes zu Bernd. Angefangen mit den frühen 1970er Jahren, für mich die Zeit des Anarchistischen Arbeiterbundes (AAB), bzw. als Leser der Zeitschrift Linkeck, über die Zeiten des Austausches mit den Kramers während der Gründungszeit des Libertad-Verlages und den Gegenbuchmessen (später der Linken Buchtage).<br />
<br />
Als ich das letzte mal intensiver mit Bernd gesprochen hatte, auf einer Veranstaltung zur Veröffentlichung einer CD mit Liedern über B. Traven in der Kreuzberger Kneipe Enzian (wohl 10 Jahre her), wirkte er warmherzig, als wenn man sich erst gestern das letzte mal gesehen hätte. Auch nachdenklich – was seinen eigenen Lebenswandel anbelangte, denn er hatte damals gerade eine schwere Krankheit überwunden. <br />
<br />
Bernd Kramer: Der Name war und ist Programm und eng verknüpft mit dem wichtigsten deutschsprachigen Anarchismus-Verlag der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre bildete der Verlag das gesamte und vielseitige gedankliche Spektrum des deutschsprachigen Neo-Anarchismus ab. Die ideelle Spannweite und intellektuelle Qualität des Karin-Kramer-Verlages und des Neo-Anarchismus war aus heutiger Sicht enorm und wurde meiner Meinung nach später auch nie wieder erreicht. Ein Blick auf die Namensliste der Autoren in der vom Kramer-Verlag in den 1970er Jahren herausgegebenen Zeitschrift „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die Offenheit und Toleranz damaligen libertären Denkspektrums wider: Neben Texten anarchistischer Klassiker Autoren, die weit über das anarchistische und libertäre Spektrum hinauswirkten oder in es hineinwirkten: Paul Feyerabend, Hans Peter Duerr, Colin Ward, Pierre Clastres, Murray Bookchin, Daniel Guérin, Noam Chomsky, Paul Goodman, Augustin Souchy, Harry Pross usw. usf.<br />
Ohne Karin hätte es den Karin-Kramer-Verlag nicht nur dem Namen nach so nicht gegeben. Nach 45 Jahren Verlagsgeschichte und Bernds Tod scheint die Vorstellung seines Weitebestehens schwierig zu sein. Und irgendwie scheint auch die Zeit damit eine andere geworden zu sein.<br />
<br />
Denn der Verlag ist und war ja auch ein Teil der politischen Zeitgeschichte, denn die Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin/W. setze ab 1968 gerade auch im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />
Vor dem Hintergrund der damaligen Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium auch beim Karin-Kramer-Verlag seinerzeit die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung diente beispielsweise die Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans: Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution (damals noch unter dem Verlagsnamen Underground Press L).<br />
<br />
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/Bakunin in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und Kropotkins wurde am Anfang der 1970iger Jahre auch mit der Gründung anderer anarchistischer Verlage intensiviert.<br />
<br />
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand seinerzeit auch ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die „Untergrundzeitung“. Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus, waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums und eben auch der Zeitschrift „Linkeck“. Ab 1967 erschienen in Westberlin die ersten Nummern des von Bernd und Karin herausgegebenen „ersten antiautoritären“ Blattes, das - heute sensationell anmutende - Auflagehöhen zwischen 4000 und 8500 Exemplaren erreichte.<br />
<br />
Hunderte von Titeln sollten beim Karin-Kramer-Verlag bis jetzt und bis zum Schluss noch erscheinen. Viele Titel (und Äußerungen Bernds) kontrovers und quer zur gängigen linksradikalen politischen correctness – also im besten Sinne des Wortes „anarchistisch“. Auch deshalb fehlt er dringend.<br />
<br />
Ich stelle mir vor, dass Bernd, der sehr krank war, nach dem Tod seiner Gefährtin Karin keine Lebenslust mehr hatte und wohl auch nicht mehr genug Abwehrkraft. <br />
<br />
Angesichts dessen kann sein Tod für ihn nur eine Erlösung gewesen sein. Für die noch lebenden aber ein Verlust.<br />
<br />
Rolf Raasch,<br><br />
Berlin, 11. September 2014<br />
<br />
<br><br />
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==Schwarze Bücher. Von Wolfgang Haug==<br />
<br />
Bernd und Karin Kramer haben mehr für die Renaissance des Anarchismus in Deutschland getan als Vielen bewusst ist, und sie übertrafen Viele, die dasselbe Interesse verfolgten. Ihre schwarzen Bücher gelangten in die entferntesten Ecken der ehemaligen Bundesrepublik und sicherlich auch in die Schweiz und nach Österreich und erreichten die Provinz genau zu dem Zeitpunkt als den frühen 70ern, die gerade 68 verpasst hatten, die entstandenen K-Gruppen suspekt vorkamen. Gegen deren Reglementierungen, deren sektenhaftes Auftreten, deren politische Rechthabereien und finanzielle Ausbeutung der Mitglieder gab es plötzlich diese Titel aus dem Kramer-Verlag, die damals zumeist noch unbekannte Namen in die Diskussion und wieder ins kollektive Gedächtnis zurück brachten: Erich Mühsams "Befreiung der Gesellschaft vom Staat", Errico Malatesta, Arschinoff, Kropotkin oder Gustav Landauers "Revolution" inspirierten zahllose durchdiskutierte Nächte und gewannen die Sympathie all derer, denen Freiheit wichtig war, auch und gerade die Freiheit von politischen Dogmen. Der Anarchismus bot den Raum zum Selbstdenken, Selbstentscheiden und Selbstorganisieren und brachte ganz nebenbei etwas zurück, was verfemt und verbrannt worden war. Und nachdem dieser Anarchismus gerade eben verstanden und verdaut worden war, kamen schon die nächsten schwarzen Bände, dieses Mal zur spanischen Revolution u.a. mit Augustin Souchy und man stand vor der neuen Herausforderung, nun den Anarchosyndikalismus verstehen zu wollen. Natürlich war die Hilfe vom "Verband linker Buchhändler" wichtig, ohne die es die Kramer Bücher von Berlin kaum bis in die verschiedensten Kleinstädte geschafft hätten, aber von diesen schwarzen Büchern selbst ging bereits eine Faszination aus, man/frau war gespannt auf das nächste....<br />
<br />
[[Datei:Karin-Kramer-Verlag_Verlangsalmanach_1980.jpg|thumb|right|300px|Der 1980 vom Karin-Kramer-Verlag zum (offiziell) zehnjährigem Bestehen des Verlages herausgegebene Verlagsalmanach.]]<br />
Ich habe Bernd und Karin erst Jahre später, im Jahr 1979 auf der Gegenbuchmesse und Buchmesse in Frankfurt persönlich kennengelernt, und von da an Jahr für Jahr wieder dort zu Gesprächen getroffen. Jedes Jahr konnte ich nun ihre neusten Bücher gegen unsere Trotzdem-Verlagsbücher eintauschen und kam beglückt nach Reutlingen zurück, auch wenn die Büchereinbände zumeist nicht mehr schwarz waren, was ich innerlich immer etwas bedauerte. Die Kramer-Bücher wurden ein wesentlicher Teil unseres anarchistischen Büchertischs für Tübingen/Reutlingen und Umgebung und später natürlich auch für den Anares Vertrieb, der möglichst viele verschiedene anarchistische Titel unters Volk bringen wollte. Um so entsetzter war ich, als der Buchvertrieb der Kramers eines Tages meinte, wir dürften keine Kramerbücher mehr verkaufen, weil es in Reutlingen ja einen linken Jacob-Fetzer-Buchladen gäbe. Nun Verbote passten natürlich gar nicht zu einem anarchistischen Selbstverständnis und die wichtigsten anarchistischen Bücher nicht mehr verkaufen zu dürfen, ein Unding, das sofort böse Briefe an den Buchvertrieb auslöste und mit den Kramers direkt geklärt werden musste und natürlich dazu führte, dass wir weiter Bücher anbieten konnten.<br />
<br />
Nun bleibt mir das Bild vom Pfeife rauchenden Bernd, der interessiert zuhören konnte und durch sein markantes Profil quasi als Prototyp eines Bakunisten durchgehen konnte. Mir bleibt auch, dass er kein Kostverächter war..., deshalb salud, cheers, prost! Bernd, bleib so lebendig in unserer Erinnerung!<br />
<br />
Wolfgang Haug,<br><br />
Grafenau, 10. September 2014<br />
<br />
<br><br />
==Persönlicher Nachruf auf einen Verleger. Von Albrecht Götz von Olenhusen==<br />
<br />
Der Tod von Bernd Kramer löst bei mir und seinen Freunden und Weggefährten große Trauer aus. Bernd gehörte in meiner Wahrnehmung zu den aufrechten unbeugsamen Vertretern einer verlegerischen Haltung und Praxis, die von mir seit Beginn des Verlages und seiner diversen Vorläufer und Ableger sehr geschätzt und hoch geachtet worden ist. Schon die heute rar gewordene Bibliografie seines frühen offiziellen, offiziösen und untergründigen Verlagsprogramms zeugte immer von einem direkten Bezug zu Autoren, Lesern und der politischen Richtung, der er sich zeitlebens verpflichtet gefühlt hat. Viele der in seinem Verlag veröffentlichten Werke haben die Zeitläufte gut überdauert, waren keine Eintagsprodukte und vielmehr wichtige Neuerscheinungen und Nachdrucke, die für die Diskussion und Rezeption unentbehrlich waren und blieben. Auch als Zeugnisse einer unorthodoxen Einstellung, die keiner ephemeren Moderichtung nachlief oder anhing <br />
<br />
Schon [http://d-nb.info/540093769 1973] und auch in der Folgezeit wurde seine Verlagsproduktion fürs "Handbuch der Raubdrucke" von wesentlicher Bedeutung und das wird auch in den späteren Auflagen von [http://d-nb.info/970643063 2002] und 2005 sichtbar, aber erst recht in der erweiterten Auflage, die 2015 erscheinen soll.<br />
<br />
Bernd war aber auch ein wichtiger Kenner der politischen Bewegungen und deren Historie, ob nun des 19. und 20. Jahrhunderts oder der unmittelbaren Gegenwart, vor allem auch im Bereich dessen, was gemeinhin unter "oral history" läuft. <br />
<br />
Es wird viele geben, die ihn viel besser gekannt und erlebt haben und ihn besser würdigen können. Aus meiner Perspektive bleibt er in seiner Eigenart und als ausgeprägter Charakter und einzigartiger Verleger unvergessen: ein Radikaler im besten Sinne und im nichtöffentlichen Dienste wie für die aufnahmebereite Öffentlichkeit. Für die Verlagsgeschichte vieler Bereiche, vor allem aber des Anarchismus war er unentbehrlich, und ein interessanter, ungemein anregender und kenntnisreicher Gesprächs- und Korrespondenz-Partner.<br />
<br />
Albrecht Götz von Olenhusen, <br><br />
Freiburg, Düsseldorf, im September 2014 <br />
<br />
<br><br />
==Genialer Dilettant. Ein Nachruf auf Bernd Kramer von Klaus Bittermann==<br />
Bernd Kramer war einer der liebenswürdigsten Dilettanten, die ich kannte. Und als Anarchist muss man Dilettant sein, sonst wäre man ja kein Anarchist. Wäre er ein hochprofessioneller Anarchist gewesen, hätten wir uns nie kennengelernt. Bernd hat u.a. als Schriftsetzer gearbeitet. Seinen Büchern hat man das nie angesehen. Aber wer achtet schon auf Ästhetik, wenn er ein anarchistisches Buch in der Hand hält? Neben den anarchistischen Klassikern, die in seinem Verlag erschienen sind und die den nicht dogmatischen Teil der Linken über die Jahre hinweg begleitet haben und die in den linken Buchläden ein eigenes Regal einnahmen, wo sie mit der Zeit Staub ansetzten, hat Bernd Kramer Autoren entdeckt, die dann bei anderen Verlagen bekannt wurden, u.a. Funny van Dannen und Thomas Kapielski. <br />
<br />
[[Datei:9783893201150_Kramer-Mit_dem_Flachmann.jpg|thumb|200|left|Bernd Kramers "[http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5258_Mit-dem-Flachmann-auf-Tuchfuehlung.html Tagebuchnotizen eines Tresenphilosophen]"]]<br />
Von dem von Hans Peter Duerr herausgegebenen legendären Periodikum »[http://www.alibro.de/index.php/cat/c419_Unter-dem-Pflaster-liegt-der-Strand.html Unter dem Pflaster liegt der Strand]« habe ich alle 14 Nummern. Natürlich folgte diese Zeitschrift auch dem linken Zeitgeist wie z.B. den Hexen, weil die mal eine verfolgte Minderheit waren und weil man auf deren Geheimwissen scharf war. Wenn man z.B. den ganzen Körper mit einer aus bestimmten Kredenzien zusammengerührten Salbe einschmierte, konnte man tatsächlich fliegen. Wurde da jedenfalls behauptet. Gleich in der Nummer 2 kam ein Daniel Giraud zu Wort: <br />
<br />
»Es steht fest, daß es Anarchos gibt, die sind so klein, daß sie in die Luft springen müssen, um auf dem Boden spucken zu können. Und was hat die Anarchie damit zu tun? Das heißt, die geniale Unordnung eines Herzens in voller Auflösung? Sie wird im Namen der Hierarchie der pseudolibertären Werte mit Etiketten versehen. Das heißt, daß ich wissen möchte, wie man nach dem gewaltsamen Tode des Anarcho-Pißpotts in den Wänden der sozialen Vernunft, die das Museum der Ideen leitet, die allesamt mit dem Stroh von Opas Anarchismus ausgestopfte alte Ärsche sind, libertär sein kann und dabei sozial(istisch)en Realitätssinn haben.« <br />
<br />
Dieses wirre Zitat gefiel mir so gut, dass ich heute noch genau weiß, wo es zu finden ist. Für all das war Bernd Kramer verantwortlich, dem keine Buchidee zu abseitig war, um sie nicht zu verwirklichen. Sein letztes Buch »Mit dem Flachmann auf Tuchfühlung. Tagebuchnotizen eines Tresenphilosophen« erschien dann bei Tiamat. Absurde und schräge Geschichten, die man nur in Kneipen erleben und sich auch nur dort ausdenken kann. Viel zu schräg, als dass sich viele Leute der Lektüre aussetzen wollten. <br />
<br />
Am besten gefielen mir seine Postkarten, die er mir schickte, wenn er sein Kommen ankündigte, um Bücher abzuholen, Postkarten, die mit viel Liebe hergestellte großartige Kunstwerke waren. Zuletzt traf ich ihn im »Goldenen Hahn«, wo ich anlässlich der Premiere und als Beiträger der von ihm herausgegebenen Anthologie »Schwarzbuch Kreuzberg« zwei kurze Stücke vortrug. Er saß an einem Tisch auf der »Bühne« und wunderte sich, wenn Leute das Buch kaufen wollten. Das fand ich so hinreißend, dass ich es eine schreiende Ungerechtigkeit finde, wenn solche liebenswürdigen und schrulligen Leute schon mit 74 abtreten müssen.<br />
<br />
Klaus Bittermann, Berlin<br />
<br />
<br><br />
==Anarchie war machbar, Frau Nachbar. Zum Tod des Verlegers Bernd Kramer. Von Christoph Ludszuweit==<br />
[[Datei:Cover_der_Zeitschrift_Linkeck_Nr.4.png|thumb|right|300px|Cover der von Karin und Bernd Kramer und anderen Mitgliedern der Berliner Linkeck-Kommune 1968 herausgegebenen liksradikalen Untergrundzeitschrift "linkeck"]] <br />
Am 5.9.2014 ist in Berlin der Verleger Bernd Kramer im Alter von 74 Jahren an Krebs gestorben. Am 22.1.1940 in Remscheid geboren, erlernte er noch den Beruf des Buchbinders und betrieb seit 1970 zusammen mit seiner Frau Karin den nach ihr benannten Buchverlag in Berlin-Neukölln, der zu den traditionsreichsten Verlagen des Anarchismus im deutschsprachigen Raum zählt. Ein derart breit gestreutes Verlagsangebot des Anarchismus sucht in diesem Land seinesgleichen.<br />
Zu den im Programm versammelten Autoren gehören Michael Bakunin, Peter Kropotkin, Louise Michel, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Emma Goldmann, Rudolf Rocker, Meister Eckhart, von namhaften zeitgenössischen Autoren ganz zu schweigen.<br />
Mehrfach mussten die beiden Verleger die Hand zum Offenbarungseid heben oder sich vor Gericht gegen diverse Anklagen verteidigen. Doch irgendwie schafften sie es immer wieder, allen ökonomischen Widrigkeiten, die einem Kleinverlag zusetzen, zu trotzen und fast 45 Jahre lang Bücher, Kataloge, Kalender (Der pech-raben-schwarze Anarchokalender), Zeitschriften (Unter dem Pflaster liegt der Strand) und Tonträger herauszugeben, die mehrere Generationen der antiautoritären, undogmatischen und oft zersplitterten Linken Deutschlands literarisch begleiteten.<br />
<br />
1967 wohnten sie in der „Linkeck“-Kommune Berlin und gaben von 1968 an LINKECK heraus, die „erste antiautoritäre Zeitung“, oft beschlagnahmt, genauso wie das Nachfolgeblatt CharlieKaputt. Karin und Bernd Kramer waren stets ein politisch unkorrektes Verlegerpaar, ohne je ihren Humor zu verlieren: „die Geldstrafen stotterten wir, schon allein um die Staatsdiener zu ärgern, in Fünf-, mal in Zehn-Mark-Raten ab.“ Bernd Kramer war nicht nur Verleger, er schrieb auch gern selbst, so eine Biografie über Max Hoelz. Er beschrieb seine Rolle in einem Prolog zu B. Travens Feuerstuhl einmal so:<br />
„Wir sitzen auf dem hohen Roß, zwischen den Stühlen, in der Tinte, auf dem falschen Dampfer, in der Patsche, wie angegossen, im Glashaus, in der Scheiße, in der Klemme, am längeren Hebel, auf glühenden Kohlen.“<br />
Bernd Kramers Thron war in den letzten Jahren kein Feuerstuhl, sondern ein Tisch im „Goldenen Hahn“ am Kreuzberger Heinrichplatz, wo er sich, meist bei Korn und Bier, mit Autoren und Autorinnen traf, um neue Buchprojekteauszuhecken oder alte zu begraben. Er widmete dieser Kneipe einen eigenen Band und beantragte gemeinsam mit dem Schriftsteller Thomas Kapielski bei der UNESCO-Kommission, dass die Gaststätte als Kulturerbe der Welt in die Liste Deutscher Denkmäler aufgenommen wird.<br />
<br />
Nicht nur im “Goldenen Hahn”, auch anderswo wird man Bernd Kramer schmerzlich vermissen.<br />
<br />
Christoph Ludszuweit, Berlin<br />
<br />
Quelle: Berliner Zeitung, von Montag, 8. September 2014, S. 24.<br />
<br />
<br><br />
==Das ist ja wie ein ganz schlechter Traum, dass nun auch Bernd nicht mehr unter uns ist!==<br />
<br />
Vor wenigen Tagen, Anfang September, gab es in Wien eine Gedenkveranstaltung für Michail Bakunin anlässlich seines 200. Geburtstages. Als Einleitung las ich einen im Karin Kramer Verlag erschienenen und von Bernd Kramer herausgegebenen Text, wobei ich auf das Verlegerpaar noch kurz würdigend einging. Zu diesem Zeitpunkt lag aber der Gedanke fern von mir, dass uns Bernd so bald nach Karin verlassen würde. Seine oft vor Witz sprühenden Briefe haben nun für mich einen besonderen Stellenwert erhalten … <br />
<br />
Sehr bedrückt<br />
<br />
Gerhard Senft,<br><br />
Wien 9. September 2014 <br />
<br />
<br><br />
<br />
==Traurig, traurig... ==<br />
Erst Karin, nun Bernd. Die Originale sterben aus, übrig bleiben die Erbsenzähler. Kleingeister statt Charakterköpfe. Öde wird die "Szene", trostlos. Die Nachricht erreicht mich 2 Tage nachdem ich Bernd noch eine mail schrieb mit einem Buchprojekt-/ Kooperationsvorschlag, nun mitten auf einem anarchistischen Sommercamp. <br />
<br />
War dereinst bei Horst Stowasser kaum anders - der allerdings noch zum antworten kam. Einen Teil der Verlags- und Vertriebsarbeit scheint nun die Nachrufeschreiberei einzunehmen. Was für triste Zeiten. Ich trink´nen Schnaps auf Euch! <br />
<br />
Viva la Anarchia!<br />
<br />
Gerald Grüneklee / Der Ziegelbrenner (ehem. Anares),<br />
<br />
Bremen, 7. September 2014<br />
<br />
<br><br />
==Wir sind bestürzt==<br />
<br />
Mit Bestürzung haben wir gerade den Tode von Bernd Kramer vernommen. Bernd war für uns nicht nur ein langjähriger Freund und ein verlegerisches Vorbild, sondern mit seinem Werk und seinem Leben ein Teil unserer politischen Sozialisation. So wie wir Karin, werden wir auch Bernd schmerzlich vermissen. Sie reißen eine Lücke, die nicht gefüllt werden kann. <br />
<br />
Wir werden an euch denken.<br />
<br />
Verlag Edition AV<br><br />
Andreas W. Hohmann<br />
<br />
Lich, 6. September 2014<br />
<br />
<br><br />
==Fassungslos + Die Urkunde. Von knobi==<br />
Liebe Freundinnen und Freunde,<br><br />
Liebe Genossinnen und Genossen.<br />
<br />
Eine schreckliche Mitteilung erreicht mich gerade von den FreundInnen, die sich um Bernd Kramer gekümmert haben.<br />
<br />
Gestern, am Freitag, den 5.9.2014 gegen 22 Uhr ist unser Freund und Genosse Bernd Kramer im Krankenhaus, im Beisein einiger FreundInnen, friedlich gestorben.<br />
<br />
Die Trauer wiegt schwer. In so kurzer Zeit, zwei so wunderbare Menschen, wie [[Karin_Kramer_-_Gedenkseite|Karin]] und Bernd Kramer zu verlieren, ist fast unerträglich.<br />
<br />
Unsere Gedanken sind im Moment bei Daniel Kramer und seiner Familie.<br />
<br />
Fassungslos.<br />
<br />
Knobi<br />
<br />
Berlin, 6. September 2014<br />
<br />
<br />
<br />
'''Die Urkunde.'''<br />
<br />
<br />
Bernd Kramer war für seine Postkarten, Briefe etc. unter FreundInnen und Bekannten berühmt und berüchtigt. Gerne was kopiertes, geklebtes, mit Kommentaren versehenes usw. als Hinweis, als Kommentar, als Freundschaftsbeweis oder „nur“ als Kunstobjekt. Als habe er im Zeitalter von Internet und e-mail ein Aktienpaket bei der gelben Post, liebte er es an toten Persönlichkeiten, wie an lebenden Menschen Mitteilungen zu verschicken. Er hatte daran einen Heidenspaß, vor allem wenn die Briefe an die Toten irgendwie zurück kamen.<br />
<br />
Mit Karin war es einfacher zu telefonieren, oder sie im Laden des Verlages zu besuchen. Was schnell gehen musste konnte auch per e-mail erledigt werden. Bei Bernd hatte ich oft das Gefühl, wenn ich ihn anrufen würde, könnte ich ihn stören etc. So wurde auf Postkarten/Briefe dann i.d.R. auch schriftlich geantwortet.<br />
<br />
Und so kam es, als ich ihm meine kleine Besprechung zum Bodo Saggel-Buch (Der Antijurist oder die Kriminalität der schwarzen Roben. Karin Kramer Verlag. Berlin 1998) zur Information zuschickte postwendend – wie man so schön zu sagen pflegt – ein „Urkunde“ von Bernd als Dankeschön, erhielt – handkoloriert. Ich befürchte, dass es umsonst war, den „europäischen Buchmarkt [zu] beobachten [um zu sehen] wie die Verkaufszahlen in die Höhe sausen“.<br />
Dies konnte ich beim besten Willen nicht ermöglichen. Wenn ich es gekonnt hätte, dann hätte ich es ohne zu zögern gemacht. Aber trotz seines überschäumenden – natürlich etwas ironisch gemeinten Wunsches – habe ich mich über die „Urkunde“ gefreut.<br />
<br />
Aber typisch war auch, und manchmal beklemmend, die Geldknappheit des Karin-Kramer-Verlages. Auch ich gehört mal zu jenen, in einer Zeit wo es mir vergönnt war, dem Verlag mit einem kleinen Kredit über 5.000 DM mal aushelfen zu dürfen, der ohne jegliches Nachfragen prompt und regelmäßig zu ihren Bedingungen zurück gezahlt wurde. Und so wurde die Urkunde notgedrungen mit einem finanziellen Hilferuf verbunden, ob ich nicht bei zwei gemeinsame Bekannten mal vorfühlen könnte, ob die nicht ein paar Ressourcen übrig hätten. Die Annahme, dass fast alle mehr Geld hatten als die beiden Kramers war ja nicht ganz so abwegig. Ich glaube nicht, dass Menschen sich an ein andauernden Zustand der Mittellosigkeit gewöhnen können. Und dort, wo die Fantasie grenzenlos ist, sind der Mangel an Mitteln um so schmerzhafter.<br />
<br />
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich nicht mehr so genau daran erinnere wie die Sache weitergegangen ist. Vermutlich ist nichts daraus geworden. So, wie aus einigen Ankündigungen die der Verlag machte, die dann aber aus den unterschiedlichsten Gründen dann doch nicht zustanden kamen (wie etwa die mehr bändige Jack London-Ausgabe, wo Karin diesen schreibenden Sozialrebellen und Abenteurer doch so liebte). Meinen vor Jahren schon gemachten Vorschlag mal ein Buch zu machen über die Bücher, die im Karin Kramer Verlag zwar angekündigt, aber nicht erschienen sind, fanden Beide gut: „Mach mal“, hieß es dann, „die Vorschauen sind alle komplett vorhanden“. Aber leider kam es nicht dazu, weil ich eine faule Sau bin. Ideen entwickeln, und diese dann im Regen stehen zu lassen, gehört fast zu meinem Naturell. Auf der anderen Seite ist dies sicherlich auch gut so, denn ein Bestseller wäre dies sicherlich auch nicht geworden.<br />
<br />
Jetzt sind beide nicht mehr. Der Verlag ist Geschichte. Was übrig bleibt ist die Idee – von so manchem, die persönlichen Erinnerung von zahlreichen Menschen, von dem was uns traurig gemacht hat, und dem worüber wir gemeinsam gelacht haben.<br />
Was bleibt ist, wie es auf der „Urkunde“ geschrieben steht: „Sei bestens gegrüßt“, aber diesmal von mir: Knobi.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br><br />
<br />
=Werke (eine Auswahl)=<br />
* [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5157_Lasst-uns-die-Schwerter-ziehen--damit-die-Kette-bricht----.html Lasst uns die Schwerter ziehen, damit die Kette bricht ... Michael Bakunin, Richard Wagner und andere während der Dresdner Mai-Revolution 1849]. Von Bernd Kramer. Berlin: Karin Kramer Verlag, 1999. Broschiert, 255 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen und einer Karte. ISBN-13: 978-3879562015.<br />
* [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5258_Mit-dem-Flachmann-auf-Tuchfuehlung.html Mit dem Flachmann auf Tuchfühlung. Tagebuchnotizen eines Tresenphilosophen]. Von Bernd Kramer. Berlin: Edition Tiamat, 2007 (Critica Diabolis; 151). Paperback,128 Seiten. ISBN-13: 978-3893201150.<br />
* [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5699_Schwarzbuch-Kreuzberg.html Schwarzbuch Kreuzberg. Literatur-Raststätte "Zum goldenen Hahn"]. Herausgegeben von Bernd Kramer, Béatrice Kreuzer und Erik Steffen. Berlin: Karin Kramer Verlag, 2014. Broschiert, 168 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen. ISBN-13: 978-3879563784.<br />
* [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5697_Vom-Goldenen-Hahn-zum-Heiligen-Berg-Athos.html Vom Goldenen Hahn zum Heiligen Berg Athos. Bild- und Textwanderungen]. Von Bernd Kramer. Herausgegeben von Erik Steffen. Berlin: Karin Kramer Verlag, 2012. Broschiert, 153 Seiten mit zahlreichen, tlw. farbigen, Abbildungen. ISBN-13: 978-3879563623<br />
* Bernd Kramer; Aus der Leber eines Tau-Geni-X. 1. Test 0,7 Gramm. 48 S., mit. Abb., ISBN 3-87956-227-X<br />
<br />
<br><br />
<br />
=Weblinks=<br />
* Christoph Ludszuweit: Anarchie war machbar, Frau Nachbar. Zum Tod des Verlegers Bernd Kramer, in: Berliner Zeitung von Montag, 8. September 2014, S. 24 (noch nicht online)<br />
* [http://www.karin-kramer-verlag.de/ Homepage des Karin Kramer Verlages]<br />
* [http://www.graswurzel.net/302/karinkramer.shtml "Das A im strahlendem Kreis"] (Interview von Bernd Drücke mit Karin und Bernd Kramer, graswurzelrevolution, Nr. 302, Oktober 2005)<br />
* [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46050127.html Statt Turnen]. Eine zeitgenössische SPIEGEL-Reportage aus dem Jahr 1968 über Sex, Pornographie und Anarchie. Erwähnt wird dort u.a. die von dem 28jährigen Schriftsetzer Bernd Kramer und Genossen herausgegebenen Zeitschrift "[http://ur.dadaweb.de/dada-p/P0000652.shtml linkeck]". <br />
<br><br />
<br />
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[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diskussion:Bernd_Kramer_-_Gedenkseite&diff=13443Diskussion:Bernd Kramer - Gedenkseite2014-09-11T08:52:10Z<p>Rolf R: /* Anonyme Beiträge */</p>
<hr />
<div>Wer seine Erinnerungen an Bernd Kramer mit uns teilen möchte, kann sie hier auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann Deinen Text auf die eigentliche Bernd-Kramer-Gedenkseite. <br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf dieser Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: [mailto:redaktion@dadaweb.de redaktion@dadaweb.de]. <br />
<br />
Jochen Schmück<br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
-------<br />
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''<Hier kannst Du Deinen Beitrag schreiben>''<br />
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<br />
== Der Tod von Bernd Kramer: Auch eine Erinnerung an die Zukunft. Von Rolf Raasch ==<br />
<br />
Vor kurzem erst Karin und nun auch Bernd: Der Tod der Anderen scheint in der eigenen Wahrnehmung eine Beschleunigung der Lebenszeit hervorzurufen. Auch kommen verschüttete Erinnerungen plötzlich hoch, die ganz weit weg zu sein schienen: Alles wirkt nun so, als sei es erst gestern gewesen. <br />
<br />
Eine Zeit lebt wieder in einem auf, in der man jung und voller Hoffnung auf das war, was die Zukunft noch bringen sollte: Die Zeit des Neo-Anarchismus, eine Zeit des Aufbruchs, in der alles Wünschbare möglich schien. Bernd Kramer gilt für mich als ein Urgestein dieser Epoche. <br />
<br />
Ich kannte ihn über 40 Jahre. Für mich und für uns damalige Westberliner Junganarchos war er Anfang der 1970er Jahre die prägende libertäre Persönlichkeit - neben - vielleicht noch - Horst Stowasser. <br />
Innerhalb dieses Zeitraums gab es unterschiedlichste Intensitäten des Kontaktes zu Bernd. Angefangen mit den frühen 1970er Jahren, für mich die Zeit des Anarchistischen Arbeiterbundes (AAB), bzw. als Leser der Zeitschrift Linkeck, über die Zeiten des Austausches mit den Kramers während der Gründungszeit des Libertad-Verlages und den Gegenbuchmessen (später der Libertären Buchtage).<br />
Als ich das letzte mal intensiver mit Bernd gesprochen hatte, auf einer Veranstaltung zur Veröffentlichung einer CD mit Liedern über B. Traven in der Kreuzberger Kneipe Enzian (wohl 10 Jahre her), wirkte er warmherzig, als wenn man sich erst gestern das letzte mal gesehen hätte. Auch nachdenklich – was seinen eigenen Lebenswandel anbelangte, denn er hatte damals gerade eine schwere Krankheit überwunden. <br />
<br />
Bernd Kramer: Der Name war und ist Programm und eng verknüpft mit dem wichtigsten deutschsprachigen Anarchismus-Verlag der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre bildete der Verlag das gesamte und vielseitige gedankliche Spektrum des deutschsprachigen Neo-Anarchismus ab. Die ideelle Spannweite und intellektuelle Qualität des Karin-Kramer-Verlages und des Neo-Anarchismus war aus heutiger Sicht enorm und wurde meiner Meinung nach später auch nie wieder erreicht. Ein Blick auf die Namensliste der Autoren in der vom Kramer-Verlag in den 1970er Jahren herausgegebenen Zeitschrift „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die Offenheit und Toleranz damaligen libertären Denkspektrums wider: Neben Texten anarchistischer Klassiker Autoren, die weit über das anarchistische und libertäre Spektrum hinauswirkten oder in es hineinwirkten: Paul Feyerabend, Hans Peter Duerr, Colin Ward, Pierre Clastres, Murray Bookchin, Daniel Guérin, Noam Chomsky, Paul Goodman, Augustin Souchy, Harry Pross usw. usf.<br />
Ohne Karin hätte es den Karin-Kramer-Verlag nicht nur dem Namen nach so nicht gegeben. Nach 45 Jahren Verlagsgeschichte und Bernds Tod scheint die Vorstellung seines Weitebestehens schwierig zu sein. Und irgendwie scheint auch die Zeit damit eine andere geworden zu sein.<br />
<br />
Denn der Verlag ist und war ja auch ein Teil der politischen Zeitgeschichte, denn die Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin/W. setze ab 1968 gerade auch im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />
Vor dem Hintergrund der damaligen Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium auch beim Karin-Kramer-Verlag seinerzeit die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung diente beispielsweise die Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans: Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution (damals noch unter dem Verlagsnamen Underground Press L).<br />
<br />
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/Bakunin in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und Kropotkins wurde am Anfang der 1970iger Jahre auch mit der Gründung anderer anarchistischer Verlage intensiviert.<br />
<br />
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand seinerzeit auch ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die „Untergrundzeitung“. Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus, waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums und eben auch der Zeitschrift „Linkeck“. Ab 1967 erschienen in Westberlin die ersten Nummern des von Bernd und Karin herausgegebenen „ersten antiautoritären“ Blattes, das - heute sensationell anmutende - Auflagehöhen zwischen 4000 und 8500 Exemplaren erreichte.<br />
Hunderte von Titeln sollten beim Karin-Kramer-Verlag bis jetzt und bis zum Schluss noch erscheinen. Viele Titel (und Äußerungen Bernds) kontrovers und quer zur gängigen linksradikalen politischen correctness – also im besten Sinne des Wortes „anarchistisch“. Auch deshalb fehlt er dringend.<br />
<br />
Ich stelle mir vor, dass Bernd, der sehr krank war, nach dem Tod seiner Gefährtin Karin keine Lebenslust mehr hatte und wohl auch nicht mehr genug Abwehrkraft. <br />
<br />
Angesichts dessen kann sein Tod für ihn nur eine Erlösung gewesen sein. Für die noch lebenden aber ein Verlust.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
=Anonyme Beiträge=<br />
Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe.<br />
Ladengold</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Diskussion:Karin_Kramer_-_Gedenkseite&diff=12902Diskussion:Karin Kramer - Gedenkseite2014-04-01T08:05:11Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>Wer seine Erinnerungen an Karin Kramer mit uns teilen möchte, kann sie hier auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann Deinen Text auf die eigentliche Karin-Kramer-Gedenkseite.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.<br />
<br />
Jochen Schmück<br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
<br />
-------<br />
<br />
==Eine prägnante Vertreterin der Einmaligkeit eines Menschen==<br />
<br />
Wenn Andere sterben, hat man Gelegenheit, sich Gedanken über die schnell vergangene Zeit zu machen und wie alt man selbst inzwischen geworden ist.<br />
Dies ging mir besonders nach dem Tod Karins so: Karin war 74 Jahre alt. Das konnte ich mir bis zum Zeitpunkt ihres Todes überhaupt nicht vorstellen. Sie wirkte mindestens 10 Jahre jünger. Bedenkt man die historische Bedeutung des nach ihr benannten Verlages, erscheint sie im Rückblick vom Alter her sogar irgendwie zeitlos.<br />
<br />
Ohne sie hätte es den Karin-Kramer-Verlag so (und überhaupt) wohl nicht gegeben. Den gibt es inzwischen ja schon 45 Jahre lang. <br />
Wahrscheinlich hätte es die 68er-Jugendrevolte und den Neoanarchismus ohne diesen Verlag in der Form wahrscheinlich auch nicht gegeben, wenn ich bedenke, wie wichtig uns Anfang der 1970er Jahre die Titel des Karin-Kramer-Verlages (Underground Press L) und besonders die Zeitschrift Linkeck gewesen sind.<br />
<br />
Karin Kramer: Eine prägnante Vertreterin der Einmaligkeit eines Menschen.<br />
<br />
Rolf Raasch</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Uwe_Timm_-_Gedenkseite&diff=12901Uwe Timm - Gedenkseite2014-04-01T07:08:58Z<p>Rolf R: /* Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie). Von Rolf Raasch */</p>
<hr />
<div>[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]<br />
----<br />
[[Bild:Timm_Uwe_2009.jpg|right|thumb|400px|Uwe Timm, 2009 als Redner auf einer Veranstaltung]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Wir trauern um Uwe Timm</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
<br />
Am 7. März 2014 ist '''Uwe Timm''' (geb. 05.02.1932) im Alter von 82 Jahren in Barcelona gestorben. Uwe Timm gehörte zum Urgestein des neueren Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ende der 1940er Jahre war er über die Genossenschaftsjugend Hamburg in Kontakt mit Anarchisten wie [[Otto Reimers]] gekommen, die das 3. Reich überlebt hatten. In den 1950er und 1960er Jahren Jahren beteiligte er sich aktiv am Widerstand gegen die Notstandsgesetze, Wehrpflicht und atomare Aufrüstung und wurde Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK), denen er bis zum Schluss verbunden blieb. Zusammen mit Kurt Zube gründete er 1974 die Mackay-Gesellschaft, die in Anlehnung an John Henry Mackay einen individualanarchistischen Anarchismus vertrat. In deren Nachfolge gab Uwe Timm ab 1994 bis 2013 gemeinsam mit André Siegenthaler und Jochen Knoblauch die Zeitschrift "[[Espero|espero]]" heraus. 1987 wurde Uwe Timm ausgezeichnet mit dem von Johannes Maria Simmel gestifteten Friedenspreis des Liebknecht-Kreises. <br />
<br />
Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des [[Lexikon_der_Anarchie|Lexikons der Anarchie]] trauern um einen Mitstreiter, der sich mit seiner publizistischen Arbeit große Verdienste um die libertäre Bewegung im deutschen Sprachraum erworben hat.<br />
<br />
Wer seine Erinnerungen an Uwe Timm mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die '''Uwe-Timm-Gedenkseite'''.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: [mailto:redaktion@dadaweb.de redaktion@dadaweb.de]. <br />
<br />
Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
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<br />
[[Bild:978-3-926880-17-8.gif|left|thumb|300px|"[http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5096_Verlorene-Kindheit---Errungene-Freiheit.html Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit]". Die 2007 im Oppo-Verlag erschienene Autobiografie von Uwe Timm]]<br />
== Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit ==<br />
<br />
Lieber Uwe,<br />
<br />
leider habe ich erst verspätet, nach meiner Reise, von deinem Tod erfahren. Ich werde dich sehr vermissen und ich trauere um einen echten Freund der Freiheit. <br />
<br />
Mit Uwe Timm ist ein prägnanter Vertreter und Gestalter des Nachkriegsanarchismus gestorben, der eine schmerzliche, nicht zu füllende Lücke hinterlassen hat. Uwe Timm war für mich, der ich Anfang der 1970er Jahre mit dem Anarchismus bekannt wurde, ein Vorbild.<br />
<br />
Er zählte nicht zu den „Altanarchisten“ wie Willy Huppertz oder Fritz Scherer, die noch den Anarchismus bzw. Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik erlebt und den Nationalsozialismus überlebt hatten, und einen kämpferischen Arbeiter- und Revolutionsanarchismus vertraten. Er vertrat einen pragmatischen Ansatz, weil er der Unwirksamkeit des zeitgenössischen Anarchismus durch eine Hinwendung zu den konkreten Problemen der modernen Industriegesellschaft begegnen wollte, wie z.B. dem Wohnungs- und Städtebau, dem Umweltschutz oder dem Bildungswesen. <br />
<br />
Beispielhaft suchte er die Normalität und Praktikabilität seiner Ideen zu beweisen, indem er anarchistische Theorien mit den modernen Erkenntnissen der Soziologie, Psychologie, Anthropologie, Erziehungs- und Kommunikationswissenschaft bis hin zur Kybernetik zu verbinden suchte. Leider stieß er damit sowohl bei den alten als auch bei den jungen Genossen vielfach auf keine große Resonanz.<br />
<br />
Vielleicht lag das an der - psychologisch betrachtet - historischen Position seiner Generation:<br />
Er zählte zur mittleren Generation, die den Nationalsozialismus „nur“ als Kinder und Jugendliche erlebt hatten. Diese Generation hatte ihr Überleben in der Zeit des Nachkriegselends aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, auf eigenen Beinen ohne staatliche oder väterliche Hilfe zu stehen. Uwe Timm war solch ein ausgeprägter Autodidakt, der alles - Haltung, Bildung und beruflichen Werdegang - sich selbst zu verdanken hatte. Daraus resultierten folgerichtig die Vorstellungen eines Libertären: Er vertrat weniger einen „freiheitlichen Sozialismus“ sondern war vielmehr der Vertreter einer individualanarchistischen „gleichen Freiheit aller“ in einer Zivilgesellschaft, frei von autoritär-patriacharlicher und staatlicher Gängelung. Insofern werden seine Kernthesen auch weiterhin immer noch frisch und modern bleiben.<br />
<br />
In diesem Sinne möchte ich zum Abschluss einem Satz des gewaltfreien Humanisten Uwe Timm zitieren:<br />
<br />
„Mehr Glück und Freiheit sollte die Maxime für jeden Menschen sein.“<br />
<br />
Rolf Raasch<br />
<br />
<br><br />
<br />
==Uwe Timm ist tot. Ein unerbittlicher Kämpfer für die Freiheit ist von uns gegangen. Von Jochen Knoblauch==<br />
<br />
Am 7.3.2014 ist Uwe Timm in einem Krankenhaus in Barcelona an den Folgen eines Gehirntumors verstorben, einem Monat nach seinem 82. Geburtstag.<br />
<br />
In den letzten 20 Jahren waren wir durch das Projekt "espero" stark verbunden, mit allen Höhen und Tiefen. Zu den Tiefen zählt u.a., dass ich im Herbst letzten Jahres espero verlies, und Uwe zu meiner Überraschung das Projekt nicht mehr weiterführen wollte. Es waren keine Diskrepanzen zwischen mir und Uwe, die zum Ende des Projektes "espero" führten, sondern mein Grenzen der Toleranz Uwe zu folgen (neben anderen Menschen, die Uwe nicht das Wasser reichen können, aber große Töne spucken).<br />
<br />
Uwe Timm, wie Kurt Zube lernte ich Anfang der 1980er Jahre kennen, als ich mich intensiver mit dem anarchistischen Dichter John Henry Mackay (1864-1933) und Max Stirner (1806-1856) beschäftigte und Kontakte mit der Mackay-Gesellschaft hatte. Auch als Buchvertrieb – zuerst bei Regenbogen, dann bei AurorA – hatte ich mit dem Verlag, und somit auch mit Uwe Timm zu tun.<br />
<br />
Nach dem Tod von Kurt Zube (1905-1991) stand die Frage im Raum, was aus dem Verlag der Mackay-Gesellschaft werden sollte, bzw. vordergründig, was aus der Gesellschaft, der Idee weiter werden sollte. Daraufhin wurde im März 1994 von uns beiden die kleine Zeitschrift [[Espero|espero]] gegründet, zuerst als "Rundbrief der Mackay-Gesellschaft", dann ab 1996 als "Forum für libertäre Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung". Dabei war Uwe immer die redaktionell treibende Kraft.<br />
<br />
Für mich war es nicht immer einfach mit Uwe übereinzustimmen, aber wenn ich eines von Uwe gelernt habe, dann war es ein Teil seiner Toleranz, dass Menschen nicht immer gleicher Meinung sein müssen, aber sich gegenseitig respektieren sollten. Seine Geduld sich andere Meinungen erst einmal anzuhören war groß – für einige vielleicht zu groß.<br />
<br />
Uwe Timm gehörte zu den den wenigen Libertären, die am eigenen Leib noch die Nazi-Diktatur kennengelernt haben. Wenn ein Schmock, wie Peter Bierl versuchte Uwe zu diskreditieren, als er in einem Schmähartikel ihn als Hitlerjungen bezeichnete, beweist nur, dass Bierl keine historischen Kenntnisse hat, und vor allem zwischen Menschen, die sich entwickeln können wie Uwe Timm, und etwa einen wie Günter Grass, der Wasser predigt und Wein trinkt, nicht unterscheiden kann. (Ich möchte wahrlich nicht wissen, was ein Peter Bierl im Dritten Reich wohl gemacht hätte, aber ich kann es mir vorstellen). Aber geschmerzt hat es ihn immer, wenn AnarchistInnen solchen Menschen auch noch nachliefen.<br />
<br />
Uwe Timm war konsequent. Eine freie Gesellschaft braucht Menschen, die sich frei entscheiden können, und während selbst AnarchistInnen sich oftmals der marxistischen Linke anschließen, und nach mehr staatlicher Reglementierung trachten, wenn es etwa um die Wirtschaft geht, bedeutet dies eher ein Armutszeugnis für die AnarchistInnen. In der Anarchie werden sich die Menschen für die Formen, etwa wie sie wirtschaften wollen selbst entscheiden. Oft scheitern wir an Begriffen: Globalisierung ist nicht schlecht, sondern ein anarchistisches Ziel ohne Grenzen zu leben; Liberalisierung ist ein Stück mehr an Freiheit und eigentlich nichts Negatives usw. Die AnarchistInnen müßten sich nicht nur die Begriffe zurück erobern, sondern auch deren Inhalte.<br />
<br />
Uwe war in seiner lebenslangen pazifistischen Haltung, seiner kompromislosen Freiheitsliebe eigentlich konsequenter als so manche AnarchistInnen, aber weil wir alle keine Heiligen sind, hat sich Uwe u.U. auch manchmal in Sachen verrannt. Wir können immer nur versuchen den richtigen Weg zu finden. Als unbequemer Querdenker war er bereit sich ins Abseits zu stellen. Für seine Persönlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Solidarität könnten hier noch zahlreiche Beispiele angeführt werden. Die politische Szene ahnt nicht, was ihr an einem Menschen wie Uwe Timm verloren gegangen ist. Ich weiß es.<br />
<br />
Jochen Knoblauch<br />
<br />
<br />
==Sein Motto war: Sag Nein zu Krieg und Militär. Von Wolfram Beyer (IDK)==<br />
Wir gedenken Uwe Timm. Er war der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) bis zu seinem Tod verbunden und unterstützte die politische Arbeit der IDK. Sein antimilitaristisches Motto entnahm er Wolfgang Borchert: „Sag Nein“<br />
... „gegen alle und jeden Widerstand zu leisten, die Menschen uniformieren wollen, um sie zum Töten und zum Morden zu zwingen.“ <ref> Uwe Timm: Gegen Krieg und Militär: „Den Regierungen das Geld entziehen.“ Ein Interview. In: [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5090_Kriegsdienste-verweigern---Pazifismus-aktuell.html Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern - Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Oppo Verlag 2011], S. 136ff </ref><br />
Wir trauern.<br />
<br />
Wolfram Beyer,<br><br />
Vorsitzender der IDK e.V.<br><br />
[http://www.idk-berlin.de www.idk-berlin.de]<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
----------<br />
[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Uwe_Timm_-_Gedenkseite&diff=12893Uwe Timm - Gedenkseite2014-03-31T13:41:09Z<p>Rolf R: /* Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie). Von Rolf Raasch */</p>
<hr />
<div>[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]<br />
----<br />
[[Bild:Timm_Uwe_2009.jpg|right|thumb|400px|Uwe Timm, 2009 als Redner auf einer Veranstaltung]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Wir trauern um Uwe Timm</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
<br />
Am 7. März 2014 ist '''Uwe Timm''' (geb. 05.02.1932) im Alter von 82 Jahren in Barcelona gestorben. Uwe Timm gehörte zum Urgestein des neueren Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ende der 1940er Jahre war er über die Genossenschaftsjugend Hamburg in Kontakt mit Anarchisten wie [[Otto Reimers]] gekommen, die das 3. Reich überlebt hatten. In den 1950er und 1960er Jahren Jahren beteiligte er sich aktiv am Widerstand gegen die Notstandsgesetze, Wehrpflicht und atomare Aufrüstung und wurde Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK), denen er bis zum Schluss verbunden blieb. Zusammen mit Kurt Zube gründete er 1974 die Mackay-Gesellschaft, die in Anlehnung an John Henry Mackay einen individualanarchistischen Anarchismus vertrat. In deren Nachfolge gab Uwe Timm ab 1994 bis 2013 gemeinsam mit André Siegenthaler und Jochen Knoblauch die Zeitschrift "[[Espero|espero]]" heraus. 1987 wurde Uwe Timm ausgezeichnet mit dem von Johannes Maria Simmel gestifteten Friedenspreis des Liebknecht-Kreises. <br />
<br />
Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des [[Lexikon_der_Anarchie|Lexikons der Anarchie]] trauern um einen Mitstreiter, der sich mit seiner publizistischen Arbeit große Verdienste um die libertäre Bewegung im deutschen Sprachraum erworben hat.<br />
<br />
Wer seine Erinnerungen an Uwe Timm mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die '''Uwe-Timm-Gedenkseite'''.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: [mailto:redaktion@dadaweb.de redaktion@dadaweb.de]. <br />
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Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
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[[Bild:978-3-926880-17-8.gif|left|thumb|300px|"[http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5096_Verlorene-Kindheit---Errungene-Freiheit.html Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit]". Die 2007 im Oppo-Verlag erschienene Autobiografie von Uwe Timm]]<br />
== Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie). Von Rolf Raasch==<br />
<br />
Lieber Uwe,<br />
<br />
leider habe ich erst verspätet, nach meiner Reise, von deinem Tod erfahren. Ich werde dich sehr vermissen und ich trauere um einen echten Freund der Freiheit. <br />
<br />
Mit Uwe Timm ist ein prägnanter Vertreter und Gestalter des Nachkriegsanarchismus gestorben, der eine schmerzliche, nicht zu füllende Lücke hinterlassen hat. Uwe Timm war für mich, der ich Anfang der 1970er Jahre mit dem Anarchismus bekannt wurde, ein Vorbild. <br />
Er zählte nicht zu den „Altanarchisten“ wie Willy Huppertz oder Fritz Scherer, die noch den Anarchismus bzw. Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik erlebt und den Nationalsozialismus überlebt hatten, und einen kämpferischen Arbeiter- und Revolutionsanarchismus vertraten. <br />
Er vertrat einen pragmatischen Ansatz, weil er der Unwirksamkeit des zeitgenössischen Anarchismus durch eine Hinwendung zu den konkreten Problemen der modernen Industriegesellschaft begegnen wollte, wie z.B. dem Wohnungs- und Städtebau, dem Umweltschutz oder dem Bildungswesen. <br />
Beispielhaft suchte er die Normalität und Praktikabilität seiner Ideen zu beweisen, indem er anarchistische Theorien mit den modernen Erkenntnissen der Soziologie, Psychologie, Anthropologie, Erziehungs- und Kommunikationswissenschaft bis hin zur Kybernetik zu verbinden suchte. Leider stieß er damit sowohl bei den alten als auch bei den jungen Genossen vielfach auf keine große Resonanz.<br />
Vielleicht lag das an der - soziologisch betrachtet - historischen Position seiner Generation:<br />
Er zählte zur mittleren Generation, die den Nationalsozialismus „nur“ als Kinder und Jugendliche erlebt hatten. Diese Generation hatte ihr Überleben in der Zeit des Nachkriegselends aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, auf eigenen Beinen ohne staatliche oder väterliche Hilfe zu stehen. Uwe Timm war solch ein ausgeprägter Autodidakt, der alles - Haltung, Bildung und beruflichen Werdegang - sich selbst zu verdanken hatte. Daraus resultierten folgerichtig die Vorstellungen eines Libertären: Er vertrat weniger einen „freiheitlichen Sozialismus“ sondern war vielmehr der Vertreter einer individualanarchistischen „gleichen Freiheit aller“ in einer Zivilgesellschaft, frei von autoritär-patriacharlicher und staatlicher Gängelung.<br />
Insofern werden seine Kernthesen auch weiterhin immer noch frisch und modern bleiben.<br />
<br />
In diesem Sinne möchte ich zum Abschluss einem Satz des gewaltfreien Humanisten Uwe Timm zitieren:<br />
<br />
„Mehr Glück und Freiheit sollte die Maxime für jeden Menschen sein.“<br />
<br />
Rolf Raasch<br />
<br />
<br><br />
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==Sein Motto war: Sag Nein zu Krieg und Militär. Von Wolfram Beyer (IDK)==<br />
Wir gedenken Uwe Timm. Er war der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) bis zu seinem Tod verbunden und unterstützte die politische Arbeit der IDK. Sein antimilitaristisches Motto entnahm er Wolfgang Borchert: „Sag Nein“<br />
... „gegen alle und jeden Widerstand zu leisten, die Menschen uniformieren wollen, um sie zum Töten und zum Morden zu zwingen.“ <ref> Uwe Timm: Gegen Krieg und Militär: „Den Regierungen das Geld entziehen.“ Ein Interview. In: [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5090_Kriegsdienste-verweigern---Pazifismus-aktuell.html Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern - Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Oppo Verlag 2011], S. 136ff </ref><br />
Wir trauern.<br />
<br />
Wolfram Beyer,<br><br />
Vorsitzender der IDK e.V.<br><br />
[http://www.idk-berlin.de www.idk-berlin.de]<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
<br />
==Uwe Timm ist tot. Ein unerbittlicher Kämpfer für die Freiheit ist von uns gegangen. Von Jochen Knoblauch==<br />
<br />
Am 7.3.2014 ist Uwe Timm in einem Krankenhaus in Barcelona an den Folgen eines Gehirntumors verstorben, einem Monat nach seinem 82. Geburtstag.<br />
<br />
In den letzten 20 Jahren waren wir durch das Projekt "espero" stark verbunden, mit allen Höhen und Tiefen. Zu den Tiefen zählt u.a., dass ich im Herbst letzten Jahres espero verlies, und Uwe zu meiner Überraschung das Projekt nicht mehr weiterführen wollte. Es waren keine Diskrepanzen zwischen mir und Uwe, die zum Ende des Projektes "espero" führten, sondern mein Grenzen der Toleranz Uwe zu folgen (neben anderen Menschen, die Uwe nicht das Wasser reichen können, aber große Töne spucken).<br />
<br />
Uwe Timm, wie Kurt Zube lernte ich Anfang der 1980er Jahre kennen, als ich mich intensiver mit dem anarchistischen Dichter John Henry Mackay (1864-1933) und Max Stirner (1806-1856) beschäftigte und Kontakte mit der Mackay-Gesellschaft hatte. Auch als Buchvertrieb – zuerst bei Regenbogen, dann bei AurorA – hatte ich mit dem Verlag, und somit auch mit Uwe Timm zu tun.<br />
<br />
Nach dem Tod von Kurt Zube (1905-1991) stand die Frage im Raum, was aus dem Verlag der Mackay-Gesellschaft werden sollte, bzw. vordergründig, was aus der Gesellschaft, der Idee weiter werden sollte. Daraufhin wurde im März 1994 von uns beiden die kleine Zeitschrift [[Espero|espero]] gegründet, zuerst als "Rundbrief der Mackay-Gesellschaft", dann ab 1996 als "Forum für libertäre Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung". Dabei war Uwe immer die redaktionell treibende Kraft.<br />
<br />
Für mich war es nicht immer einfach mit Uwe übereinzustimmen, aber wenn ich eines von Uwe gelernt habe, dann war es ein Teil seiner Toleranz, dass Menschen nicht immer gleicher Meinung sein müssen, aber sich gegenseitig respektieren sollten. Seine Geduld sich andere Meinungen erst einmal anzuhören war groß – für einige vielleicht zu groß.<br />
<br />
Uwe Timm gehörte zu den den wenigen Libertären, die am eigenen Leib noch die Nazi-Diktatur kennengelernt haben. Wenn ein Schmock, wie Peter Bierl versuchte Uwe zu diskreditieren, als er in einem Schmähartikel ihn als Hitlerjungen bezeichnete, beweist nur, dass Bierl keine historischen Kenntnisse hat, und vor allem zwischen Menschen, die sich entwickeln können wie Uwe Timm, und etwa einen wie Günter Grass, der Wasser predigt und Wein trinkt, nicht unterscheiden kann. (Ich möchte wahrlich nicht wissen, was ein Peter Bierl im Dritten Reich wohl gemacht hätte, aber ich kann es mir vorstellen). Aber geschmerzt hat es ihn immer, wenn AnarchistInnen solchen Menschen auch noch nachliefen.<br />
<br />
Uwe Timm war konsequent. Eine freie Gesellschaft braucht Menschen, die sich frei entscheiden können, und während selbst AnarchistInnen sich oftmals der marxistischen Linke anschließen, und nach mehr staatlicher Reglementierung trachten, wenn es etwa um die Wirtschaft geht, bedeutet dies eher ein Armutszeugnis für die AnarchistInnen. In der Anarchie werden sich die Menschen für die Formen, etwa wie sie wirtschaften wollen selbst entscheiden. Oft scheitern wir an Begriffen: Globalisierung ist nicht schlecht, sondern ein anarchistisches Ziel ohne Grenzen zu leben; Liberalisierung ist ein Stück mehr an Freiheit und eigentlich nichts Negatives usw. Die AnarchistInnen müßten sich nicht nur die Begriffe zurück erobern, sondern auch deren Inhalte.<br />
<br />
Uwe war in seiner lebenslangen pazifistischen Haltung, seiner kompromislosen Freiheitsliebe eigentlich konsequenter als so manche AnarchistInnen, aber weil wir alle keine Heiligen sind, hat sich Uwe u.U. auch manchmal in Sachen verrannt. Wir können immer nur versuchen den richtigen Weg zu finden. Als unbequemer Querdenker war er bereit sich ins Abseits zu stellen. Für seine Persönlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Solidarität könnten hier noch zahlreiche Beispiele angeführt werden. Die politische Szene ahnt nicht, was ihr an einem Menschen wie Uwe Timm verloren gegangen ist. Ich weiß es.<br />
<br />
Jochen Knoblauch<br />
<br />
----------<br />
[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Uwe_Timm_-_Gedenkseite&diff=12892Uwe Timm - Gedenkseite2014-03-31T13:38:43Z<p>Rolf R: /* Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie). Von Rolf Raasch */</p>
<hr />
<div>[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]<br />
----<br />
[[Bild:Timm_Uwe_2009.jpg|right|thumb|400px|Uwe Timm, 2009 als Redner auf einer Veranstaltung]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Wir trauern um Uwe Timm</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
<br />
Am 7. März 2014 ist '''Uwe Timm''' (geb. 05.02.1932) im Alter von 82 Jahren in Barcelona gestorben. Uwe Timm gehörte zum Urgestein des neueren Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ende der 1940er Jahre war er über die Genossenschaftsjugend Hamburg in Kontakt mit Anarchisten wie [[Otto Reimers]] gekommen, die das 3. Reich überlebt hatten. In den 1950er und 1960er Jahren Jahren beteiligte er sich aktiv am Widerstand gegen die Notstandsgesetze, Wehrpflicht und atomare Aufrüstung und wurde Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK), denen er bis zum Schluss verbunden blieb. Zusammen mit Kurt Zube gründete er 1974 die Mackay-Gesellschaft, die in Anlehnung an John Henry Mackay einen individualanarchistischen Anarchismus vertrat. In deren Nachfolge gab Uwe Timm ab 1994 bis 2013 gemeinsam mit André Siegenthaler und Jochen Knoblauch die Zeitschrift "[[Espero|espero]]" heraus. 1987 wurde Uwe Timm ausgezeichnet mit dem von Johannes Maria Simmel gestifteten Friedenspreis des Liebknecht-Kreises. <br />
<br />
Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des [[Lexikon_der_Anarchie|Lexikons der Anarchie]] trauern um einen Mitstreiter, der sich mit seiner publizistischen Arbeit große Verdienste um die libertäre Bewegung im deutschen Sprachraum erworben hat.<br />
<br />
Wer seine Erinnerungen an Uwe Timm mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die '''Uwe-Timm-Gedenkseite'''.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: [mailto:redaktion@dadaweb.de redaktion@dadaweb.de]. <br />
<br />
Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
<br><br><br><br />
__TOC__<br />
<br />
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<br />
[[Bild:978-3-926880-17-8.gif|left|thumb|300px|"[http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5096_Verlorene-Kindheit---Errungene-Freiheit.html Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit]". Die 2007 im Oppo-Verlag erschienene Autobiografie von Uwe Timm]]<br />
== Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie). Von Rolf Raasch==<br />
<br />
Lieber Uwe,<br />
<br />
leider habe ich erst verspätet, nach meiner Reise, von deinem Tod erfahren. Ich werde dich sehr vermissen und ich trauere um einen echten Freund der Freiheit. <br />
<br />
Mit Uwe Timm ist ein prägnanter Vertreter und Gestalter des Nachkriegsanarchismus gestorben, der eine schmerzliche, nicht zu füllende Lücke hinterlassen hat. Uwe Timm war für mich, der ich Anfang der 1970er Jahre mit dem Anarchismus bekannt wurde, ein Vorbild. <br />
Er zählte nicht zu den „Altanarchisten“ wie Willy Huppertz oder Fritz Scherer, die noch den Anarchismus bzw. Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik erlebt und den Nationalsozialismus überlebt hatten, und einen kämpferischen Arbeiter- und Revolutionsanarchismus vertraten. <br />
Er vertrat einen pragmatischen Ansatz, weil er der Unwirksamkeit des zeitgenössischen Anarchismus durch eine Hinwendung zu den konkreten Problemen der modernen Industriegesellschaft begegnen wollte, wie z.B. dem Wohnungs- und Städtebau, dem Umweltschutz oder dem Bildungswesen. <br />
Beispielhaft suchte er die Normalität und Praktikabilität seiner Ideen zu beweisen, indem er anarchistischen Theorien mit den modernen Erkenntnissen der Soziologie, Psychologie, Anthropologie, Erziehungs- und Kommunikationswissenschaft bis hin zur Kybernetik zu verbinden suchte. Leider stieß er damit sowohl bei den alten als auch bei den jungen Genossen vielfach auf keine große Resonanz.<br />
Vielleicht lag das an der - soziologisch betrachtet - historischen Position seiner Generation:<br />
Er zählte zur mittleren Generation, die den Nationalsozialismus „nur“ als Kinder und Jugendliche erlebt hatten. Diese Generation hatte ihr Überleben in der Zeit des Nachkriegselends aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, auf eigenen Beinen ohne staatliche oder väterliche Hilfe zu stehen. Uwe Timm war solch ein ausgeprägter Autodidakt, der alles - Haltung, Bildung und beruflichen Werdegang - sich selbst zu verdanken hatte. Daraus resultierten folgerichtig die Vorstellungen eines Libertären: Er vertrat weniger einen „freiheitlichen Sozialismus“ sondern war vielmehr der Vertreter einer individualanarchistischen „gleichen Freiheit aller“ in einer Zivilgesellschaft, frei von autoritär-patriacharlicher und staatlicher Gängelung.<br />
Insofern werden seine Kernthesen auch weiterhin immer noch frisch und modern bleiben.<br />
<br />
In diesem Sinne möchte ich zum Abschluss einem Satz des gewaltfreien Humanisten Uwe Timm zitieren:<br />
<br />
„Mehr Glück und Freiheit sollte die Maxime für jeden Menschen sein.“<br />
<br />
Rolf Raasch<br />
<br />
<br><br />
<br />
==Sein Motto war: Sag Nein zu Krieg und Militär. Von Wolfram Beyer (IDK)==<br />
Wir gedenken Uwe Timm. Er war der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) bis zu seinem Tod verbunden und unterstützte die politische Arbeit der IDK. Sein antimilitaristisches Motto entnahm er Wolfgang Borchert: „Sag Nein“<br />
... „gegen alle und jeden Widerstand zu leisten, die Menschen uniformieren wollen, um sie zum Töten und zum Morden zu zwingen.“ <ref> Uwe Timm: Gegen Krieg und Militär: „Den Regierungen das Geld entziehen.“ Ein Interview. In: [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5090_Kriegsdienste-verweigern---Pazifismus-aktuell.html Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern - Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Oppo Verlag 2011], S. 136ff </ref><br />
Wir trauern.<br />
<br />
Wolfram Beyer,<br><br />
Vorsitzender der IDK e.V.<br><br />
[http://www.idk-berlin.de www.idk-berlin.de]<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
<br />
==Uwe Timm ist tot. Ein unerbittlicher Kämpfer für die Freiheit ist von uns gegangen. Von Jochen Knoblauch==<br />
<br />
Am 7.3.2014 ist Uwe Timm in einem Krankenhaus in Barcelona an den Folgen eines Gehirntumors verstorben, einem Monat nach seinem 82. Geburtstag.<br />
<br />
In den letzten 20 Jahren waren wir durch das Projekt "espero" stark verbunden, mit allen Höhen und Tiefen. Zu den Tiefen zählt u.a., dass ich im Herbst letzten Jahres espero verlies, und Uwe zu meiner Überraschung das Projekt nicht mehr weiterführen wollte. Es waren keine Diskrepanzen zwischen mir und Uwe, die zum Ende des Projektes "espero" führten, sondern mein Grenzen der Toleranz Uwe zu folgen (neben anderen Menschen, die Uwe nicht das Wasser reichen können, aber große Töne spucken).<br />
<br />
Uwe Timm, wie Kurt Zube lernte ich Anfang der 1980er Jahre kennen, als ich mich intensiver mit dem anarchistischen Dichter John Henry Mackay (1864-1933) und Max Stirner (1806-1856) beschäftigte und Kontakte mit der Mackay-Gesellschaft hatte. Auch als Buchvertrieb – zuerst bei Regenbogen, dann bei AurorA – hatte ich mit dem Verlag, und somit auch mit Uwe Timm zu tun.<br />
<br />
Nach dem Tod von Kurt Zube (1905-1991) stand die Frage im Raum, was aus dem Verlag der Mackay-Gesellschaft werden sollte, bzw. vordergründig, was aus der Gesellschaft, der Idee weiter werden sollte. Daraufhin wurde im März 1994 von uns beiden die kleine Zeitschrift [[Espero|espero]] gegründet, zuerst als "Rundbrief der Mackay-Gesellschaft", dann ab 1996 als "Forum für libertäre Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung". Dabei war Uwe immer die redaktionell treibende Kraft.<br />
<br />
Für mich war es nicht immer einfach mit Uwe übereinzustimmen, aber wenn ich eines von Uwe gelernt habe, dann war es ein Teil seiner Toleranz, dass Menschen nicht immer gleicher Meinung sein müssen, aber sich gegenseitig respektieren sollten. Seine Geduld sich andere Meinungen erst einmal anzuhören war groß – für einige vielleicht zu groß.<br />
<br />
Uwe Timm gehörte zu den den wenigen Libertären, die am eigenen Leib noch die Nazi-Diktatur kennengelernt haben. Wenn ein Schmock, wie Peter Bierl versuchte Uwe zu diskreditieren, als er in einem Schmähartikel ihn als Hitlerjungen bezeichnete, beweist nur, dass Bierl keine historischen Kenntnisse hat, und vor allem zwischen Menschen, die sich entwickeln können wie Uwe Timm, und etwa einen wie Günter Grass, der Wasser predigt und Wein trinkt, nicht unterscheiden kann. (Ich möchte wahrlich nicht wissen, was ein Peter Bierl im Dritten Reich wohl gemacht hätte, aber ich kann es mir vorstellen). Aber geschmerzt hat es ihn immer, wenn AnarchistInnen solchen Menschen auch noch nachliefen.<br />
<br />
Uwe Timm war konsequent. Eine freie Gesellschaft braucht Menschen, die sich frei entscheiden können, und während selbst AnarchistInnen sich oftmals der marxistischen Linke anschließen, und nach mehr staatlicher Reglementierung trachten, wenn es etwa um die Wirtschaft geht, bedeutet dies eher ein Armutszeugnis für die AnarchistInnen. In der Anarchie werden sich die Menschen für die Formen, etwa wie sie wirtschaften wollen selbst entscheiden. Oft scheitern wir an Begriffen: Globalisierung ist nicht schlecht, sondern ein anarchistisches Ziel ohne Grenzen zu leben; Liberalisierung ist ein Stück mehr an Freiheit und eigentlich nichts Negatives usw. Die AnarchistInnen müßten sich nicht nur die Begriffe zurück erobern, sondern auch deren Inhalte.<br />
<br />
Uwe war in seiner lebenslangen pazifistischen Haltung, seiner kompromislosen Freiheitsliebe eigentlich konsequenter als so manche AnarchistInnen, aber weil wir alle keine Heiligen sind, hat sich Uwe u.U. auch manchmal in Sachen verrannt. Wir können immer nur versuchen den richtigen Weg zu finden. Als unbequemer Querdenker war er bereit sich ins Abseits zu stellen. Für seine Persönlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Solidarität könnten hier noch zahlreiche Beispiele angeführt werden. Die politische Szene ahnt nicht, was ihr an einem Menschen wie Uwe Timm verloren gegangen ist. Ich weiß es.<br />
<br />
Jochen Knoblauch<br />
<br />
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[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Uwe_Timm_-_Gedenkseite&diff=12826Uwe Timm - Gedenkseite2014-03-24T13:52:34Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
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[[Bild:Timm_Uwe_2009.jpg|right|thumb|320px|Uwe Timm, 2009 als Redner auf einer Veranstaltung]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Wir trauern um Uwe Timm</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
<br />
Am 7. März 2014 ist '''Uwe Timm''' (geb. 05.02.1932) im Alter von 82 Jahren in Barcelona gestorben. Uwe Timm gehörte zum Urgestein des neueren Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ende der 1940er Jahre war er über die Genossenschaftsjugend Hamburg in Kontakt mit Anarchisten wie [[Otto Reimers]] gekommen, die das 3. Reich überlebt hatten. In den 1950er und 1960er Jahren Jahren beteiligte er sich aktiv am Widerstand gegen die Notstandsgesetze, Wehrpflicht und atomare Aufrüstung und wurde Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK), denen er bis zum Schluss verbunden blieb. Zusammen mit Kurt Zube gründete er 1974 die Mackay-Gesellschaft, die in Anlehnung an John Henry Mackay einen individualanarchistischen Anarchismus vertrat. In deren Nachfolge gab Uwe Timm ab 1994 bis 2013 gemeinsam mit André Siegenthaler und Jochen Knoblauch die Zeitschrift "[[Espero|espero]]" heraus. 1987 wurde Uwe Timm ausgezeichnet mit dem von Johannes Maria Simmel gestifteten Friedenspreis des Liebknecht-Kreises. <br />
<br />
Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des [[Lexikon_der_Anarchie|Lexikons der Anarchie]] trauern um einen Mitstreiter, der sich mit seiner publizistischen Arbeit große Verdienste um die libertäre Bewegung im deutschen Sprachraum erworben hat.<br />
<br />
Wer seine Erinnerungen an Uwe Timm mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die '''Uwe-Timm-Gedenkseite'''.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der [[Diskussion:Uwe Timm - Gedenkseite|Diskussions-Seite]] haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: [mailto:redaktion@dadaweb.de redaktion@dadaweb.de]. <br />
<br />
Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
<br><br><br><br />
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<br />
== Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie)==<br />
<br />
Lieber Uwe,<br />
<br />
leider habe ich erst jetzt, nach meiner Reise, von deinem Tod erfahren. Ich werde dich sehr vermissen und ich trauere um einen echten Freund der Freiheit. <br />
<br />
Dein Verleger Rolf Raasch <br />
<br />
<br />
==Sein Motto war: Sag Nein zu Krieg und Militär==<br />
Wir gedenken Uwe Timm. Er war der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) bis zu seinem Tod verbunden und unterstützte die politische Arbeit der IDK. Sein antimilitaristisches Motto entnahm er Wolfgang Borchert: „Sag Nein“<br />
... „gegen alle und jeden Widerstand zu leisten, die Menschen uniformieren wollen, um sie zum Töten und zum Morden zu zwingen.“ <ref> Uwe Timm: Gegen Krieg und Militär: „Den Regierungen das Geld entziehen.“ Ein Interview. In: Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern- Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Oppo Verlag 2011, S. 136ff </ref><br />
Wir trauern.<br />
<br />
Wolfram Beyer,<br><br />
Vorsitzender der IDK e.V.<br><br />
[http://www.idk-berlin.de www.idk-berlin.de]<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
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[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Andreas_G._Graf_-_Gedenkseite&diff=12254Andreas G. Graf - Gedenkseite2013-07-24T13:40:08Z<p>Rolf R: /* Würdigung von Rolf Raasch */</p>
<hr />
<div>[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]<br />
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[[Bild:Muehsamfest2003_A-LadenStand_AndreasGraf_M_Schuhmann byR@lf_Ausschnitt.jpg|right|thumb|480px|Andreas G. Graf (links) und Maurice Schuhmann (rechts) auf dem Stand des A-Ladens auf dem Erich-Mühsam-Fest in Berlin 2003. (c) Ralf G. Landmesser]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Andreas G. Graf ist tot</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
<br />
Am 5. Juli 2013 ist der Berliner Historiker und Publizist '''Andreas G. Graf''' im Alter von 61 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. <br />
<br />
Andreas G. Graf hatte in der DDR Geschichte studiert und im Februar 1990 an der Humboldt-Universität mit einer Dissertation zur Geschichte des Anarchismus in Deutschland promoviert. Seit 2001 war Graf als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut für Politologie an der Freien Universität Berlin tätig, und er war erst Redakteur und zuletzt auch Herausgeber der renommierten historischen Fachzeitschrift [http://www.iwk-online.de/index.html IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung)].<br />
<br />
In seiner eigenen Forschungsarbeit beschäftigte sich Graf bevorzugt mit der anarchistischen und anarchosyndikalistischen Bewegung in Deutschland im Kaiserreich, der Weimarer Republik und im III. Reich. Seine [http://www.alibro.de/index.php/cat/c381_Graf--Andreas-G-.html Veröffentlichungen] - insbesondere zur Geschichte des anarchistischen und anarchosyndikalistischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus - zählen zu den fundiertesten Studien, die zum Thema vorgelegt wurden.<br />
<br />
Wer seine Erinnerungen an Andreas G. Graf mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Andreas_G._Graf_-_Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die eigentliche Gedenkseite.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.<br />
<br />
Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
<br><br />
__TOC__<br />
<br />
=Nachrufe und Erinnerungen=<br />
<br />
[[Bild:978-3930819294_IWK_2005_1-2.GIF|left|thumb|200px|Die von Andreas G. Graf herausgegebenen historische Fachzeitschrift "IWK"]]<br />
<BIG><BIG>"Dass Schlimmste ist am Besten, der Osten liegt im Westen, und morgen ist gestern". </BIG></BIG><br />
==Zum Tod von Andreas G. Graf von Hartmut Rübner==<br />
<br />
Am 5. Juli ist 61-jährig Andreas G. Graf gestorben. Außer der Familie trauern Kollegen- und Freunde um einen engagierten Wissenschaftler.<br />
<br />
Nach der Berufsausbildung und einem Studium der Geschichte forschte der junge Historiker über die Arbeiterbewegung - zeitweilig unter dem Dach des Instituts für Marxismus-Leninismus. Seine, im Februar 1990 an der Humboldt-Universität eingereichten Dissertation war einem in West und Ost undankbaren Thema gewidmet: dem Anarchismus. Es sollte ihn bis zuletzt beschäftigen. Ein für die marxistische Geschichtswissenschaft vielleicht zu "sperriges Gut", wie er damals notierte, aber dennoch ein "gesellschaftliches Phänomen, eins der Sozialgeschichte, ein wirklich oder verborgen gegenwärtiges." "Gravierend" erschien ihm dabei der Umstand, daß "der Anarchismus als Resultante aus unzähligen individuellen Aktivitäten funktioniert, wie er will, daß keine beliebige oder wünschbare Funktion ihm auf die Dauer anzuhexen ist". Hier scheint etwas von der in der wissenschaftlichen Nische entwickelten Wortästhetik auf, die sich - trotz der seinerzeit unter Wendehälsen bereits obsoleten Verweise auf Lenins Schriften - in wohltuender Weise von dem oft schematisiert wirkenden Duktus des Marxismus-Leninismus unterschied. Bekenntniseifer oder Worthülsen, die manche Jungakademiker ohne tiefere Kenntnisse der Materie absondern, boten ihm Anlass für geharnischte Kommentare. So erlebte ich ihn, als er nach der Vorabbegutachtung meiner zum Druck anstehenden Arbeit - wegen einiger darin enthaltener unbedarfter Bemerkungen sichtlich in Ärger geraten - in den Verlag stürmte. Nach ein paar Sätzen wich meine Einschüchterung einer Sympathie vor dem Menschen, der hinter der habituellen Professionalität zum Vorschein kam. Seine auf verblüffendem Detailwissen basierende, professoral wirkende Gravität war dabei durchaus nicht unangenehm. Zudem teilten wir eine Leidenschaft für die nicht mainstreamförmigen Spielarten der Rockmusik. Dass ihm hier wie dort an fachlicher Qualität gelegen war, zeigen seine nicht allzu zahlreichen, dafür umso sorgfältiger ausgefeilten wissenschaftlichen Beiträge. Auch die von ihm entweder allein oder (mit-)herausgegebenen Schriften dokumentieren eine Akuratesse, die im institutionalisierten Rattenrennen heute eher selten anzutreffen ist. <br />
<br />
[[Bild:978-3922226239 Berner-Die unsichtbare Front.png|right|thumb|200px|Das von Andreas G. Graf und Dieter Nelles 1997 herausgegebene Buch des schwedischen Anarchisten Rudolf Berner: [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5078_Die-unsichtbare-Front.html "Die unsichtbare Front"]]]<br />
Der ins Deutsche übersetzte, von Dieter Nelles und ihm annotierte - und mit umfangreichen Studien zu Widerstand und Exil deutscher AnarchosyndikalistInnen ergänzte - [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5078_Die-unsichtbare-Front.html Reisebericht Rudolf Berners ins nazistische Deutschland (1937)], erweiterte das Spektrum der Widerstandsforschung nicht zuletzt durch eine akribische Quellenforschung. Und der nachfolgende Sammelband [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5177_Anarchisten-gegen-Hitler.html "Anarchisten gegen Hitler" (2001)], der auf eine Tagung der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte zurückgeht, eröffnete die Perspektive auf den europäischen Faschismus. <br />
<br />
Seit April 2001 wissenschaftlicher Assistent am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften der FU Berlin, übernahm er die Aufgabe des verantwortlichen Redakteurs der "Internationalen wissenschaftlichen Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (IWK"). Als sich die FU 2007 jedoch als Exzellenzzentrum der Wissenschaft etablierte, kam es zu einschneidenden Abwicklungsvorgängen im Fachbereich. In das elitäre Konzept passte die unpopuläre Arbeitergeschichte gar nicht. Die Redakteursstelle entfiel ebenso wie das daran verknüpften Beschäftigungsverhältnisse in der FU Berlin und der Arbeitsplatz Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Wie der "Freigesetzte" im Editorial der IWK anmerkte, befand sich die Zeitschrift nun "in einer seltsamen Zwischenphase"; eine "wie auch immer geartete Planungsperspektive" war unbestimmt (jW v. 19.02.2008). Im 42. Jahr erschien im April 2008 die seitdem letzte Ausgabe. Trotz der solidarischen Hilfestellung durch den BasisDruck Verlag und dem neuen Herausgeber, dem Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam, gelang es nicht mehr, das im Ungewissen treibende Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Das ungeliebte Markenzeichen der IWK, die unregelmäßige Erscheinungsweise - wie er eingestand - blieb ein ungebrochenes Kontinuum. In den Redaktionsräumen des Verlags wurden Pläne geschmiedet, damit das Projekt nicht "in einer Endmoräne" auslief. Doch der angegriffene Gesundheitszustand erlaubte es Andreas G. Graf zuletzt nicht mehr, dazu das Steuer noch einmal fester in den Griff zu bekommen. <br />
<br />
Nun hat er die Brücke verlassen. Seine Familie, Freunde und Kollegen werden ihn am 19. Juli an einem würdigen Ort Berlins verabschieden: dem Friedhof Baumschulenweg in der Kiefholzstraße, auf dem Tausende von Antifaschisten neben anderen Opfern des Nazismus ihre letzte Ruhe gefunden haben.<br />
<br />
Hartmut Rübner, Berlin<br />
<br />
<br><br />
<br />
==Erinnerungen an Andreas G. Graf von Maurice Schuhmann==<br />
<br />
[[Bild:9783931836238_Anarchisten_gegen_Hitler.jpg|left|thumb|200px|Der von Andreas G. Graf 2001 herausgegebene Tagungsband [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5177_Anarchisten-gegen-Hitler.html "Anarchisten gegen Hitler"]]]<br />
Die Nachricht vom Tod Andreas Grafs hat mich tief getroffen. Andreas Graf war für mich nicht nur ein Kollege und Genosse, sondern auch zeitweilig eine Art Mentor auf dem Weg in die (institutionalisierte) Wissenschaft. Er gehörte während meiner Studienzeit am Otto-Suhr-Institut zu den wenigen Dozenten, denen ich fachlich und menschlich großen Respekt zollte. In seinen Seminaren, die sich inhaltlich meistens um Anarchismus und Rätekommunismus drehten, lernte ich wissenschaftliches Arbeiten und bekam einen Zugang zur Anarchismusforschung. Später betreute er gemeinsam mit Wolf-Dieter Narr meine Diplomarbeit und holte mich 2005 als Lehrbeauftragten ans Otto-Suhr-Institut, wo wir im Wintersemester 2005/06 gemeinsam ein Seminar zum Thema „Anarchismus und Pädagogik“ veranstalteten.<br />
<br />
Es war eines der letzten Anarchismus-Seminare, das er an der FU gab. Die Leitung des OSIs verweigerte ihm später solche Seminare. Es wurde u.a. ein Seminar zum „Spanischen Bürgerkrieg“ abgelehnt, weil dieses Thema keine Relevanz für Politikwissenschaftler hätte... Viele Studierende bedauerten das sehr, da seine Seminare alles andere als trocken waren und den Umtriebigen unter uns eine Heimat boten. <br />
<br />
Andreas war aber auch ein akribischer Wissenschaftler, den ich häufig über einen Stapel Bücher gebeugt in der Berliner Staatsbibliothek antraf. Er recherchierte für seine Habilitation oder überprüfte Angaben von Beiträgen für künftige Ausgaben der IWK. Unter dem bösen Blick der Bibliothekarin diskutierten wir dann manches Mal – umgeben von Stapeln vergilbten Papiers – die Situation am OSI, den Zustand der anarchistischen Szene (er verweigerte sich beim zeitgenössischen Zustand von einer Bewegung zu sprechen) oder über unsere Forschungsvorhaben. <br />
<br />
Zweifellos war er einer der besten Kenner der Geschichte der anarcho-syndikalistischen Bewegung Deutschlands, weshalb er auch ein gerne gesehener Gast auf Veranstaltungen der FAU Berlin war. Dabei zeigte er sich aber auch als Mensch. Ich entsinne mich gut, an das eine oder andere Gespräche bei einem Bier nach einer FAU-Veranstaltung, in denen er mir enthusiastisch von seinen bevorzugten, schwedischen Heavy Metal-Bands erzählte oder seine Verständnis für meine zeitweilige Auszeit von der Uni signalisierte.<br />
<br />
Mit Andreas ist ein Freund, Genosse und anarchistischer Historiker von uns gegangen, dessen Verlust herb ist .... <br />
<br />
Maurice Schuhmann, Paris<br />
<br />
<br><br />
<br />
==Erinnerungen an Adreas Graf von Knut==<br />
kennengelernt habe ich andreas - anfang / mitte der 90er Jahre - im zusammenhang eines [http://www.ur.dadaweb.de/dada-p/P0000673.shtml kreises von leuten], die sich mit anarchistischer geschichte befassten und interesse an einem austausch darüber hatten. Und es fand wirklich ein austausch statt. kein wunder oder vielleicht doch, denn irgendwie waren und sind wir bei unseren themen ja auch etwas autistisch. andreas hatte zu dieser zeit schon viele kontakte zu den noch wenigen überlebenden oder dessen familien geknüpft. ich denke da an annemarie dagerman und helmut kirschey. außerdem war es ziemlich wahrscheinlich, dass, wenn man eine einschlägige akte aufschlug, andreas name schon im vorsatz zu finden war. Leider hat er es nicht geschafft dieses ganze Material in seiner Habilitation zusammenzufassen, es bleiben aber immerhin die materialreichen zusammenfassungen im [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5078_Die-unsichtbare-Front.html Bernerbuch] (mit Dieter) und die herausgabe von "[http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5177_Anarchisten-gegen-Hitler.html Anarchisten gegen Hitler]". er war wirklich einer profunder Kenner dieser Bewegungen und einiges was er wußte (und nicht aus akten rekonstruierbar ist) wird mit seinem Tod verloren sein. <br />
<br />
zwischen den zeiten gab es auch immer phasen wo der kontakt zwischen uns dünner wurde. das letzte mal haben wir uns vor 4 jahre gesehen, als Andreas, innerhalb einer tagung der "hellen Panke" über den den [http://www.helle-panke.de/article/591.das-rote-berlin-arbeiterwiderstand-gegen-das-naziregime.html?slideshow=1 arbeiterwiderstand im "roten berlin]", einen workshop zu Anarchisten, Trotzkisten und oppositionellen Sozialisten im widerstand leitete. möge die erde ihm leicht sein<br />
<br />
knut<br />
<br />
<br><br />
==Würdigung von Gerhard Senft==<br />
Es tut mir sehr leid, dass Andreas G. Graf so früh gehen musste! Sein Wirken war in jeder Hinsicht verdienstvoll und es hat volle Scheunen erbracht. Die libertäre Bewegung und die HistorikerInnenzunft werden davon noch lange Zeit zehren können. <br />
<br />
Bedrückt<br />
<br />
Gerhard Senft, Wien<br />
<br />
<br />
==Würdigung von Rolf Raasch==<br />
Auch wenn ich ihn persönlich nicht gut kannte, so hat mich doch der Tod des (beinahe) Altersgenossen Andreas Graf sehr getroffen. Ich erinnere mich noch an die Zeit des Kennenlernens, es muss wohl so ab 1989/1990 gewesen sein, wo ich ihn in Ostberlin und etwas später auf Veranstaltungen des (noch) Westberliner Libertären Forums erlebt hatte: Als überaus fundierten Kenner des Deutschen Anarchosyndikalismus, der noch dazu die Gabe hatte, äußerst lebendig über Gegebenheiten und Protagonisten seines Interessengebietes zu berichten. Es machte großen Spaß ihm einfach nur zuzuhören. So einen Historiker kann man nur loben und vermissen.<br />
<br />
Rolf Raasch. Berlin<br />
<br />
=Vorträge von Andreas G. Graf (Audiodateien)=<br />
Durch Anklicken des Play-Buttons (di.i. die rechte Pfeiltaste) des integrierten Audio-Players [[Bild:Flashmp3 button.gif|40px]] kann die Aufnahme des Vortrags direkt über den PC abgespielt werden. Zuvor muss natürlich der Lautsprecher am PC angeschaltet werden. Bitte etwas Geduld: Bei einer langsamen Internetverbindung kann es u.U. ein paar Sekunden dauern, bis die Wiedergabe der Aufnahme startet.<br />
<br />
*'''Rudolf Rocker - Portrait eines Anarchosyndikalisten''' <br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/03-rocker.mp3</flashmp3><br />
<br />
*'''Die Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD)'''<br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/02-faud.mp3</flashmp3><br />
<br />
*'''Anarchisten gegen Hitler''' <br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/04-anarchistenvshitler.mp3</flashmp3><br />
<br />
*'''Opposition und Widerstand in der SBZ / DDR''' <br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/12-ddr_opposition.mp3</flashmp3><br />
<br />
Quelle: [http://archive.org/details/libreihe Libertäre Reihe im Internet Archive]<br />
<br />
<br><br />
<br />
=Weblinks=<br />
<br />
* [http://www.ur.dadaweb.de/ask7-e.htm Andreas G. Graf und Dieter Nelles: Widerstand und Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945)]. Auszug zu "Forschungsstand und Quellenlage", in: [http://www.ur.dadaweb.de/ask7.htm Rudolf Berner: Die unsichtbare Front]. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937). Herausgegeben, annotiert und ergänzt durch eine Studie zu Widerstand und Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945) von Andreas G. Graf und Dieter Nelles. Berlin: Libertad Verlag, 1997.<br />
<br> <br />
----<br />
[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Andreas_G._Graf_-_Gedenkseite&diff=12253Andreas G. Graf - Gedenkseite2013-07-24T13:21:01Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]<br />
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[[Bild:Muehsamfest2003_A-LadenStand_AndreasGraf_M_Schuhmann byR@lf_Ausschnitt.jpg|right|thumb|480px|Andreas G. Graf (links) und Maurice Schuhmann (rechts) auf dem Stand des A-Ladens auf dem Erich-Mühsam-Fest in Berlin 2003. (c) Ralf G. Landmesser]]<br />
<BIG><BIG><BIG>Andreas G. Graf ist tot</BIG></BIG></BIG><br />
<br><br><br />
<br />
Am 5. Juli 2013 ist der Berliner Historiker und Publizist '''Andreas G. Graf''' im Alter von 61 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. <br />
<br />
Andreas G. Graf hatte in der DDR Geschichte studiert und im Februar 1990 an der Humboldt-Universität mit einer Dissertation zur Geschichte des Anarchismus in Deutschland promoviert. Seit 2001 war Graf als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut für Politologie an der Freien Universität Berlin tätig, und er war erst Redakteur und zuletzt auch Herausgeber der renommierten historischen Fachzeitschrift [http://www.iwk-online.de/index.html IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung)].<br />
<br />
In seiner eigenen Forschungsarbeit beschäftigte sich Graf bevorzugt mit der anarchistischen und anarchosyndikalistischen Bewegung in Deutschland im Kaiserreich, der Weimarer Republik und im III. Reich. Seine [http://www.alibro.de/index.php/cat/c381_Graf--Andreas-G-.html Veröffentlichungen] - insbesondere zur Geschichte des anarchistischen und anarchosyndikalistischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus - zählen zu den fundiertesten Studien, die zum Thema vorgelegt wurden.<br />
<br />
Wer seine Erinnerungen an Andreas G. Graf mit uns teilen möchte, kann sie auf der [[Diskussion:Andreas_G._Graf_-_Gedenkseite|Diskussions-Seite]] veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die eigentliche Gedenkseite.<br />
<br />
Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.<br />
<br />
Jochen Schmück<br><br />
Redaktion DadAWeb.de<br />
<br><br />
__TOC__<br />
<br />
=Nachrufe und Erinnerungen=<br />
<br />
[[Bild:978-3930819294_IWK_2005_1-2.GIF|left|thumb|200px|Die von Andreas G. Graf herausgegebenen historische Fachzeitschrift "IWK"]]<br />
<BIG><BIG>"Dass Schlimmste ist am Besten, der Osten liegt im Westen, und morgen ist gestern". </BIG></BIG><br />
==Zum Tod von Andreas G. Graf von Hartmut Rübner==<br />
<br />
Am 5. Juli ist 61-jährig Andreas G. Graf gestorben. Außer der Familie trauern Kollegen- und Freunde um einen engagierten Wissenschaftler.<br />
<br />
Nach der Berufsausbildung und einem Studium der Geschichte forschte der junge Historiker über die Arbeiterbewegung - zeitweilig unter dem Dach des Instituts für Marxismus-Leninismus. Seine, im Februar 1990 an der Humboldt-Universität eingereichten Dissertation war einem in West und Ost undankbaren Thema gewidmet: dem Anarchismus. Es sollte ihn bis zuletzt beschäftigen. Ein für die marxistische Geschichtswissenschaft vielleicht zu "sperriges Gut", wie er damals notierte, aber dennoch ein "gesellschaftliches Phänomen, eins der Sozialgeschichte, ein wirklich oder verborgen gegenwärtiges." "Gravierend" erschien ihm dabei der Umstand, daß "der Anarchismus als Resultante aus unzähligen individuellen Aktivitäten funktioniert, wie er will, daß keine beliebige oder wünschbare Funktion ihm auf die Dauer anzuhexen ist". Hier scheint etwas von der in der wissenschaftlichen Nische entwickelten Wortästhetik auf, die sich - trotz der seinerzeit unter Wendehälsen bereits obsoleten Verweise auf Lenins Schriften - in wohltuender Weise von dem oft schematisiert wirkenden Duktus des Marxismus-Leninismus unterschied. Bekenntniseifer oder Worthülsen, die manche Jungakademiker ohne tiefere Kenntnisse der Materie absondern, boten ihm Anlass für geharnischte Kommentare. So erlebte ich ihn, als er nach der Vorabbegutachtung meiner zum Druck anstehenden Arbeit - wegen einiger darin enthaltener unbedarfter Bemerkungen sichtlich in Ärger geraten - in den Verlag stürmte. Nach ein paar Sätzen wich meine Einschüchterung einer Sympathie vor dem Menschen, der hinter der habituellen Professionalität zum Vorschein kam. Seine auf verblüffendem Detailwissen basierende, professoral wirkende Gravität war dabei durchaus nicht unangenehm. Zudem teilten wir eine Leidenschaft für die nicht mainstreamförmigen Spielarten der Rockmusik. Dass ihm hier wie dort an fachlicher Qualität gelegen war, zeigen seine nicht allzu zahlreichen, dafür umso sorgfältiger ausgefeilten wissenschaftlichen Beiträge. Auch die von ihm entweder allein oder (mit-)herausgegebenen Schriften dokumentieren eine Akuratesse, die im institutionalisierten Rattenrennen heute eher selten anzutreffen ist. <br />
<br />
[[Bild:978-3922226239 Berner-Die unsichtbare Front.png|right|thumb|200px|Das von Andreas G. Graf und Dieter Nelles 1997 herausgegebene Buch des schwedischen Anarchisten Rudolf Berner: [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5078_Die-unsichtbare-Front.html "Die unsichtbare Front"]]]<br />
Der ins Deutsche übersetzte, von Dieter Nelles und ihm annotierte - und mit umfangreichen Studien zu Widerstand und Exil deutscher AnarchosyndikalistInnen ergänzte - [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5078_Die-unsichtbare-Front.html Reisebericht Rudolf Berners ins nazistische Deutschland (1937)], erweiterte das Spektrum der Widerstandsforschung nicht zuletzt durch eine akribische Quellenforschung. Und der nachfolgende Sammelband [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5177_Anarchisten-gegen-Hitler.html "Anarchisten gegen Hitler" (2001)], der auf eine Tagung der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte zurückgeht, eröffnete die Perspektive auf den europäischen Faschismus. <br />
<br />
Seit April 2001 wissenschaftlicher Assistent am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften der FU Berlin, übernahm er die Aufgabe des verantwortlichen Redakteurs der "Internationalen wissenschaftlichen Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (IWK"). Als sich die FU 2007 jedoch als Exzellenzzentrum der Wissenschaft etablierte, kam es zu einschneidenden Abwicklungsvorgängen im Fachbereich. In das elitäre Konzept passte die unpopuläre Arbeitergeschichte gar nicht. Die Redakteursstelle entfiel ebenso wie das daran verknüpften Beschäftigungsverhältnisse in der FU Berlin und der Arbeitsplatz Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Wie der "Freigesetzte" im Editorial der IWK anmerkte, befand sich die Zeitschrift nun "in einer seltsamen Zwischenphase"; eine "wie auch immer geartete Planungsperspektive" war unbestimmt (jW v. 19.02.2008). Im 42. Jahr erschien im April 2008 die seitdem letzte Ausgabe. Trotz der solidarischen Hilfestellung durch den BasisDruck Verlag und dem neuen Herausgeber, dem Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam, gelang es nicht mehr, das im Ungewissen treibende Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Das ungeliebte Markenzeichen der IWK, die unregelmäßige Erscheinungsweise - wie er eingestand - blieb ein ungebrochenes Kontinuum. In den Redaktionsräumen des Verlags wurden Pläne geschmiedet, damit das Projekt nicht "in einer Endmoräne" auslief. Doch der angegriffene Gesundheitszustand erlaubte es Andreas G. Graf zuletzt nicht mehr, dazu das Steuer noch einmal fester in den Griff zu bekommen. <br />
<br />
Nun hat er die Brücke verlassen. Seine Familie, Freunde und Kollegen werden ihn am 19. Juli an einem würdigen Ort Berlins verabschieden: dem Friedhof Baumschulenweg in der Kiefholzstraße, auf dem Tausende von Antifaschisten neben anderen Opfern des Nazismus ihre letzte Ruhe gefunden haben.<br />
<br />
Hartmut Rübner, Berlin<br />
<br />
<br><br />
<br />
==Erinnerungen an Andreas G. Graf von Maurice Schuhmann==<br />
<br />
[[Bild:9783931836238_Anarchisten_gegen_Hitler.jpg|left|thumb|200px|Der von Andreas G. Graf 2001 herausgegebene Tagungsband [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5177_Anarchisten-gegen-Hitler.html "Anarchisten gegen Hitler"]]]<br />
Die Nachricht vom Tod Andreas Grafs hat mich tief getroffen. Andreas Graf war für mich nicht nur ein Kollege und Genosse, sondern auch zeitweilig eine Art Mentor auf dem Weg in die (institutionalisierte) Wissenschaft. Er gehörte während meiner Studienzeit am Otto-Suhr-Institut zu den wenigen Dozenten, denen ich fachlich und menschlich großen Respekt zollte. In seinen Seminaren, die sich inhaltlich meistens um Anarchismus und Rätekommunismus drehten, lernte ich wissenschaftliches Arbeiten und bekam einen Zugang zur Anarchismusforschung. Später betreute er gemeinsam mit Wolf-Dieter Narr meine Diplomarbeit und holte mich 2005 als Lehrbeauftragten ans Otto-Suhr-Institut, wo wir im Wintersemester 2005/06 gemeinsam ein Seminar zum Thema „Anarchismus und Pädagogik“ veranstalteten.<br />
<br />
Es war eines der letzten Anarchismus-Seminare, das er an der FU gab. Die Leitung des OSIs verweigerte ihm später solche Seminare. Es wurde u.a. ein Seminar zum „Spanischen Bürgerkrieg“ abgelehnt, weil dieses Thema keine Relevanz für Politikwissenschaftler hätte... Viele Studierende bedauerten das sehr, da seine Seminare alles andere als trocken waren und den Umtriebigen unter uns eine Heimat boten. <br />
<br />
Andreas war aber auch ein akribischer Wissenschaftler, den ich häufig über einen Stapel Bücher gebeugt in der Berliner Staatsbibliothek antraf. Er recherchierte für seine Habilitation oder überprüfte Angaben von Beiträgen für künftige Ausgaben der IWK. Unter dem bösen Blick der Bibliothekarin diskutierten wir dann manches Mal – umgeben von Stapeln vergilbten Papiers – die Situation am OSI, den Zustand der anarchistischen Szene (er verweigerte sich beim zeitgenössischen Zustand von einer Bewegung zu sprechen) oder über unsere Forschungsvorhaben. <br />
<br />
Zweifellos war er einer der besten Kenner der Geschichte der anarcho-syndikalistischen Bewegung Deutschlands, weshalb er auch ein gerne gesehener Gast auf Veranstaltungen der FAU Berlin war. Dabei zeigte er sich aber auch als Mensch. Ich entsinne mich gut, an das eine oder andere Gespräche bei einem Bier nach einer FAU-Veranstaltung, in denen er mir enthusiastisch von seinen bevorzugten, schwedischen Heavy Metal-Bands erzählte oder seine Verständnis für meine zeitweilige Auszeit von der Uni signalisierte.<br />
<br />
Mit Andreas ist ein Freund, Genosse und anarchistischer Historiker von uns gegangen, dessen Verlust herb ist .... <br />
<br />
Maurice Schuhmann, Paris<br />
<br />
<br><br />
<br />
==Erinnerungen an Adreas Graf von Knut==<br />
kennengelernt habe ich andreas - anfang / mitte der 90er Jahre - im zusammenhang eines [http://www.ur.dadaweb.de/dada-p/P0000673.shtml kreises von leuten], die sich mit anarchistischer geschichte befassten und interesse an einem austausch darüber hatten. Und es fand wirklich ein austausch statt. kein wunder oder vielleicht doch, denn irgendwie waren und sind wir bei unseren themen ja auch etwas autistisch. andreas hatte zu dieser zeit schon viele kontakte zu den noch wenigen überlebenden oder dessen familien geknüpft. ich denke da an annemarie dagerman und helmut kirschey. außerdem war es ziemlich wahrscheinlich, dass, wenn man eine einschlägige akte aufschlug, andreas name schon im vorsatz zu finden war. Leider hat er es nicht geschafft dieses ganze Material in seiner Habilitation zusammenzufassen, es bleiben aber immerhin die materialreichen zusammenfassungen im [http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5078_Die-unsichtbare-Front.html Bernerbuch] (mit Dieter) und die herausgabe von "[http://www.alibro.de/product_info.php/info/p5177_Anarchisten-gegen-Hitler.html Anarchisten gegen Hitler]". er war wirklich einer profunder Kenner dieser Bewegungen und einiges was er wußte (und nicht aus akten rekonstruierbar ist) wird mit seinem Tod verloren sein. <br />
<br />
zwischen den zeiten gab es auch immer phasen wo der kontakt zwischen uns dünner wurde. das letzte mal haben wir uns vor 4 jahre gesehen, als Andreas, innerhalb einer tagung der "hellen Panke" über den den [http://www.helle-panke.de/article/591.das-rote-berlin-arbeiterwiderstand-gegen-das-naziregime.html?slideshow=1 arbeiterwiderstand im "roten berlin]", einen workshop zu Anarchisten, Trotzkisten und oppositionellen Sozialisten im widerstand leitete. möge die erde ihm leicht sein<br />
<br />
knut<br />
<br />
<br><br />
==Würdigung von Gerhard Senft==<br />
Es tut mir sehr leid, dass Andreas G. Graf so früh gehen musste! Sein Wirken war in jeder Hinsicht verdienstvoll und es hat volle Scheunen erbracht. Die libertäre Bewegung und die HistorikerInnenzunft werden davon noch lange Zeit zehren können. <br />
<br />
Bedrückt<br />
<br />
Gerhard Senft, Wien<br />
<br />
<br />
==Würdigung von Rolf Raasch==<br />
Auch wenn ich ihn persönlich nicht gut kannte, so hat mich doch der Tod des (beinahe) Altersgenossen Andreas Graf sehr getroffen. Ich erinnere mich noch an die Zeit des Kennenlernens, es muss wohl so ab 1989/1990 gewesen sein, wo ich ihn in Ostberlin und etwas später auf Veranstaltungen des (noch) Westberliner Libertären Forums erlebt hatte: Als überaus fundierten Kenner des Deutschen Anarchosyndikalismus, der noch dazu die Gabe hatte, äußerst lebendig über Gegebenheiten und Protagonisten seines Interessengebietes zu berichten. Es machte großen Spaß ihm einfach nur zuzuhören. So einen Historiker kann man nur loben und vermissen.<br />
<br />
Rolf Raasch. Berlin<br />
<br />
<br />
=Vorträge von Andreas G. Graf (Audiodateien)=<br />
Durch Anklicken des Play-Buttons (di.i. die rechte Pfeiltaste) des integrierten Audio-Players [[Bild:Flashmp3 button.gif|40px]] kann die Aufnahme des Vortrags direkt über den PC abgespielt werden. Zuvor muss natürlich der Lautsprecher am PC angeschaltet werden. Bitte etwas Geduld: Bei einer langsamen Internetverbindung kann es u.U. ein paar Sekunden dauern, bis die Wiedergabe der Aufnahme startet.<br />
<br />
*'''Rudolf Rocker - Portrait eines Anarchosyndikalisten''' <br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/03-rocker.mp3</flashmp3><br />
<br />
*'''Die Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD)'''<br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/02-faud.mp3</flashmp3><br />
<br />
*'''Anarchisten gegen Hitler''' <br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/04-anarchistenvshitler.mp3</flashmp3><br />
<br />
*'''Opposition und Widerstand in der SBZ / DDR''' <br><flashmp3>http://archive.org/download/libreihe/12-ddr_opposition.mp3</flashmp3><br />
<br />
Quelle: [http://archive.org/details/libreihe Libertäre Reihe im Internet Archive]<br />
<br />
<br><br />
<br />
=Weblinks=<br />
<br />
* [http://www.ur.dadaweb.de/ask7-e.htm Andreas G. Graf und Dieter Nelles: Widerstand und Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945)]. Auszug zu "Forschungsstand und Quellenlage", in: [http://www.ur.dadaweb.de/ask7.htm Rudolf Berner: Die unsichtbare Front]. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937). Herausgegeben, annotiert und ergänzt durch eine Studie zu Widerstand und Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945) von Andreas G. Graf und Dieter Nelles. Berlin: Libertad Verlag, 1997.<br />
<br> <br />
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[[Portal_DadA-Memorial|Zurück zum DadA-Memorial]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Neoanarchismus&diff=12252Neoanarchismus2013-07-24T13:02:49Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''<br />
----<br />
[[bild:AAB-Berlin_Mitglieder.jpg|thumb|right|300px|Mitglieder des Anarchistischen Arbeiter-Bundes (AAB), Berlin-Neukölln, am 1. Mai 1971.]]<br />
Der Begriff '''Neoanarchismus''' (auch: ''Neo-Anarchismus'' und ''Neuer Anarchismus'') beschreibt keine inhaltlich neue Kategorie, sondern stellt lediglich die Bezeichnung einer historischen Erscheinungsform des Anarchismus dar.<br />
<br />
<br />
== Entwicklungsgeschichte ==<br />
Obwohl die Existenz anarchistischer Gruppen und Individuen während des Dritten Reiches und in der Nachkriegszeit nachweisbar ist, schien der Anarchismus in Deutschland als gesellschaftspolitisch relevante Theorie und Praxis seit dem Ende der Weimarer Republik "ausgestorben" zu sein. Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Radikalisierung der Studentenbewegung bzw. "<br />
"Außerparlamentarischen Opposition" (APO) kam es seit Mitte der 1960er Jahre in der BRD und Berlin (West)jedoch zu einer Renaissance des Anarchismus. Mit Bezug auf die unterbrochene bzw. nicht mehr sichtbare historische Tradition wird dieser im Folgenden als Neoanarchismus bezeichnet.<br />
<br />
Dies ist sein entscheidendes Charakteristikum: Der Neoanarchismus entwickelte sich nicht aus dem traditionellen "Altanarchismus". Weder in personeller noch in organisatorischer Hinsicht bestand eine Kontinuität. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass traditionelle altanarchistische Gruppen mit Erfolg entsprechendes Gedankengut in die APO hineingetragen hätten.<br />
<br />
Der "Altanarchismus" war eine zersplitterte Bewegung, bestehend aus kleinen, politisch völlig bedeutungslosen Gruppen. Diese standen größtenteils dem Auftreten von anarchistischen Positionen im Theoriebildungsprozeß der APO und später auch einer neuen anarchistischen Bewegung anfangs ratlos, dann distanziert und sogar ablehnend gegenüber. <br />
<br />
Einzelne Initiativen wie der "Arbeitskreis der Freunde [[Landauer, Gustav|Gustav Landauers]]" um Uwe Timm in Hamburg sowie die "Sozialphilosophische Arbeitsgemeinschaft" um U. Timm und Reinhold Ellenrieder in Berlin (West), bildeten die eher erfolglosen Versuche der Zusammenarbeit von alt und jung und waren die Ausnahme. Im großen und ganzen scheiterten die Kontaktversuche zwischen alten und jungen Anarchisten nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen kulturellen Milieus. <br />
<br />
Die Jungen empfanden sich als Teil der allgemeinen antiautoritären Jugendrevolte, die während der 1960er Jahre angetreten war, alle tradierten gesellschaftlichen Werte in Frage zu stellen. Kommunen, "Freie Sexualität", Rockmusik und Drogenkonsum stießen auch bei diesen Vertretern der älteren Generation auf weitgehendes Unverständnis.<br />
<br />
Neben dem Generationskonflikt existierten zwischen Alt und Jung auch theoretische Differenzen. Aufgrund ihres theoretischen Herkommens aus der antiautoritären Studentenbewegung fühlten sich die jungen Anarchisten anfangs in kritischerweise auch der neomarxistischen "Kritischen Theorie" verpflichtet. Dies wirkte auf die alten Anarchisten schockierend, die dem Marxismus generell in jeder Form entschieden feindlich gegenüberstanden. Sie hatten den historischen Gegensatz beider Strömungen – nicht zuletzt aufgrund ihrer z.T. persönlichen Erfahrungen mit dem "real existierenden Sozialismus" in der DDR – zutiefst verinnerlicht. Eine Ursache dieses Konflikts lag in den eher akademischen Wurzeln des Neoanarchismus.<br />
<br />
Das Zentrum der kritischen sozialistischen Theoriebildung in der BRD und Berlin (West) war seit dem Anfang der 1960er Jahre der "Sozialistische Deutsche Studentenbund" (SDS), der zunächst der marxistischen Tradition verpflichtet war. Die Protagonisten des studentischen Protests, meist SDS-Mitglieder, stießen, grundsätzlich vom marxistischen Denken geprägt, über die Vermittlung von Kritischer Theorie, linksmarxistischem "Dissidententum" und Rätekommunismus schrittweise auf anarchistische Inhalte. So läßt sich erklären, dass es im SDS in den 1960ern zu einem antiautoritären Flügel kam.<br />
<br />
Aus der Studentenbewegung kommend knüpfte der Neoanarchismus erst 1969 teilweise an die "legitime" historische Tradition des Anarchismus an:<br />
<br />
Mit der Auflösung des antiautoritären Konsens der APO setzte ein Fraktionierungsprozeß der Neuen Linken ein, in dessen Verlauf sich sehr unterschiedliche Strömungen herauskristallisierten.<br />
Ein Teil wandte sich wieder traditionellen Konzepten der Arbeiterbewegung zu (Deutsche Kommunistische Partei[DKP], Sozialdemokratische Partei Deutschlands[SPD], Gewerkschaften). Es entstanden daneben auch "neue" autoritär-etatistische Organisationskonzeptionen der "K-Gruppen" (Kommunistische Kleinparteien). Abgesehen davon differenzierte sich die "Neue Linke" in weitere Gruppierungen, von denen sich jede als Keimzelle einer neuen Bewegung empfand und Zulauf aus Kreisen der Schüler, Jungarbeiter und andere Anhänger der APO erhielt.<br />
<br />
Demgegenüber versuchte die Undogmatische Linke das antiautoritäre Erbe der Revolte fortzuführen. Neben dem "Sozialistischen Büro", einem Zusammenschluss von Intellektuellen, der einen Mittelweg zwischen autoritär-bürokratischen Organisationsvorstellungen und "blinder" bzw. "reiner" Spontaneität suchte, entwickelte sich langsam das vielseitige Spektrum der Neuen Sozialen Bewegungen (z. B. Frauen-, Hausbesetzer- und Ökologiebewegung). Deren Theorie und Praxis enthielt, oft auch unbewusst, anarchistische Elemente.<br />
<br />
Zugleich formierte sich eine autonome antiautoritäre Bewegung, die sich eher selektiv auf klassische anarchistische Konzeptionen berief und theoretisch wie organisatorisch immer noch beeinflusst vom Antiautoritarismus der Studentenrevolte bewusst traditionslos blieb. Das Spektrum reichte dabei von einer "politischen" anarchistischen Hauptströmung bis zu eher emotional orientierten subkulturell-anarchistischen Initiativen.<br />
<br />
Aufgrund der verbreiteten Experimentierfreudigkeit und starker Fluktuation zwischen den Gruppierungen sind eindeutige inhaltliche Zuordnungen und Abgrenzungen nahezu unmöglich. Indifferenz war ein entscheidendes Charakteristikum der neoanarchistischen Bewegung, wie es z. B. in der folgenden Selbstverständniserklärung junger Anarchisten vom Oktober 1972<br />
zum Ausdruck kommt: "Wir bezeichnen als Anarchismus ein breites Spektrum revolutionär-emanzipatorischer Bewegungen mit antiautoritär-libertärem Charakter. (...) Selbst innerhalb der sich anarchistisch nennenden Bewegung finden wir analog zu den unterschiedlichen Strömungen (...) eine beachtliche Begriffsverwirrung des Wortes. Deshalb ist das Kriterium die antiautoritär-emanzipatorische Praxis." (in: Bartsch 1973)<br />
<br />
Die eigentliche Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin (West)begann jedoch nicht erst mit dem Auftreten einer sich auf den Anarchismus berufenden neuen Bewegung. Sie setze schon ab 1968 im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker und nicht nur deren marxistische Kritik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />
Den Anfang machten studentische Initiativen, die mit Hilfe einfacher fotomechanischer Verfahren unkommentierte Raub- und Nachdrucke herausbrachten. Um den neu entstehenden Markt zu bedienen, zogen bald kommerzielle Verlage nach. Allein in den Jahren 1968/69 sollen so mehr anarchistische Titel als in der gesamten Nachkriegsgeschichte des Altanarchismus erschienen sein.<br />
<br />
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium zunächst die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung brachte im Jahre 1969 beispielsweise das "Institut für Praxis und Theorie des Rätekommunismus" in Berlin (West) die "Geschichte der Machnobewegung" neu heraus. Der gleichen Absicht diente die gleichzeitig wieder zugänglich gemachte Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans. <br />
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/[[Bakunin, Michail Aleksandrovič|Bakunin]] in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und Kropotkins wurde am Anfang der siebziger Jahre mit der Gründung anarchistischer Verlage intensiviert.<br />
<br />
[[bild:Agit883_Nr11_Cover.gif|thumb|left|300px|Das legendäre Berliner Anarcho-Blatt "Agit 883".<br> Cover der Nr. 11 (24.04.1969)]]<br />
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die "Untergrundzeitung". Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums. Ab 1967 erschienen z.B. in Berlin (West) die ersten Nummern von "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000652.HTM Linkeck]" und 1969 "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000921.HTM Agit 883]". 1971 erschienen dann "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000594.HTM Fizz]", 1972 "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000235.HTM Berliner Anzünder]", "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000822.HTM Hundert Blumen]" und "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000813.HTM Bambule]". <br />
<br />
Unbestreitbar bildeten publizistische Aktivitäten einen Schwerpunkt des politischen Engagements der anarchistischen Gruppen jener Zeit; bei den rätekommunistisch-anarchistischen Gruppen sogar den Hauptschwerpunkt. Dies wird u. a. dann deutlich, wenn die Auflagezahlen der Publikationen mit den "Mitgliederzahlen" der Bewegung verglichen werden. So erreichte z.B. "Linkeck" eine Auflagenhöhe zwischen 4000 und 8500, "Agit 883" eine zwischen 4000 und 7000 Exemplaren und zeitweise knapp über 10.000.<br />
<br />
Dagegen bezifferte das Koordinationsbüro der anarchistisch-rätekommunistischen Gruppen in Wetzlar in einer soziologischen Erhebung vom Oktober 1972 den "Kaderstamm" der neoanarchistischen Gruppen auf 1000 bis 1500 Mitglieder. <br />
<br />
Über weitere Aktivitäten der Gruppen, sowie deren Strukturen gibt dieselbe Erhebung aufschlussreiche Auskünfte. Aus der Beantwortung von Fragen, die das Koordinationsbüro an alle Gruppen verschickte, ergab sich folgende soziale Schichtung: Die Anarchos waren im Oktober 1972 zu 28% Schüler, zu 24% Studenten, zu 22% Lehrlinge, zu 19% Arbeiter, zu 7% Angestellte und Freiberufler.<br />
<br />
Im September 1972 existierten in ca. 50 westdeutschen Städten anarchistische Gruppen. In einer Reihe von Städten bestanden jeweils mehrere Gruppen nebeneinander; so in Berlin (West), Hamburg, München, Frankfurt/M., Köln, Willhelmshafen und Wetzlar.<br />
<br />
Ein Jahr später war die Zahl auf ca. 70 Gruppen in 55 Städten angewachsen. Davon agierten fünf in Industriebetrieben, rund zehn an Gymnasien, vier an Universitäten und die restlichen in Stadtteilen oder als Redaktionskollektive. Die Größeren waren in Projektgruppen unterteilt (für Lehrlingsarbeit, Schülerarbeit, Hochschularbeit, Hilfe für Trebegänger, Knast- und Betriebsarbeit, Schulung usw.). Daneben gab es "ad-hoc-Gruppen" für aktuelle Aktionen, die sich anschließend wieder auflösten.<br />
<br />
In den frühen 1970er Jahren versuchte die neoanarchistische Bewegung immer wieder festere Organisationsstrukturen aufzubauen. Am 17. und 18. Mai 1970 fand auf einem überregionalen Treffen in Hamburg der erste Versuch zur Bildung einer bundesweiten anarchistischen Föderation statt. Jedoch konnten sich die Anwesenden lediglich auf die Herausgabe eines regelmäßig erscheinenden Informationsdienstes einigen, der im Rotationsverfahren jeweils von einer anderen Gruppe erstellt werden sollte (Dieses "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000915.HTM Anarcho-Info]" erschien bis 1973 in 21 Nummern). Bald wurde auch das schon erwähnte "Koordinationsbüro" eingerichtet, um die Gruppenaktivitäten besser aufeinander abstimmen zu können.<br />
<br />
Zugleich wurde in Hannover, Berlin (West), Hamburg, München und Wetzlar die Gründung von Stadtföderationen betrieben. <br />
<br />
Zwischen 1970 und 1973 fanden insgesamt vier Bundeskongresse statt. Da die regionalen Föderationsversuche entweder scheiterten oder nur kurzen Bestand hatten, gelang es ebenso wenig, eine landesweite Föderation aufzubauen.<br />
<br />
Erfolg- und Perspektivlosigkeit sorgten für Frustration und Resignation in der neoanarchistischen Szene. Viele Aktivisten zogen sich ganz aus der politischen Arbeit zurück oder gingen – dem "Konzept Stadtguerilla" folgend – in den Untergrund. Um die Mitte der siebziger Jahre zeichnete sich ein deutlicher zahlenmäßiger Niedergang der neoanarchistischen Bewegung ab. <br />
<br />
Im Großen und Ganzen waren am Anfang der 1990er Jahre in Deutschland vier Hauptströmungen des Anarchismus auszumachen:<br />
<br />
===Die am traditionellen Anarchismus orientierten Gruppierungen===<br />
Hierunter fällt z.B. die in individualanarchistischer und mutualistischer Tradition stehende "Mackay-Gesellschaft", die von Kurt Zube, Hermann Fournes, Günther Ehret und Uwe Timm im Jahre 1974 gegründet wurde. Die "[[John Henry Mackay |Mackay-Gesellschaft]]", die bis zu 200 Mitglieder hatte, sah einen ihrer Hauptschwerpunkte in der Verlagstätigkeit, durch die schließlich über 50 Publikationen erscheinen konnten. 1986 erschien die letzte Ausgabe der Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000779.HTM Zur Sache]" mit Beiträgen von Ulrich Klemm, Peter Bernhardi u. a. Anfang der 1990er Jahre reduzierten sich die Aktivitäten der "Mackay-Gesellschaft" bis zur Auflösung des Verlages.<br />
<br />
Eine neue Anlaufstelle für den Individualanarchismus bildet seit 1994 die Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001069.HTM espero]" (Herausgeber: "Mackay-Gesellschaft" - V.i.S.d.P.:Jochen Knoblauch [Berlin]und Uwe Timm [Neu Wulmstorf]).<br />
<br />
Zum Lager der traditionellen Strömungen zählt auch die anarchosyndikalistische "Freie Arbeiter Union" (FAU), mit ihrer Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000934.HTM Direkte Aktion]", die sich als deutsche Sektion der anarchosyndikalistischen Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) versteht. Der aus verschiedenen Orts- und Branchengruppen bestehende Organisationsverbund engagiert sich nicht unbedingt nur in der Arbeitswelt, sondern hält sich offen gegenüber anderen gesellschaftsrelevanten Themen. Horst Stowasser merkt kritisch an:<br />
<br />
''"Die FAU ist indes nicht, wie zu vermuten wäre, eine Gewerkschaft, sondern muss sich mangels Basis in den Betrieben mit der Rolle eines Propagandaverbandes begnügen, der die Idee des Anarchosyndikalismus vertritt."''<br />
<br />
===Der gewaltfreie Anarchismus===<br />
Bestehend aus einer Anzahl radikal-pazifistischer Gruppen um die Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0000947.HTM Graswurzelrevolution]", in denen auch viele Nicht-Anarchisten engagiert waren. Der gewaltfreie Anarchismus hat nach Einschätzung Horst Stowassers die von ihm festgestellte Modernisierung am besten realisiert. Darunter versteht er die Entwicklung weg von einer frontal angelegten Kampfformation hin zur "Diffusion" im Sinne eines wurzelwerkartigen Einsickerns in gesellschaftliche Zusammenhänge. <br />
Dazu Stowasser: "Die Gruppierung, die die Herausbildung eines Wurzelwerks am konsequentesten vorangetrieben hat und zugleich der anarchistischen Ethik am nächsten kommt, ist die `Gewaltfreie Aktion´. Nicht zufällig trägt ihre recht verbreitete Zeitung den Namen Graswurzelrevolution." <br />
Die Hauptaktivitäten der "Graswurzler", die seit 1980 eine lose "[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]" bildeten, bestanden im gewaltfreien Kampf gegen Militarismus ([[Anti-Militarismus]])und Umweltzerstörung, für Kriegsdienstverweigerung (insbesondere "Totalverweigerung"), alternative Ökonomie und Anarchafeminismus. Zugleich vertraten sie eine Vielzahl projektorientierter Ansätze.<br />
<br />
Die FÖGA hat sich inzwischen aufgelöst, da eine reine "Aktionseinheit" ohne "Ideelle Einheit" verdeutlichte, dass mit vielen Mitgliedsgruppierungen ein libertärer Konsens inzwischen nicht mehr herstellbar war.<br />
<br />
===Die "Autonomen"===<br />
Bildeten keine klar identifizierbare Bewegung oder Organisation, sondern tauchten eher als radikale politische Tendenz im Auf und Ab der Neuen Sozialen Bewegungen und einzelner gesellschaftlicher Konflikte auf. Ihr politisches Spektrum war inhaltlich ausgesprochen vielseitig und umfasste eine große Spannweite. Diese reichte von anarchistisch verstandenen bis hin zu marxistisch-leninistischen Konzepten: "Inhaltlich vertritt die autonome Bewegung ein recht starres Gemisch aus altkommunistischem Avantgardeanspruch und einem anarchospontaneistischen Kult der Direkten Aktion. Angereichert wird das Ganze zu einem umgemodelten Klassenstandpunkt, der auf die Kraft eines neuen Subproletariats baut, das sich aus Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängern rekrutiert." <br />
<br />
Wegen ihres punktuell militant-gewalttätigen Auftretens wurden die "Autonomen" oft pauschal als "anarchistisch" etikettiert. Zwar scheint sich ein Teil auf den Anarchismus berufen zu haben, jedoch ist die häufig gewaltförmige Anti-System-Opposition nur sehr schwer mit der klassischen "Propaganda der Tat" zu vergleichen. <br />
<br />
Zu den gesellschaftspolitischen Aktionsfeldern der "Autonomen" zählten beispielsweise "Häuserkampf", Antifaschismus, Antisexismus und Antiimperialismus. Das Offenhalten einer revolutionären Perspektive bildete die politische Klammer, die diese vielgestaltige Bewegung immer wieder als "Aktionsgemeinschaften" um einzelne gesellschaftspolitische Brennpunkte herum zusammenhielt.<br />
Eine politische Strategie, die sich an konstruktiven anarchistischen Gesellschaftsentwürfen orientiert, ist meines Erachtens jedoch kaum auszumachen.<br />
<br />
===Der "Projektanarchismus":===<br />
Eine Variante, zu deren Wortführer sich insbesondere Horst Stowasser erklärte: "Seit Anfang der achtziger Jahre zeichnet sich weltweit eine Tendenz im Anarchismus ab, (...) der "Projektanarchismus". <br />
<br />
Ein Beispiel dafür stellt das "Projekt A" dar, das sich als praktikables anarchistisches Organisationsmodell der Vernetzung und des "Wurzelwerks" versteht und auch an historische Parallelen erinnert: ''"Ähnlich wie beim Syndikalismus der Jahrhundertwende war eine Lösung gefragt, die den Alltag mit der Utopie verbinden und einen gangbaren Weg aus der Isolation zeigen könnte (...) Er baut zwar nicht auf Gewerkschaften und Klassenkampf auf, aber er versucht, den wirtschaftlichen Bereich mit dem der Politik und der alltäglichen Lebenskultur zu einem Instrument praktischer Umsetzung zu verbinden (...)."'' (H. Stowasser) <br />
<br />
Konkretes Beispiel: W.E.S.P.E in Neustadt/.W., ein Projektzusammenschluss, der sich als Teil eines – wohl noch nicht realisierten – bundesweiten "Projekt-A-Netzwerkes" versteht.<br />
<br />
Grundgedanke dabei ist, die Trennung von Politik, Leben und Geldverdienen in selbstverwalteten Projekten aufzuheben. Das können Läden, Kindergärten, Werkstätten, Wohngemeinschaften, Kulturprojekte, Kneipen, Bildungseinrichtungen, Manufakturen, Bibliotheken, Kommunen, Bauernhöfe, Verlage, Nachbarschaftshilfen usw. sein.<br />
<br />
Ein weiteres Beispiel für Projektanarchismus ist ein von P.M. vorgeschlagener Gesellschaftsentwurf, der im Wesentlichen auf einer planetaren Gesellschaft von "bolos" basieren soll. Dieser Entwurf mutet im Gegensatz zum "Projekt A" eher utopistisch an, ist weniger pragmatisch aber dafür subversiver als dieser angelegt. "bolo'bolo" ist wohl weniger als praktische Handlungsanleitung anzusehen, sondern scheint vielmehr als Inspirationsquelle und Diskussionsgrundlage angelegt zu sein.<br />
<br />
==Fazit==<br />
Eine Bestandsaufnahme des neueren Anarchismus in Deutschland kann – auch aus libertärer Sicht – recht unterschiedlich ausfallen. Zwei Protagonisten des neueren Anarchismus sollen hier beispielhaft zur Sprache kommen. Horst Stowassers Fazit über den Zustand der anarchistischen Bewegung im Jahre 1995 fällt reichlich illusionslos aus:<br />
<br />
''"Diese spezifisch anarchistischen Strukturen sind nicht viel mehr als das Röntgenbild einer kleinen, weltanschaulich geprägten Gemeinde. Ohne die geschilderte Diffusion in soziale Bewegungen und ihre Wurzelwerk-Funktion könnte man das getrost als das Diagramm einer Sekte abtun. Aus dieser Perspektive stellt sich der deutsche Mainstream-Anarchismus unserer Tage in der Tat als eine etwas skurrile Glaubensgemeinschaft dar. Er ist in seinem eigenen sozialen Ghetto verfangen (...). Oft genügt sich dieser Insiderkreis als eigene Zielgruppe und betreibt einen geistigen Inzest, für den das Fehlen einer Publikumszeitschrift bei gleichzeitiger Existenz von mehreren Theorieblättern ein bezeichnendes Indiz ist."'' <br />
<br />
Hans Jürgen Degen gesteht den Anarchisten unter bestimmten Voraussetzungen immerhin ein Stück Zukunftsfähigkeit zu. Seiner Meinung nach haben die Anarchisten ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und seien nicht auf der Höhe der Zeit. Für ihn besteht zunächst die Aufgabe, ''"(...) die anarchistischen Theorien einer radikalen und permanenten Revision zu unterziehen: das, was besonders nach 1945 von einigen wenigen als Revision formuliert wurde, erreichte keine Breitenwirkung und verlief sich; (...) der 'Neo-Anarchismus' (ab den 1960er Jahren) war a) teilweise (soweit er sich mit [[Marxismus]] verschränkte) ein Rückfall auf die Vorstufe des Anarcho-Syndikalismus: des stark vom Marxismus (mit wenig Marx) bestimmten Syndikalismus; b) ist der 'Neoanarchismus' in der Rezeption des 'alten' Anarchismus von vor 1933 fast stecken geblieben: er hat ihn durchdiskutiert, ausgewalzt, neu drapiert; deshalb ist c) der Anarchismus – eng gesehen – noch immer in dieser neoanarchistischen Verharrungsphase".''<br />
<br />
Eine Bestandsaufnahme des Anarchismus bzw. Neoanarchismus kann nicht ausschließlich anhand quantitativer Kriterien erfolgen. Was der Anarchismus historisch geleistet hat und was davon als sozialer Gebrauchswert wirklich weiterhin Bestand hat, wird nicht anhand mengenmäßigen Zahlenmaterials darstellbar sein. Welche Existenzberechtigung hat er dann überhaupt?<br />
<br />
Wie die sich regelmäßig bestätigende historische Erfahrung zeigt, liegen seine Chancen und seine Zukunft in der Qualität seiner radikaldemokratischen Ideen und Wertvorstellungen. Dies hat der Einfluss neoanarchistischer Partizipation im Zuge des gesellschaftlichen Demokratisierungsprozesses während der 1970er und 1980er Jahre bewiesen:<br />
<br />
Im Zuge einer sich Anfang der 1970er Jahre entwickelnden "undogmatischen Linken" schleusten engagierte Anarchisten anarchistische Elemente in den Wertekontext der "Neuen Sozialen Bewegungen" (z.B. Ökologie-, Friedens-, Bürgerinitiativ-, Alternativbewegung) ein. Diese punktuelle Aneignung anarchistischer Prämissen (z.B. Dezentralität, Föderalität, Hierarchiekritik, Selbstverwaltung, gewaltfreier Widerstand, Rotationsprinzip) bildete ein verbindendes Ferment im heterogenen Spektrum dieser Bewegungen.<br />
<br />
Erstaunlicherweise war es dieser – eher ungewollte – Reformismus, der als der eigentliche Erfolg des neueren Anarchismus gelten kann, da er quasi "durch die Hintertür", der gesamten Gesellschaft einen Demokratisierungsschub verpasste. <br />
<br />
Hat der Anarchismus mit diesem Reformismus seine historische Mission erfüllt? Wahrscheinlich nicht!<br />
<br />
Gerade das grün-alternative Parteiprojekt hat gezeigt, dass die Vereinnahmung durch staatlich-parlamentarische Konzeptionen zur Korrumpierung und Integration basisdemokratischer Opposition führt.<br />
<br />
Die Berechtigung moderner Anarchiekonzepte liegt im permanenten Aufzeigen eben dieser Zusammenhänge und der Propagierung und Praktizierung "eigentlicher Alternativen" – eben gesellschaftlich-emanzipatorischer und nicht staatlicher:<br />
<br />
''"Eine gesellschaftspolitische Relevanz des Anarchismus könnte von der Umsetzung einer lebenspraktischen freiheitlichen Ethik ausgehen, das heißt z.B. zu überlegen, was `das gute Leben´ eigentlich sein könnte? Was Anarchie unter heutigen Lebensbedingungen interessant machen könnte, ist z.B. Antworten zu geben auf individuelle und globale Fragen wie: Was heißt Lebensqualität mit wenig Geld oder unter Bedingungen materieller Armut? Dies im Sinne von Selbsthilfe, einer Art `Anleitung zum Glücklich-Sein´, aber auch als gesellschaftspolitisch gemeintes alternatives Angebot gegenüber einer sinnentleerten und weitgehend konsumorientierten Lebensperspektive sowie sich entsolidarisierender Sozialbeziehungen."'' <br />
<br />
Gerade der Punkt "Solidarität" könnte auch für Libertäre eine Herausforderung darstellen. Der enorme historische Fundus des libertären Spektrums an sozialer Kreativität braucht unter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eigentlich "nur" umformuliert zu werden:<br />
<br />
''"Kernpunkt dabei ist eine Neuformulierung von Solidarität. Alte Solidaritätsformen treten in den Hintergrund, wie beispielsweise die Arbeitersolidarität, als eine Beziehung zwischen sozial Gleichen. Angesichts von Globalisierungs-, Pluralisierungs- und Individualisierungsprozessen tritt statt der Gleichheit die Verschiedenheit verstärkt ins Blickfeld. Deshalb bedarf es neuer Formen von Solidarität gerade mit denen, die anders sind. Dazu sind gewaltfreie Formen der Konfliktlösung und verstärkte interkulturelle Kommunikation mehr den je erforderlich."''<br />
<br />
Es ergibt sich aus der Sache selbst, dass libertäres Denken und Handeln zeitlose Phänomene sind, ganz im Sinne eines Gesprächs zwischen Daniel Mermet und Noam Chomsky:<br />
<br />
''"Mermet: Stimmt es denn nicht, dass alle Formen der Selbstorganisation nach anarchistischen Prinzipien endgültig am Ende sind? Chomsky: Es gibt keine festen „anarchistischen Prinzipien“ oder einen verbindlichen libertären Katechismus. Der Anarchismus, wie ich ihn verstehe, ist menschliches Denken und Handeln, das Autoritäts- und Herrschaftsstrukturen zu erkennen sucht, ihnen Rechenschaft abverlangt, und falls sie diese nicht ablegen können, sie zu durchbrechen versucht. Der Anarchismus, das libertäre Denken, ist übrigens gar nicht am Ende, es geht ihm im Gegenteil sehr gut. Er bringt viele echte Fortschritte hervor. Viele Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, die kaum erkannt und noch weniger bekämpft wurden, nimmt man heute nicht mehr hin. Das ist ein Erfolg und ein Fortschritt für die ganze Menschheit – und kein Scheitern."''<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
*G. Bartsch: Anarchismus in Deutschland, Bd. II/III, Hannover 1973<br />
*H. M. Bock: Bibliographischer Versuch zur Geschichte des Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland, in: C. Pozzoli, (Hg.): Jahrbuch Arbeiterbewegung, Bd. 1: Über Karl Korsch, Frankfurt/M. 1973<br />
*R. Cantzen: Weniger Staat - mehr Gesellschaft. Freiheit - Ökologie - Anarchismus, Frankfurt/M. 1987<br />
*Chomsky, Noam/Mermet, Daniel: Zum Besten der Beherrschten, Interview in: Le Monde Diplomatique, August 2007<br />
*H. J. Degen (Hg.): Anarchismus heute - Positionen, Bösdorf 1991<br />
*H. J. Degen; Jochen Knoblauch: Anarchismus. Eine Einführung, Hamburg 2006<br />
*Geronimo: Feuer und Flamme - Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen, Berlin 1990<br />
*B. Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, Ulm 1998<br />
*M. Henning/R. Raasch: Neoanarchismus in Deutschland. Entstehung - Verlauf - Konfliktlinien, Berlin 2005, [http://www.mecopo.de/clients/oppo/3-926880-13-9.htm ISBN: 3-926880-13-9]<br />
*G. Holzapfel: Vom schönen Traum der Anarchie - Zur Wiederaneignung und Neuformulierung des Anarchismus in der Neuen Linken, Berlin (West) 1984<br />
*H. Jenrich: Anarchistische Presse in Deutschland 1945 - 1985, Grafenau-Döffingen 1988<br />
*B. Kramer (Hg.): Gefundene Fragmente 1967-1980. Die umherschweifenden Haschrebellen & Peter Handke, Hartmut Sander, Rolf Dieter Brinkmann, Rudi Dutschke, Rainer Langhans, Fritz Teufel u.a., Berlin 2004<br />
*G. Kurz: Alternativ leben? - Zur Theorie und Praxis der Gegenkultur, Berlin (West) 1979<br />
*W. Müller: Subkultur Westberlin 1979-1989. Freizeit, Hamburg 2013<br />
*R. Raasch: Neo-Anarchismus, in: H. J. Degen (Hg.): Lexikon der Anarchie, Bösdorf 1994<br />
*J. Schmück/G. Hoerig: DadA - Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus, Berlin/Köln seit 1987<br />
*R. Schwendter. Strömungen und heutige Erscheinungsformen des Anarchismus, in: J. Harms (Hg.): Christentum und Anarchismus - Beiträge zu einem ungeklärten Verhältnis, Frankfurt/M. 1988<br />
*H. Stowasser: Anarchismus Heute - Definition, Bewegung, Kritik, Vortrag in der Evangelischen Akademie Arnoldsheim (unveröffentl. Redemanuskript) 1986<br />
*Ders.: Wege aus dem Ghetto - Die Anarchistische Bewegung und das Projekt A, aus: R. Cantzen: Anarchismus - Was heißt das heute?, Neustadt/W. 1990<br />
*Ders.: Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft, Frankfurt/M. 1995<br />
*Ders.: Anarchie! Idee - Geschichte - Perspektiven, Hamburg 2007<br />
----<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
----<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Lexikon_der_Anarchie_(Archiv-Version)&diff=11961Lexikon der Anarchie (Archiv-Version)2012-07-25T11:51:11Z<p>Rolf R: /* Inhalt des Lexikons der Anarchie */</p>
<hr />
<div>{| style="background-color:transparent;"<br />
|-<br />
| colspan="2" |<br />
<br />
<!--<br />
H E A D E R<br />
--><br />
<div style="margin:0; border:1px solid #68A; background-color:white; font-size: 150%; text-align:center"><br />
[[Image:ALex_Logo.gif|700px]]<br />
</div><!-- Ende H E A D E R --><br />
<br />
|-<br />
| width="60%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### LINKE SPALTE ########################### --><br />
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<!--<br />
E I N L E I T U N G<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
===Lexikon der Anarchie: Weiter gehts . . . ===<br />
[[bild:Lexikon_der_Anarchie_Degen.jpg|thumb|left|Das von Hans Jürgen Degen herausgegebene "Lexikon der Anarchie".]]<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Der '''[[Anarchismus]]''' ist eine konkrete soziale und politische Philosophie mit einer mehr als 160jährigen Geschichte. Er hat eine Vielzahl anderer politisch-sozialer Theorien und Theoretiker beeinflusst und ist sowohl in der Kunst, der Literatur als auch in der Wissenschaft vertreten. Mit allen Lebensbereichen der Gesellschaft hat er sich auseinandergesetzt, vieles beeinflusst und manches in Ansätzen verwirklicht. Eine Vielzahl klassischer und aktueller Literatur von Anarchisten, über Anarchismus, für und wider den Anarchismus wurde in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht. In der Regel behandelt diese Literatur nur Teilaspekte der Theorie und Praxis des Anarchismus.</span> <br />
<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Das '''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie]]''' (Projektkurzname: '''ALex''') will versuchen, für den deutschsprachigen Raum eine umfassende Darstellung aller Personen, aller Sachgebiete und aller Organisationen zu bieten, die in direktem oder indirektem Bezug zum Anarchismus standen oder stehen. <nowiki>[</nowiki>'''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> </span><br />
</div><br />
<!-- Ende E I N L E I T U N G --><br />
<br />
<!--<br />
I N H A L T P R I N T A U S G A B E <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalt des Lexikons der Anarchie===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Als Druckversion vergriffen - nun aber bald komplett und überarbeitet im Internet wieder zugänglich: <br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal Personen|Personen]]'''<br />
<br><br><br />
Siegbert Wolf:<br />
'''[[Améry, Jean]]'''<br />
• <br />
Wolfgang Eckhardt: <br />
'''[[Michail Aleksandrovič Bakunin |Michail Aleksandrovič Bakunin]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Berkman, Alexander]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Boétie, Etienne de La]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Brupbacher, Fritz]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[B. Traven| B. Traven (Ret Marut)]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Buber, Martin]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Cafiero, Carlo]]'''<br />
• <br />
Normann Stock/Wolfram Beyer: <br />
'''[[Camus, Albert]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Cleyre, Voltairine de]]'''<br />
• <br />
Maurice Schuhmann:<br />
'''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade (Marquis de Sade), Donatien-Aldonze-François]]<br />
•<br />
Marianne Kröger:<br />
'''[[Einstein, Carl]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Faure, Sébastian]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Ferrer, Francisco]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Friedrich, Ernst]]'''<br />
• <br />
Markus Henning: <br />
'''[[Godwin, William]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Goldman, Emma]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Goodman, Paul]]'''<br />
• <br />
Gerhard Bauer: <br />
'''[[Graf, Oskar Maria]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Otto Gross|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Guillaume, James]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Holzmann, Johannes]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders:<br />
'''[[Jung, Franz|Jung, Franz]]'''<br />
• <br />
Richard Cleminson: <br />
'''[[Ibánez, Félix Martí]]'''<br />
• <br />
Werner Portmann: <br />
'''[[Koechlin, Heinrich Eduard]]'''<br />
•<br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Landauer, Gustav]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Lazare, Bernard]]'''<br />
• <br />
Stefan Preuß: <br />
'''[[Lecoin, Louis]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Arthur_Lehning|Lehning, Authur]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg:<br />
'''[[Dwight Macdonald |Macdonald, Dwight]]'''<br />
•<br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Ricardo Flores Magón]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[John Henry Mackay |Mackay, John Henry]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Malatesta, Errico]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Dora Marsden|Marsden, Dora]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Meijer-Wichmann, Clara]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Michel, Louise]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Michels, Robert]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Montseny, Federica]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Morris, William]]'''<br />
• <br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Mühsam, Erich]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Nettlau, Max]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Neumann, Stanislav Kostka]]'''<br />
• <br />
Gerhard Senft: <br />
'''[[Oppenheimer, Franz]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Proudhon, Pierre-Joeseph]]'''<br />
• <br />
Adi Rasworschegg: <br />
'''[[Ramus, Pierre]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Wilhelm Reich|Reich, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Reimers, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Robin, Paul]]'''<br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Rocker, Rudolf]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Rothbard, Murray]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Scholem, Gershom]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Max Stirner|Stirner, Max]]'''<br />
• <br />
Henning Zimpel und Walter Fähnders: <br />
'''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Tolstoi, Leo N.]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Tucker, Benjamin R.]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Vernet, Madeleine]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Vrbenský, Bohuslav]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Weil, Simone]]'''<br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Winstanley, Gerrard]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Wintsch, Jean]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Witkop, Milly|Witkop, Milly]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Organisationen|Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
<br><br><br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' <br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Diggers]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Federación Anarquista Ibérica (FAI)]]''' <br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten)]]'''<br />
• <br />
Uwe Brodrecht: <br />
'''[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[IAA]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Juraföderation]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Kibbuzbewegung]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
•<br />
Markus Henning: <br />
'''[[Provos]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Wiedertäufer (Anabaptisten)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[War Resisters' International (WRI)]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Sachthemen|Sachthemen]]'''<br />
<br><br><br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes |Anarchie, Anarchist und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Individualistischer Anarchismus|Anarchismus, Individualistischer]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch: <br />
'''[[Anarchismus, Neo-]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Anarchismusforschung, deutschsprachige nach 1945]]''' <br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Anti-Militarismus]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Antipädagogik]]'''<br />
• <br />
Will Firth: <br />
'''[[Esperanto]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Föderalismus]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Freie Liebe]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Freiheit]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Geld]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Haymarket]]'''<br />
• <br />
Masamichi Osawa: <br />
'''[[Japan]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Judentum und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Kampf (die Zeitschrift)|"Kampf"]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Märzrevolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Marxismus]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Mexikanische Revolution]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder:<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Pädagogik]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Pädagogik (historisch)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Pazifismus]]'''<br />
• <br />
Gerhard Kern: <br />
'''[[Selbstverwaltung]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Spanischer Bürgerkrieg]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Schulen, Weltliche]]'''<br />
• <br />
Dieter Scholz: <br />
'''[[Schwarze Fahne]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Tschechischer Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[USA]]'''<br />
• <br />
Mina Grauer: <br />
'''[[Zionismus]]'''<br />
</span><br />
</div><!-- Ende I N H A L T P R I N T A U S G A B E --><br />
<!--<br />
L E G E N D E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
'''Legende''': Die '''fett''' hervorgehobenen und als '''<span style="color:#27408B">blauer Link</span>''' erkennbaren Titel können bereits '''jetzt''' genutzt werden, während die '''<span style="color:#CD2626"> rot</span>''' gekennzeichneten Beiträge gerade bearbeitet und demnächst veröffentlicht werden.<br />
</div><!-- Ende L E G E N D E A R T I K E L --><br />
<!--<br />
G E P L A N T E B E I T R Ä G E<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal:Lexikon_der_Anarchie/Fehlende_Artikel|Geplante Neubeiträge für das Lexikon der Anarchie]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Agnoli, Johannes|Agnoli, Johannes]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Anarchismus und Psychoanalyse|Anarchismus und Psychoanalyse]]'''<br />
Marcel Gruber:<br />
'''[[Josef Bovshover|Josef Bovshover]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Der Einzige und sein Eigentum|Der Einzige und sein Eigentum]]'''<br />
•<br />
Walter Bittner:<br />
'''[[Federación Obrera Regional Argentina (FORA)]]'''<br />
•<br />
Dieter Nelles:<br />
'''[[Das Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945)]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Gross, Otto|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Senna Hoy|Senna Hoy]]'''<br />
• <br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Marr, Wilhelm|Marr, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Julien Offray de La Mettrie|La Mettrie, Julien Offray de]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Nohl, Johannes |Nohl, Johannes]]'''<br />
•<br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Élisée Reclus|Reclus, Élisée]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Sexuelle Revolution|Sexuelle Revolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Tresca, Carlo|Tresca, Carlo]]'''<br />
• <br />
Sebastian Kalicher:<br />
'''[[Anarchists Against The Wall (AATW)]]'''<br />
</span></div><br />
<br />
<br />
<!-- Ende G E P L A N T E B E I T R Ä G E --><br />
<br />
<!--<br />
PROJEKTWERKSTATT<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #ECFFF6; font-size:85%"><br />
<br />
===Projektwerkstatt===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie: Projektbeschreibung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Wie kann ich das Lexikon der Anarchie unterstützen? ]]'''<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept|Das Konzept]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Editoriale_Regeln|Die editorialen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Redaktionelle_Regeln|Die redaktionellen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_-_Inhaltsverzeichnis_der_Printversion|Inhalt der Printversion und Arbeitsplan zur Digitalisierung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_.28Internetversion.29_-_Vorschl.C3.A4ge_f.C3.BCr_neue_Beitr.C3.A4ge|Geplante neue Beiträge]]<br />
• <br />
[[DadAWeb:Hilfe|DadAWeb-Hilfe: Deine Ersten Schritte im DadAWeb]]<br />
</span></div><br />
<!-- Ende Eintrag PROJEKTWERKSTATT--><br />
<br />
<!--<br />
ALEX JOBBÖRSE<br />
>>>Hier die Jobs im DadA/ALex-Projekt auflisten<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Jobbörse===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Neben neuen AutorInnen brauchen wir für den Aufbau des '''Lexikons der Anarchie''' auch in anderen Bereichen des Projektes '''dringend Unterstützung'''. Dies gilt insbesondere für die folgenden Bereiche: Projektmanagement • Systemadministration • Webdevelopment • Grafik- und Webdesign • Contentmanagement • Lektorat • Redaktion • Öffentlichkeitsarbeit/Promotion • Produktentwicklung. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende ALEX JOBBÖRSE --><br />
<br />
<!--<br />
Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die '''Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus (DadA)''' und das '''Lexikon der Anarchie''' sind bestrebt, alle Forschungs- und Publikationsvorhaben im Bereich der Anarchismusforschung und angrenzender Gebiete für den deutschen Sprachraum zu dokumentieren. Hierfür haben wir auf dem DadAWeb-Portal die Dokumentation "[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]" eingerichtet, in der entsprechende Vorhaben der Fachöffentlichkeit sowie allen am Thema Interessierten vorgestellt werden können. <nowiki>[</nowiki>'''[[Portal Forschungsprojekte|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</span></div><br />
<!-- Ende Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte--><br />
<br />
<!--<br />
DadA-Spendenkampagne<br />
>>>Teaser Spendenkampagne<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
[[Bild:Reichstag.jpg|right|120px]]<br />
===Anarchisten kaufen den Reichstag ! ===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die erste von 99 verrückten Ideen für eine [[DadAWeb:Spenden|Kampagne zum Erhalt des DadAWeb]]. Hast Du eine bessere Idee? Dann mach' mit und wir gewinnen alle! <nowiki>[</nowiki>'''[[Diskussion:99 verrückte Ideen|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki>. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende DadA-Spendenkampagne --><br />
<br />
<!-- ####################### ENDE LINKE SPALTE ####################### --><br />
| width="40%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### BEGINN RECHTE SPALTE ########################### --><br />
<!--<br />
Kurznachricht <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #F2F2F2; font-size:85%"><br />
<br />
[[Bild:ALibro-Logo.png|right|150px]]<br />
===[[ALibro-Projekt|aLibro: Die Fachbuchhandlung für Anarchie und Anarchismus]]===<br />
Die Autorenbuchhandlung des DadAWeb ist auf Literatur spezialisiert, die für die deutschsprachige Anarchie- und Anarchismusforschung von Interesse ist. Neben aktuellen Neuerscheinungen und noch lieferbaren Titeln aus der Backlist bietet '''[http://www.alibro.de aLibro]''' auch gebrauchte Bücher sowie '''[http://www.alibro.de/index.php/cat/c428_Raritaeten-Sammlerstuecke.html echte Raritäten für Sammler]''' an. Darüber hinaus wird '''[http://www.alibro.de aLibro]''' in Kooperation mit Buch- und Zeitschriftenverlagen auch digitale Publikationen (z.B. Fachaufsätze oder eBooks von vergriffenen Buchtiteln) anbieten. <nowiki>[</nowiki>'''[[ALibro-Projekt|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende Kurznachricht --><br />
<br />
<!--<br />
N E U E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
=== Neue Artikel im Lexikon der Anarchie ===<br />
<!-- bitte immer die letzten 10 neu auf dem Portal eingestellten Artikel eintragen--><br />
* '''[[Johannes Holzmann]]''' von Walter Fähnders<br />
* '''[[Freie Liebe]]''' von Hubert van den Berg<br />
* '''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade, D.-A.-François]]''' von Maurice Schuhmann<br />
* '''[[Diggers]]''' von Gernot Lennert<br />
* '''[[Dwight Macdonald]]''' von Jörg Auberg <br />
* '''[[Simone Weil]]''' von Hans Jürgen Degen<br />
* '''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]''' von Henning Zimpel und Walter Fähnders<br />
* '''[[Franz Oppenheimer]]''' von Gerhard Senft<br />
* '''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' von Walther L. Bernecker<br />
* '''[[Ramus, Pierre]]''' von Adi Rasworschegg<br />
</div><br />
<!-- Ende N E U E A R T I K E L --><br />
<br />
<!--<br />
DADA BUCHEMPFEHLUNG<br />
>>>Hier die jeweils jüngste DadA-Buchempfehlung einstellen<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die DadA-Buchempfehlung===<br />
[[Bild:978-3868410686_Landauer-Ausgewaehlte_Schriften_Bd_5.jpg|right|150px]]<br />
<br />
===[[Gustav Landauer: Philosophie und Judentum]]===<br />
'''Gustav Landauer: Ausgewählte Schriften - Band 5'''. Herausgegeben von Siegbert Wolf und illustriert von Uwe Rausch.<br />
Lich: Verlag Edition AV, 2012, 445 Seiten, 22,00 €. ISBN-13: 978-3868410686..<br />
<br />
Die Erkundungsreise in das Werk von Gustav Landauer (1870-1919) geht weiter. Beschäftigten sich die bisher erschienenen ersten vier Bände der von Siegbert Wolf herausgegebenen Edition der Ausgewählten Schriften Gustav Landauers mit den Themen Antipolitik, Anarchismus, Internationalismus, Nation, Krieg und Revolution, so berücksichtigt der nun vorliegende fünfte Band speziell Landauers Schriften zur Philosophie und zum Judentum.<br />
<br />
Für Gustav Landauer war die Beschäftigung mit Philosophie, ebenso wie auch die mit Literatur und dem Theater, nie Selbstzweck gewesen. Vielmehr sollte sich Philosophie unmittelbar an der gesellschaftlichen Praxis ausrichten und das Ziel einer globalen Menschwerdung auf der Grundlage von Freiheit, Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit verfolgen. <br />
<br><br />
<nowiki>[</nowiki>'''[[Gustav Landauer: Philosophie und Judentum|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende DadA-Buchempfehlung --><br />
<br />
<!--<br />
TOP TEN<br />
>>>Die zehn populärsten Artikel<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Top-Ten===<br />
Die zur Zeit zehn populärsten Lexikon-Artikel sind:<br />
<br />
#[[Neoanarchismus]] (31.971 Abfragen) <br />
#[[Gustav Landauer]] (31.331 Abfragen)<br />
#[[Martin Buber]] (25.487 Abfragen) <br />
#[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]] (24.681 Abfragen) <br />
#[[Améry, Jean]] ((23.560 Abfragen) <br />
#[[Anarchie, Anarchist und Anarchismus]] (22.823 Abfragen)<br />
#[[John Henry Mackay]] (20.821 Abfragen) <br />
#[[Albert Camus]] (18.479 Abfragen)<br />
#[[Franz Jung]] (16.904 Abfragen) <br />
#[[Mühsam, Erich]] (16.457 Abfragen)<br />
</div><!-- Ende U N S E R E B E S T E N --><br />
<br />
<!--<br />
DadA-Kritik<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===„Ist doch alles nur Papier!“:<br>[[Schwarzes_Brett|Altes Problem ganz neu: Die Bibliothek der Freien braucht (auch) Geld]]===<br />
Seit nunmehr fast 20 Jahren existiert in Berlin die “Bibliothek der Freien“, die als unabhängige Institution einen Schwerpunkt auf libertäre Literatur legt. Allein in den letzten 3 Jahren gab es ca. 2.000 Neuzugänge. Neben einer Präsenzbibliothek, aus der auch Bücher entliehen werden können, gibt es (Teil-) Nachlässe / archivalische Sammlungen und ein umfangreiches Zeitschriftenarchiv mit libertären Zeitschriften aus zahlreichen Ländern der letzten ca. 150 Jahre, die gerade mit viel Aufwand sortiert und katalogisiert worden sind.<br />
<br />
Nun gründen wir einen Freundeskreis der Bibliothek der Freien. [ . . . [[Schwarzes_Brett|mehr]]] <br />
</div><!-- Ende DadA-Kritik --><br />
<br />
<!--<br />
UNSERE AUTORINNEN<br />
>>>Regelmäßige Veranstaltungen<<<<br />
--><br />
<div style="margin: 0; margin-top:5px; border: 1px solid #68A; padding: 0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size: 85%"><br />
<br />
===Unsere AutorInnen u.a. MitarbeiterInnen===<br />
Jörg Auberg • Walther L. Bernecker • Wolfram Beyer • Walter Bittner • Stefan Blankertz • Michael Bovenschen • Uwe Brodrecht • Manfred Burazerovic • Hans Jürgen Degen • Wolfgang Eckhardt • Walter Fähnders • Will Firth • Enno Gesierich • Hans Ulrich Grunder • Markus Henning • Gottfried Heuer • Ulrich Klemm • Jochen Knoblauch • Bernd A. Laska • Gernot Lennert • Rolf Raasch • Lutz Roemheld • Hartmut Rübner • Jochen Schmück • Maurice Schuhmann • Gerhard Senft • Václav Tomek • Uwe Timm • Siegbert Wolf.<br />
<br />
Wenn Du das '''Lexikon der Anarchie''' als Autorin oder Autor unterstützen willst, dann findest Du hier nähere '''[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Informationen für neue AutorInnen]]'''.<br />
</div><!-- Ende UNSERE AUTORINNEN --><br />
<br />
<!--<br />
BESPRECHUNGEN<br />
>>>Hier Rezensionen und Presseberichte über das ALex-Projekt veröffentlichen<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie]]===<br />
"Das Lexikon [der Anarchie] ist eine ausgezeichnete Informationsquelle, deren Herausgabe hoffentlich fortgesetzt wird, so dass man ein besseres Verständnis über die Mannigfaltigkeit des Anarchismus bekommen kann." (''Arbejterhistorie''. Tidsskrift for Historie, Kultur og Politik, Kopenhagen). <nowiki>[</nowiki>'''[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki><br />
</div><!-- Ende BESPRECHUNGEN --><br />
<br />
<!--<br />
PROBLEMBÖRSE<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECFFF6; font-size:85%"><br />
<br />
=== Hurra, ein Problem! ===<br />
<!-- bitte die brennensten ALex-Probleme eintragen. Sinnvollerweise kleine konkrete Probleme, für die sich am ehesten jemand findet, der die Zeit und Lust hat, sie zu lösen--><br />
Probleme sind Herausforderungen und davon haben wir jede Menge. Zum Beipiel die folgenden:<br />
<br />
* [[DadAWeb:Spenden|Finanzierung der Internetpräsenz]]<br />
* [[Gestaltung eines Logos für das Lexikon der Anarchie]]<br />
* [[Scannen der Beiträge der Printversion]]<br />
* [[OCR der gescannten Beiträge]]<br />
* [[Korrektur der digitalisierten Beiträge]]<br />
* [[Vertretung für den Systemadministrator]]<br />
* [[Programmierung einer Datenbank-Schnittstelle]]<br />
</div><br />
<!-- Ende PROBLEMBÖRSE --><br />
<br />
<!--<br />
I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:#F7ECFF; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalte weiterentwickeln===<br />
Nutze die Möglichkeit zum Dialog mit den AutorInnen des '''Lexikons der Anarchie''', indem Du Deine Meinung und Deine Verbesserungsvorschläge auf der '''Diskussions-Seite''' veröffentlichst, die es zu jedem Artikel gibt. Mitreden und mitmachen kann jede/r, die/der sich auf dem DadAWeb-Portal '''[[Projektteilnahme|als aktive BenutzerIn registriert]]''' hat.<br />
<br />
*'''[[Portal Diskussion:Lexikon der Anarchie|Fragen, Anregungen, Diskussion, Kritik]]'''<br>Hier kannst Du Deine Kritik und Verbesserungsvorschläge zum Projekt des '''Lexikons der Anarchie''', aber natürlich auch Positives loswerden.<br />
<br />
*'''[[Portal:Lexikon der Anarchie/Fehlende Artikel|Fehlende Artikel]]'''<br>Du brauchst Informationen über ein Thema, das noch nicht im '''Lexikon der Anarchie''' behandelt wurde? Dann trage doch Deinen Artikelwunsch in dieser Liste ein! Eine Garantie für schnell verfügbare Artikel können wir zwar nicht übernehmen, aber einen Versuch sollte es immer wert sein. Außerdem bekommen wir so einen Überblick, was unsere LeserInnen ganz besonders interessiert!<br />
<br />
<b>Mail-Kontakt zur DadAWeb-Redaktion: k<s></s>on<s></s>takt<ät>da<s></s>da<s></s>web.<s></s>de</b><br />
<!-- Ende Eintrag I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N --><br />
</div><br />
<br />
<br />
<!-- ####################### ENDE RECHTE SPALTE ####################### --><br />
<br />
|-<br />
| colspan="2" |<br />
<!-- P O R T A L E --><br />
<br />
<div class="BoxenVerschmelzen" style="background-color:white; padding:0em"><br />
</div><br />
<br />
<!-- E N D E P O R T A L E --><br />
|}<br />
<br />
[[Kategorie:Lexikon der Anarchie|Lexikon der Anarchie]]<br />
[[Kategorie:Portal Lexikon der Anarchie|Startseite]]<br />
<br />
__NOTOC__</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Ricardo_Flores_Mag%C3%B3n&diff=11960Ricardo Flores Magón2012-07-25T11:46:07Z<p>Rolf R: /* Ricardo Flores Magón(1873-1922) */</p>
<hr />
<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
<br />
Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Fores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie Michael Bakunin und Pierre Joseph Proudhon. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie Élisée Reclus, Errico Malatesta, Emma Goldman und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Peter Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas)und die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
<br />
<br />
'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
<br />
"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt Regeneration und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. Wuppertal 2004; Bd. 2, S. 323<br />
<br />
<br />
'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
<br />
<br />
'''Das Erbe Magóns'''<br />
<br />
Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
<br />
Autor: Rolf Raasch<br />
<br />
== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
<br />
*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. 2 Bde., Wuppertal 2004<br />
<br />
== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
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<hr />
<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
<br />
Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Fores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie Michael Bakunin und Pierre Joseph Proudhon. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie Élisée Reclus, Errico Malatesta, Emma Goldman und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Peter Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas)und die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
<br />
<br />
'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
<br />
"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt Regeneration und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" Galeano 2004; Bd. 2, S. 323<br />
<br />
<br />
'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
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'''Das Erbe Magóns'''<br />
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Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
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Autor: Rolf Raasch<br />
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== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
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*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. 2 Bde., Wuppertal 2004<br />
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== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
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<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
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Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Fores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie Michael Bakunin und Pierre Joseph Proudhon. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie Élisée Reclus, Errico Malatesta, Emma Goldman und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Peter Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas)und die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
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'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
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"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt Regeneration und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" Galeano 2004; Bd. 2, S. 323<br />
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'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
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'''Das Erbe Magóns'''<br />
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Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
<br />
Autor: Rolf Raasch<br />
<br />
== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
<br />
*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. Bd. 2, Wuppertal 2004<br />
<br />
== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
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<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
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Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Fores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie Michael Bakunin und Pierre Joseph Proudhon. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie Élisée Reclus, Errico Malatesta, Emma Goldman und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Peter Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas)und die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
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'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
<br />
"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt Regeneration und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" In: Galeano, E.: Bd. 2, S. 323<br />
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'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
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'''Das Erbe Magóns'''<br />
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Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
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Autor: Rolf Raasch<br />
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== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
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*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
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*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. Bd. 2, Wuppertal 2004<br />
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== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
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'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
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<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
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Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Fores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie Michael Bakunin und Pierre Joseph Proudhon. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie Élisée Reclus, Errico Malatesta, Emma Goldman und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Peter Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas)und die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
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'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
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"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt Regeneration und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" In: Galeano, E.: Bd. 2, S. 323<br />
<br />
<br />
'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
<br />
<br />
'''Das Erbe Magóns'''<br />
<br />
Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
<br />
Autor: Rolf Raasch<br />
<br />
== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
<br />
*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. Bd. 2, S. 323, Wuppertal 2004<br />
<br />
== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Lexikon_der_Anarchie_(Archiv-Version)&diff=11954Lexikon der Anarchie (Archiv-Version)2012-07-13T12:51:07Z<p>Rolf R: /* Inhalt des Lexikons der Anarchie */</p>
<hr />
<div>{| style="background-color:transparent;"<br />
|-<br />
| colspan="2" |<br />
<br />
<!--<br />
H E A D E R<br />
--><br />
<div style="margin:0; border:1px solid #68A; background-color:white; font-size: 150%; text-align:center"><br />
[[Image:ALex_Logo.gif|700px]]<br />
</div><!-- Ende H E A D E R --><br />
<br />
|-<br />
| width="60%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### LINKE SPALTE ########################### --><br />
<br />
<!--<br />
E I N L E I T U N G<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
===Lexikon der Anarchie: Weiter gehts . . . ===<br />
[[bild:Lexikon_der_Anarchie_Degen.jpg|thumb|left|Das von Hans Jürgen Degen herausgegebene "Lexikon der Anarchie".]]<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Der '''[[Anarchismus]]''' ist eine konkrete soziale und politische Philosophie mit einer mehr als 160jährigen Geschichte. Er hat eine Vielzahl anderer politisch-sozialer Theorien und Theoretiker beeinflusst und ist sowohl in der Kunst, der Literatur als auch in der Wissenschaft vertreten. Mit allen Lebensbereichen der Gesellschaft hat er sich auseinandergesetzt, vieles beeinflusst und manches in Ansätzen verwirklicht. Eine Vielzahl klassischer und aktueller Literatur von Anarchisten, über Anarchismus, für und wider den Anarchismus wurde in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht. In der Regel behandelt diese Literatur nur Teilaspekte der Theorie und Praxis des Anarchismus.</span> <br />
<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Das '''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie]]''' (Projektkurzname: '''ALex''') will versuchen, für den deutschsprachigen Raum eine umfassende Darstellung aller Personen, aller Sachgebiete und aller Organisationen zu bieten, die in direktem oder indirektem Bezug zum Anarchismus standen oder stehen. <nowiki>[</nowiki>'''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> </span><br />
</div><br />
<!-- Ende E I N L E I T U N G --><br />
<br />
<!--<br />
I N H A L T P R I N T A U S G A B E <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalt des Lexikons der Anarchie===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Als Druckversion vergriffen - nun aber bald komplett und überarbeitet im Internet wieder zugänglich: <br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal Personen|Personen]]'''<br />
<br><br><br />
Siegbert Wolf:<br />
'''[[Améry, Jean]]'''<br />
• <br />
Wolfgang Eckhardt: <br />
'''[[Michail Aleksandrovič Bakunin |Michail Aleksandrovič Bakunin]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Berkman, Alexander]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Boétie, Etienne de La]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Brupbacher, Fritz]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Buber, Martin]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Cafiero, Carlo]]'''<br />
• <br />
Normann Stock/Wolfram Beyer: <br />
'''[[Camus, Albert]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Cleyre, Voltairine de]]'''<br />
• <br />
Maurice Schuhmann:<br />
'''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade (Marquis de Sade), Donatien-Aldonze-François]]<br />
•<br />
Marianne Kröger:<br />
'''[[Einstein, Carl]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Faure, Sébastian]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Ferrer, Francisco]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Friedrich, Ernst]]'''<br />
• <br />
Markus Henning: <br />
'''[[Godwin, William]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Goldman, Emma]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Goodman, Paul]]'''<br />
• <br />
Gerhard Bauer: <br />
'''[[Graf, Oskar Maria]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Otto Gross|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Guillaume, James]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Holzmann, Johannes]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders:<br />
'''[[Jung, Franz|Jung, Franz]]'''<br />
• <br />
Richard Cleminson: <br />
'''[[Ibánez, Félix Martí]]'''<br />
• <br />
Werner Portmann: <br />
'''[[Koechlin, Heinrich Eduard]]'''<br />
•<br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Landauer, Gustav]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Lazare, Bernard]]'''<br />
• <br />
Stefan Preuß: <br />
'''[[Lecoin, Louis]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Arthur_Lehning|Lehning, Authur]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg:<br />
'''[[Dwight Macdonald |Macdonald, Dwight]]'''<br />
•<br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Ricardo Flores Magón]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[John Henry Mackay |Mackay, John Henry]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Malatesta, Errico]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Dora Marsden|Marsden, Dora]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Meijer-Wichmann, Clara]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Michel, Louise]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Michels, Robert]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Montseny, Federica]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Morris, William]]'''<br />
• <br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Mühsam, Erich]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Nettlau, Max]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Neumann, Stanislav Kostka]]'''<br />
• <br />
Gerhard Senft: <br />
'''[[Oppenheimer, Franz]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Proudhon, Pierre-Joeseph]]'''<br />
• <br />
Adi Rasworschegg: <br />
'''[[Ramus, Pierre]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Wilhelm Reich|Reich, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Reimers, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Robin, Paul]]'''<br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Rocker, Rudolf]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Rothbard, Murray]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Scholem, Gershom]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Max Stirner|Stirner, Max]]'''<br />
• <br />
Henning Zimpel und Walter Fähnders: <br />
'''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Tolstoi, Leo N.]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[B. Traven| B. Traven (Ret Marut)]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Tucker, Benjamin R.]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Vernet, Madeleine]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Vrbenský, Bohuslav]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Weil, Simone]]'''<br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Winstanley, Gerrard]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Wintsch, Jean]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Witkop, Milly|Witkop, Milly]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Organisationen|Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
<br><br><br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' <br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Diggers]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Federación Anarquista Ibérica (FAI)]]''' <br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten)]]'''<br />
• <br />
Uwe Brodrecht: <br />
'''[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[IAA]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Juraföderation]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Kibbuzbewegung]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
•<br />
Markus Henning: <br />
'''[[Provos]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Wiedertäufer (Anabaptisten)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[War Resisters' International (WRI)]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Sachthemen|Sachthemen]]'''<br />
<br><br><br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes |Anarchie, Anarchist und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Individualistischer Anarchismus|Anarchismus, Individualistischer]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch: <br />
'''[[Anarchismus, Neo-]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Anarchismusforschung, deutschsprachige nach 1945]]''' <br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Anti-Militarismus]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Antipädagogik]]'''<br />
• <br />
Will Firth: <br />
'''[[Esperanto]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Föderalismus]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Freie Liebe]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Freiheit]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Geld]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Haymarket]]'''<br />
• <br />
Masamichi Osawa: <br />
'''[[Japan]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Judentum und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Kampf (die Zeitschrift)|"Kampf"]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Märzrevolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Marxismus]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Mexikanische Revolution]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder:<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Pädagogik]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Pädagogik (historisch)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Pazifismus]]'''<br />
• <br />
Gerhard Kern: <br />
'''[[Selbstverwaltung]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Spanischer Bürgerkrieg]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Schulen, Weltliche]]'''<br />
• <br />
Dieter Scholz: <br />
'''[[Schwarze Fahne]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Tschechischer Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[USA]]'''<br />
• <br />
Mina Grauer: <br />
'''[[Zionismus]]'''<br />
</span><br />
</div><!-- Ende I N H A L T P R I N T A U S G A B E --><br />
<!--<br />
L E G E N D E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
'''Legende''': Die '''fett''' hervorgehobenen und als '''<span style="color:#27408B">blauer Link</span>''' erkennbaren Titel können bereits '''jetzt''' genutzt werden, während die '''<span style="color:#CD2626"> rot</span>''' gekennzeichneten Beiträge gerade bearbeitet und demnächst veröffentlicht werden.<br />
</div><!-- Ende L E G E N D E A R T I K E L --><br />
<!--<br />
G E P L A N T E B E I T R Ä G E<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal:Lexikon_der_Anarchie/Fehlende_Artikel|Geplante Neubeiträge für das Lexikon der Anarchie]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Agnoli, Johannes|Agnoli, Johannes]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Anarchismus und Psychoanalyse|Anarchismus und Psychoanalyse]]'''<br />
Marcel Gruber:<br />
'''[[Josef Bovshover|Josef Bovshover]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Der Einzige und sein Eigentum|Der Einzige und sein Eigentum]]'''<br />
•<br />
Walter Bittner:<br />
'''[[Federación Obrera Regional Argentina (FORA)]]'''<br />
•<br />
Dieter Nelles:<br />
'''[[Das Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945)]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Gross, Otto|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Senna Hoy|Senna Hoy]]'''<br />
• <br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Marr, Wilhelm|Marr, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Julien Offray de La Mettrie|La Mettrie, Julien Offray de]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Nohl, Johannes |Nohl, Johannes]]'''<br />
•<br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Élisée Reclus|Reclus, Élisée]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Sexuelle Revolution|Sexuelle Revolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Tresca, Carlo|Tresca, Carlo]]'''<br />
• <br />
Sebastian Kalicher:<br />
'''[[Anarchists Against The Wall (AATW)]]'''<br />
</span></div><br />
<br />
<br />
<!-- Ende G E P L A N T E B E I T R Ä G E --><br />
<br />
<!--<br />
PROJEKTWERKSTATT<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #ECFFF6; font-size:85%"><br />
<br />
===Projektwerkstatt===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie: Projektbeschreibung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Wie kann ich das Lexikon der Anarchie unterstützen? ]]'''<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept|Das Konzept]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Editoriale_Regeln|Die editorialen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Redaktionelle_Regeln|Die redaktionellen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_-_Inhaltsverzeichnis_der_Printversion|Inhalt der Printversion und Arbeitsplan zur Digitalisierung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_.28Internetversion.29_-_Vorschl.C3.A4ge_f.C3.BCr_neue_Beitr.C3.A4ge|Geplante neue Beiträge]]<br />
• <br />
[[DadAWeb:Hilfe|DadAWeb-Hilfe: Deine Ersten Schritte im DadAWeb]]<br />
</span></div><br />
<!-- Ende Eintrag PROJEKTWERKSTATT--><br />
<br />
<!--<br />
ALEX JOBBÖRSE<br />
>>>Hier die Jobs im DadA/ALex-Projekt auflisten<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Jobbörse===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Neben neuen AutorInnen brauchen wir für den Aufbau des '''Lexikons der Anarchie''' auch in anderen Bereichen des Projektes '''dringend Unterstützung'''. Dies gilt insbesondere für die folgenden Bereiche: Projektmanagement • Systemadministration • Webdevelopment • Grafik- und Webdesign • Contentmanagement • Lektorat • Redaktion • Öffentlichkeitsarbeit/Promotion • Produktentwicklung. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende ALEX JOBBÖRSE --><br />
<br />
<!--<br />
Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die '''Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus (DadA)''' und das '''Lexikon der Anarchie''' sind bestrebt, alle Forschungs- und Publikationsvorhaben im Bereich der Anarchismusforschung und angrenzender Gebiete für den deutschen Sprachraum zu dokumentieren. Hierfür haben wir auf dem DadAWeb-Portal die Dokumentation "[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]" eingerichtet, in der entsprechende Vorhaben der Fachöffentlichkeit sowie allen am Thema Interessierten vorgestellt werden können. <nowiki>[</nowiki>'''[[Portal Forschungsprojekte|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</span></div><br />
<!-- Ende Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte--><br />
<br />
<!--<br />
DadA-Spendenkampagne<br />
>>>Teaser Spendenkampagne<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
[[Bild:Reichstag.jpg|right|120px]]<br />
===Anarchisten kaufen den Reichstag ! ===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die erste von 99 verrückten Ideen für eine [[DadAWeb:Spenden|Kampagne zum Erhalt des DadAWeb]]. Hast Du eine bessere Idee? Dann mach' mit und wir gewinnen alle! <nowiki>[</nowiki>'''[[Diskussion:99 verrückte Ideen|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki>. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende DadA-Spendenkampagne --><br />
<br />
<!-- ####################### ENDE LINKE SPALTE ####################### --><br />
| width="40%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### BEGINN RECHTE SPALTE ########################### --><br />
<!--<br />
Kurznachricht <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #F2F2F2; font-size:85%"><br />
<br />
[[Bild:ALibro-Logo.png|right|150px]]<br />
===[[ALibro-Projekt|aLibro: Die Fachbuchhandlung für Anarchie und Anarchismus]]===<br />
Die Autorenbuchhandlung des DadAWeb ist auf Literatur spezialisiert, die für die deutschsprachige Anarchie- und Anarchismusforschung von Interesse ist. Neben aktuellen Neuerscheinungen und noch lieferbaren Titeln aus der Backlist bietet '''[http://www.alibro.de aLibro]''' auch gebrauchte Bücher sowie '''[http://www.alibro.de/index.php/cat/c428_Raritaeten-Sammlerstuecke.html echte Raritäten für Sammler]''' an. Darüber hinaus wird '''[http://www.alibro.de aLibro]''' in Kooperation mit Buch- und Zeitschriftenverlagen auch digitale Publikationen (z.B. Fachaufsätze oder eBooks von vergriffenen Buchtiteln) anbieten. <nowiki>[</nowiki>'''[[ALibro-Projekt|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende Kurznachricht --><br />
<br />
<!--<br />
N E U E A R T I K E L<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
=== Neue Artikel im Lexikon der Anarchie ===<br />
<!-- bitte immer die letzten 10 neu auf dem Portal eingestellten Artikel eintragen--><br />
* '''[[Johannes Holzmann]]''' von Walter Fähnders<br />
* '''[[Freie Liebe]]''' von Hubert van den Berg<br />
* '''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade, D.-A.-François]]''' von Maurice Schuhmann<br />
* '''[[Diggers]]''' von Gernot Lennert<br />
* '''[[Dwight Macdonald]]''' von Jörg Auberg <br />
* '''[[Simone Weil]]''' von Hans Jürgen Degen<br />
* '''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]''' von Henning Zimpel und Walter Fähnders<br />
* '''[[Franz Oppenheimer]]''' von Gerhard Senft<br />
* '''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' von Walther L. Bernecker<br />
* '''[[Ramus, Pierre]]''' von Adi Rasworschegg<br />
</div><br />
<!-- Ende N E U E A R T I K E L --><br />
<br />
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DADA BUCHEMPFEHLUNG<br />
>>>Hier die jeweils jüngste DadA-Buchempfehlung einstellen<<<<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die DadA-Buchempfehlung===<br />
[[Bild:978-3868410686_Landauer-Ausgewaehlte_Schriften_Bd_5.jpg|right|150px]]<br />
<br />
===[[Gustav Landauer: Philosophie und Judentum]]===<br />
'''Gustav Landauer: Ausgewählte Schriften - Band 5'''. Herausgegeben von Siegbert Wolf und illustriert von Uwe Rausch.<br />
Lich: Verlag Edition AV, 2012, 445 Seiten, 22,00 €. ISBN-13: 978-3868410686..<br />
<br />
Die Erkundungsreise in das Werk von Gustav Landauer (1870-1919) geht weiter. Beschäftigten sich die bisher erschienenen ersten vier Bände der von Siegbert Wolf herausgegebenen Edition der Ausgewählten Schriften Gustav Landauers mit den Themen Antipolitik, Anarchismus, Internationalismus, Nation, Krieg und Revolution, so berücksichtigt der nun vorliegende fünfte Band speziell Landauers Schriften zur Philosophie und zum Judentum.<br />
<br />
Für Gustav Landauer war die Beschäftigung mit Philosophie, ebenso wie auch die mit Literatur und dem Theater, nie Selbstzweck gewesen. Vielmehr sollte sich Philosophie unmittelbar an der gesellschaftlichen Praxis ausrichten und das Ziel einer globalen Menschwerdung auf der Grundlage von Freiheit, Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit verfolgen. <br />
<br><br />
<nowiki>[</nowiki>'''[[Gustav Landauer: Philosophie und Judentum|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende DadA-Buchempfehlung --><br />
<br />
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TOP TEN<br />
>>>Die zehn populärsten Artikel<<<<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Top-Ten===<br />
Die zur Zeit zehn populärsten Lexikon-Artikel sind:<br />
<br />
#[[Neoanarchismus]] (31.971 Abfragen) <br />
#[[Gustav Landauer]] (31.331 Abfragen)<br />
#[[Martin Buber]] (25.487 Abfragen) <br />
#[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]] (24.681 Abfragen) <br />
#[[Améry, Jean]] ((23.560 Abfragen) <br />
#[[Anarchie, Anarchist und Anarchismus]] (22.823 Abfragen)<br />
#[[John Henry Mackay]] (20.821 Abfragen) <br />
#[[Albert Camus]] (18.479 Abfragen)<br />
#[[Franz Jung]] (16.904 Abfragen) <br />
#[[Mühsam, Erich]] (16.457 Abfragen)<br />
</div><!-- Ende U N S E R E B E S T E N --><br />
<br />
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DadA-Kritik<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===„Ist doch alles nur Papier!“:<br>[[Schwarzes_Brett|Altes Problem ganz neu: Die Bibliothek der Freien braucht (auch) Geld]]===<br />
Seit nunmehr fast 20 Jahren existiert in Berlin die “Bibliothek der Freien“, die als unabhängige Institution einen Schwerpunkt auf libertäre Literatur legt. Allein in den letzten 3 Jahren gab es ca. 2.000 Neuzugänge. Neben einer Präsenzbibliothek, aus der auch Bücher entliehen werden können, gibt es (Teil-) Nachlässe / archivalische Sammlungen und ein umfangreiches Zeitschriftenarchiv mit libertären Zeitschriften aus zahlreichen Ländern der letzten ca. 150 Jahre, die gerade mit viel Aufwand sortiert und katalogisiert worden sind.<br />
<br />
Nun gründen wir einen Freundeskreis der Bibliothek der Freien. [ . . . [[Schwarzes_Brett|mehr]]] <br />
</div><!-- Ende DadA-Kritik --><br />
<br />
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UNSERE AUTORINNEN<br />
>>>Regelmäßige Veranstaltungen<<<<br />
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<div style="margin: 0; margin-top:5px; border: 1px solid #68A; padding: 0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size: 85%"><br />
<br />
===Unsere AutorInnen u.a. MitarbeiterInnen===<br />
Jörg Auberg • Walther L. Bernecker • Wolfram Beyer • Walter Bittner • Stefan Blankertz • Michael Bovenschen • Uwe Brodrecht • Manfred Burazerovic • Hans Jürgen Degen • Wolfgang Eckhardt • Walter Fähnders • Will Firth • Enno Gesierich • Hans Ulrich Grunder • Markus Henning • Gottfried Heuer • Ulrich Klemm • Jochen Knoblauch • Bernd A. Laska • Gernot Lennert • Rolf Raasch • Lutz Roemheld • Hartmut Rübner • Jochen Schmück • Maurice Schuhmann • Gerhard Senft • Václav Tomek • Uwe Timm • Siegbert Wolf.<br />
<br />
Wenn Du das '''Lexikon der Anarchie''' als Autorin oder Autor unterstützen willst, dann findest Du hier nähere '''[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Informationen für neue AutorInnen]]'''.<br />
</div><!-- Ende UNSERE AUTORINNEN --><br />
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BESPRECHUNGEN<br />
>>>Hier Rezensionen und Presseberichte über das ALex-Projekt veröffentlichen<<<<br />
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<br />
===[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie]]===<br />
"Das Lexikon [der Anarchie] ist eine ausgezeichnete Informationsquelle, deren Herausgabe hoffentlich fortgesetzt wird, so dass man ein besseres Verständnis über die Mannigfaltigkeit des Anarchismus bekommen kann." (''Arbejterhistorie''. Tidsskrift for Historie, Kultur og Politik, Kopenhagen). <nowiki>[</nowiki>'''[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki><br />
</div><!-- Ende BESPRECHUNGEN --><br />
<br />
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PROBLEMBÖRSE<br />
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<br />
=== Hurra, ein Problem! ===<br />
<!-- bitte die brennensten ALex-Probleme eintragen. Sinnvollerweise kleine konkrete Probleme, für die sich am ehesten jemand findet, der die Zeit und Lust hat, sie zu lösen--><br />
Probleme sind Herausforderungen und davon haben wir jede Menge. Zum Beipiel die folgenden:<br />
<br />
* [[DadAWeb:Spenden|Finanzierung der Internetpräsenz]]<br />
* [[Gestaltung eines Logos für das Lexikon der Anarchie]]<br />
* [[Scannen der Beiträge der Printversion]]<br />
* [[OCR der gescannten Beiträge]]<br />
* [[Korrektur der digitalisierten Beiträge]]<br />
* [[Vertretung für den Systemadministrator]]<br />
* [[Programmierung einer Datenbank-Schnittstelle]]<br />
</div><br />
<!-- Ende PROBLEMBÖRSE --><br />
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I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:#F7ECFF; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalte weiterentwickeln===<br />
Nutze die Möglichkeit zum Dialog mit den AutorInnen des '''Lexikons der Anarchie''', indem Du Deine Meinung und Deine Verbesserungsvorschläge auf der '''Diskussions-Seite''' veröffentlichst, die es zu jedem Artikel gibt. Mitreden und mitmachen kann jede/r, die/der sich auf dem DadAWeb-Portal '''[[Projektteilnahme|als aktive BenutzerIn registriert]]''' hat.<br />
<br />
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<!-- ####################### ENDE RECHTE SPALTE ####################### --><br />
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[[Kategorie:Lexikon der Anarchie|Lexikon der Anarchie]]<br />
[[Kategorie:Portal Lexikon der Anarchie|Startseite]]<br />
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__NOTOC__</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=11953Traven, B.2012-07-13T12:20:27Z<p>Rolf R: /* Biografie und politische Entwicklung */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geb. 23. Februar 1882 in Schwiebus; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt) ist das Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs, individualanarchistischen Journalisten und Schriftstellers [[Ret Marut]], unter dem er ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg) geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftssekretär tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualanarchistische]] und [[pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Erich Mühsam |Erich Mühsam]] und [[Gustav Landauer|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er eine Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen.<br />
Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.<br />
Der Travenbiograf Jan-Christof Hausschild hat im Jahr 2012 in seinem Buch "B. Traven - Die unbekannten Jahre" die Identität Marut/Travens mit Herrmann Albert Otto Max Feige (vorerst?) abschließend nachgewiesen.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Helmes, Günter: B. Traven. Frühe Romane und mediale Adaptionen. Carl Böschen Verlag, Siegen 2003<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
----<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=11952Traven, B.2012-07-13T12:18:17Z<p>Rolf R: /* Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geb. 23. Februar 1882 in Schwiebus; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt) ist das Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs, individualanarchistischen Journalisten und Schriftstellers [[Ret Marut]], unter dem er ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg)geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftsvertreter tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualanarchistische]] und [[pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Erich Mühsam |Erich Mühsam]] und [[Gustav Landauer|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er eine Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen.<br />
Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.<br />
Der Travenbiograf Jan-Christof Hausschild hat im Jahr 2012 in seinem Buch "B. Traven - Die unbekannten Jahre" die Identität Marut/Travens mit Herrmann Albert Otto Max Feige (vorerst?) abschließend nachgewiesen.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Helmes, Günter: B. Traven. Frühe Romane und mediale Adaptionen. Carl Böschen Verlag, Siegen 2003<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
----<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=11951Traven, B.2012-07-13T12:15:36Z<p>Rolf R: /* Ein Anarchist als Bestsellerautor */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geb. 23. Februar 1882 in Schwiebus; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt) ist das Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs, individualanarchistischen Journalisten und Schriftstellers [[Ret Marut]], unter dem er ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg)geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftsvertreter tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualanarchistische]] und [[pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Erich Mühsam |Erich Mühsam]] und [[Gustav Landauer|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er eine Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen.<br />
Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.<br />
Der Travenbiograf Jan-Christof Hausschild hat im Jahr 2012 in seinem Buch "B. Traven - Die unbekannten Jahre" die Identität Marut/Travens mit Herrmann Albert Otto Max Feige (vorerst?) abschließend nachgewiesen.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
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<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=11950Traven, B.2012-07-13T12:07:45Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geb. 23. Februar 1882 in Schwiebus; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt) ist das Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs, individualanarchistischen Journalisten und Schriftstellers [[Ret Marut]], unter dem er ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg)geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftsvertreter tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualanarchistische]] und [[pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Erich Mühsam |Erich Mühsam]] und [[Gustav Landauer|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er eine Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen.<br />
Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
----<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=11945Traven, B.2012-07-10T14:50:12Z<p>Rolf R: /* Ein Anarchist als Bestsellerautor */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geburtsdatum unbekannt; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt). Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs und individualanarchistischen Schriftstellers [[Ret Marut]], der ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
Das eigentliche Geburtsdatum Travens ist nicht ermittelbar. Gegenüber den Meldebehörden vor 1919 in Deutschland hatte Traven angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens kann nur spekuliert werden. Die ersten biografischen Informationen entstammen dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in dieser Zeit auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Blättern.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualanarchistische]] und [[pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Erich Mühsam |Erich Mühsam]] und [[Gustav Landauer|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er einen Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen.<br />
Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
----<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Traven,_B.&diff=11944Traven, B.2012-07-10T14:48:44Z<p>Rolf R: /* Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: */</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''B. Traven''' (Geburtsdatum unbekannt; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt). Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs und individualanarchistischen Schriftstellers [[Ret Marut]], der ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt. <br />
<br />
== Biografie und politische Entwicklung ==<br />
Das eigentliche Geburtsdatum Travens ist nicht ermittelbar. Gegenüber den Meldebehörden vor 1919 in Deutschland hatte Traven angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.<br />
<br />
Über die frühen Lebensjahre Travens kann nur spekuliert werden. Die ersten biografischen Informationen entstammen dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in dieser Zeit auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Blättern.<br />
<br />
[[Bild:Der Ziegelbrenner.jpg|thumb|left|240px|"Der Ziegelbrenner" Nr. 1, Sep. 1917]]<br />
<br />
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die [[individualanarchistische]] und [[pazifistische]] Zeitschrift "[http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001415.HTM Der Ziegelbrenner]" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte.<br />
Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit [[Ernst Toller]], Kurt Eisner, [[Erich Mühsam |Erich Mühsam]] und [[Gustav Landauer|Gustav Landauer]] an der [[bayerischen Räterepublik]] beteiligt war: <br />
<br />
''"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er einen Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:<br />
<br />
''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´<br />
<br />
''Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."''<br />
<br />
(Aus [[Benutzer:Jochen_S|Jochen Schmück]]: "Der deutschsprachige [[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes | Anarchismus]]" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)<br />
<br />
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.<br />
<br />
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.<br />
<br />
== Von Ret Marut zu B. Traven ==<br />
<br />
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. <br />
In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.<br />
<br />
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen [[linksradikalen]] Kreisen verkehrte. <br />
<br />
== B. Traven und die "[[Wobblies]]" ==<br />
<br />
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft [[I.W.W.]] ("[[Industrial Workers of the World]]"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly".<br />
Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. <br />
Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des [[Anarchosyndikalismus]] lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage. <br />
<br />
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als [[Kriegsdienstverweigerer]] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W. <br />
<br />
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). <br />
Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. <br />
Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.<br />
<br />
== Travens mexikanisches Werk ==<br />
<br />
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot.<br />
Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. <br />
In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln.<br />
Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. <br />
Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen.<br />
Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.<br />
<br />
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. <br />
Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern:<br />
Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).<br />
<br />
== Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus" ==<br />
<br />
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte:<br />
Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). <br />
Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. <br />
Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der [[Mexikanischen Revolution]] von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. <br />
Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat. <br />
<br />
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten [[Russischen Revolution]] von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. [[Ricardo Flores Magón]], eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung [[Emiliano Zapatas]], schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. <br />
Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig. <br />
<br />
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind.<br />
Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen.<br />
Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. <br />
Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.<br />
<br />
== Schwierige Zeiten ==<br />
<br />
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. <br />
Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an.<br />
Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. <br />
Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort. <br />
<br />
== Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges ==<br />
<br />
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren. <br />
<br />
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.<br />
<br />
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt. <br />
<br />
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. <br />
Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht.<br />
Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte.<br />
Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.<br />
<br />
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.<br />
<br />
== Ein Anarchist als Bestsellerautor ==<br />
<br />
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.<br />
<br />
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand.<br />
Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.<br />
<br />
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "[[68er-Revolte]]", vorwiegend als politischen Autor:<br />
1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch.<br />
Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.<br />
<br />
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: <br />
Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis.<br />
Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. <br />
Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.<br />
<br />
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. <br />
Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte. <br />
Aber wer der Mensch vor Ret Marut gewesen ist, bleibt auch weiterhin völlig unklar.<br />
<br />
== Werke: ==<br />
<br />
*Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967<br />
<br />
*Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926<br />
<br />
*Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928<br />
<br />
*Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928 <br />
<br />
*Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929<br />
<br />
*Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931<br />
<br />
*Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933<br />
<br />
*Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936<br />
<br />
*Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940<br />
<br />
*Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958<br />
<br />
*Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960<br />
<br />
*Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978 <br />
<br />
*Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992<br />
<br />
*Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.<br />
<br />
== Eine Auswahl von Literatur über B. Traven: ==<br />
*Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978 <br />
<br />
*Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976 <br />
<br />
*Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005<br />
<br />
*Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012<br />
<br />
*Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004<br />
<br />
*Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996 <br />
<br />
*Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986<br />
<br />
*Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996<br />
<br />
*Raasch, Rolf: [[Rolf_Raasch:_B._Traven_und_Mexiko|B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise]]. Oppo-Verlag, Berlin 2006<br />
<br />
*Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966<br />
<br />
*Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982<br />
<br />
----<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Lexikon_der_Anarchie_(Archiv-Version)&diff=11153Lexikon der Anarchie (Archiv-Version)2011-02-02T12:57:29Z<p>Rolf R: /* Geplante Neubeiträge für das Lexikon der Anarchie */</p>
<hr />
<div>{| style="background-color:transparent;"<br />
|-<br />
| colspan="2" |<br />
<br />
<!--<br />
H E A D E R<br />
--><br />
<div style="margin:0; border:1px solid #68A; background-color:white; font-size: 150%; text-align:center"><br />
[[Image:ALex_Logo.gif|700px]]<br />
</div><!-- Ende H E A D E R --><br />
<br />
|-<br />
| width="60%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### LINKE SPALTE ########################### --><br />
<br />
<!--<br />
E I N L E I T U N G<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
===Lexikon der Anarchie: Weiter gehts . . . ===<br />
[[bild:Lexikon_der_Anarchie_Degen.jpg|thumb|left|Das von Hans Jürgen Degen herausgegebene "Lexikon der Anarchie".]]<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Der '''[[Anarchismus]]''' ist eine konkrete soziale und politische Philosophie mit einer mehr als 160jährigen Geschichte. Er hat eine Vielzahl anderer politisch-sozialer Theorien und Theoretiker beeinflusst und ist sowohl in der Kunst, der Literatur als auch in der Wissenschaft vertreten. Mit allen Lebensbereichen der Gesellschaft hat er sich auseinandergesetzt, vieles beeinflusst und manches in Ansätzen verwirklicht. Eine Vielzahl klassischer und aktueller Literatur von Anarchisten, über Anarchismus, für und wider den Anarchismus wurde in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht. In der Regel behandelt diese Literatur nur Teilaspekte der Theorie und Praxis des Anarchismus.</span> <br />
<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Das '''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie]]''' (Projektkurzname: '''ALex''') will versuchen, für den deutschsprachigen Raum eine umfassende Darstellung aller Personen, aller Sachgebiete und aller Organisationen zu bieten, die in direktem oder indirektem Bezug zum Anarchismus standen oder stehen. <nowiki>[</nowiki>'''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> </span><br />
</div><br />
<!-- Ende E I N L E I T U N G --><br />
<br />
<!--<br />
I N H A L T P R I N T A U S G A B E <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalt des Lexikons der Anarchie===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Als Druckversion vergriffen - nun aber bald komplett und überarbeitet im Internet wieder zugänglich: <br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal Personen|Personen]]'''<br />
<br><br><br />
Siegbert Wolf:<br />
'''[[Améry, Jean]]'''<br />
• <br />
Wolfgang Eckhardt: <br />
'''[[Michail Aleksandrovič Bakunin |Michail Aleksandrovič Bakunin]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Berkman, Alexander]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Boétie, Etienne de La]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Brupbacher, Fritz]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Buber, Martin]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Cafiero, Carlo]]'''<br />
• <br />
Normann Stock/Wolfram Beyer: <br />
'''[[Camus, Albert]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Cleyre, Voltairine de]]'''<br />
• <br />
Maurice Schuhmann:<br />
'''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade (Marquis de Sade), Donatien-Aldonze-François]]<br />
•<br />
Marianne Kröger:<br />
'''[[Einstein, Carl]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Faure, Sébastian]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Ferrer, Francisco]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Friedrich, Ernst]]'''<br />
• <br />
Markus Henning: <br />
'''[[Godwin, William]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Goldman, Emma]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Goodman, Paul]]'''<br />
• <br />
Gerhard Bauer: <br />
'''[[Graf, Oskar Maria]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Otto Gross|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Guillaume, James]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Holzmann, Johannes]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders:<br />
'''[[Jung, Franz|Jung, Franz]]'''<br />
• <br />
Richard Cleminson: <br />
'''[[Ibánez, Félix Martí]]'''<br />
• <br />
Werner Portmann: <br />
'''[[Koechlin, Heinrich Eduard]]'''<br />
•<br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Landauer, Gustav]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Lazare, Bernard]]'''<br />
• <br />
Stefan Preuß: <br />
'''[[Lecoin, Louis]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Arthur_Lehning|Lehning, Authur]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg:<br />
'''[[Dwight Macdonald |Macdonald, Dwight]]'''<br />
•<br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Ricardo Flores Magón]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[John Henry Mackay |Mackay, John Henry]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Malatesta, Errico]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Dora Marsden|Marsden, Dora]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Meijer-Wichmann, Clara]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Michel, Louise]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Michels, Robert]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Montseny, Federica]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Morris, William]]'''<br />
• <br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Mühsam, Erich]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Nettlau, Max]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Neumann, Stanislav Kostka]]'''<br />
• <br />
Gerhard Senft: <br />
'''[[Oppenheimer, Franz]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Proudhon, Pierre-Joeseph]]'''<br />
• <br />
Adi Rasworschegg: <br />
'''[[Ramus, Pierre]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Wilhelm Reich|Reich, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Reimers, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Robin, Paul]]'''<br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Rocker, Rudolf]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Rothbard, Murray]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Scholem, Gershom]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Max Stirner|Stirner, Max]]'''<br />
• <br />
Henning Zimpel und Walter Fähnders: <br />
'''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Tolstoi, Leo N.]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Traven, B.|Traven, B. (Ret Marut)]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Tucker, Benjamin R.]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Vernet, Madeleine]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Vrbenský, Bohuslav]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Weil, Simone]]'''<br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Winstanley, Gerrard]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Wintsch, Jean]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Witkop, Milly|Witkop, Milly]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Organisationen|Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
<br><br><br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' <br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Diggers]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Federación Anarquista Ibérica (FAI)]]''' <br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten)]]'''<br />
• <br />
Uwe Brodrecht: <br />
'''[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[IAA]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Juraföderation]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Kibbuzbewegung]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
•<br />
Markus Henning: <br />
'''[[Provos]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Wiedertäufer (Anabaptisten)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[War Resisters' International (WRI)]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Sachthemen|Sachthemen]]'''<br />
<br><br><br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes |Anarchie, Anarchist und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Individualistischer Anarchismus|Anarchismus, Individualistischer]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch: <br />
'''[[Anarchismus, Neo-]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Anarchismusforschung, deutschsprachige nach 1945]]''' <br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Anti-Militarismus]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Antipädagogik]]'''<br />
• <br />
Will Firth: <br />
'''[[Esperanto]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Föderalismus]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Freie Liebe]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Freiheit]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Geld]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Haymarket]]'''<br />
• <br />
Masamichi Osawa: <br />
'''[[Japan]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Judentum und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Kampf (die Zeitschrift)|"Kampf"]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Märzrevolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Marxismus]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Mexikanische Revolution]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder:<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Pädagogik]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Pädagogik (historisch)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Pazifismus]]'''<br />
• <br />
Gerhard Kern: <br />
'''[[Selbstverwaltung]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Spanischer Bürgerkrieg]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Schulen, Weltliche]]'''<br />
• <br />
Dieter Scholz: <br />
'''[[Schwarze Fahne]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Tschechischer Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[USA]]'''<br />
• <br />
Mina Grauer: <br />
'''[[Zionismus]]'''<br />
</span><br />
</div><!-- Ende I N H A L T P R I N T A U S G A B E --><br />
<!--<br />
L E G E N D E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
'''Legende''': Die '''fett''' hervorgehobenen und als '''<span style="color:#27408B">blauer Link</span>''' erkennbaren Titel können bereits '''jetzt''' genutzt werden, während die '''<span style="color:#CD2626"> rot</span>''' gekennzeichneten Beiträge gerade bearbeitet und demnächst veröffentlicht werden.<br />
</div><!-- Ende L E G E N D E A R T I K E L --><br />
<!--<br />
G E P L A N T E B E I T R Ä G E<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal:Lexikon_der_Anarchie/Fehlende_Artikel|Geplante Neubeiträge für das Lexikon der Anarchie]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Agnoli, Johannes|Agnoli, Johannes]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Anarchismus und Psychoanalyse|Anarchismus und Psychoanalyse]]'''<br />
Marcel Gruber:<br />
'''[[Josef Bovshover|Josef Bovshover]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Der Einzige und sein Eigentum|Der Einzige und sein Eigentum]]'''<br />
•<br />
Walter Bittner:<br />
'''[[Federación Obrera Regional Argentina (FORA)]]'''<br />
•<br />
Dieter Nelles:<br />
'''[[Das Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945)]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Gross, Otto|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Senna Hoy|Senna Hoy]]'''<br />
• <br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Marr, Wilhelm|Marr, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Julien Offray de La Mettrie|La Mettrie, Julien Offray de]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Nohl, Johannes |Nohl, Johannes]]'''<br />
•<br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Élisée Reclus|Reclus, Élisée]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Sexuelle Revolution|Sexuelle Revolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Tresca, Carlo|Tresca, Carlo]]'''<br />
• <br />
Sebastian Kalicher:<br />
'''[[Anarchists Against The Wall (AATW)]]'''<br />
</span></div><br />
<br />
<br />
<!-- Ende G E P L A N T E B E I T R Ä G E --><br />
<br />
<!--<br />
PROJEKTWERKSTATT<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #ECFFF6; font-size:85%"><br />
<br />
===Projektwerkstatt===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie: Projektbeschreibung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Wie kann ich das Lexikon der Anarchie unterstützen? ]]'''<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept|Das Konzept]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Editoriale_Regeln|Die editorialen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Redaktionelle_Regeln|Die redaktionellen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_-_Inhaltsverzeichnis_der_Printversion|Inhalt der Printversion und Arbeitsplan zur Digitalisierung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_.28Internetversion.29_-_Vorschl.C3.A4ge_f.C3.BCr_neue_Beitr.C3.A4ge|Geplante neue Beiträge]]<br />
• <br />
[[DadAWeb:Hilfe|DadAWeb-Hilfe: Deine Ersten Schritte im DadAWeb]]<br />
</span></div><br />
<!-- Ende Eintrag PROJEKTWERKSTATT--><br />
<br />
<!--<br />
ALEX JOBBÖRSE<br />
>>>Hier die Jobs im DadA/ALex-Projekt auflisten<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Jobbörse===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Neben neuen AutorInnen brauchen wir für den Aufbau des '''Lexikons der Anarchie''' auch in anderen Bereichen des Projektes '''dringend Unterstützung'''. Dies gilt insbesondere für die folgenden Bereiche: Projektmanagement • Systemadministration • Webdevelopment • Grafik- und Webdesign • Contentmanagement • Lektorat • Redaktion • Öffentlichkeitsarbeit/Promotion • Produktentwicklung. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende ALEX JOBBÖRSE --><br />
<br />
<!--<br />
Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die '''Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus (DadA)''' und das '''Lexikon der Anarchie''' sind bestrebt, alle Forschungs- und Publikationsvorhaben im Bereich der Anarchismusforschung und angrenzender Gebiete für den deutschen Sprachraum zu dokumentieren. Hierfür haben wir auf dem DadAWeb-Portal die Dokumentation "[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]" eingerichtet, in der entsprechende Vorhaben der Fachöffentlichkeit sowie allen am Thema Interessierten vorgestellt werden können. <nowiki>[</nowiki>'''[[Portal Forschungsprojekte|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</span></div><br />
<!-- Ende Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte--><br />
<br />
<!--<br />
DadA-Spendenkampagne<br />
>>>Teaser Spendenkampagne<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
[[Bild:Reichstag.jpg|right|120px]]<br />
===Anarchisten kaufen den Reichstag ! ===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die erste von 99 verrückten Ideen für eine [[DadAWeb:Spenden|Kampagne zum Erhalt des DadAWeb]]. Hast Du eine bessere Idee? Dann mach' mit und wir gewinnen alle! <nowiki>[</nowiki>'''[[Diskussion:99 verrückte Ideen|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki>. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende DadA-Spendenkampagne --><br />
<br />
<!-- ####################### ENDE LINKE SPALTE ####################### --><br />
| width="40%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### BEGINN RECHTE SPALTE ########################### --><br />
<!--<br />
Kurznachricht <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #F2F2F2; font-size:85%"><br />
<br />
[[Bild:ALibro-Logo.png|right|150px]]<br />
===[[ALibro-Projekt|Hurra, Hurra: aLibro ist da!]]===<br />
Nun ist es soweit: '''[http://www.alibro.de aLibro]''' ist seit dem 1. Januar 2010 online! Die Autorenbuchhandlung des DadAWeb ist auf Literatur spezialisiert, die für die deutschsprachige Anarchie- und Anarchismusforschung von Interesse ist. Neben aktuellen Neuerscheinungen und noch lieferbaren Titeln aus der Backlist bietet '''[http://www.alibro.de aLibro]''' auch gebrauchte Bücher sowie '''[http://www.alibro.de/index.php/cat/c428_Raritaeten-Sammlerstuecke.html echte Raritäten für Sammler]''' an. Darüber hinaus wird '''[http://www.alibro.de aLibro]''' in Kooperation mit Buch- und Zeitschriftenverlagen auch digitale Publikationen (z.B. Fachaufsätze oder eBooks von vergriffenen Buchtiteln) anbieten. <nowiki>[</nowiki>'''[[ALibro-Projekt|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende Kurznachricht --><br />
<br />
<!--<br />
N E U E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
=== Neue Artikel im Lexikon der Anarchie ===<br />
<!-- bitte immer die letzten 10 neu auf dem Portal eingestellten Artikel eintragen--><br />
* '''[[Johannes Holzmann]]''' von Walter Fähnders<br />
* '''[[Freie Liebe]]''' von Hubert van den Berg<br />
* '''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade, D.-A.-François]]''' von Maurice Schuhmann<br />
* '''[[Diggers]]''' von Gernot Lennert<br />
* '''[[Dwight Macdonald]]''' von Jörg Auberg <br />
* '''[[Simone Weil]]''' von Hans Jürgen Degen<br />
* '''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]''' von Henning Zimpel und Walter Fähnders<br />
* '''[[Franz Oppenheimer]]''' von Gerhard Senft<br />
* '''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' von Walther L. Bernecker<br />
* '''[[Ramus, Pierre]]''' von Adi Rasworschegg<br />
</div><br />
<!-- Ende N E U E A R T I K E L --><br />
<br />
<!--<br />
DADA BUCHEMPFEHLUNG<br />
>>>Hier die jeweils jüngste DadA-Buchempfehlung einstellen<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die DadA-Buchempfehlung===<br />
[[Bild:9783894017316_Goldman-Gelebtes_Leben.jpg|right|100px]]<br />
<br />
===[[Emma Goldman: Gelebtes Leben]]===<br />
'''Autobiographie'''. Mit einem Vorwort von Ilija Trojanow. Hamburg: Edition Nautilus, 2010. Gebunden mit Schutzumschlag, Lesebändchen. Großformat, 928 Seiten, mit 48 Fotografien illustriert. ISBN: 978-3894017316.<br />
<br />
Zum 70. Todestag von [[Emma Goldman]] (1869–1940) ist in der Edition Nautilus die Autobiographie von Emma Goldman „Gelebtes Leben“ in einer neuen deutschen Ausgabe erschienen. <br />
<br />
Für J. Edgar Hoover, dem Begründer des FBI, war Emma Goldman „ohne Zweifel eine der gefährlichsten Anarchisten“ in den USA. Zu ihren Lebzeiten war die »rote Emma« eine gleichermaßen verehrte wie gefürchtete Symbolfigur des Anarchismus. Bekannt wurde sie durch ihre Schriften, ihre Reden und ihre engagierten Kampagnen für die Rechte der Arbeiter, für Geburtenkontrolle, gegen die Wehrpflicht und für die Friedensbewegung. <br />
<nowiki>[</nowiki>'''[[Emma Goldman: Gelebtes Leben|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende DadA-Buchempfehlung --><br />
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TOP TEN<br />
>>>Die zehn populärsten Artikel<<<<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Top-Ten===<br />
Die zur Zeit zehn populärsten Lexikon-Artikel sind:<br />
<br />
#[[Neoanarchismus]] (23.273 Abfragen) <br />
#[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]] (19.538 Abfragen) <br />
#[[Améry, Jean]] (18.259 Abfragen) <br />
#[[Gustav Landauer]] (17.477 Abfragen)<br />
#[[Martin Buber]] (16.679 Abfragen) <br />
#[[John Henry Mackay]] (13.859 Abfragen) <br />
#[[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes]] (13.365 Abfragen)<br />
#[[Mühsam, Erich]] (10.981 Abfragen)<br />
#[[Pjotr Alexejewitsch Kropotkin]] (10.254 Abfragen)<br />
# [[Michail Aleksandrovič Bakunin]] (9.380 Abfragen)<br />
</div><!-- Ende U N S E R E B E S T E N --><br />
<br />
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DadA-Podcast<br />
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<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal DadA-Podcast|DadA-Podcast]] gestartet:<br>Jetzt gibt's was für die Ohren !===<br />
[[Bild:DadaPodcast.jpg|right|180px]]<br />
Der '''[[Portal DadA-Podcast|DadA-Podcast]]''' ist eine Art Internetradio, das wir in Kooperation mit '''Radio Chiflado''' u.a. Projekten betreiben. Im '''[[Portal DadA-Podcast|DadA-Podcast]]''' wird es Sendungen zu den unterschiedlichsten Themen aus dem Bereich der Kultur und Geschichte der libertären Bewegungen geben. <nowiki>[</nowiki>'''[[Portal DadA-Podcast|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
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UNSERE AUTORINNEN<br />
>>>Regelmäßige Veranstaltungen<<<<br />
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<div style="margin: 0; margin-top:5px; border: 1px solid #68A; padding: 0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size: 85%"><br />
<br />
===Unsere AutorInnen u.a. MitarbeiterInnen===<br />
Jörg Auberg • Walther L. Bernecker • Wolfram Beyer • Walter Bittner • Stefan Blankertz • Michael Bovenschen • Uwe Brodrecht • Manfred Burazerovic • Hans Jürgen Degen • Wolfgang Eckhardt • Walter Fähnders • Will Firth • Enno Gesierich • Hans Ulrich Grunder • Markus Henning • Gottfried Heuer • Ulrich Klemm • Jochen Knoblauch • Bernd A. Laska • Gernot Lennert • Rolf Raasch • Lutz Roemheld • Hartmut Rübner • Jochen Schmück • Maurice Schuhmann • Gerhard Senft • Václav Tomek • Uwe Timm • Siegbert Wolf.<br />
<br />
Wenn Du das '''Lexikon der Anarchie''' als Autorin oder Autor unterstützen willst, dann findest Du hier nähere '''[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Informationen für neue AutorInnen]]'''.<br />
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BESPRECHUNGEN<br />
>>>Hier Rezensionen und Presseberichte über das ALex-Projekt veröffentlichen<<<<br />
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<br />
===[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie]]===<br />
"Das Lexikon [der Anarchie] ist eine ausgezeichnete Informationsquelle, deren Herausgabe hoffentlich fortgesetzt wird, so dass man ein besseres Verständnis über die Mannigfaltigkeit des Anarchismus bekommen kann." (''Arbejterhistorie''. Tidsskrift for Historie, Kultur og Politik, Kopenhagen). <nowiki>[</nowiki>'''[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki><br />
</div><!-- Ende BESPRECHUNGEN --><br />
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PROBLEMBÖRSE<br />
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<br />
=== Hurra, ein Problem! ===<br />
<!-- bitte die brennensten ALex-Probleme eintragen. Sinnvollerweise kleine konkrete Probleme, für die sich am ehesten jemand findet, der die Zeit und Lust hat, sie zu lösen--><br />
Probleme sind Herausforderungen und davon haben wir jede Menge. Zum Beipiel die folgenden:<br />
<br />
* [[DadAWeb:Spenden|Finanzierung der Internetpräsenz]]<br />
* [[Gestaltung eines Logos für das Lexikon der Anarchie]]<br />
* [[Scannen der Beiträge der Printversion]]<br />
* [[OCR der gescannten Beiträge]]<br />
* [[Korrektur der digitalisierten Beiträge]]<br />
* [[Vertretung für den Systemadministrator]]<br />
* [[Programmierung einer Datenbank-Schnittstelle]]<br />
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<!-- Ende PROBLEMBÖRSE --><br />
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I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N<br />
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===Inhalte weiterentwickeln===<br />
Nutze die Möglichkeit zum Dialog mit den AutorInnen des '''Lexikons der Anarchie''', indem Du Deine Meinung und Deine Verbesserungsvorschläge auf der '''Diskussions-Seite''' veröffentlichst, die es zu jedem Artikel gibt. Mitreden und mitmachen kann jede/r, die/der sich auf dem DadAWeb-Portal '''[[Projektteilnahme|als aktive BenutzerIn registriert]]''' hat.<br />
<br />
*'''[[Portal Diskussion:Lexikon der Anarchie|Fragen, Anregungen, Diskussion, Kritik]]'''<br>Hier kannst Du Deine Kritik und Verbesserungsvorschläge zum Projekt des '''Lexikons der Anarchie''', aber natürlich auch Positives loswerden.<br />
<br />
*'''[[Portal:Lexikon der Anarchie/Fehlende Artikel|Fehlende Artikel]]'''<br>Du brauchst Informationen über ein Thema, das noch nicht im '''Lexikon der Anarchie''' behandelt wurde? Dann trage doch Deinen Artikelwunsch in dieser Liste ein! Eine Garantie für schnell verfügbare Artikel können wir zwar nicht übernehmen, aber einen Versuch sollte es immer wert sein. Außerdem bekommen wir so einen Überblick, was unsere LeserInnen ganz besonders interessiert!<br />
<br />
<b>Mail-Kontakt zur DadAWeb-Redaktion: k<s></s>on<s></s>takt<ät>da<s></s>da<s></s>web.<s></s>de</b><br />
<!-- Ende Eintrag I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N --><br />
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<!-- ####################### ENDE RECHTE SPALTE ####################### --><br />
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<!-- E N D E P O R T A L E --><br />
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[[Kategorie:Lexikon der Anarchie|Lexikon der Anarchie]]<br />
[[Kategorie:Portal Lexikon der Anarchie|Startseite]]<br />
<br />
__NOTOC__</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Ricardo_Flores_Mag%C3%B3n&diff=11152Ricardo Flores Magón2011-02-02T12:56:18Z<p>Rolf R: </p>
<hr />
<div>== Ricardo Flores Magón(1873-1922) ==<br />
<br />
Ricardo Flores Magón wurde am 16. September 1873 in San Antonio Eloxochitlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca geboren, ausgerechnet an dem Tag, an dem Mexiko alljährlich seine Unabhängigkeit feiert. Schon früh beschäftigte sich Ricardo Fores mit den Theorien der Klassiker des Anarchismus, wie Michael Bakunin und Pierre Joseph Proudhon. Auch setzte er sich mit den aktuellen Thesen seiner anarchistischen Zeitgenossen, wie Élisée Reclus, Errico Malatesta, Emma Goldman und Fernando Terrida del Marmol auseinander. Am meisten jedoch beeindruckten ihn die Arbeiten von Peter Kropotkin, dessen Vorstellungen vom Kommunistischen Anarchismus eine reale Entsprechung im gelebten Gemeineigentum mexikanischer Indianergemeinden zu haben schienen. <br />
Später war er als Journalist und Literat ein führender Theoretiker und Aktivist, der die revolutionäre mexikanische Bewegung stark beeinflusste. Orientiert an seinen anarchistischen Idealen und den Erfahrungen seiner indianischen Vorfahren bei der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung des Gemeindelandes, machte er die Forderung nach „Land und Freiheit“ („Tierra y Libertad“) landesweit populär. Im Zuge der Mexikanischen Revolution (1910-1920) griffen besonders Pancho Villa und Emiliano Zapata diese Forderung auf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Gefängnissen und im Exil und wurde 1918 in den USA wegen „Behinderung der Kriegsanstrengungen“ zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Dort starb er am 21. November 1922 im Gefängnis von Leavenworth (Kansas)und die Todesursache blieb ungeklärt. Es existieren drei Versionen über die Todesursache: Die Erste (offizielle) nennt als Todesursache einen Herzinfarkt; die Zweite, vertreten von seinem Genossen und Freund Librado Rivera, behauptet, dass er erhängt wurde. Die Dritte sagt, er sei durch Gefängniswärter zu Tode geprügelt worden.<br />
<br />
<br />
'''Die Brüder Flores Magón'''<br />
<br />
"Die Bevölkerung schwimmt in Pulque, die Glocken läuten, Raketen knallen, und im Blitzen des Feuerwerks blitzen auch die Messer auf. Die Massen wälzen sich in die Alameda und in andere verbotene, für Damen im Korsett und Männer im Cutaway reservierte Straßen. Sie tragen die geflügelte Jungfrau; die gewährt ihnen von ihrem lichterglänzenden schwankenden Schiff herab Schutz.<br />
Heute ist der Tag der Madonna von den Engeln, der in Mexiko eine festliche Woche lang andauert, und am Rande der überschäumenden Volksbelustigung entsteht eine neue Zeitung, als wolle sie auf ihrer Höhe sein. Die Zeitung heißt Regeneration und übernimmt den Eifer und die Schulden ihrer von der Diktatur geschlossenen Vorgängerin, des Demokraten. Geschrieben, herausgegeben und verkauft wird sie von Jesus, Ricardo und Enrique Flores Magón.<br />
Die Brüder Flores Magón wachsen mit jeder Heimsuchung. Seit dem Tod ihres Vaters sitzen sie abwechselnd im Gefängnis, studieren Jura, erledigen Gelegenheitsjobs und betreiben kämpferischen Journalismus. Oder sie werfen auf Demonstrationen Steine gegen Kugeln.<br />
- Alles gehört allen, hatte ihr Vater, der Indio Teodoro Flores, mit seinem kantigen Gesicht unter den Sternen gepredigt. Und dazu hatte er tausendmal gefordert: - Sagt’s nach!" <br />
<br />
<br />
'''Historischer Hintergrund'''<br />
<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts konnten auch sozialistische und anarchistische Ideen in Mexiko Fuß fassen. Zugleich mehrten sich im liberal-bürgerlichen Lager die Stimmen, die auf eine Ablösung des autoritären Regimes des Präsidenten Porfirio Díaz drängten: Treibende Kraft waren die Brüder Ricardo und Jesús Flores Magón, die auch Mitbegründer der Oppositionszeitung „Regeneración“ („Erneuerung“) waren und später ein satirisches Blatt namens „El Hijo del Ahuizote“ herausgaben, in der die führenden Regierungspolitiker lächerlich gemacht wurden. Im Februar 1901 fand der erste liberale Kongress statt. Die Teilnehmer forderten eine Rückkehr zur Reformpolitik der 1850er Jahre und planten, einen „echten“ Liberalen als nächsten Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Die liberalen Klubs, die sich in der Folgezeit bildeten, wurden jedoch verboten und ihre Mitglieder verhaftet. In der Folgezeit spaltete sich ein radikaler Flügel unter Ricardo Flores Magón ab, der sich zunehmend anarchistischen Ideen öffnete. Mit Gleichgesinnten gründete er im September 1906 die PLM („Partido Liberal de México“ – „Liberale Partei Mexikos“), in deren Programm sich Forderungen breiter Bevölkerungskreise wiederfanden. Seit ihrer Gründung kämpfte die PLM für die Beseitigung des Díaz-Regimes mit radikal formulierten Flugblättern, Plakaten und oppositionellen Schriften. Eine Reihe militanter Auseinandersetzungen, sozialer Unruhen, Aufstände und Repressionsmaßnahmen der Regierung lösten in dieser Zeit einander ab. In den blutig niedergeschlagenen Streiks in der Textil- und Bergbauindustrie im Norden Mexikos (1906-1907) spielte diese Strömung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Bundesstaat Baja California formierte sich unter der Führung von Ricardo Flores Magón eine allgemeine Volkserhebung, die zur zeitweiligen Besetzung der Landeshauptstadt Mexicali führte. Von dort rief Magón am 30. Januar 1911 die „Sozialistische Republik Baja California“ aus, musste aber kurze Zeit später in die USA fliehen. Im Exil lernte er u.a. Emma Goldman kennen. <br />
<br />
<br />
'''Das Erbe Magóns'''<br />
<br />
Während der jahrzehntelangen Herrschaft der „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) musste der Name Magón zu Herrschaftslegitimation dieser mexikanischen Form des Realsozialismus herhalten. In vielen Städten Mexikos gibt es Straßennamen und Kulturzentren, die nach den Brüdern Magón benannt wurden. 1945 wurden die sterblichen Überreste Ricardo Flores Magóns nach Mexiko überführt und im Ehrenhain Rotonda de Los Hombres Ilustres in Mexiko-Stadt beigesetzt. Die Beisetzung auf diesen Ehrenfriedhof ist nur überragenden Persönlichkeiten der mexikanischen Geschichte vorbehalten und unterstreicht die echte Popularität, die Magón in Mexiko immer noch genießt. <br />
Neben der zapatistischen Bewegung in Chiapas beziehen sich heute u.a. der „Indigene Volksrat von Oaxaca - Ricardo Flores Magón“ CIPO-RFM und die "Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus" UCIZONI auf das magonistische Denken. <br />
<br />
Autor: Rolf Raasch<br />
<br />
== Literatur: ==<br />
*Flores Magón, Ricardo: Tierra y Libertad. Klassiker der Sozialrevolte 11, Unrast-Verlag, Münster 2005<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Poole, David; Schmück, Jochen: Die Mexikanische Revolution 1910-1920, anarchistische texte Nr. 20. Libertad Verlag, Berlin (West) 1980<br />
<br />
*Flores Magón, Ricardo; Guerrero, Práxedis; Sarabia, Juan; Flores Magón, Enrique; Rivera, Libardo y otros: Regeneración 1900-1918. La corriente más radical de la Revolución Mexicana de 1910 a través de su periódico de combate. Colección Problemas de México, Ediciones Era, 15. Aufl. 1991, Mexiko-Stadt<br />
<br />
*Roeder, Ralph, Hacia el México Moderno: Porfirio Díaz, México, FCE, 1973. In: Galeano, Eduardo: Erinnerung an das Feuer. Bd. 2, S. 323, Wuppertal 2004<br />
<br />
== DadA-Links ==<br />
* [[Tierra y Libertad (Podcast)|Tierra y Libertad - Anarchismus und Revolution in Mexiko (DadA-Podcast)]]<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Rolf_R|Rolf Raasch]]'''<br />
<br />
{{Copyright}}<br />
<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]</div>Rolf Rhttp://dadaweb.de/index.php?title=Lexikon_der_Anarchie_(Archiv-Version)&diff=11151Lexikon der Anarchie (Archiv-Version)2011-02-02T12:54:26Z<p>Rolf R: /* Inhalt des Lexikons der Anarchie */</p>
<hr />
<div>{| style="background-color:transparent;"<br />
|-<br />
| colspan="2" |<br />
<br />
<!--<br />
H E A D E R<br />
--><br />
<div style="margin:0; border:1px solid #68A; background-color:white; font-size: 150%; text-align:center"><br />
[[Image:ALex_Logo.gif|700px]]<br />
</div><!-- Ende H E A D E R --><br />
<br />
|-<br />
| width="60%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### LINKE SPALTE ########################### --><br />
<br />
<!--<br />
E I N L E I T U N G<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
===Lexikon der Anarchie: Weiter gehts . . . ===<br />
[[bild:Lexikon_der_Anarchie_Degen.jpg|thumb|left|Das von Hans Jürgen Degen herausgegebene "Lexikon der Anarchie".]]<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Der '''[[Anarchismus]]''' ist eine konkrete soziale und politische Philosophie mit einer mehr als 160jährigen Geschichte. Er hat eine Vielzahl anderer politisch-sozialer Theorien und Theoretiker beeinflusst und ist sowohl in der Kunst, der Literatur als auch in der Wissenschaft vertreten. Mit allen Lebensbereichen der Gesellschaft hat er sich auseinandergesetzt, vieles beeinflusst und manches in Ansätzen verwirklicht. Eine Vielzahl klassischer und aktueller Literatur von Anarchisten, über Anarchismus, für und wider den Anarchismus wurde in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht. In der Regel behandelt diese Literatur nur Teilaspekte der Theorie und Praxis des Anarchismus.</span> <br />
<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Das '''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie]]''' (Projektkurzname: '''ALex''') will versuchen, für den deutschsprachigen Raum eine umfassende Darstellung aller Personen, aller Sachgebiete und aller Organisationen zu bieten, die in direktem oder indirektem Bezug zum Anarchismus standen oder stehen. <nowiki>[</nowiki>'''[[Lexikon der Anarchie - Projektbeschreibung|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> </span><br />
</div><br />
<!-- Ende E I N L E I T U N G --><br />
<br />
<!--<br />
I N H A L T P R I N T A U S G A B E <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalt des Lexikons der Anarchie===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Als Druckversion vergriffen - nun aber bald komplett und überarbeitet im Internet wieder zugänglich: <br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal Personen|Personen]]'''<br />
<br><br><br />
Siegbert Wolf:<br />
'''[[Améry, Jean]]'''<br />
• <br />
Wolfgang Eckhardt: <br />
'''[[Michail Aleksandrovič Bakunin |Michail Aleksandrovič Bakunin]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Berkman, Alexander]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Boétie, Etienne de La]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Brupbacher, Fritz]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Buber, Martin]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Cafiero, Carlo]]'''<br />
• <br />
Normann Stock/Wolfram Beyer: <br />
'''[[Camus, Albert]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Cleyre, Voltairine de]]'''<br />
• <br />
Maurice Schuhmann:<br />
'''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade (Marquis de Sade), Donatien-Aldonze-François]]<br />
•<br />
Marianne Kröger:<br />
'''[[Einstein, Carl]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Faure, Sébastian]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Ferrer, Francisco]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Friedrich, Ernst]]'''<br />
• <br />
Markus Henning: <br />
'''[[Godwin, William]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Goldman, Emma]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Goodman, Paul]]'''<br />
• <br />
Gerhard Bauer: <br />
'''[[Graf, Oskar Maria]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Otto Gross|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Guillaume, James]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Holzmann, Johannes]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders:<br />
'''[[Jung, Franz|Jung, Franz]]'''<br />
• <br />
Richard Cleminson: <br />
'''[[Ibánez, Félix Martí]]'''<br />
• <br />
Werner Portmann: <br />
'''[[Koechlin, Heinrich Eduard]]'''<br />
•<br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Landauer, Gustav]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Lazare, Bernard]]'''<br />
• <br />
Stefan Preuß: <br />
'''[[Lecoin, Louis]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Arthur_Lehning|Lehning, Authur]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg:<br />
'''[[Dwight Macdonald |Macdonald, Dwight]]'''<br />
•<br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Ricardo Flores Magón]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[John Henry Mackay |Mackay, John Henry]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Malatesta, Errico]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Dora Marsden|Marsden, Dora]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Meijer-Wichmann, Clara]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Michel, Louise]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Michels, Robert]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Montseny, Federica]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Morris, William]]'''<br />
• <br />
Heinz Hug: <br />
'''[[Mühsam, Erich]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Nettlau, Max]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Neumann, Stanislav Kostka]]'''<br />
• <br />
Gerhard Senft: <br />
'''[[Oppenheimer, Franz]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Proudhon, Pierre-Joeseph]]'''<br />
• <br />
Adi Rasworschegg: <br />
'''[[Ramus, Pierre]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Wilhelm Reich|Reich, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Manfred Burazerovic: <br />
'''[[Reimers, Otto]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Robin, Paul]]'''<br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Rocker, Rudolf]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Rothbard, Murray]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Scholem, Gershom]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Max Stirner|Stirner, Max]]'''<br />
• <br />
Henning Zimpel und Walter Fähnders: <br />
'''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Tolstoi, Leo N.]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Traven, B.|Traven, B. (Ret Marut)]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Tucker, Benjamin R.]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Vernet, Madeleine]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Vrbenský, Bohuslav]]'''<br />
• <br />
Hans Jürgen Degen: <br />
'''[[Weil, Simone]]'''<br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Winstanley, Gerrard]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Wintsch, Jean]]'''<br />
• <br />
Siegbert Wolf: <br />
'''[[Witkop, Milly|Witkop, Milly]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Organisationen|Organisationen/Bewegungen]]'''<br />
<br><br><br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' <br />
• <br />
Gernot Lennert: <br />
'''[[Diggers]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Federación Anarquista Ibérica (FAI)]]''' <br />
• <br />
Hartmut Rübner: <br />
'''[[Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten)]]'''<br />
• <br />
Uwe Brodrecht: <br />
'''[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[IAA]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder: <br />
'''[[Juraföderation]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Kibbuzbewegung]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
•<br />
Markus Henning: <br />
'''[[Provos]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Wiedertäufer (Anabaptisten)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[War Resisters' International (WRI)]]'''<br />
<br><br><br><br />
'''[[Portal_Sachthemen|Sachthemen]]'''<br />
<br><br><br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes |Anarchie, Anarchist und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Individualistischer Anarchismus|Anarchismus, Individualistischer]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch: <br />
'''[[Anarchismus, Neo-]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Anarchismusforschung, deutschsprachige nach 1945]]''' <br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Anti-Militarismus]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Antipädagogik]]'''<br />
• <br />
Will Firth: <br />
'''[[Esperanto]]'''<br />
• <br />
Lutz Roemheld: <br />
'''[[Föderalismus]]'''<br />
• <br />
Hubert van den Berg: <br />
'''[[Freie Liebe]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Freiheit]]'''<br />
• <br />
Uwe Timm: <br />
'''[[Geld]]'''<br />
• <br />
Michael Bovenschen: <br />
'''[[Haymarket]]'''<br />
• <br />
Masamichi Osawa: <br />
'''[[Japan]]'''<br />
• <br />
Chaim Seeligmann: <br />
'''[[Judentum und Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Kampf (die Zeitschrift)|"Kampf"]]'''<br />
• <br />
Johannes Hilmer: <br />
'''[[Märzrevolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Marxismus]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch:<br />
'''[[Mexikanische Revolution]]'''<br />
• <br />
Hans Ulrich Grunder:<br />
'''[[Mother Earth]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[Pädagogik]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Pädagogik (historisch)]]'''<br />
• <br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Pazifismus]]'''<br />
• <br />
Gerhard Kern: <br />
'''[[Selbstverwaltung]]'''<br />
• <br />
Walther L. Bernecker: <br />
'''[[Spanischer Bürgerkrieg]]'''<br />
• <br />
Ulrich Klemm: <br />
'''[[Schulen, Weltliche]]'''<br />
• <br />
Dieter Scholz: <br />
'''[[Schwarze Fahne]]'''<br />
• <br />
Václav Tomek: <br />
'''[[Tschechischer Anarchismus]]'''<br />
• <br />
Stefan Blankertz: <br />
'''[[USA]]'''<br />
• <br />
Mina Grauer: <br />
'''[[Zionismus]]'''<br />
</span><br />
</div><!-- Ende I N H A L T P R I N T A U S G A B E --><br />
<!--<br />
L E G E N D E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
'''Legende''': Die '''fett''' hervorgehobenen und als '''<span style="color:#27408B">blauer Link</span>''' erkennbaren Titel können bereits '''jetzt''' genutzt werden, während die '''<span style="color:#CD2626"> rot</span>''' gekennzeichneten Beiträge gerade bearbeitet und demnächst veröffentlicht werden.<br />
</div><!-- Ende L E G E N D E A R T I K E L --><br />
<!--<br />
G E P L A N T E B E I T R Ä G E<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal:Lexikon_der_Anarchie/Fehlende_Artikel|Geplante Neubeiträge für das Lexikon der Anarchie]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Wolfram Beyer: <br />
'''[[Agnoli, Johannes|Agnoli, Johannes]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Anarchismus und Psychoanalyse|Anarchismus und Psychoanalyse]]'''<br />
Marcel Gruber:<br />
'''[[Josef Bovshover|Josef Bovshover]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Der Einzige und sein Eigentum|Der Einzige und sein Eigentum]]'''<br />
•<br />
Walter Bittner:<br />
'''[[Federación Obrera Regional Argentina (FORA)]]'''<br />
•<br />
Dieter Nelles:<br />
'''[[Das Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten (1933-1945)]]'''<br />
• <br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Gross, Otto|Gross, Otto]]'''<br />
• <br />
Walter Fähnders: <br />
'''[[Senna Hoy|Senna Hoy]]'''<br />
• <br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Marr, Wilhelm|Marr, Wilhelm]]'''<br />
• <br />
Bernd A. Laska: <br />
'''[[Julien Offray de La Mettrie|La Mettrie, Julien Offray de]]'''<br />
• <br />
Rolf Raasch: <br />
'''[[Magón, Ricardo Flores|Magón, Ricardo Flores]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Nohl, Johannes |Nohl, Johannes]]'''<br />
•<br />
Jochen Schmück: <br />
'''[[Élisée Reclus|Reclus, Élisée]]'''<br />
•<br />
Gottfried Heuer: <br />
'''[[Sexuelle Revolution|Sexuelle Revolution]]'''<br />
• <br />
Jörg Auberg: <br />
'''[[Tresca, Carlo|Tresca, Carlo]]'''<br />
• <br />
Sebastian Kalicher:<br />
'''[[Anarchists Against The Wall (AATW)]]'''<br />
</span></div><br />
<br />
<br />
<!-- Ende G E P L A N T E B E I T R Ä G E --><br />
<br />
<!--<br />
PROJEKTWERKSTATT<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #ECFFF6; font-size:85%"><br />
<br />
===Projektwerkstatt===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung|Lexikon der Anarchie: Projektbeschreibung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Wie kann ich das Lexikon der Anarchie unterstützen? ]]'''<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept|Das Konzept]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Editoriale_Regeln|Die editorialen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Redaktionelle_Regeln|Die redaktionellen Regeln]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_-_Inhaltsverzeichnis_der_Printversion|Inhalt der Printversion und Arbeitsplan zur Digitalisierung]]<br />
• <br />
[[Lexikon_der_Anarchie_-_Projektbeschreibung#Lexikon_der_Anarchie_.28Internetversion.29_-_Vorschl.C3.A4ge_f.C3.BCr_neue_Beitr.C3.A4ge|Geplante neue Beiträge]]<br />
• <br />
[[DadAWeb:Hilfe|DadAWeb-Hilfe: Deine Ersten Schritte im DadAWeb]]<br />
</span></div><br />
<!-- Ende Eintrag PROJEKTWERKSTATT--><br />
<br />
<!--<br />
ALEX JOBBÖRSE<br />
>>>Hier die Jobs im DadA/ALex-Projekt auflisten<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Jobbörse===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Neben neuen AutorInnen brauchen wir für den Aufbau des '''Lexikons der Anarchie''' auch in anderen Bereichen des Projektes '''dringend Unterstützung'''. Dies gilt insbesondere für die folgenden Bereiche: Projektmanagement • Systemadministration • Webdevelopment • Grafik- und Webdesign • Contentmanagement • Lektorat • Redaktion • Öffentlichkeitsarbeit/Promotion • Produktentwicklung. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende ALEX JOBBÖRSE --><br />
<br />
<!--<br />
Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die '''Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus (DadA)''' und das '''Lexikon der Anarchie''' sind bestrebt, alle Forschungs- und Publikationsvorhaben im Bereich der Anarchismusforschung und angrenzender Gebiete für den deutschen Sprachraum zu dokumentieren. Hierfür haben wir auf dem DadAWeb-Portal die Dokumentation "[[Portal Forschungsprojekte|Forschungs- und Publikationsvorhaben]]" eingerichtet, in der entsprechende Vorhaben der Fachöffentlichkeit sowie allen am Thema Interessierten vorgestellt werden können. <nowiki>[</nowiki>'''[[Portal Forschungsprojekte|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</span></div><br />
<!-- Ende Dokumentation: Forschungs- und Publikationsprojekte--><br />
<br />
<!--<br />
DadA-Spendenkampagne<br />
>>>Teaser Spendenkampagne<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; margin-right:5px; border:1px solid #68A; padding:0 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
[[Bild:Reichstag.jpg|right|120px]]<br />
===Anarchisten kaufen den Reichstag ! ===<br />
<span style="font-size:120%;"><br />
Die erste von 99 verrückten Ideen für eine [[DadAWeb:Spenden|Kampagne zum Erhalt des DadAWeb]]. Hast Du eine bessere Idee? Dann mach' mit und wir gewinnen alle! <nowiki>[</nowiki>'''[[Diskussion:99 verrückte Ideen|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki>. <br />
</span></div><br />
<!-- Ende DadA-Spendenkampagne --><br />
<br />
<!-- ####################### ENDE LINKE SPALTE ####################### --><br />
| width="40%" style="vertical-align:top" |<br />
<!-- ####################### BEGINN RECHTE SPALTE ########################### --><br />
<!--<br />
Kurznachricht <br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #F2F2F2; font-size:85%"><br />
<br />
[[Bild:ALibro-Logo.png|right|150px]]<br />
===[[ALibro-Projekt|Hurra, Hurra: aLibro ist da!]]===<br />
Nun ist es soweit: '''[http://www.alibro.de aLibro]''' ist seit dem 1. Januar 2010 online! Die Autorenbuchhandlung des DadAWeb ist auf Literatur spezialisiert, die für die deutschsprachige Anarchie- und Anarchismusforschung von Interesse ist. Neben aktuellen Neuerscheinungen und noch lieferbaren Titeln aus der Backlist bietet '''[http://www.alibro.de aLibro]''' auch gebrauchte Bücher sowie '''[http://www.alibro.de/index.php/cat/c428_Raritaeten-Sammlerstuecke.html echte Raritäten für Sammler]''' an. Darüber hinaus wird '''[http://www.alibro.de aLibro]''' in Kooperation mit Buch- und Zeitschriftenverlagen auch digitale Publikationen (z.B. Fachaufsätze oder eBooks von vergriffenen Buchtiteln) anbieten. <nowiki>[</nowiki>'''[[ALibro-Projekt|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende Kurznachricht --><br />
<br />
<!--<br />
N E U E A R T I K E L<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
=== Neue Artikel im Lexikon der Anarchie ===<br />
<!-- bitte immer die letzten 10 neu auf dem Portal eingestellten Artikel eintragen--><br />
* '''[[Johannes Holzmann]]''' von Walter Fähnders<br />
* '''[[Freie Liebe]]''' von Hubert van den Berg<br />
* '''[[Donatien Alphonse François de Sade|de Sade, D.-A.-François]]''' von Maurice Schuhmann<br />
* '''[[Diggers]]''' von Gernot Lennert<br />
* '''[[Dwight Macdonald]]''' von Jörg Auberg <br />
* '''[[Simone Weil]]''' von Hans Jürgen Degen<br />
* '''[[Artur Streiter|Streiter, Artur]]''' von Henning Zimpel und Walter Fähnders<br />
* '''[[Franz Oppenheimer]]''' von Gerhard Senft<br />
* '''[[Confederación National del Trabajo (CNT)]]''' von Walther L. Bernecker<br />
* '''[[Ramus, Pierre]]''' von Adi Rasworschegg<br />
</div><br />
<!-- Ende N E U E A R T I K E L --><br />
<br />
<!--<br />
DADA BUCHEMPFEHLUNG<br />
>>>Hier die jeweils jüngste DadA-Buchempfehlung einstellen<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size:85%"><br />
<br />
===Die DadA-Buchempfehlung===<br />
[[Bild:9783894017316_Goldman-Gelebtes_Leben.jpg|right|100px]]<br />
<br />
===[[Emma Goldman: Gelebtes Leben]]===<br />
'''Autobiographie'''. Mit einem Vorwort von Ilija Trojanow. Hamburg: Edition Nautilus, 2010. Gebunden mit Schutzumschlag, Lesebändchen. Großformat, 928 Seiten, mit 48 Fotografien illustriert. ISBN: 978-3894017316.<br />
<br />
Zum 70. Todestag von [[Emma Goldman]] (1869–1940) ist in der Edition Nautilus die Autobiographie von Emma Goldman „Gelebtes Leben“ in einer neuen deutschen Ausgabe erschienen. <br />
<br />
Für J. Edgar Hoover, dem Begründer des FBI, war Emma Goldman „ohne Zweifel eine der gefährlichsten Anarchisten“ in den USA. Zu ihren Lebzeiten war die »rote Emma« eine gleichermaßen verehrte wie gefürchtete Symbolfigur des Anarchismus. Bekannt wurde sie durch ihre Schriften, ihre Reden und ihre engagierten Kampagnen für die Rechte der Arbeiter, für Geburtenkontrolle, gegen die Wehrpflicht und für die Friedensbewegung. <br />
<nowiki>[</nowiki>'''[[Emma Goldman: Gelebtes Leben|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende DadA-Buchempfehlung --><br />
<br />
<!--<br />
TOP TEN<br />
>>>Die zehn populärsten Artikel<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
===Die ALex-Top-Ten===<br />
Die zur Zeit zehn populärsten Lexikon-Artikel sind:<br />
<br />
#[[Neoanarchismus]] (23.273 Abfragen) <br />
#[[Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)]] (19.538 Abfragen) <br />
#[[Améry, Jean]] (18.259 Abfragen) <br />
#[[Gustav Landauer]] (17.477 Abfragen)<br />
#[[Martin Buber]] (16.679 Abfragen) <br />
#[[John Henry Mackay]] (13.859 Abfragen) <br />
#[[Anarchie - Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes]] (13.365 Abfragen)<br />
#[[Mühsam, Erich]] (10.981 Abfragen)<br />
#[[Pjotr Alexejewitsch Kropotkin]] (10.254 Abfragen)<br />
# [[Michail Aleksandrovič Bakunin]] (9.380 Abfragen)<br />
</div><!-- Ende U N S E R E B E S T E N --><br />
<br />
<!--<br />
DadA-Podcast<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #FFFFEC; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Portal DadA-Podcast|DadA-Podcast]] gestartet:<br>Jetzt gibt's was für die Ohren !===<br />
[[Bild:DadaPodcast.jpg|right|180px]]<br />
Der '''[[Portal DadA-Podcast|DadA-Podcast]]''' ist eine Art Internetradio, das wir in Kooperation mit '''Radio Chiflado''' u.a. Projekten betreiben. Im '''[[Portal DadA-Podcast|DadA-Podcast]]''' wird es Sendungen zu den unterschiedlichsten Themen aus dem Bereich der Kultur und Geschichte der libertären Bewegungen geben. <nowiki>[</nowiki>'''[[Portal DadA-Podcast|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki> <br />
</div><!-- Ende DadA-Podcast --><br />
<br />
<!--<br />
UNSERE AUTORINNEN<br />
>>>Regelmäßige Veranstaltungen<<<<br />
--><br />
<div style="margin: 0; margin-top:5px; border: 1px solid #68A; padding: 0em 1em 1em 1em; background-color:white; font-size: 85%"><br />
<br />
===Unsere AutorInnen u.a. MitarbeiterInnen===<br />
Jörg Auberg • Walther L. Bernecker • Wolfram Beyer • Walter Bittner • Stefan Blankertz • Michael Bovenschen • Uwe Brodrecht • Manfred Burazerovic • Hans Jürgen Degen • Wolfgang Eckhardt • Walter Fähnders • Will Firth • Enno Gesierich • Hans Ulrich Grunder • Markus Henning • Gottfried Heuer • Ulrich Klemm • Jochen Knoblauch • Bernd A. Laska • Gernot Lennert • Rolf Raasch • Lutz Roemheld • Hartmut Rübner • Jochen Schmück • Maurice Schuhmann • Gerhard Senft • Václav Tomek • Uwe Timm • Siegbert Wolf.<br />
<br />
Wenn Du das '''Lexikon der Anarchie''' als Autorin oder Autor unterstützen willst, dann findest Du hier nähere '''[[Lexikon_der_Anarchie_-_Konzept#Wie_kann_ich_das_Lexikon_der_Anarchie_unterst.C3.BCtzen.3F|Informationen für neue AutorInnen]]'''.<br />
</div><!-- Ende UNSERE AUTORINNEN --><br />
<br />
<!--<br />
BESPRECHUNGEN<br />
>>>Hier Rezensionen und Presseberichte über das ALex-Projekt veröffentlichen<<<<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECF7FF; font-size:85%"><br />
<br />
===[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie]]===<br />
"Das Lexikon [der Anarchie] ist eine ausgezeichnete Informationsquelle, deren Herausgabe hoffentlich fortgesetzt wird, so dass man ein besseres Verständnis über die Mannigfaltigkeit des Anarchismus bekommen kann." (''Arbejterhistorie''. Tidsskrift for Historie, Kultur og Politik, Kopenhagen). <nowiki>[</nowiki>'''[[Besprechungen des Lexikons der Anarchie|. . . mehr]]'''<nowiki>]</nowiki><br />
</div><!-- Ende BESPRECHUNGEN --><br />
<br />
<!--<br />
PROBLEMBÖRSE<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color: #ECFFF6; font-size:85%"><br />
<br />
=== Hurra, ein Problem! ===<br />
<!-- bitte die brennensten ALex-Probleme eintragen. Sinnvollerweise kleine konkrete Probleme, für die sich am ehesten jemand findet, der die Zeit und Lust hat, sie zu lösen--><br />
Probleme sind Herausforderungen und davon haben wir jede Menge. Zum Beipiel die folgenden:<br />
<br />
* [[DadAWeb:Spenden|Finanzierung der Internetpräsenz]]<br />
* [[Gestaltung eines Logos für das Lexikon der Anarchie]]<br />
* [[Scannen der Beiträge der Printversion]]<br />
* [[OCR der gescannten Beiträge]]<br />
* [[Korrektur der digitalisierten Beiträge]]<br />
* [[Vertretung für den Systemadministrator]]<br />
* [[Programmierung einer Datenbank-Schnittstelle]]<br />
</div><br />
<!-- Ende PROBLEMBÖRSE --><br />
<br />
<!--<br />
I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N<br />
--><br />
<div style="margin:0; margin-top:5px; border:1px solid #68A; padding:0em 1em 1em 1em; background-color:#F7ECFF; font-size:85%"><br />
<br />
===Inhalte weiterentwickeln===<br />
Nutze die Möglichkeit zum Dialog mit den AutorInnen des '''Lexikons der Anarchie''', indem Du Deine Meinung und Deine Verbesserungsvorschläge auf der '''Diskussions-Seite''' veröffentlichst, die es zu jedem Artikel gibt. Mitreden und mitmachen kann jede/r, die/der sich auf dem DadAWeb-Portal '''[[Projektteilnahme|als aktive BenutzerIn registriert]]''' hat.<br />
<br />
*'''[[Portal Diskussion:Lexikon der Anarchie|Fragen, Anregungen, Diskussion, Kritik]]'''<br>Hier kannst Du Deine Kritik und Verbesserungsvorschläge zum Projekt des '''Lexikons der Anarchie''', aber natürlich auch Positives loswerden.<br />
<br />
*'''[[Portal:Lexikon der Anarchie/Fehlende Artikel|Fehlende Artikel]]'''<br>Du brauchst Informationen über ein Thema, das noch nicht im '''Lexikon der Anarchie''' behandelt wurde? Dann trage doch Deinen Artikelwunsch in dieser Liste ein! Eine Garantie für schnell verfügbare Artikel können wir zwar nicht übernehmen, aber einen Versuch sollte es immer wert sein. Außerdem bekommen wir so einen Überblick, was unsere LeserInnen ganz besonders interessiert!<br />
<br />
<b>Mail-Kontakt zur DadAWeb-Redaktion: k<s></s>on<s></s>takt<ät>da<s></s>da<s></s>web.<s></s>de</b><br />
<!-- Ende Eintrag I N H A L T E W E I T E R E N T W I C K E L N --><br />
</div><br />
<br />
<br />
<!-- ####################### ENDE RECHTE SPALTE ####################### --><br />
<br />
|-<br />
| colspan="2" |<br />
<!-- P O R T A L E --><br />
<br />
<div class="BoxenVerschmelzen" style="background-color:white; padding:0em"><br />
</div><br />
<br />
<!-- E N D E P O R T A L E --><br />
|}<br />
<br />
[[Kategorie:Lexikon der Anarchie|Lexikon der Anarchie]]<br />
[[Kategorie:Portal Lexikon der Anarchie|Startseite]]<br />
<br />
__NOTOC__</div>Rolf R