http://dadaweb.de/api.php?action=feedcontributions&user=Sebastian+M&feedformat=atomDadAWeb - Benutzerbeiträge [de]2024-03-29T05:23:19ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.30.1http://dadaweb.de/index.php?title=Zionismus&diff=8350Zionismus2008-08-13T08:52:34Z<p>Sebastian M: </p>
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<div>'''[[Portal Sachthemen | Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''<br />
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'''Zionismus'''<br />
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Dieser Beitrag über Zionismus gibt einen Überblick über die Ansichten der Anarchisten zum [[Nationalismus | Nationalismus]] und erörtert die verschiedenen Antworten von jüdischen und nichtjüdischen Anarchisten hinsichtlich der Fragen, die die jüdische nationale Identität, jüdische politische Souveränität und den Zionismus betreffen.<br />
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=="Judenfrage" und Internationalismus==<br />
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Die meisten jüdischen Radikalen glaubten, dass die [[Soziale Revolution | soziale Revolution]] die Probleme der Massen der ganzen Welt, ebenso die spezifischen Probleme der [[Juden | Juden]], unabhängig vom nationalen Kontext, lösen würde. Viele akzeptierten sogar [[Marx, Karl | Karl Marx']] feindselige Analyse der „Judenfrage“ in seinem Werk „Zur Judenfrage“ (1844), in dem er behauptet, dass die Juden, die er als eine „Kaste“ definierte, ultimativ mit dem Zusammenbruch des [[Kapitalismus | Kapitalismus]] verschwinden würden.<br />
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Der Glaube vieler Juden an den [[Internationalismus | Internationalismus]] wurde teilweise erschüttert durch antisemitische Ausbrüche wie die Pogrome in Rußland 1881/82, die Dreyfus-Affäre von 1896 oder das Kishinev-Pogrom von 1903. Die Enttäuschung, die diesen Ereignissen folgte, veranlasste viele jüdische Radikale, die Gültigkeit ihrer kosmopolitischen Orientierung in Frage zu stellen, da sie plötzlich realisierten, dass eine sozialistische oder anarchistische Ideologie die Probleme der Juden nicht in zufriedenstellender Weise würde lösen können. Als eine Konsequenz daraus wurden Versuche unternommen, neue Wege zu finden, um ihren Radikalismus mit einem wachsenden Gefühl nationaler Identität zu verbinden.<br />
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Es ist möglich, drei verschiedene anarchistische Herangehensweisen an den Nationalismus zu unterscheiden:<br />
Die erste ist die klassische anarchistische Doktrin, wie sie von [[Proudhon, Pierre-Joeseph | Pierre-Joeseph Proudhon]] und [[Bakunin, Michail Aleksandrovič | Michail Bakunin]] entwickelt wurden. Entsprechend dieser Herangehensweise sollten Anarchisten aller nationalen Loyalität entsagen und danach streben, ein gesellschaftliches Universum ohne Nationen zu schaffen. Auch [[Rocker, Rudolf | Rudolf Rocker]] ist zu diesem klassischen anarchistischen Trend zu zählen. Jedoch zeigt seine Position bestimmte Abweichungen, wie begrenzter kultureller Ausdruck, der in nationalen Traditionen eingebunden ist.<br />
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Die zweite Herangehensweise ist die der stufenweisen Annäherung. Entsprechend ihren Vertretern, hauptsächlich [[Kropotkin, Pjotr Alexejewitsch | Peter Kropotkin]] und seinen Anhängern, dienen Nationalismus und Internationalismus verschiedenen Zwecken zu verschiedenen Zeiten in der historischen Entwicklung zu einer idealen sozialen Ordnung. Nationalismus wurde als eine notwendige Kraft in dem Befreiungsprozess eines Volkes von fremder Vorherrschaft betrachtet. Dann, nachdem die nationale Unabhängigkeit erreicht ist, kann das Volk seine Kräfte kanalisieren und für eine neue Weltordnung, entsprechend internationalistischen Prinzipien, kämpfen.<br />
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Die dritte Herangehensweise, hauptsächlich vertreten von jüdischen Anarchisten wie [[Lazare, Bernhard | Bernard Lazare]] und Dr. Hillel Solotaroff, ist der Versuch, mit allen Aspekten des Nationalismus vertraut zu werden. Diese Herangehensweise, die als eine Antwort des jüdischen Problems, eingedenk der Kraft des Nationalismus und der Unzulänglichkeit des Kampfes dagegen formuliert wurde, erzeugte den Bruch mit den anarchistischen Prinzipien.<br />
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P.-J. Proudhon glaubte, dass die „lautesten“ Vertreter des Nationalismus in Wirklichkeit bloße Opportunisten seien, die die nationalistische Thematik als ein Mittel zum Ausweichen vor der ökonomischen und sozialen Revolution benutzten. M. Bakunin betrachtete Nationalismus als ein Instrument, durch das die Vorrechte und Ambitionen der Staatsmacht hinter einer Fassade historischer Legitimität versteckt werden. Er lehnte die universelle Basis des Nationalismus ab und bezeichnete ihn als ein spezifisches Phänomen, entworfen, um alle Versuche der Menschheit sich zu vereinigen, zu vereiteln. Die Haltung von P.-J. Proudhon und M. Bakunin zu jüdischen Anarchisten und zur „jüdischen Frage“ reichte von Bevormundung bis zu unverhülltem Antisemitismus. P.-J. Proudhon meinte, dass die Juden eine Rasse darstellten, die weder in der Lage sei, einen [[Staat | Staat]] zu gründen noch sich selbst zu regieren und er schlug vor, sie sollten zurück nach Asien gesandt oder vernichtet werden. M. Bakunin wählte seine Worte nicht sorgfältiger. Juden, so meinte er, seien eine ausbeutende Sekte, eine Nation von Parasiten, die nicht reif für den [[Sozialismus | Sozialismus]] und nicht geeignet sind, die sozialistische Bewegung zu führen.<br />
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P. Kropotkin war der erste anarchistische Philosoph, der sich mit dem jüdischen nationalen Problem ohne jedes rassistische Vorurteil auseinander setzte. Er lehnte die Idee eines jüdischen Staates ab und besonders die Vorstellung, dass die jüdische nationale Souveränität in Palästina wiedererstehen könnte. Als Geograph hob P. Kropotkin besonders hervor, dass die klimatischen Gegebenheiten die Aussicht einer Ansiedlung in Palästina unmöglich machen würden, da die geoklimatischen Bedingungen es sehr schwer machen, Zugang zu Wasser zu finden. Sogar P. Kropotkin war nicht völlig frei von dem Mythos unveränderter nationaler Charakteristiken, wie es unter den Anthropologen und Sozialphilosophen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mode war. Erstens bemerkte er, dass eine erfolgreiche Ansiedlung nur durch Menschen erreicht werden kann, die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Land zu bebauen. Eine Fähigkeit, von der er annahm, dass sie den Juden, die über Jahrhunderte vorrangig Stadtbewohner waren und ihren Lebensunterhalt hauptsächlich als selbständige Kaufleute und Künstler verdienten, fehle. Zweitens argumentierte P. Kropotkin, wenn die Juden hätten unbedingt Bauern werden wollen, sie es schon längst hätten sein können und zwar durch Errichtung von Kolonien in anderen Teilen der Welt, solche wie z.B. in Südamerika, wo Baron Hirsch versuchte, jüdische Bauerngemeinden zu gründen. Und schließlich erkannte P. Kropotkin, dass die Schaffung eines jüdischen Staates die Massenumsiedlung von Menschen von einem Ort zum anderen und einen Prozess der Wiederherstellung und des Aufbaus von unvorstellbarer Größe erforderlich machen würde.<br />
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P. Kropotkins Haupteinwand gegen die Etablierung einer nationalen Identität, abgesehen von dem des physischen Hindernisses, entstand aus seiner Überzeugung, dass der Zionismus in der Tat eher eine Idee, entstanden aus religiösen Prinzipien, als eine säkulare nationale Befreiungsbewegung sei. In seiner Analyse des Nationalismus trug P. Kropotkin der Rolle nationaler Befreiungsbewegungen Rechnung, die er als eine positive Kraft im Prozess der Zerstörung der kapitalistischen Gesellschaft betrachtete. Nationen, die für ihre nationale Befreiung kämpfen, können sich nicht auf den Weg der sozialen Revolution einlassen, da sie durch den Kampf gegen fremde [[Herrschaft | Herrschaft]] in Anspruch genommen sind. Die Rolle nationaler Befreiungsbewegungen ist bestimmend für die Revolution, da es in ihr angelegt ist, die Hindernisse, die zwischen den Arbeitern und ihrem erwachenden sozialen Bewusstsein stehen, zu beseitigen. Wiewohl auch der Zionismus, so P. Kropotkin, keine reguläre nationale Bewegung ist, vielmehr wuchs und entwickelte er sich aus den Bestrebungen religiöser Juden, in Palästina einen theokratischen Staat zu errichten. Deshalb meinte P. Kropotkin, dass die Schaffung eines jüdischen Staates nicht nur eine materielle Schwierigkeit, sondern auch vom politischen Standpunkt aus besonders unerwünscht sei, da die Investition von Mitteln und Opfern nur den Absichten und der Belebung anachronistischer Ideen diene.<br />
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P. Kropotkins Alternative zum Zionismus war die politische und ökonomische Assimilation der Juden in den jeweiligen Ländern, in denen sie lebten. Jedoch vertrat er keinerlei kulturelle Assimilation. Auch wenn eine Nation keinen eigenen Staat besitze, folge daraus nicht, dass sie ihr nationales Erbe negieren solle. Im Gegenteil, die Entwicklung von Sprache und Kultur sollte als wichtiger Beitrag zum allgemeinen Fortschritt der Humanität betrachtet werden. Er betonte, dass die Juden ihre Kultur und ihre nationale Folklore entwickeln sollten, ähnlich anderer Nationen, ungeachtet des Landes, so wie die Ukrainer, die Böhmen und die Georgier. Dies kann in ihren jeweiligen Ländern geschehen, in denen sie leben, ohne Zuflucht zu geographischen Veränderungen zu nehmen.<br />
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[[Landauer, Gustav | Gustav Landauer]] begann ungefähr 1913, nach der Beilis-Blutschändungsaffäre, in der die russische Regierung versuchte, einen Ritualmordprozess gegen unschuldige Juden aufzuziehen, sich für das jüdische Problem zu interessieren. Sein Interesse an jüdischen Angelegenheiten entstand auch als ein Ergebnis seiner engen Freundschaft mit [[Buber, Martin | Martin Buber]]. G. Landauer betrachtete das Volk als eine spirituelle und kulturelle Einheit, nicht als eine politische und ökonomische Struktur und definitiv nicht als eine biologische Entität, bestimmt durch feste und unwandelbare Blutsbande. Im Gegensatz zu M. Bakunin, der argumentierte, dass Anarchisten sich von den falschen Prinzipien des Nationalismus zu Gunsten eines Universalismus fernhalten sollten, betrachtete G. Landauer jedes Menschen Nationalität als einen wesentlichen Teil seiner Existenz. Außerdem kann ein Individuum durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Völkern viele Loyalitäten unterhalten. Folglich beschrieb sich G. Landauer selbst als „erstens ein Tier, dann als ein Mann, dann als ein Jude, dann als Deutscher, dann als Süddeutschen und schließlich als das besondere Ich“. Jede dieser Kategorien betrachtete G. Landauer als unabhängig und sah keinen Konflikt zwischen seinen hierarchischen Klassifikationen.<br />
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G. Landauer nahm an, dass die Juden das Niveau einer Nation erreicht hätten, seit dem er davon überzeugt war, dass die Definition einer Nation weder eine gemeinsame Sprache noch eine geographische Einheit erfordere. Die einzige Einheit, die G. Landauer hervorhob, war die eines gemeinsamen historischen Hintergrundes, den die Juden im Überfluss besaßen. G. Landauer lehnte die Sichtweise ab, dass die jüdische Frage ein besonderes Problem sei, das eine besondere Lösung erfordere. Er war von der anarchistischen Annahme überzeugt, dass die spezifischen Probleme, die die Juden betreffen, zusammen mit anderen sozialen Fragen gelöst werden würden, wenn die Revolution begänne. G. Landauers sozialistischer Universalismus war jedoch weder der Versuch, dem Problem des Antisemitismus auszuweichen, noch in eine Vision von Humanität zu flüchten, in der dann nationale Differenzen verschwinden würden, wie das bei vielen anderen radikalen Juden der Fall war. Er lehnte die Assimilationstendenzen der meisten deutschen Juden ab. Er bestand darauf, dass Juden und Deutsche verschiedene Völker seien, beide ausgestattet mit dem Potential, einzigartige Beiträge zum Erbe der Menschheit zu leisten. Er betonte jedoch, dass das Potential, das besonders von den Juden beigetragen werden könnte, nicht zur Bildung eines anderen Staates kanalisiert werden sollte. Gemäß G. Landauer unterscheidet die Juden vor allem ihre Landlosigkeit von allen anderen Nationen in dem Sinne, dass sie nicht vom Staatskult vergiftet seien. Deshalb wären die Juden mit der historischen Mission betraut, die treibende Kraft hinter dem Aufbau sozialistischer Gemeinden zu werden, unabhängig von jeder Bindung zum Staat. Diese Überzeugung erklärt G. Landauers Feindseligkeit gegenüber der zionistischen Bewegung, von der er meinte, dass sie mehr mit der Gründung eines jüdischen Staates beschäftigt sei, als mit der Kultivierung des besonderen „Rufes, der Humanität zu dienen“, der den Juden der Diaspora anvertraut worden war.<br />
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Die negative Haltung, die G. Landauer gegenüber der zionistischen Interpretation jüdischer nationaler [[Selbstbestimmung | Selbstbestimmung]] zum Ausdruck brachte, wurde von R. Rocker geteilt. Jedoch anders als G. Landauer und P. Kropotkin, für die Zionismus bloß eine theoretische Frage war, hatte R. Rocker während seiner alltäglichen politischen Arbeit mit dem Zionismus unter jüdischen Immigranten im Londoner East End zu tun. R. Rocker hatte ständig gegen die ideologische Mischung von Anarchismus und Zionismus zu kämpfen, die unter den jüdischen Immigranten in London vorherrschend war. Seine Aufgabe war in den Jahren vor dem l. Weltkrieg relativ leicht, als die zionistische Bewegung sich keiner großen Popularität in der jüdischen Arbeiterklasse erfreute. Weiterhin konnte R. Rocker während des I. Weltkrieges auf sein unvergleichliches Charisma bauen. In der Tat konnte keiner der zionistischen Führer in dieser Zeit dem legendären Einfluss R. Rockers bei der jüdischen Bevölkerung Gleichwertiges entgegensetzen. In den folgenden Jahren nach dem Krieg jedoch wurde der relative zahlenmäßige Vorteil der Anarchisten gegenüber den Zionisten geschmälert. Die gemeinsamen Kräfte von Krieg, Kommunismus, jüdischer Orthodoxie und der rasch wachsende Einfluss der Zionisten zerstörten die anarchistische Vormacht bei den jüdischen Arbeitern.<br />
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Nationale Souveränität für das jüdische Volk ablehnend, sah R. Rocker einigen Verdienst in den Vorschlägen, die von Ahad Ha-am (Asher Tsvi Ginzberg) gemacht wurden. Dieser vertrat die Etablierung eines kulturellen Zentrums für Juden, das als ein vereinigender Kern jüdischen kulturellen Lebens, verbunden mit geistigen und wissenschaftlichen Vorzügen, dienen sollte. Während R. Rocker mit den Vorstellungen A. Ha-ams über den Ausdruck jüdischen kulturellen Lebens übereinstimmte, wandte er gleichzeitig ein, dass das Zentrum geographisch wohl definiert sein müsse. Geographische Zentralisierung impliziert ein gewisses Maß an politischer Souveränität, die R. Rocker nicht billigte. R. Rocker, der lange genug lebte, um Zeuge der Gründung des Staates Israel zu werden, beklagte, dass die meisten jüdischen Anarchisten, geblendet durch die Versprechungen des Staates, die Lektionen der Geschichte vergessen hätten und naiv glaubten, dass dieser Staat eine Ausnahme bilden würde von der Brutalität der anderen. Er war ebenso besorgt darüber, dass der neue Staat die Fortschritte der Pioniere in den Gemeinschaftssiedlungen, mit denen die Anarchisten sympathisierten, zerstören würde. R. Rocker war überzeugt, dass im Rahmen des Staates die libertäre Natur der [[Kibbuzim | Kibbuzim]] endgültig zusammenbrechen und ihr einzigartiges System zerstört werden würde.<br />
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B. Lazare, ein französischer Publizist mit anarchistischen Neigungen, war ein überzeugter Anhänger der Assimilation der Juden, bis die Dreyfus-Affäre seine Überzeugungen erschütterte. B. Lazare glaubte, dass das jüdische nationale Problem entsprechend den orthodoxen anarchistischen Rezepten, die deren universalistische Aspekte hervorhoben, gelöst werden würde. Infolge des Dreyfus-Prozesses realisierte B. Lazare, dass es ausreichte, [[Religion | Religion]] und Tradition verschwinden zu lassen, um wahrhaft assimiliert zu werden. Diese Erkenntnis veranlasste B. Lazare, an der weit verbreiteten sozialistischen/anarchistischen Annahme zu zweifeln, die soziale Revolution würde das jüdische Problem gemeinsam mit allen anderen sozialen Ungerechtigkeiten lösen. B. Lazare's Lösung für die Juden war, mit dem Versuch aufzuhören, sich innerhalb anderer Nationen zu assimilieren und statt dessen ihren eigenen Sinn für Nationalismus zu entwickeln. Anfänglich war B. Lazare's jüdische Nation ohne ein Zion, ohne konkrete geographische Adresse. Er stimmte mit P. Kropotkin darin überein, dass sich die Juden als eine Nation innerhalb einer Nation entwickeln und sogar einen Staat innerhalb eines Staates bilden könnten; wie G. Landauer, dessen Bestreben die Schaffung einer spirituellen und moralischen Nation und nicht der praktische Akt der Staatsgründung war. Jüdische Nationalität sollte als der Ausdruck des Wunsches frei zu sein, als der Wunsch, ein Maß jüdischer Würde zu erhalten, verstanden werden.<br />
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B. Lazare' s eigentümliche Form des Anarcho-Nationalismus wandelte sich stufenweise in eine Form des politischen Zionismus, als er die Notwendigkeit einer territorialen Basis für die Vollendung der jüdischen nationalen Souveränität hervorhob. B. Lazare veränderte das anarchistische Prinzip einer „Nation innerhalb einer Nation“ in eine „Nation unter Nationen“, dadurch erhielt es eine territoriale Dimension. Am 17. Juli 1896 traf B. Lazare Theodor Herzl in Paris und bot ihm seine Hilfe bei der Verbreitung der Botschaft des „Judenstaates“ an. Jedoch wurde von ihm nicht vor 1897 der Wunsch eines physisch konkreten Territoriums für die Juden erwähnt. Aber sogar dann wurde Palästina als Ziel nicht genannt. Es konnte noch immer ein Stück Land sein – irgendwo. Die abschließende Wandlung geschah ein Jahr später, als B. Lazare schließlich Palästina als das in Aussicht genommene Land für die Juden benannte.<br />
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Es war jedoch H. Solotaroff, der versuchte, eine neue Synthese zwischen Anarchismus und Zionismus zu schaffen. Er war ein aktives Mitglied der ersten jüdisch-anarchistischen Gruppe in den [[USA | USA]], und der ähnlich wie G. Landauer und B. Lazare, aus seiner kosmopolitischen Weltanschauung durch einen Akt der Barbarei gegen das jüdische Volk erwachte: In einem Artikel, den er nach dem Kishinev-Pogrom von 1903 mit dem Titel „Ernste Fragen“ schrieb, kritisierte er anarchistische Überzeugungen und verursachte eine Spaltung innerhalb der amerikanisch-jüdischen anarchistischen Bewegung. Er führte aus, dass man blind sein müsse, um nicht zu erkennen, dass die Herrschaft des Nationalismus auf der ganzen Welt verbreitet sei. Die Zeit sei für jüdische Anarchisten gekommen, zu entscheiden, wie den Angriffen der Herrschaft des Nationalismus zu begegnen sei und wie die Ideen von anarchistischer [[Freiheit | Freiheit]] und Gemeinschaftsleben mit der unausweichlichen Erkenntnis zu verbinden sei, dass nur eine jüdische nationale Entität das jüdische Volk vor physischer Vernichtung retten könne.<br />
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Es ist eine anarchistische Doktrin, dass die Teilung der Menschheit in verschiedene Nationen unnatürlich und destruktiv sei. Deshalb sollten Anarchisten daran arbeiten, die internationale Vereinigung voranzutreiben, ungeachtet rassischer und nationaler Unterschiede. Dieses Argument, forderte H. Solotaroff, bedürfe einer gründlichen Überprüfung. Die Ideen des Universalismus und einer vereinigten Zivilisation sind unrealistisch, da sie durch „Gruppen-Uniformität“ und „Gruppen-Variabilität“ charakterisiert sind. Die Menschheit besteht aus vielen solcher Nationen, großen und kleinen, die unterschiedliche soziale Systeme haben und ein einzigartiges nationales Leben führen. Daher ist eine Menschheit ohne Nationen ein unrealistischer Weg. H. Solotaroff argumentierte, dass den anarchistischen Überzeugungen von Internationalismus, Bruderschaft und menschlicher Solidarität eine Dosis Realismus beigemengt werden sollte und, dass die Anarchisten anerkennen müssten, dass sie die steigende Flut des Nationalismus nicht aufhalten könnten. Wer – so H. Solotaroff – den Juden die strikte Einhaltung des internationalistischen Gedankens entsprechend anarchistischen Prinzipien predige, der diene in der Tat als ein Agent ihrer physischen Vernichtung. Die einzig logische Lösung für einen Juden, der sich weder in eine christliche Gesellschaft zu assimilieren wünscht, noch zu dem Lager derjenigen, die die soziale Revolution wie den Messias betrachten, gehören will, ist gezwungen, sein eigenes Nationalgefühl zu akzeptieren. Die jüdische Frage in diesen Zusammenhang gebracht, führt zu dem zwangsläufigen Schluss, dass die Juden nach einer unabhängigen nationalen Existenz in einem eigenen Land streben sollten.<br />
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H. Solotaroffs Lösung der jüdischen Frage erlangt einen erkennbaren zionistischen Anstrich durch seine Erklärung, dass ein passender Platz für eine jüdische Heimstätte nur Palästina sei. Jedoch anders als die meisten Zionisten, die Palästina wegen seiner historischen Bedeutung wählten, wählte H. Solotaroff den Ort aufgrund seiner Sicht Palästinas, als ein Land mit einer unterentwickelten Wirtschaft und einer primitiven sozialen Ordnung. Die eiserne Regel der Geschichte, sagte H. Solotaroff, ist, dass ein Volk, dessen soziale und kulturelle Struktur fortgeschrittener ist, das weniger fortgeschrittene Volk absorbiert, sogar dann, wenn das kulturell unterentwickelte Volk militärisch stärker ist. Dieser Regel entspricht besonders die massive Einwanderung aus osteuropäischen Ländern in den Westen. Juden wandern gewöhnlich in Länder aus, in denen politische Freiheit und soziale Gleichheit durch Gesetze geschützt sind. Diese Länder sind ebenfalls hoch industrialisiert, mit Möglichkeiten der Integration der Einwanderer in die Wirtschaft des neuen Landes. H. Solotaroff stimmte mit P. Kropotkins Charakterisierung der Juden als Stadtbewohner, unvertraut mit den Grundlagen der Landwirtschaft und Bebauung, überein. Deshalb, führte er aus, ist es nur natürlich, dass die meisten jüdischen Auswanderer hochentwickelte Länder als ihr Ziel wählen. Jedoch sind neu angekommene Juden unfähig, in dem neuen Land ein jüdisches Kulturleben zu schaffen und zu erhalten. Diese Unfähigkeit resultiert aus der Tatsache, dass in den USA und in den westeuropäischen Ländern die Juden kulturell wenig entwickelt sind. Als eine Konsequenz daraus assimilieren sie sich kulturell in ihre neue Umwelt. Nichtsdestotrotz ist ihre Assimilation niemals vollständig. In ihrem verzweifelten Versuch, die Wurzeln ihrer vergangenen Traditionen zu erhalten, werden sie zu Zwitterwesen, schwebend zwischen ihrem Judentum und den kulturellen Reizen der sie umgebenen Gesellschaft.<br />
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H. Solotaroff betrachtet die Situation in Palästina grundlegend anders. Im Vergleich zu den USA, wo die Einwanderung in großen Massen erfolgte, gehen nur wenige Juden nach Palästina. Diese sind Idealisten, die danach streben, eine "jüdische Heimstätte“ zu errichten. In dieser ökonomischen Rückständigkeit, genannt Palästina, ist weder urbanes Leben noch Industrie und Handel entwickelt. Diese Situation, behauptete H. Solotaroff, sei ideal, da nur in einem wirtschaftlich rückständigen Land die Option bestehe, zurück zu den Wurzeln zu gehen, landwirtschaftliche Siedlungen zu errichten, Land urbar zu machen und schließlich das stereotype Image des Kaufmanns und Geldverleihers abzuschütteln. Die wichtigste Sache jedoch sei, dass sich in der Semi-Wildnis die wenigen jüdischen Siedler nicht in die lokale arabische Bevölkerung assimilieren würden, da diese kulturell wenig entwickelt sei.<br />
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H. Solotaroff kritisierte die Zionisten dahingehend, dass sie ihre Ideen einer künftigen politischen Ordnung in Palästina mit einem Mantel der Zweideutigkeit umhüllten. Er vertrat eine Art Synthese zwischen nationalistischen und anarchistischen Prinzipien. Entsprechend seiner Synthese würde die künftige soziale und politische Struktur aus unabhängigen territorialen Einheiten oder Gemeinden bestehen, die im Rahmen einer föderalen Republik, ähnlich wie sie in der Schweiz existiert, zusammengefasst seien. Diese Föderation würde ein Teil der Weltordnung sein, in der die Gemeinden sich, entsprechend den nationalen Grenzen, zusammenschließen würden, um eine multinationale Föderation zu schaffen.<br />
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Moshe Katz und M. Leontieff (Lev Solomon Moiseev) waren unter den wenigen jüdischen Anarchisten diejenigen, die H. Solotaroffs Schritt in Richtung Zionismus unterstützten. Nach dem I. Weltkrieg und besonders nach dem II. Weltkrieg wuchs das zionistische Bewusstsein und schlug bei den jüdischen Anarchisten vieler Länder, hauptsächlich in den USA, Wurzeln. Es war die Errichtung der Kibbuzim, die eine starke Anziehungskraft auf die jüdischen Anarchisten ausübte und die dieses Experiment kollektiven Lebens aufmerksam beobachteten. Sie betrachteten es als eine Verkörperung der Vision P. Kropotkins von anarcho-kommunistischen Gemeinden. Diese starke Anziehungskraft war noch in den 1970er Jahren spürbar, wie bei [[Souchy, Augustin | Augustin Souchy]], der seine Eindrücke in dem Buch „Reise durch die Kibbuzim“ (1979, deutsch 1984) zusammenfasste.<br />
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'''Mina Graur'''<br />
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==Literatur und Quellen==<br />
<br />
* H. Frank: „Anarchism and the Jews”, in: B. J. Vlavianos and F. Gross (Hg.): Struggle for Tomorrow, New York 1954<br />
<br />
* P. Kropotkin: „Noch Vegen Anarchizm un Tsionizm, Kropotkin-Zamelbuch, Buenos Aires 1947<br />
<br />
* G. Landauer: Der werdende Mensch. Aufsätze über Leben und Schrifttum, Hg.: M. Buber, Potsdam 1921<br />
<br />
* G. Landauer: Ketavim Umichtavim 1900-1919, Kibbuz Merkhavia 1982<br />
<br />
* G. Landauer: „Judentum und Sozialismus“, Die Arbeit, Juni 1920<br />
<br />
* B. Lazare: Job's Dungheap, New York 1948<br />
<br />
* B. Lazare: Haantishemiut, Vilnius 1899<br />
<br />
* K. Marx: „Zur Judenfrage“, in: MEW, Berlin 1961<br />
<br />
* H. Solotaroff: „Erneste Fragen“, Freie Arbeiter Stimme, 23. Mai 1903<br />
<br />
* H. Solotaroff: „Iber Natsionalizm“, Das Volk, 26. Januar 1906<br />
<br />
* A. Souchy: Reise durch die Kibbuzim, Reutlingen 1984<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Proudhon,_Pierre-Joseph&diff=8349Proudhon, Pierre-Joseph2008-08-12T21:04:12Z<p>Sebastian M: </p>
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<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
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'''Pierre-Joeseph Proudhon''', geboren am 15. Januar 1809, Besancon; gestorben am 19. Januar 1865, Passy bei Paris.<br />
[[Bild:Proudhon-children.jpg|thumb|right|''Pierre Joseph Proudhon et ses enfants'' (Übersetzt: Pierre Joseph Proudhon und seine Kinder), Gemälde von Gustave Courbet, 1865]]<br />
==Äußere Daten und geistige sowie politische Entwicklung==<br />
Proudhon ist das älteste von fünf Kindern der Köchin Catherine, geb. Simonin, und des Brauereigesellen Claude-Francois Proudhon, entstammt also der „arbeitenden Klasse" („classe ouvriere"), in deren Dienst er seine geistige Arbeit zu stellen verspricht <ref>Lettre de candidature ä la Pension Suard, 31. Mai 1837, Correspondance de P.-J. Proudhon, Geneve 1971,1.1, p. 32.</ref>.<br />
<br />
Nach einer durch materiellen Mangel gekennzeichneten Kindheit und Jugend und nach einer Gymnasialzeit im College Royal zu Besancon von 1820 - 1827, die er aus finanziellen Gründen abbrechen musste, durchläuft er eine Druckerausbildung, die ihm eine Anstellung als Korrektor in der Druckerei Gauthier u. Cie. in Besancon ermöglicht, wo er bis 1830 arbeitet.<br />
An eine Zeit der Wanderschaft als Drucker durch Frankreich und die Schweiz, 1830 - 1834, und an den fehlgeschlagenen Versuch, mit einem Freund eine eigene Druckerei zu betreiben, schließt sich 1837 die erfolgreiche Bewerbung um ein dreijähriges Stipendium mit 1.500 Francs pro Jahr bei der Akademie von Besancon an, die Pension Suard, um deretwillen er - mit nun 28 Jahren - das Bakkalaureatsexamen nachholen muss, bevor er zum Studium nach Paris gehen kann (Anfang November 1838 - Anfang Februar 1842).<br />
Proudhons Verhältnis zur Akademie von Besancon wird zunehmend belastet nach Veröffentlichung seiner Schrift „Qu'est-ce que la propriété?" („Was ist das Eigentum?", 1840), deren von der Akademie geforderten Widerruf Proudhon verweigert und über die [[Karl Marx]] 1845 urteilt, dass dieses Werk „für die moderne, politische Ökonomie die gleiche Bedeutung" habe, „wie dasjenige von Sieyes: Qu' est-ce que le Tiers Etat? (Was ist der Dritte Stand?) für die moderne Politik" <ref>K. Marx /F. Engels: Die Heilige Familie, Werke, Berlin 1980, S. 33.</ref><br />
<br />
Proudhon kritisiert hier die herrschende Eigentumsordnung, die den Eigentümern von Produktionsmitteln in Gestalt einer „aubaine", eines unverdienten Vorteils, - die Vorwegnahme des Marx'schen Mehrwerts - die Möglichkeit gebe, den Arbeitern als den wirklichen Produzenten wirtschaftlicher Werte den vollständigen Ertrag ihrer Arbeit zu entziehen, und damit wirtschaftliche sowie soziale Ungleichheit verschärfe. Nachdem er in „Avertissement aux Proprietaires" („Warnung an die Eigentümer", 1842) in Erwiderung auf eine anonyme Kritik eines Fourier-Anhängers drohend von der Möglichkeit revolutionärer Angriffe gegen diese Ordnung gesprochen hat, entzieht ihm die Akademie sein Stipendium. Wegen Angriffs auf die geltende Eigentumsordnung, Missachtung der katholischen [[Religion]] und Aufstachelung zum Aufstand vor dem Schwurgericht des Bezirks Doubs angeklagt, verteidigt Proudhon sich neben einem Rechtsanwalt auch selbst und wird freigesprochen (1842).<br />
Von 1843 -1847 arbeitet er als Vertreter des Binnenschifffahrtsunternehmens Gebr. Gauthier in Lyon, tritt mit dem in Paris leben¬den Etienne Cabet, dem führenden Kopf der „communistes", und dessen Anhängern in Verbindung und schreibt in seiner freien Zeit „De la Creation de l'Ordre dans l'Humanite ou Principes d'Organisation politique" („Über die Schaffung einer Ordnung in der Menschheit oder Grundsätze politischer Organisation", 1843). <br />
<br />
In diesem Werk entwickelt Proudhon, noch stark unter dem Einfluss Saint-Simons und [[ Charles Fourier| Charles Fouriers]] stehend, im wesentlichen seine Theorie der Entwicklung menschlicher Gesellschaften auf dem Wege über eine religiöse, philosophische und wissenschaftliche Phase.<br />
In ihnen bringen sich seiner Meinung nach drei „moments" des menschlichen Erkenntnisvermögens zum Ausdruck und verkörpern insgesamt den Prozess des gesellschaftlichen Fortschritts. Bisher sei der Mensch nur in der Lage gewesen, auf Beharrung angelegte autoritär-hierarchische Gesellschaften zu errichten; in der ersten, der religiösen, Phase aufgrund seines Offenbarungsglaubens und, daraus folgend, in Analogie zu einer entsprechend vorgestellten göttlichen Ordnung, in der zweiten, philosophischen, Phase, orientiert an spekulativem deduktivem Kausalitätsdenken, mit dem in der Wirklichkeit erfahrbare, stets variable dynamische Beziehungen prozessualer Wechselwirkung nicht zureichend zu erfassen seien.<br />
Dies werde den Menschen erst in der dritten, der wissenschaftlichen, Phase möglich mit Hilfe eines Denkens, das Proudhon, angelehnt an C. Fouriers Konzept der „serie", mit dem von ihm allerdings nicht klar definierten Begriff „serielle Dialektik" („dialectique serielle") bezeichnet und das auf der Erkenntnis beruhe, dass die Wirklichkeit durch zahllose ineinander verwobene Ursache-Wirkung-Reihen gekennzeichnet sei, deren einziges „Gesetz" („loi") eben in diesem vielfältigen zieloffenen Reihungsvorgang als solchem zu suchen sei. Und erst geleitet von einem solchen Denken würden die Menschen in die Lage versetzt, entsprechend den technisch-naturwissenschaftlich-industriellen Entwicklungen und den wirtschaftlich-sozial-kulturellen Bedürfnissen und Interessen des 19. Jahrhunderts eine nach Gesichtspunkten koordinierend-kooperativer Funktionalität aufgebaute gesellschaftliche Ordnung zu errichten, in deren Rahmen sie auf der Grundlage von Arbeit in Gruppen ihre „Gruppenkraft" („force collective") produktiv entfalten können.<br />
<br />
1844 und 1845 trifft Proudhon in Paris mit dort im Exil lebenden deutschen Sozialisten zusammen, vor allem mit K. Marx, der ihn zur Mitarbeit an einem internationalen Korrespondenzorgan gewinnen will. Dieser Versuch scheitert, da Proudhon in einem Brief an K. Marx vom 17. Mai 1846 eine auf konfliktuellem Dialog aufbauende Arbeiterbildung fordert, eine gleichheitlich-freiheitliche Reform der Gesellschaft auf dem Wege über eine grundlegende Veränderung der bestehenden Wirtschaftsordnung im Sinne vergesellschafteter - nicht verstaatlichter - Eigentumsverhältnisse, und all dies ohne Propagierung einer Strategie gewaltsamer Revolution.<br />
<br />
1846 veröffentlicht Proudhon sein Buch „Systeme des Contradictions Economiques ou Philosophie de la Misere" („System der ökonomischen Widersprüche oder Philosophie des Elends"), eine Theorie der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung, auf die K. Marx mit einer Kritik in seinem Buch „Misere de la Philosophie, reponse à la Philosophie de la Misere de M. Proudhon" („Das Elend der Philosophie. Antwort auf ,Die Philosophie des Elends' des Herrn Proudhon", 1847) reagiert. In seinem umfangreichen Werk versucht Proudhon insbesondere, die Wesensmerkmale der Entwicklung Waren produzierender und austauschender Gesellschaften mit Hilfe einer Reihe von Kategorien herauszuarbeiten, in denen insgesamt der widersprüchliche und eine ungleiche Verteilung des gesellschaftlich erzeugten Reichtums zu Lasten der großen Mehrheit der Menschen bewirkende Charakter dieser Entwicklung zum Ausdruck kommt.<br />
So z. B. die ''Arbeitsteilung'', die einerseits die technische Entwicklung und höhere Qualifikation einer vergleichsweise geringen Zahl arbeitender Menschen vorantreibe, andererseits aber bei diesen unter den Bedingungen der beginnenden Industrialisierung auch seelische und geistige Verarmung durch zunehmend partielle Spezialisierung aufgrund einer sich ständig wiederholenden Tätigkeit und insgesamt die Verbilligung der weniger qualifizierten Arbeitskraft und damit sinkende Einkommen für den größeren Teil der arbeitenden Bevölkerung zur Folge habe; so z.B. - eine Folge der Arbeitsteilung - das ''Maschinenwesen'', das einerseits die Arbeiter von repetitiver parzellärer Arbeit befreie, sie andererseits jedoch eben dadurch aus dem Produktionsprozess ausschließe und, wiederum daraus folgend, ein Überangebot von Arbeitskraft mit entsprechender Senkung des Lohnniveaus, ein Überangebot von Gütern mit entsprechendem Preisverfall u. ä. bewirke; so. z. B. die ''Konkurrenz'' mit der aus ihr hervorgehenden und ihr entgegengesetzten Tendenz zur Bildung von ''Monopolen''; so z. B. der internationale ''Freihandel'' zwecks Absatzes der im Inland nicht mehr absetzbaren Güter im Ausland, der jedoch seinerseits in dem Maße in Widerspruch zu sich selbst gerät, in dem international agierende Großfirmen und Geldinstitute ihn ihren jeweiligen Sonderinteressen entsprechend regulieren, letztere als Hauptakteure des sich im Zuge der zunehmenden Entwicklung Waren produzierender und austauschender Industriegesellschaften entfaltenden ''Kreditwesens'', das aufgrund von Zins und Tilgung dem Kreditnehmer mehr nehme als gebe, ihn damit in steigendem Maße in ökonomische, soziale und letztlich politische Abhängigkeit führe und sich somit tendenziell seiner eigenen Grundlagen beraube. Allen eben skizzierten Widersprüchen liegt für Proudhon der Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert zugrunde, „die Antinomie im Wert, - das sich selbst widersprechende Wesen desselben" <ref>K. Diehl: Pierre-Joseph Proudhon, Aalen 1968, Neudr., S. 115.</ref>.<br />
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Der 1848er Revolution steht er gefühlsmäßig unsicher und intellektuell skeptisch gegenüber, da er befürchtet und schnell bestätigt findet, dass durch sie im Grunde genommen, entgegen den Erwartungen der Revolutionäre, lediglich das politische Führungspersonal ausgewechselt wird, die staatlichen Strukturen sowie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse jedoch im wesentlichen dieselben bleiben, unabhängig vom Wechsel von der bourgeoisiefreundlichen Monarchie seit dem Juli 1830 hin zur unitarisch-zentralistischen bürgerlichen Republik. Vom April 1848 an arbeitet er als Mitglied der Redaktion mit an der Zeitung „Repräsentant du Peuple" („Vertreter des Volkes") und propagiert darin seine Vorstellungen über den Vorrang einer wirtschaftlich-gesellschaftlichen, von der Mehrheit der Bevölkerung getragenen [[Revolution]] vor einer staatlich-politischen Umwälzung, die der ersteren mehr oder weniger automatisch folgen werde. Proudhon lässt sich für die Nachwahlen vom 4. Juni 1848 als Kandidat aufstellen und wird zusammen mit Louis-Napoleon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoleon III, und mit Adolphe Thiers, dem späteren ersten Präsidenten der Dritten Republik, in die Nationalversammlung gewählt.<br />
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Um der von ihm propagierten wirtschaftlich-gesellschaftlichen Revolution auf einer egalitär-mutualistischen Basis funktional organisierter sozio-ökonomischer Strukturen erste praktische Impulse zu geben, betreibt er seit 1848 entsprechend den in „Organisation du credit" entwickelten Vorstellungen die Gründung einer „Volksbank“ („Banque du Peuple'*) genannten Kombination aus Wechsel-, Wertpapier-, Noten-, Geschäfts-, Kredit- und Hypothekenbank: durch von bereits geleisteten sowie noch zu leistenden Diensten materiell gesicherte „Umlauf-Gutscheine“ („bons de circulation") sowie durch Niedrigstzins-Kredite (2 % bis minimal 1,4 %) sollte Menschen ohne oder mit nur geringem Eigenkapital wirtschaftliche Tätigkeit, unabhängig von mächtigen Kapitalgebern ermöglicht werden. Kurz nach ihrer Gründung muss er 1849 dieses Projekt aufgeben, weil er das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital von 50.000 Francs in Form von Anteilscheinen nicht zusammen bekommt und weil er eine dreijährige Gefängnisstrafe antreten muss, die ihm eine weitere Verfolgung dieses Vorhabens unmöglich macht. Denn nach zwei scharfen persönlichen Angriffen auf den Präsidenten der Republik, Louis Napoleon, in der Zeitung „Le Peuple" („Das Volk“), in denen er sarkastisch dessen Streben nach Errichtung einer Monarchie offenlegt, wird er am 28. März 1849 nach Aufhebung seiner Abgeordnetenimmunität zu der eben erwähnten Gefängnisstrafe sowie zu einer Geldstrafe von 3.000 Francs verurteilt, entzieht sich dem Zugriff der Polizei zunächst durch die Flucht nach Belgien, kommt inkognito nach Paris zurück, wo er u. a. die Auflösung der „Volksbank“ betreibt, wird am 5. Juni verhaftet und ins Gefängnis Sainte Pé1agie gebracht.<br />
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Im November 1849 veröffentlicht er seine autobiographischen „Confessions d'un Révolutionnaire" („Bekenntnisse eines Revolutionärs“) mit den zentralen Aussagen, dass die Revolution von 1848 vor allem deshalb gescheitert sei, weil sie sich auf die Veränderung staatlicher Institutionen beschränkt habe - die Ablösung der Juli-Monarchie von 1830 durch eine jakobinische einheitsstaatlich-zentralistische Republik -, ohne eine Entmachtung der in Handel, Industrie und Bankwesen engagierten Großbourgeoisie und deren administrativen und militärischen Herrschaftsapparates zu bewerkstelligen. Dabei räumt er allerdings auch ein, dass ein breites gesellschaftliches Bewusstsein von der Notwendigkeit einer vor allem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Revolution 1848 gefehlt hat, sodass eine entsprechende Revolution von vorneherein unmöglich gewesen sei.<br />
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Am 31. Dezember 1849 heiratet er die 27jährige Bandnäherin Louise-Euphrasie Piegard nach zweijähriger Verlobungszeit, mit der er vier Töchter hat, von denen zwei im Kindesalter sterben.<br />
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1851 veröffentlicht P. eine „Auswahl von Studien“ unter dem Titel „Idee générale de la Révolution au XIXe siecle" („Ideen zur Revolution im 19. Jahrhundert"), in der er vor allem eine Theorie der Assoziation und des Gesellschaftsvertrages vorlegt. Als deren Wesensmerkmale arbeitet er insbesondere rechtliche und tatsächliche Gleichgewichtigkeit der sich zusammenschließenden Einzelnen und Gruppen heraus, die Gegenseitigkeit ihrer vertraglich festgelegten jeweiligen Rechte und Pflichten bzw. Ansprüche und Leistungen und die auf die Lösung konkret zu definierender gemeinsamer Probleme inhaltlich und zeitlich begrenzte Abgabe minimaler Kompetenzen an gemeinsame Organe bei gleichzeitigem Verbleib maximaler Kompetenzen bei den jeweiligen individuellen bzw. gruppalen Vertragspartnern - es handelt sich also letztlich um eine egalitär-mutualistische Vertragstheorie.<br />
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Trotz anhaltender körperlicher Geschwächtheit nach Überwindung einer Choleraerkrankung und ihn seelisch belastender Ohnmachtsgefühle angesichts des sich im Zuge des Krimkrieges 1854 -m1856 außen-, aber auch innenpolitisch konsolidierenden Kaiserreiches Napoleons III. arbeitet er an dem 1858 in drei Bänden erscheinenden großen Werk „De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise" („Über Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche"), das er in gezielter Provokation dem Erzbischof von Besancon, Kardinal Matthieu, widmet. Auf der Grundlage seines Konzepts „Justice" als eines den gesamten Kosmos zusammenhaltenden Regulativs einer aufgeklärten, gegenseitige Verantwortlichkeit übenden, sich unter Berufung auf ihre „kollektive Vernunft" („raison collective") die Regeln ihres Zusammenlebens und ihrer Entwicklung selbst gebenden Gesellschaft entwickelt Proudhon in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem auf religiös-transzendentaler Hierarchisierung beruhenden Dominanzprinzip der katholischen Kirche in zwölf „Etudes" eine im weitesten Sinne des Wortes politische Philosophie säkularer Immanenz, die insbesondere den Menschen als autonome, aber eben diese Autonomie auch im Anderen achtende und insofern seine eigenen Rechte begrenzende Person definiert; die dementsprechend Recht als Funktion von auf strikter Gegenseitigkeit beruhenden, vertraglich vereinbarten konkreten Rechten und Pflichten zwischen rechtlich und tatsächlich gleichzustellenden Individuen und Gruppen auffasst; für einen -» Staat plädiert, dessen System sich im wesentli¬chen aus einer Gesamtheit von ihre Aktivitäten und gegenseitigen Beziehungen selbst regelnden wirtschaftlichen und gesellschaftli¬chen Gruppen entwickelt; die für eine Erziehung eintritt, die den im Menschen angelegten Kräften zur Entwicklung autonomer In¬dividualität und verantwortungsbewusst sich engagierender Sozialität zu voller Entfaltung verhilft; die aufgrund seiner Vorstellung von einem auf wechselseitiger Einwirkung aufeinander beruhenden Verhältnis zwischen Ideen und Handlungen eine „Polytechnie der Ausbildung" („Polytechnie de l'apprentissage") propagiert, in der den jungen Menschen berufliche Kenntnisse einerseits und eine - auch klassische antike Inhalte - umfassende Allgemeinbildung andererseits vermittelt werden, die ihnen Einblicke in erkenntnistheoretische Grundlagen ihrer beruflichen Tätigkeit eröffnen und sie so gleichsam zu arbeitenden Denkern bzw. denkenden Arbeitern werden lassen; die schließlich Fortschritt als eine im wesentlichen geistig-moralische Entwicklung der Menschen hin zu ihrer Befähigung zur Ausübung der „Justice" im oben angedeuteten Sinne des Wortes versteht - eine immer prekäre, weil ständig durch den Einfluss eines religiösen Transzendentalismus bedrohte Entwicklung. Sechs Tage nach dem Erscheinen dieses mit größtem Interesse in Paris erwarteten Werkes wird es am 28. April 1858 von der Polizei beschlagnahmt - 6.000 Exemplare waren jedoch bereits verkauft. Proudhon wird wegen „Verhöhnung der politischen und religiösen Moral" angeklagt und am 2. Juni 1858 zu drei Jahren Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 4.000 Francs verurteilt. Er entzieht sich der Verhaftung durch Flucht nach Belgien, wohin seine Familie ihm am 1. Dez. 1858 folgt und wo er bis 1862 bleiben muss. <br />
In den „Etudes" X und XI legt P. als stark von der durch Männer beherrschten Familientradition der heimatlichen Franche Comté beeinflusster Moralist seine Auffassungen zu Liebe und Ehe dar, die im Zusammenhang mit der zu derselben Zeit, 1856/57, stattfindenden und diese beiden „Etudes" sogar erst provozierenden Auseinandersetzung mit Jenny d'Hericourt zu verstehen sind. Gegen deren Kampf für die Emanzipation der Frau setzt er einen strikten Patriarchalismus, der der Frau die überkommene Rolle der dem Manne untergeordneten Ehefrau und Mutter zuweist sowie eine seiner Meinung nach nur in diesem Rahmen zu erfüllende Aufgabe der Zivilisierung des menschlichen Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern, die ihr allerdings insofern eine ganz eigenständige und vom Manne uneingeschränkt zu achtende komplementäre Position einräumt. Hier kommt eine Grundhaltung zum Ausdruck, die sich bei ihm im Zuge seiner Beschäftigung mit den Gedanken weiterer Vertreterinnen der Frauenemanzipation, insbesondere von George Sand, zu unduldsamer Rigidität verfestigt und ihn in ihrem Gegensatz zu seinem freiheitlichen und gleichheitlichen Denken im politischen Bereich - bis heute - emanzipationsorientierten Frauen und Männern entfremdet.<br />
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1861 gelingt ihm nach vielen Schwierigkeiten die Veröffentlichung des Werkes „La Guerre et la Paix" („Krieg und Frieden") in Paris. In ihm legt Proudhon im Rahmen einer geschichts- und politisch-philosophisch entwickelten Konflikttheorie die Dialektik zwischen gesellschaftsbildender und -zerstörender Funktion des Krieges dar und vertritt die handlungsanleitende These, dass die ontologisch gegebene Konflikthaftigkeit gesellschaftlicher Strukturen von zunehmend zerstörerischer kriegerischer Gewalt, wie sie sich ihm etwa im Krimkrieg zeigte, sowohl innerhalb einzelner Gesellschaften wie auch zwischen ihnen in wirtschaftlichen Wettbewerb zu überfuhren sei.<br />
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1863 erscheint - geschrieben krankhaften Erschöpfungszuständen zum Trotz - „Du Principe fédératif et de la Nécessité de reconstituer le Parti de la Révolution" („Über das föderative Prinzip und die Notwendigkeit, die revolutionäre Partei wieder aufzubauen"). Grundmotiv des ersten und wichtigsten, weil bis heute aktuellsten Teils dieses bedeutenden Werkes ist die Ablehnung zentralistischer nationaler Einheitsstaaten in Europa, da diese nach innen die Autonomie der vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen zugunsten der Übermacht zentraler politischer Instanzen vernichten und nach außen Konflikte untereinander in zunehmend zerstörerischer Weise gewaltsam zu lösen neigen und damit der Bildung noch viel unterdrückerischer und aggressiver großer „Reiche" Vorschub leisten. Stattdessen sollten auf Basis autonomer Kommunen sowie autonomer Kommunalverbände in regionalem Maßstab und sich selbst verwaltender landwirtschaftlicher und industrieller Betriebe mit einer regional und überregional zu organisierenden „Landwirtschaftlich-Industriellen Föderation" („Fédération agricole-industrielle") dezentralisierte Staaten großregionale Konföderationen bilden, die sich ihrerseits in einer europäischen Konföderation aus Konföderationen zusammenschließen sollten. Ähnlich, wie bereits in seiner „Théorie de l'impôt" („Theorie der Steuer", 1861), wird auch hier Organen staatlicher Natur das Recht zur Regelung des wirtschaftlichen und ge-sellschaftlichen Lebens zugesprochen, wobei sie sich jedoch auf initiierende Impulse zu beschränken haben und die Fortführung derartiger staatlicher Initiativen den jeweils hierfür am besten geeigneten autonomen Gruppen der Gesellschaft überlassen sollen. Der Grundgedanke des „Principe fédératif“ lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der ewige Konflikt zwischen „Freiheit“ und „Autorität“ mit Hilfe eines Typs von Vertrag auszubalancieren sei, bei dessen Abschluss die jeweiligen Parteien mehr Kompetenzen und Ressourcen behalten als sie gemeinsamen Organen übertragen, sodass Instanzen auf jeweils höheren Ebenen immer nur gerade so viel Macht erhalten, wie sie zur Lösung gemeinsamer Probleme benötigen.<br />
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Im März 1864 beginnt Proudhon in Erwiderung auf ein kurz zuvor veröffentlichtes „Manifeste des Soixante“ („Manifest der Sechzig" [Arbeiter]) sein letztes großes Werk zu schreiben: „De la Capacité politique des classes ouvrières" („Über die Fähigkeit der arbeitenden Klassen zur Politik“), an dem er, zunehmend durch Krankheit geschwächt, buchstäblich bis zu seinen letzten Lebenstagen arbeitet, und das, aufgrund seiner Notizen von engen Freunden zu Ende geschrieben, 1865 posthum veröffentlicht wird - sein „gesellschaftspolitisches Testament“ („Testament social"), wie es sein großer Biograph Pierre Haubtmann genannt hat <ref>Pierre-Joseph Proudhon, t. II, Paris 1988, p. 382.</ref>.<br />
Die wesentlichen Gedanken dieser Schrift lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Nachdem er in einem kurzen ersten Teil ein Plädoyer für aktiven Wahlprotest gegen das herrschende Regime in Form der Abgabe leerer Stimmzettel gehalten hat, stellt er die These auf, dass erst ein vertieftes Verständnis von der „Idée ouvriére", dem Arbeiterbewusstsein, die Voraussetzungen für eine Überwindung der gegenwärtigen Klassengesellschaft schaffen könne. Im umfangreicheren zweiten Teil der „Capacité" entwickelt er seine Deutung dieser „Idee", dass nämlich die „arbeitenden Klassen" sich ihrer wirtschaftlich-sozialen Interessenlage gegenüber dem sie aufgrund seiner industriellen und finanziellen Macht beherrschenden Großbürgertum zunehmend bewusst werden; dass sie im Zuge dieser Bewusstwerdung ihre spezifischen Interessen immer deutlicher zu artikulieren und folglich politisch durchzusetzen fähig werden; dass sie bei der Entwicklung einer entsprechenden Strategie sowohl die Bauern als auch das mittlere und kleine Bürgertum einbinden müssen, da auch diese „classes" seiner Prognose zufolge in wachsende Abhängigkeit von der die Industrie, die Banken, die staatlichen Institutionen einschließlich der Bürokra¬tie und der Armee beherrschenden Großbourgeoisie geraten werden. Auf diese Weise müsse einerseits das herrschende und im Hinblick auf seine Funktionsmechanismen zu analysierende privatkapitalistische System überwunden, andererseits aber eine kommunistische, staatskapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verhindert werden. Die Arbeiter müssten eine auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit („mutualité") ruhende, von autonomen, sich auf der Grundlage vergesellschafteter - nicht verstaatlichter - Produktionsmittel selbst verwaltenden landwirtschaftlichen, industriellen und Dienstleistungsbetrieben, nicht zuletzt im sozialen und kulturellen Bereich, getragene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aufbauen. Diese Betriebe müssten ihre Beziehungen untereinander auf der Grundlage von Verträgen regeln und ihre jeweils gemeinsamen Interessen im Rahmen von entsprechenden Zusammenschlüssen nach außen vertreten.<br />
Im abschließenden dritten Teil der „Capacité" plädiert Proudhon dafür, dass „die arbeitenden Klassen", unter denen er alle von der Bourgeoisie immer abhängiger werdenden Bevölkerungsgruppen in Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gewerbe, Kultur und Bildung sowie beruflicher Ausbildung zusammenfasst, geführt von der Arbeiterschaft, den Schritt einer grundsätzlichen Trennung vom gegebenen System tun, um einen eigenen Standpunkt zu gewinnen und von hier aus, in einem zwar evolutionär, aber grundlegend zu verändernden Rahmen der Legalität, gewaltlos eine neue, klassenlose, jedoch funktional höchst ausdifferenzierte, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu errichten unter Anwendung einer Taktik im Rahmen der eben erwähnten spezifischen, alle wirtschafts-, sozial-, kultur- und staatlich-politischen Bereiche umfassenden Strategie. Letztlich hat Proudhon eine freiheitlich-gleichheitliche Gruppengesellschaft im Auge, in der seiner Meinung nach die Freiheit des Individuums noch am besten gegen unberechtigte wirtschaftlich-finanzielle und staatlich-bürokratisch-polizeilich-militärische Macht zu verteidigen ist.<br />
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== Stellenwert Proudhons innerhalb der libertären Spektrums ==<br />
[[Bild:Proudhonpropietat.JPG|thumb|''Qu'est ce que la propriété?''; 1841]]<br />
Proudhons geistige und politische Entwicklung ist nur unzureichend zu verstehen, wenn man sich nicht vor Augen hält, dass er sich in einer historischen Zone bewegt, innerhalb derer sich in Frankreich die Phase einer von einer sehr heterogenen manufakturiellen Arbeiterschaft getragenen Revolution mit der bereits im Übergang zu konservativer Etabliertheit befindlichen Phase bürgerlicher Revolution zu verzahnen beginnt. Die Juli-Revolution von 1830 und die Februar-Revolution von 1848 beleuchten mit der zwar zunehmend gewichtigeren, aber eben noch immer beschränkten, weil vom Bürgertum für die eigenen Ziele ausgenutzten Hilfstruppen-Stellung der Arbeiterinnen schlaglichtartig diese historische Doppelphasen-Situation. Erst als sich 1864 der mit den meisten der großen Schriften Proudhonss vertraute Ziseleur Henri-Louis Tolain (1828 -1897), einer der Mitbegründer der [[Erste Internationale | Ersten Internationale ]] (1864 -1876), ausdrücklich als ''Kandidat der Arbeiter'', unabhängig von der bürgerlichen Opposition, für Ergänzungswahlen zur Nationalversammlung aufstellen lässt, hierbei durch das „Manifest der Sechzig" unterstützt, deutet sich an, dass die Arbeiterschaft zur Hauptträgerin der Revolutionsbewegung in Frankreich zu werden beginnt. Aufgrund dieser eben angedeuteten wirtschafts- und gesellschaftsgeschichtlichen Übergangssituation sah sich Proudhon in Frankreich in die Anfangsphase einer Arbeiterbewegung gestellt, die von der Auseinandersetzung zwischen Protagonisten unterschiedlicher Varianten des Grundmodells eines zentralistischen Sozialismus (z. B. Saint-Simon, Etienne Cabet, Auguste Blanqui, Louis Blanc, K. Marx, F. Engels) untereinander und mit solchen eines föderativ-kleingruppalen Sozialismus (z. B. C. Fourier und seine damals einflussreiche Anhängerschaft) charakterisiert war. Im Zuge dieser lebhaften, oft auch polemischen Debatten erarbeitete Proudhon gegen die verschiedenen Denkschulen und auch auf die Gefahr von Verständnislosigkeit bzw. Missverständnissen auf seiten von ihm geistig Nahestehenden hin sein eigenständiges Konzept eines ''libertärsozialistischen Föderalismus'', das letztlich auf dem Grundgedanken beruht, im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, aber auch staatlichen Bereich die im weitesten Sinne des Wortes institutionellen - folglich nicht zuletzt auch bildungs- und ausbildungsmässigen - Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen sich ihren Anlagen entsprechend zu autonomen Individuen, aber sich auch gesellschaftlich verantwortungsbewusst engagierenden Persönlichkeiten entwickeln können. Zwar ist dieser Wirtschaft, Gesellschaft, aber auch staatliche Institutionen umfassende [[Föderalismus]] von patriarchalisch-paternalistischen Wesensmerkmalen geprägt. Dennoch ist in ihm aufgrund der ihm innewohnenden politisch-emanzipatorischen Elemente prinzipiell auch die Möglichkeit seiner Erweiterung auf ein viel breiteres Spektrum von Befreiungsbewegungen hin angelegt (z. B. Frauenemanzipation, autonomistischer Regionalismus, Selbsthilfegruppen).<br />
<br />
Proudhons ideo-realistische, d. h. insbesondere: Ideen als handlungsanleitende, aber von Handlungsfolgen gegebenenfalls auch immer neu zu korrigierende Vorstellungen begreifende und damit im Grundsatz gegen Ideologisierung immunisierende Erkenntnis- und Handlungstheorie, sein antinomisches, evolutionäres, Einsichten und Erkenntnisse immer wieder infrage stellendes analytisches Denken und seine nie endgültig zu etablierende, sondern immer situationsangemessen weiter zu entwickelnde Institutionen im weitesten Sinne des Wortes konzipierende politische Phantasie haben vielfältige Einflüsse auf die frühe Arbeiterbewegung insbesondere in Frankreich und Deutschland ausgeübt, auf viele Kämpfer/Innen der [[Pariser Commune]] von 1871, über [[Michail Aleksandrovič Bakunin | Michail Bakunin]] und über nicht zuletzt auch von diesem beeinflusste französische, schweizerische, spanische und italienische Anhänger der [[Erste Internationale | Ersten Internationale ]], auf den in dieser Zeit entstehenden und sich verbreitenden europäischen Anarchismus, auf die sich in Europa entwickelnde Gewerkschaftsbewegung, auf das sich besonders im deutschsprachigen Raum ausbreitende Genossenschaftswesen und auch noch auf die sich nach dem zweiten Weltkrieg von Frankreich her entwickelnde Denkschule des Integralen Föderalismus.<br />
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Abschließend lässt sich eine Trias von eng miteinander verwobenen Wesensmerkmalen von Proudhons Leben und Werk benennen:<br />
Die in der Kindheit an sich selbst und in der Familie als unverschuldet erfahrene wirtschaftliche und gesellschaftliche Benachteiligung hat in ihm einen Gerechtigkeitssinn geweckt und geschärft, unter dessen ständigem Appell er, vor allem in empörter Auseinandersetzung mit der sich auf bloße mittelalterlich geprägte Karitativität beschränkenden katholischen Kirche seiner Zeit, wirtschafts- und sozialpolitische Verantwortung von Selbsthilfe-Einrichtungen der jeweils Betroffenen einforderte, deren Wahrnehmung für ihn gegen Ende seines Lebens durchaus in Zusammenarbeit mit lediglich entsprechende Initiativen ergreifenden staatlichen Instanzen vorstellbar war. Insofern kann Proudon als maßgeblicher Initiator einer Sozialpflichtigen politischen Moderne angesehen werden. Verbunden mit dieser ethisch-normativen Dimension seines Lebens und Werkes ist als zweites Wesensmerkmal Proudhons realistischer Pragmatismus zu nennen, als dessen Ursache wohl seine praxisverbundene Ausbildung zum Drucker sowie der fast sein ganzes Leben begleitende Zwang zu Arbeit für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt angesehen werden kann - angefangen vom sommerlichen Hüten von Kühen als Kind auf den Wiesen der Pfarrgemeinde Burgille bei Besancon über seine Arbeit als Angestellter der Firma Gebr. Gauthier bis hin zum Abfassen von Auftragsschriften, wie dem „Handbuch des Börsenspekulanten" („Manuel du speculateur ä la bourse", 1853). Mit den zwei eben erwähnten ist schließlich als drittes Wesensmerkmal verknüpft eine aufgrund seines funktional-pluralistischen Denkens durchaus „modern" zu nennende Herangehensweise an die Analyse wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme sowie an das Konzipieren von Möglichkeiten zu deren Lösung. Als beispielhaft hierfür kann der weiter oben skizzierte erste Teil seiner Schrift „Du Principé fedératif" angesehen werden, in der Proudhon nach einer historisch-genetisch und systematisch angelegten Theorie der staatlich-politisch organisierten Gesellschaft das Modell einer Gesellschaft aus vielfältigen autonomen, über vertragliche Beziehungen miteinander Güter und Dienstleistungen austauschenden Gruppen entwirft, in der staatlichen Instanzen neben Koordinations- und Informationsaufgaben höchstens eine initiierende wirtschafts- und sozialpolitische Innovationsfunktion zugewiesen wird, während die jeweils situationsangemessene Umsetzung bzw. Weiterentwicklung solcher Anstöße Aufgabe der föderalistischen Gruppengesellschaft sein soll.<br />
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<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
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<br />
Einen Überblick bis 1987 über die im hier vorgegebenen Rahmen nur auswahlweise zu skizzierenden Werke Proudhons und über Proudhon geben: <br />
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* J. Hilmer/L. Roemheld (Hg.): Proudhon-Bibliographie, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1989 (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXI: Politikwissenschaft, Bd. 131).<br />
<br />
<br />
Aus der von dieser Bibliographie nicht mehr erfassten Primärliteratur sind, in chronologischer Reihenfolge, hervorzuheben: <br />
<br />
* P.-J. Proudhon: De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise (1860), s. 1., t.I - IV, 1988-1990 (Corpus des oeuvres de philosophie en langue francaise), texte revu par R. Férenczi, G. Navet, P. Vermeren, B. Voyenne.<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Von den Grundlagen und der sozialen Bestimmung der Kunst, ins dt. übertr., eingel. u. erl. v. K. Herding, Berlin 1988.<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Il Principio federativo (Parte prima), traduzione a cura di Ferruccio Palatella, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1988 (Democrazia, Ecologia, Federalismo t. 5).<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Über das föderative Prinzip und die Notwendigkeit, die Partei der Revolution wieder aufzubauen, Teil 1, übers. v. L. Roemheld, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1989 (Demokratie, Ökologie, Föderalismus Bd. 6); Teil 2: Einheitspolitik, übers. v. H. Bolt, ebd. 1992 (Demokratie, Ökologie, Föderalismus Bd. 9). <br />
<br />
* P.-J. Proudhon: What is Property?, edited and translated by Donald R. Kelley and Bonnie G. Smith, Cambridge University Press 1993 (Cambridge Texts in the History of Political Thought).<br />
<br />
<br />
Aus der von der Proudhon-Bibliographie nicht erfassten Sekundärliteratur sind in chronologischer Reihenfolge hervorzuheben: <br />
<br />
* B. Voyenne: Histoire de l‘idée fédéraliste, t. III: Les lignées proudhoniennes, Paris - Nice 1981.<br />
<br />
* P. Haubtmann: Pierre-Joseph Proudhon, sa vie et sa pensée 1849 - 1865, Paris, 2 vols. 1988.<br />
<br />
* Mil neuf cent - Revue d'histoire intellectuelle (Cahiers Georges Sorel), no. 10, 1992 (Schwerpunktthema: Proudhon, l'éternel retour).<br />
<br />
* P. Ansart: Die Soziologie Pierre-Joseph Proudhons, übers, v. L. Roemheld, Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1994 (Demokratie, Ökolo¬gie, Föderalismus Bd. 10).<br />
<br />
<br />
Last, but not least seien erwähnt als Publikationen einer hoch spezialisierten Proudhon-Forschung: <br />
<br />
* Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (E.H.E.S.S.): Les Travaux de l'Atelier Proudhon, Paris, fasc. 1 ss, 1986 ss; E.H.E.S.S.: Les Cahiers de la Société Proudhon, Paris, vol. 1 ss, 1993 ss.<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Lutz Roemheld]]'''<br />
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<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Proudhon,_Pierre-Joseph&diff=8348Proudhon, Pierre-Joseph2008-08-12T21:02:40Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
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'''Pierre-Joeseph Proudhon''', geboren am 15. Januar 1809, Besancon; gestorben am 19. Januar 1865, Passy bei Paris.<br />
[[Bild:Proudhon-children.jpg|thumb|right|''Pierre Joseph Proudhon et ses enfants'' (Übersetzt: Pierre Joseph Proudhon und seine Kinder), Gemälde von Gustave Courbet, 1865]]<br />
==Äußere Daten und geistige sowie politische Entwicklung==<br />
Proudhon ist das älteste von fünf Kindern der Köchin Catherine, geb. Simonin, und des Brauereigesellen Claude-Francois Proudhon, entstammt also der „arbeitenden Klasse" („classe ouvriere"), in deren Dienst er seine geistige Arbeit zu stellen verspricht <ref>Lettre de candidature ä la Pension Suard, 31. Mai 1837, Correspondance de P.-J. Proudhon, Geneve 1971,1.1, p. 32.</ref>.<br />
<br />
Nach einer durch materiellen Mangel gekennzeichneten Kindheit und Jugend und nach einer Gymnasialzeit im College Royal zu Besancon von 1820 - 1827, die er aus finanziellen Gründen abbrechen musste, durchläuft er eine Druckerausbildung, die ihm eine Anstellung als Korrektor in der Druckerei Gauthier u. Cie. in Besancon ermöglicht, wo er bis 1830 arbeitet.<br />
An eine Zeit der Wanderschaft als Drucker durch Frankreich und die Schweiz, 1830 - 1834, und an den fehlgeschlagenen Versuch, mit einem Freund eine eigene Druckerei zu betreiben, schließt sich 1837 die erfolgreiche Bewerbung um ein dreijähriges Stipendium mit 1.500 Francs pro Jahr bei der Akademie von Besancon an, die Pension Suard, um deretwillen er - mit nun 28 Jahren - das Bakkalaureatsexamen nachholen muss, bevor er zum Studium nach Paris gehen kann (Anfang November 1838 - Anfang Februar 1842).<br />
Proudhons Verhältnis zur Akademie von Besancon wird zunehmend belastet nach Veröffentlichung seiner Schrift „Qu'est-ce que la propriété?" („Was ist das Eigentum?", 1840), deren von der Akademie geforderten Widerruf Proudhon verweigert und über die [[Karl Marx]] 1845 urteilt, dass dieses Werk „für die moderne, politische Ökonomie die gleiche Bedeutung" habe, „wie dasjenige von Sieyes: Qu' est-ce que le Tiers Etat? (Was ist der Dritte Stand?) für die moderne Politik" <ref>K. Marx /F. Engels: Die Heilige Familie, Werke, Berlin 1980, S. 33.</ref><br />
<br />
Proudhon kritisiert hier die herrschende Eigentumsordnung, die den Eigentümern von Produktionsmitteln in Gestalt einer „aubaine", eines unverdienten Vorteils, - die Vorwegnahme des Marx'schen Mehrwerts - die Möglichkeit gebe, den Arbeitern als den wirklichen Produzenten wirtschaftlicher Werte den vollständigen Ertrag ihrer Arbeit zu entziehen, und damit wirtschaftliche sowie soziale Ungleichheit verschärfe. Nachdem er in „Avertissement aux Proprietaires" („Warnung an die Eigentümer", 1842) in Erwiderung auf eine anonyme Kritik eines Fourier-Anhängers drohend von der Möglichkeit revolutionärer Angriffe gegen diese Ordnung gesprochen hat, entzieht ihm die Akademie sein Stipendium. Wegen Angriffs auf die geltende Eigentumsordnung, Missachtung der katholischen [[Religion]] und Aufstachelung zum Aufstand vor dem Schwurgericht des Bezirks Doubs angeklagt, verteidigt Proudhon sich neben einem Rechtsanwalt auch selbst und wird freigesprochen (1842).<br />
Von 1843 -1847 arbeitet er als Vertreter des Binnenschifffahrtsunternehmens Gebr. Gauthier in Lyon, tritt mit dem in Paris leben¬den Etienne Cabet, dem führenden Kopf der „communistes", und dessen Anhängern in Verbindung und schreibt in seiner freien Zeit „De la Creation de l'Ordre dans l'Humanite ou Principes d'Organisation politique" („Über die Schaffung einer Ordnung in der Menschheit oder Grundsätze politischer Organisation", 1843). <br />
<br />
In diesem Werk entwickelt Proudhon, noch stark unter dem Einfluss Saint-Simons und [[ Charles Fourier| Charles Fouriers]] stehend, im wesentlichen seine Theorie der Entwicklung menschlicher Gesellschaften auf dem Wege über eine religiöse, philosophische und wissenschaftliche Phase.<br />
In ihnen bringen sich seiner Meinung nach drei „moments" des menschlichen Erkenntnisvermögens zum Ausdruck und verkörpern insgesamt den Prozess des gesellschaftlichen Fortschritts. Bisher sei der Mensch nur in der Lage gewesen, auf Beharrung angelegte autoritär-hierarchische Gesellschaften zu errichten; in der ersten, der religiösen, Phase aufgrund seines Offenbarungsglaubens und, daraus folgend, in Analogie zu einer entsprechend vorgestellten göttlichen Ordnung, in der zweiten, philosophischen, Phase, orientiert an spekulativem deduktivem Kausalitätsdenken, mit dem in der Wirklichkeit erfahrbare, stets variable dynamische Beziehungen prozessualer Wechselwirkung nicht zureichend zu erfassen seien.<br />
Dies werde den Menschen erst in der dritten, der wissenschaftlichen, Phase möglich mit Hilfe eines Denkens, das Proudhon, angelehnt an C. Fouriers Konzept der „serie", mit dem von ihm allerdings nicht klar definierten Begriff „serielle Dialektik" („dialectique serielle") bezeichnet und das auf der Erkenntnis beruhe, dass die Wirklichkeit durch zahllose ineinander verwobene Ursache-Wirkung-Reihen gekennzeichnet sei, deren einziges „Gesetz" („loi") eben in diesem vielfältigen zieloffenen Reihungsvorgang als solchem zu suchen sei. Und erst geleitet von einem solchen Denken würden die Menschen in die Lage versetzt, entsprechend den technisch-naturwissenschaftlich-industriellen Entwicklungen und den wirtschaftlich-sozial-kulturellen Bedürfnissen und Interessen des 19. Jahrhunderts eine nach Gesichtspunkten koordinierend-kooperativer Funktionalität aufgebaute gesellschaftliche Ordnung zu errichten, in deren Rahmen sie auf der Grundlage von Arbeit in Gruppen ihre „Gruppenkraft" („force collective") produktiv entfalten können.<br />
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1844 und 1845 trifft Proudhon in Paris mit dort im Exil lebenden deutschen Sozialisten zusammen, vor allem mit K. Marx, der ihn zur Mitarbeit an einem internationalen Korrespondenzorgan gewinnen will. Dieser Versuch scheitert, da Proudhon in einem Brief an K. Marx vom 17. Mai 1846 eine auf konfliktuellem Dialog aufbauende Arbeiterbildung fordert, eine gleichheitlich-freiheitliche Reform der Gesellschaft auf dem Wege über eine grundlegende Veränderung der bestehenden Wirtschaftsordnung im Sinne vergesellschafteter - nicht verstaatlichter - Eigentumsverhältnisse, und all dies ohne Propagierung einer Strategie gewaltsamer Revolution.<br />
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1846 veröffentlicht Proudhon sein Buch „Systeme des Contradictions Economiques ou Philosophie de la Misere" („System der ökonomischen Widersprüche oder Philosophie des Elends"), eine Theorie der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung, auf die K. Marx mit einer Kritik in seinem Buch „Misere de la Philosophie, reponse à la Philosophie de la Misere de M. Proudhon" („Das Elend der Philosophie. Antwort auf ,Die Philosophie des Elends' des Herrn Proudhon", 1847) reagiert. In seinem umfangreichen Werk versucht Proudhon insbesondere, die Wesensmerkmale der Entwicklung Waren produzierender und austauschender Gesellschaften mit Hilfe einer Reihe von Kategorien herauszuarbeiten, in denen insgesamt der widersprüchliche und eine ungleiche Verteilung des gesellschaftlich erzeugten Reichtums zu Lasten der großen Mehrheit der Menschen bewirkende Charakter dieser Entwicklung zum Ausdruck kommt.<br />
So z. B. die ''Arbeitsteilung'', die einerseits die technische Entwicklung und höhere Qualifikation einer vergleichsweise geringen Zahl arbeitender Menschen vorantreibe, andererseits aber bei diesen unter den Bedingungen der beginnenden Industrialisierung auch seelische und geistige Verarmung durch zunehmend partielle Spezialisierung aufgrund einer sich ständig wiederholenden Tätigkeit und insgesamt die Verbilligung der weniger qualifizierten Arbeitskraft und damit sinkende Einkommen für den größeren Teil der arbeitenden Bevölkerung zur Folge habe; so z.B. - eine Folge der Arbeitsteilung - das ''Maschinenwesen'', das einerseits die Arbeiter von repetitiver parzellärer Arbeit befreie, sie andererseits jedoch eben dadurch aus dem Produktionsprozess ausschließe und, wiederum daraus folgend, ein Überangebot von Arbeitskraft mit entsprechender Senkung des Lohnniveaus, ein Überangebot von Gütern mit entsprechendem Preisverfall u. ä. bewirke; so. z. B. die ''Konkurrenz'' mit der aus ihr hervorgehenden und ihr entgegengesetzten Tendenz zur Bildung von ''Monopolen''; so z. B. der internationale ''Freihandel'' zwecks Absatzes der im Inland nicht mehr absetzbaren Güter im Ausland, der jedoch seinerseits in dem Maße in Widerspruch zu sich selbst gerät, in dem international agierende Großfirmen und Geldinstitute ihn ihren jeweiligen Sonderinteressen entsprechend regulieren, letztere als Hauptakteure des sich im Zuge der zunehmenden Entwicklung Waren produzierender und austauschender Industriegesellschaften entfaltenden ''Kreditwesens'', das aufgrund von Zins und Tilgung dem Kreditnehmer mehr nehme als gebe, ihn damit in steigendem Maße in ökonomische, soziale und letztlich politische Abhängigkeit führe und sich somit tendenziell seiner eigenen Grundlagen beraube. Allen eben skizzierten Widersprüchen liegt für Proudhon der Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert zugrunde, „die Antinomie im Wert, - das sich selbst widersprechende Wesen desselben" <ref>K. Diehl: Pierre-Joseph Proudhon, Aalen 1968, Neudr., S. 115.</ref>.<br />
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Der 1848er Revolution steht er gefühlsmäßig unsicher und intellektuell skeptisch gegenüber, da er befürchtet und schnell bestätigt findet, dass durch sie im Grunde genommen, entgegen den Erwartungen der Revolutionäre, lediglich das politische Führungspersonal ausgewechselt wird, die staatlichen Strukturen sowie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse jedoch im wesentlichen dieselben bleiben, unabhängig vom Wechsel von der bourgeoisiefreundlichen Monarchie seit dem Juli 1830 hin zur unitarisch-zentralistischen bürgerlichen Republik. Vom April 1848 an arbeitet er als Mitglied der Redaktion mit an der Zeitung „Repräsentant du Peuple" („Vertreter des Volkes") und propagiert darin seine Vorstellungen über den Vorrang einer wirtschaftlich-gesellschaftlichen, von der Mehrheit der Bevölkerung getragenen [[Revolution]] vor einer staatlich-politischen Umwälzung, die der ersteren mehr oder weniger automatisch folgen werde. Proudhon lässt sich für die Nachwahlen vom 4. Juni 1848 als Kandidat aufstellen und wird zusammen mit Louis-Napoleon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoleon III, und mit Adolphe Thiers, dem späteren ersten Präsidenten der Dritten Republik, in die Nationalversammlung gewählt.<br />
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Um der von ihm propagierten wirtschaftlich-gesellschaftlichen Revolution auf einer egalitär-mutualistischen Basis funktional organisierter sozio-ökonomischer Strukturen erste praktische Impulse zu geben, betreibt er seit 1848 entsprechend den in „Organisation du credit" entwickelten Vorstellungen die Gründung einer „Volksbank“ („Banque du Peuple'*) genannten Kombination aus Wechsel-, Wertpapier-, Noten-, Geschäfts-, Kredit- und Hypothekenbank: durch von bereits geleisteten sowie noch zu leistenden Diensten materiell gesicherte „Umlauf-Gutscheine“ („bons de circulation") sowie durch Niedrigstzins-Kredite (2 % bis minimal 1,4 %) sollte Menschen ohne oder mit nur geringem Eigenkapital wirtschaftliche Tätigkeit, unabhängig von mächtigen Kapitalgebern ermöglicht werden. Kurz nach ihrer Gründung muss er 1849 dieses Projekt aufgeben, weil er das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital von 50.000 Francs in Form von Anteilscheinen nicht zusammen bekommt und weil er eine dreijährige Gefängnisstrafe antreten muss, die ihm eine weitere Verfolgung dieses Vorhabens unmöglich macht. Denn nach zwei scharfen persönlichen Angriffen auf den Präsidenten der Republik, Louis Napoleon, in der Zeitung „Le Peuple" („Das Volk“), in denen er sarkastisch dessen Streben nach Errichtung einer Monarchie offenlegt, wird er am 28. März 1849 nach Aufhebung seiner Abgeordnetenimmunität zu der eben erwähnten Gefängnisstrafe sowie zu einer Geldstrafe von 3.000 Francs verurteilt, entzieht sich dem Zugriff der Polizei zunächst durch die Flucht nach Belgien, kommt inkognito nach Paris zurück, wo er u. a. die Auflösung der „Volksbank“ betreibt, wird am 5. Juni verhaftet und ins Gefängnis Sainte Pé1agie gebracht.<br />
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Im November 1849 veröffentlicht er seine autobiographischen „Confessions d'un Révolutionnaire" („Bekenntnisse eines Revolutionärs“) mit den zentralen Aussagen, dass die Revolution von 1848 vor allem deshalb gescheitert sei, weil sie sich auf die Veränderung staatlicher Institutionen beschränkt habe - die Ablösung der Juli-Monarchie von 1830 durch eine jakobinische einheitsstaatlich-zentralistische Republik -, ohne eine Entmachtung der in Handel, Industrie und Bankwesen engagierten Großbourgeoisie und deren administrativen und militärischen Herrschaftsapparates zu bewerkstelligen. Dabei räumt er allerdings auch ein, dass ein breites gesellschaftliches Bewusstsein von der Notwendigkeit einer vor allem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Revolution 1848 gefehlt hat, sodass eine entsprechende Revolution von vorneherein unmöglich gewesen sei.<br />
<br />
Am 31. Dezember 1849 heiratet er die 27jährige Bandnäherin Louise-Euphrasie Piegard nach zweijähriger Verlobungszeit, mit der er vier Töchter hat, von denen zwei im Kindesalter sterben.<br />
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1851 veröffentlicht P. eine „Auswahl von Studien“ unter dem Titel „Idee générale de la Révolution au XIXe siecle" („Ideen zur Revolution im 19. Jahrhundert"), in der er vor allem eine Theorie der Assoziation und des Gesellschaftsvertrages vorlegt. Als deren Wesensmerkmale arbeitet er insbesondere rechtliche und tatsächliche Gleichgewichtigkeit der sich zusammenschließenden Einzelnen und Gruppen heraus, die Gegenseitigkeit ihrer vertraglich festgelegten jeweiligen Rechte und Pflichten bzw. Ansprüche und Leistungen und die auf die Lösung konkret zu definierender gemeinsamer Probleme inhaltlich und zeitlich begrenzte Abgabe minimaler Kompetenzen an gemeinsame Organe bei gleichzeitigem Verbleib maximaler Kompetenzen bei den jeweiligen individuellen bzw. gruppalen Vertragspartnern - es handelt sich also letztlich um eine egalitär-mutualistische Vertragstheorie.<br />
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Trotz anhaltender körperlicher Geschwächtheit nach Überwindung einer Choleraerkrankung und ihn seelisch belastender Ohnmachtsgefühle angesichts des sich im Zuge des Krimkrieges 1854 -m1856 außen-, aber auch innenpolitisch konsolidierenden Kaiserreiches Napoleons III. arbeitet er an dem 1858 in drei Bänden erscheinenden großen Werk „De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise" („Über Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche"), das er in gezielter Provokation dem Erzbischof von Besancon, Kardinal Matthieu, widmet. Auf der Grundlage seines Konzepts „Justice" als eines den gesamten Kosmos zusammenhaltenden Regulativs einer aufgeklärten, gegenseitige Verantwortlichkeit übenden, sich unter Berufung auf ihre „kollektive Vernunft" („raison collective") die Regeln ihres Zusammenlebens und ihrer Entwicklung selbst gebenden Gesellschaft entwickelt Proudhon in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem auf religiös-transzendentaler Hierarchisierung beruhenden Dominanzprinzip der katholischen Kirche in zwölf „Etudes" eine im weitesten Sinne des Wortes politische Philosophie säkularer Immanenz, die insbesondere den Menschen als autonome, aber eben diese Autonomie auch im Anderen achtende und insofern seine eigenen Rechte begrenzende Person definiert; die dementsprechend Recht als Funktion von auf strikter Gegenseitigkeit beruhenden, vertraglich vereinbarten konkreten Rechten und Pflichten zwischen rechtlich und tatsächlich gleichzustellenden Individuen und Gruppen auffasst; für einen -» Staat plädiert, dessen System sich im wesentli¬chen aus einer Gesamtheit von ihre Aktivitäten und gegenseitigen Beziehungen selbst regelnden wirtschaftlichen und gesellschaftli¬chen Gruppen entwickelt; die für eine Erziehung eintritt, die den im Menschen angelegten Kräften zur Entwicklung autonomer In¬dividualität und verantwortungsbewusst sich engagierender Sozialität zu voller Entfaltung verhilft; die aufgrund seiner Vorstellung von einem auf wechselseitiger Einwirkung aufeinander beruhenden Verhältnis zwischen Ideen und Handlungen eine „Polytechnie der Ausbildung" („Polytechnie de l'apprentissage") propagiert, in der den jungen Menschen berufliche Kenntnisse einerseits und eine - auch klassische antike Inhalte - umfassende Allgemeinbildung andererseits vermittelt werden, die ihnen Einblicke in erkenntnistheoretische Grundlagen ihrer beruflichen Tätigkeit eröffnen und sie so gleichsam zu arbeitenden Denkern bzw. denkenden Arbeitern werden lassen; die schließlich Fortschritt als eine im wesentlichen geistig-moralische Entwicklung der Menschen hin zu ihrer Befähigung zur Ausübung der „Justice" im oben angedeuteten Sinne des Wortes versteht - eine immer prekäre, weil ständig durch den Einfluss eines religiösen Transzendentalismus bedrohte Entwicklung. Sechs Tage nach dem Erscheinen dieses mit größtem Interesse in Paris erwarteten Werkes wird es am 28. April 1858 von der Polizei beschlagnahmt - 6.000 Exemplare waren jedoch bereits verkauft. Proudhon wird wegen „Verhöhnung der politischen und religiösen Moral" angeklagt und am 2. Juni 1858 zu drei Jahren Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 4.000 Francs verurteilt. Er entzieht sich der Verhaftung durch Flucht nach Belgien, wohin seine Familie ihm am 1. Dez. 1858 folgt und wo er bis 1862 bleiben muss. <br />
In den „Etudes" X und XI legt P. als stark von der durch Männer beherrschten Familientradition der heimatlichen Franche Comté beeinflusster Moralist seine Auffassungen zu Liebe und Ehe dar, die im Zusammenhang mit der zu derselben Zeit, 1856/57, stattfindenden und diese beiden „Etudes" sogar erst provozierenden Auseinandersetzung mit Jenny d'Hericourt zu verstehen sind. Gegen deren Kampf für die Emanzipation der Frau setzt er einen strikten Patriarchalismus, der der Frau die überkommene Rolle der dem Manne untergeordneten Ehefrau und Mutter zuweist sowie eine seiner Meinung nach nur in diesem Rahmen zu erfüllende Aufgabe der Zivilisierung des menschlichen Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern, die ihr allerdings insofern eine ganz eigenständige und vom Manne uneingeschränkt zu achtende komplementäre Position einräumt. Hier kommt eine Grundhaltung zum Ausdruck, die sich bei ihm im Zuge seiner Beschäftigung mit den Gedanken weiterer Vertreterinnen der Frauenemanzipation, insbesondere von George Sand, zu unduldsamer Rigidität verfestigt und ihn in ihrem Gegensatz zu seinem freiheitlichen und gleichheitlichen Denken im politischen Bereich - bis heute - emanzipationsorientierten Frauen und Männern entfremdet.<br />
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1861 gelingt ihm nach vielen Schwierigkeiten die Veröffentlichung des Werkes „La Guerre et la Paix" („Krieg und Frieden") in Paris. In ihm legt Proudhon im Rahmen einer geschichts- und politisch-philosophisch entwickelten Konflikttheorie die Dialektik zwischen gesellschaftsbildender und -zerstörender Funktion des Krieges dar und vertritt die handlungsanleitende These, dass die ontologisch gegebene Konflikthaftigkeit gesellschaftlicher Strukturen von zunehmend zerstörerischer kriegerischer Gewalt, wie sie sich ihm etwa im Krimkrieg zeigte, sowohl innerhalb einzelner Gesellschaften wie auch zwischen ihnen in wirtschaftlichen Wettbewerb zu überfuhren sei.<br />
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1863 erscheint - geschrieben krankhaften Erschöpfungszuständen zum Trotz - „Du Principe fédératif et de la Nécessité de reconstituer le Parti de la Révolution" („Über das föderative Prinzip und die Notwendigkeit, die revolutionäre Partei wieder aufzubauen"). Grundmotiv des ersten und wichtigsten, weil bis heute aktuellsten Teils dieses bedeutenden Werkes ist die Ablehnung zentralistischer nationaler Einheitsstaaten in Europa, da diese nach innen die Autonomie der vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen zugunsten der Übermacht zentraler politischer Instanzen vernichten und nach außen Konflikte untereinander in zunehmend zerstörerischer Weise gewaltsam zu lösen neigen und damit der Bildung noch viel unterdrückerischer und aggressiver großer „Reiche" Vorschub leisten. Stattdessen sollten auf Basis autonomer Kommunen sowie autonomer Kommunalverbände in regionalem Maßstab und sich selbst verwaltender landwirtschaftlicher und industrieller Betriebe mit einer regional und überregional zu organisierenden „Landwirtschaftlich-Industriellen Föderation" („Fédération agricole-industrielle") dezentralisierte Staaten großregionale Konföderationen bilden, die sich ihrerseits in einer europäischen Konföderation aus Konföderationen zusammenschließen sollten. Ähnlich, wie bereits in seiner „Théorie de l'impôt" („Theorie der Steuer", 1861), wird auch hier Organen staatlicher Natur das Recht zur Regelung des wirtschaftlichen und ge-sellschaftlichen Lebens zugesprochen, wobei sie sich jedoch auf initiierende Impulse zu beschränken haben und die Fortführung derartiger staatlicher Initiativen den jeweils hierfür am besten geeigneten autonomen Gruppen der Gesellschaft überlassen sollen. Der Grundgedanke des „Principe fédératif“ lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der ewige Konflikt zwischen „Freiheit“ und „Autorität“ mit Hilfe eines Typs von Vertrag auszubalancieren sei, bei dessen Abschluss die jeweiligen Parteien mehr Kompetenzen und Ressourcen behalten als sie gemeinsamen Organen übertragen, sodass Instanzen auf jeweils höheren Ebenen immer nur gerade so viel Macht erhalten, wie sie zur Lösung gemeinsamer Probleme benötigen.<br />
<br />
Im März 1864 beginnt Proudhon in Erwiderung auf ein kurz zuvor veröffentlichtes „Manifeste des Soixante“ („Manifest der Sechzig" [Arbeiter]) sein letztes großes Werk zu schreiben: „De la Capacité politique des classes ouvrières" („Über die Fähigkeit der arbeitenden Klassen zur Politik“), an dem er, zunehmend durch Krankheit geschwächt, buchstäblich bis zu seinen letzten Lebenstagen arbeitet, und das, aufgrund seiner Notizen von engen Freunden zu Ende geschrieben, 1865 posthum veröffentlicht wird - sein „gesellschaftspolitisches Testament“ („Testament social"), wie es sein großer Biograph Pierre Haubtmann genannt hat <ref>Pierre-Joseph Proudhon, t. II, Paris 1988, p. 382.</ref>.<br />
Die wesentlichen Gedanken dieser Schrift lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Nachdem er in einem kurzen ersten Teil ein Plädoyer für aktiven Wahlprotest gegen das herrschende Regime in Form der Abgabe leerer Stimmzettel gehalten hat, stellt er die These auf, dass erst ein vertieftes Verständnis von der „Idée ouvriére", dem Arbeiterbewusstsein, die Voraussetzungen für eine Überwindung der gegenwärtigen Klassengesellschaft schaffen könne. Im umfangreicheren zweiten Teil der „Capacité" entwickelt er seine Deutung dieser „Idee", dass nämlich die „arbeitenden Klassen" sich ihrer wirtschaftlich-sozialen Interessenlage gegenüber dem sie aufgrund seiner industriellen und finanziellen Macht beherrschenden Großbürgertum zunehmend bewusst werden; dass sie im Zuge dieser Bewusstwerdung ihre spezifischen Interessen immer deutlicher zu artikulieren und folglich politisch durchzusetzen fähig werden; dass sie bei der Entwicklung einer entsprechenden Strategie sowohl die Bauern als auch das mittlere und kleine Bürgertum einbinden müssen, da auch diese „classes" seiner Prognose zufolge in wachsende Abhängigkeit von der die Industrie, die Banken, die staatlichen Institutionen einschließlich der Bürokra¬tie und der Armee beherrschenden Großbourgeoisie geraten werden. Auf diese Weise müsse einerseits das herrschende und im Hinblick auf seine Funktionsmechanismen zu analysierende privatkapitalistische System überwunden, andererseits aber eine kommunistische, staatskapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verhindert werden. Die Arbeiter müssten eine auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit („mutualité") ruhende, von autonomen, sich auf der Grundlage vergesellschafteter - nicht verstaatlichter - Produktionsmittel selbst verwaltenden landwirtschaftlichen, industriellen und Dienstleistungsbetrieben, nicht zuletzt im sozialen und kulturellen Bereich, getragene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aufbauen. Diese Betriebe müssten ihre Beziehungen untereinander auf der Grundlage von Verträgen regeln und ihre jeweils gemeinsamen Interessen im Rahmen von entsprechenden Zusammenschlüssen nach außen vertreten.<br />
Im abschließenden dritten Teil der „Capacité" plädiert Proudhon dafür, dass „die arbeitenden Klassen", unter denen er alle von der Bourgeoisie immer abhängiger werdenden Bevölkerungsgruppen in Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gewerbe, Kultur und Bildung sowie beruflicher Ausbildung zusammenfasst, geführt von der Arbeiterschaft, den Schritt einer grundsätzlichen Trennung vom gegebenen System tun, um einen eigenen Standpunkt zu gewinnen und von hier aus, in einem zwar evolutionär, aber grundlegend zu verändernden Rahmen der Legalität, gewaltlos eine neue, klassenlose, jedoch funktional höchst ausdifferenzierte, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu errichten unter Anwendung einer Taktik im Rahmen der eben erwähnten spezifischen, alle wirtschafts-, sozial-, kultur- und staatlich-politischen Bereiche umfassenden Strategie. Letztlich hat Proudhon eine freiheitlich-gleichheitliche Gruppengesellschaft im Auge, in der seiner Meinung nach die Freiheit des Individuums noch am besten gegen unberechtigte wirtschaftlich-finanzielle und staatlich-bürokratisch-polizeilich-militärische Macht zu verteidigen ist.<br />
<br />
<br />
== Stellenwert Proudhons innerhalb der libertären Spektrums ==<br />
[[Bild:Proudhonpropietat.JPG|thumb|''Qu'est ce que la propriété?''; 1841]]<br />
Proudhons geistige und politische Entwicklung ist nur unzureichend zu verstehen, wenn man sich nicht vor Augen hält, dass er sich in einer historischen Zone bewegt, innerhalb derer sich in Frankreich die Phase einer von einer sehr heterogenen manufakturiellen Arbeiterschaft getragenen Revolution mit der bereits im Übergang zu konservativer Etabliertheit befindlichen Phase bürgerlicher Revolution zu verzahnen beginnt. Die Juli-Revolution von 1830 und die Februar-Revolution von 1848 beleuchten mit der zwar zunehmend gewichtigeren, aber eben noch immer beschränkten, weil vom Bürgertum für die eigenen Ziele ausgenutzten Hilfstruppen-Stellung der Arbeiterinnen schlaglichtartig diese historische Doppelphasen-Situation. Erst als sich 1864 der mit den meisten der großen Schriften Proudhonss vertraute Ziseleur Henri-Louis Tolain (1828 -1897), einer der Mitbegründer der [[Erste Internationale | Ersten Internationale ]] (1864 -1876), ausdrücklich als ''Kandidat der Arbeiter'', unabhängig von der bürgerlichen Opposition, für Ergänzungswahlen zur Nationalversammlung aufstellen lässt, hierbei durch das „Manifest der Sechzig" unterstützt, deutet sich an, dass die Arbeiterschaft zur Hauptträgerin der Revolutionsbewegung in Frankreich zu werden beginnt. Aufgrund dieser eben angedeuteten wirtschafts- und gesellschaftsgeschichtlichen Übergangssituation sah sich Proudhon in Frankreich in die Anfangsphase einer Arbeiterbewegung gestellt, die von der Auseinandersetzung zwischen Protagonisten unterschiedlicher Varianten des Grundmodells eines zentralistischen Sozialismus (z. B. Saint-Simon, Etienne Cabet, Auguste Blanqui, Louis Blanc, K. Marx, F. Engels) untereinander und mit solchen eines föderativ-kleingruppalen Sozialismus (z. B. C. Fourier und seine damals einflussreiche Anhängerschaft) charakterisiert war. Im Zuge dieser lebhaften, oft auch polemischen Debatten erarbeitete Proudhon gegen die verschiedenen Denkschulen und auch auf die Gefahr von Verständnislosigkeit bzw. Missverständnissen auf seiten von ihm geistig Nahestehenden hin sein eigenständiges Konzept eines ''libertärsozialistischen Föderalismus'', das letztlich auf dem Grundgedanken beruht, im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, aber auch staatlichen Bereich die im weitesten Sinne des Wortes institutionellen - folglich nicht zuletzt auch bildungs- und ausbildungsmässigen - Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen sich ihren Anlagen entsprechend zu autonomen Individuen, aber sich auch gesellschaftlich verantwortungsbewusst engagierenden Persönlichkeiten entwickeln können. Zwar ist dieser Wirtschaft, Gesellschaft, aber auch staatliche Institutionen umfassende [[Föderalismus]] von patriarchalisch-paternalistischen Wesensmerkmalen geprägt. Dennoch ist in ihm aufgrund der ihm innewohnenden politisch-emanzipatorischen Elemente prinzipiell auch die Möglichkeit seiner Erweiterung auf ein viel breiteres Spektrum von Befreiungsbewegungen hin angelegt (z. B. Frauenemanzipation, autonomistischer Regionalismus, Selbsthilfegruppen).<br />
<br />
Proudhons ideo-realistische, d. h. insbesondere: Ideen als handlungsanleitende, aber von Handlungsfolgen gegebenenfalls auch immer neu zu korrigierende Vorstellungen begreifende und damit im Grundsatz gegen Ideologisierung immunisierende Erkenntnis- und Handlungstheorie, sein antinomisches, evolutionäres, Einsichten und Erkenntnisse immer wieder infrage stellendes analytisches Denken und seine nie endgültig zu etablierende, sondern immer situationsangemessen weiter zu entwickelnde Institutionen im weitesten Sinne des Wortes konzipierende politische Phantasie haben vielfältige Einflüsse auf die frühe Arbeiterbewegung insbesondere in Frankreich und Deutschland ausgeübt, auf viele Kämpfer/Innen der [[Pariser Commune]] von 1871, über [[Michail Aleksandrovič Bakunin | Michail Bakunin]] und über nicht zuletzt auch von diesem beeinflusste französische, schweizerische, spanische und italienische Anhänger der [[Erste Internationale | Ersten Internationale ]], auf den in dieser Zeit entstehenden und sich verbreitenden europäischen Anarchismus, auf die sich in Europa entwickelnde Gewerkschaftsbewegung, auf das sich besonders im deutschsprachigen Raum ausbreitende Genossenschaftswesen und auch noch auf die sich nach dem zweiten Weltkrieg von Frankreich her entwickelnde Denkschule des Integralen Föderalismus.<br />
<br />
Abschließend lässt sich eine Trias von eng miteinander verwobenen Wesensmerkmalen von Proudhons Leben und Werk benennen:<br />
Die in der Kindheit an sich selbst und in der Familie als unverschuldet erfahrene wirtschaftliche und gesellschaftliche Benachteiligung hat in ihm einen Gerechtigkeitssinn geweckt und geschärft, unter dessen ständigem Appell er, vor allem in empörter Auseinandersetzung mit der sich auf bloße mittelalterlich geprägte Karitativität beschränkenden katholischen Kirche seiner Zeit, wirtschafts- und sozialpolitische Verantwortung von Selbsthilfe-Einrichtungen der jeweils Betroffenen einforderte, deren Wahrnehmung für ihn gegen Ende seines Lebens durchaus in Zusammenarbeit mit lediglich entsprechende Initiativen ergreifenden staatlichen Instanzen vorstellbar war. Insofern kann Proudon als maßgeblicher Initiator einer Sozialpflichtigen politischen Moderne angesehen werden. Verbunden mit dieser ethisch-normativen Dimension seines Lebens und Werkes ist als zweites Wesensmerkmal Proudhons realistischer Pragmatismus zu nennen, als dessen Ursache wohl seine praxisverbundene Ausbildung zum Drucker sowie der fast sein ganzes Leben begleitende Zwang zu Arbeit für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt angesehen werden kann - angefangen vom sommerlichen Hüten von Kühen als Kind auf den Wiesen der Pfarrgemeinde Burgille bei Besancon über seine Arbeit als Angestellter der Firma Gebr. Gauthier bis hin zum Abfassen von Auftragsschriften, wie dem „Handbuch des Börsenspekulanten" („Manuel du speculateur ä la bourse", 1853). Mit den zwei eben erwähnten ist schließlich als drittes Wesensmerkmal verknüpft eine aufgrund seines funktional-pluralistischen Denkens durchaus „modern" zu nennende Herangehensweise an die Analyse wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme sowie an das Konzipieren von Möglichkeiten zu deren Lösung. Als beispielhaft hierfür kann der weiter oben skizzierte erste Teil seiner Schrift „Du Principé fedératif" angesehen werden, in der Proudhon nach einer historisch-genetisch und systematisch angelegten Theorie der staatlich-politisch organisierten Gesellschaft das Modell einer Gesellschaft aus vielfältigen autonomen, über vertragliche Beziehungen miteinander Güter und Dienstleistungen austauschenden Gruppen entwirft, in der staatlichen Instanzen neben Koordinations- und Informationsaufgaben höchstens eine initiierende wirtschafts- und sozialpolitische Innovationsfunktion zugewiesen wird, während die jeweils situationsangemessene Umsetzung bzw. Weiterentwicklung solcher Anstöße Aufgabe der föderalistischen Gruppengesellschaft sein soll.<br />
<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
<br />
Einen Überblick bis 1987 über die im hier vorgegebenen Rahmen nur auswahlweise zu skizzierenden Werke Proudhons und über Proudhon geben: <br />
<br />
* J. Hilmer/L. Roemheld (Hg.): Proudhon-Bibliographie, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1989 (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXI: Politikwissenschaft, Bd. 131).<br />
<br />
Aus der von dieser Bibliographie nicht mehr erfassten Primärliteratur sind, in chronologischer Reihenfolge, hervorzuheben: <br />
<br />
* P.-J. Proudhon: De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise (1860), s. 1., t.I - IV, 1988-1990 (Corpus des oeuvres de philosophie en langue francaise), texte revu par R. Férenczi, G. Navet, P. Vermeren, B. Voyenne.<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Von den Grundlagen und der sozialen Bestimmung der Kunst, ins dt. übertr., eingel. u. erl. v. K. Herding, Berlin 1988.<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Il Principio federativo (Parte prima), traduzione a cura di Ferruccio Palatella, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1988 (Democrazia, Ecologia, Federalismo t. 5).<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Über das föderative Prinzip und die Notwendigkeit, die Partei der Revolution wieder aufzubauen, Teil 1, übers. v. L. Roemheld, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1989 (Demokratie, Ökologie, Föderalismus Bd. 6); Teil 2: Einheitspolitik, übers. v. H. Bolt, ebd. 1992 (Demokratie, Ökologie, Föderalismus Bd. 9). <br />
<br />
* P.-J. Proudhon: What is Property?, edited and translated by Donald R. Kelley and Bonnie G. Smith, Cambridge University Press 1993 (Cambridge Texts in the History of Political Thought).<br />
<br />
<br />
Aus der von der Proudhon-Bibliographie nicht erfassten Sekundärliteratur sind in chronologischer Reihenfolge hervorzuheben: <br />
<br />
* B. Voyenne: Histoire de l‘idée fédéraliste, t. III: Les lignées proudhoniennes, Paris - Nice 1981.<br />
<br />
* P. Haubtmann: Pierre-Joseph Proudhon, sa vie et sa pensée 1849 - 1865, Paris, 2 vols. 1988.<br />
<br />
* Mil neuf cent - Revue d'histoire intellectuelle (Cahiers Georges Sorel), no. 10, 1992 (Schwerpunktthema: Proudhon, l'éternel retour).<br />
<br />
* P. Ansart: Die Soziologie Pierre-Joseph Proudhons, übers, v. L. Roemheld, Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1994 (Demokratie, Ökolo¬gie, Föderalismus Bd. 10).<br />
<br />
<br />
Last, but not least seien erwähnt als Publikationen einer hoch spezialisierten Proudhon-Forschung: <br />
<br />
* Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (E.H.E.S.S.): Les Travaux de l'Atelier Proudhon, Paris, fasc. 1 ss, 1986 ss; E.H.E.S.S.: Les Cahiers de la Société Proudhon, Paris, vol. 1 ss, 1993 ss.<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Lutz Roemheld]]'''<br />
<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Proudhon,_Pierre-Joseph&diff=8347Proudhon, Pierre-Joseph2008-08-12T21:02:04Z<p>Sebastian M: Die Seite wurde neu angelegt: '''Lexikon der Anarchie: Personen''' ---- '''Pierre-Joeseph Proudhon''' geboren am 15. Januar 1809, Besancon; gestorben am 19. Januar 1865, Passy be...</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
----<br />
'''Pierre-Joeseph Proudhon''' geboren am 15. Januar 1809, Besancon; gestorben am 19. Januar 1865, Passy bei Paris.<br />
[[Bild:Proudhon-children.jpg|thumb|right|''Pierre Joseph Proudhon et ses enfants'' (Übersetzt: Pierre Joseph Proudhon und seine Kinder), Gemälde von Gustave Courbet, 1865]]<br />
==Äußere Daten und geistige sowie politische Entwicklung==<br />
Proudhon ist das älteste von fünf Kindern der Köchin Catherine, geb. Simonin, und des Brauereigesellen Claude-Francois Proudhon, entstammt also der „arbeitenden Klasse" („classe ouvriere"), in deren Dienst er seine geistige Arbeit zu stellen verspricht <ref>Lettre de candidature ä la Pension Suard, 31. Mai 1837, Correspondance de P.-J. Proudhon, Geneve 1971,1.1, p. 32.</ref>.<br />
<br />
Nach einer durch materiellen Mangel gekennzeichneten Kindheit und Jugend und nach einer Gymnasialzeit im College Royal zu Besancon von 1820 - 1827, die er aus finanziellen Gründen abbrechen musste, durchläuft er eine Druckerausbildung, die ihm eine Anstellung als Korrektor in der Druckerei Gauthier u. Cie. in Besancon ermöglicht, wo er bis 1830 arbeitet.<br />
An eine Zeit der Wanderschaft als Drucker durch Frankreich und die Schweiz, 1830 - 1834, und an den fehlgeschlagenen Versuch, mit einem Freund eine eigene Druckerei zu betreiben, schließt sich 1837 die erfolgreiche Bewerbung um ein dreijähriges Stipendium mit 1.500 Francs pro Jahr bei der Akademie von Besancon an, die Pension Suard, um deretwillen er - mit nun 28 Jahren - das Bakkalaureatsexamen nachholen muss, bevor er zum Studium nach Paris gehen kann (Anfang November 1838 - Anfang Februar 1842).<br />
Proudhons Verhältnis zur Akademie von Besancon wird zunehmend belastet nach Veröffentlichung seiner Schrift „Qu'est-ce que la propriété?" („Was ist das Eigentum?", 1840), deren von der Akademie geforderten Widerruf Proudhon verweigert und über die [[Karl Marx]] 1845 urteilt, dass dieses Werk „für die moderne, politische Ökonomie die gleiche Bedeutung" habe, „wie dasjenige von Sieyes: Qu' est-ce que le Tiers Etat? (Was ist der Dritte Stand?) für die moderne Politik" <ref>K. Marx /F. Engels: Die Heilige Familie, Werke, Berlin 1980, S. 33.</ref><br />
<br />
Proudhon kritisiert hier die herrschende Eigentumsordnung, die den Eigentümern von Produktionsmitteln in Gestalt einer „aubaine", eines unverdienten Vorteils, - die Vorwegnahme des Marx'schen Mehrwerts - die Möglichkeit gebe, den Arbeitern als den wirklichen Produzenten wirtschaftlicher Werte den vollständigen Ertrag ihrer Arbeit zu entziehen, und damit wirtschaftliche sowie soziale Ungleichheit verschärfe. Nachdem er in „Avertissement aux Proprietaires" („Warnung an die Eigentümer", 1842) in Erwiderung auf eine anonyme Kritik eines Fourier-Anhängers drohend von der Möglichkeit revolutionärer Angriffe gegen diese Ordnung gesprochen hat, entzieht ihm die Akademie sein Stipendium. Wegen Angriffs auf die geltende Eigentumsordnung, Missachtung der katholischen [[Religion]] und Aufstachelung zum Aufstand vor dem Schwurgericht des Bezirks Doubs angeklagt, verteidigt Proudhon sich neben einem Rechtsanwalt auch selbst und wird freigesprochen (1842).<br />
Von 1843 -1847 arbeitet er als Vertreter des Binnenschifffahrtsunternehmens Gebr. Gauthier in Lyon, tritt mit dem in Paris leben¬den Etienne Cabet, dem führenden Kopf der „communistes", und dessen Anhängern in Verbindung und schreibt in seiner freien Zeit „De la Creation de l'Ordre dans l'Humanite ou Principes d'Organisation politique" („Über die Schaffung einer Ordnung in der Menschheit oder Grundsätze politischer Organisation", 1843). <br />
<br />
In diesem Werk entwickelt Proudhon, noch stark unter dem Einfluss Saint-Simons und [[ Charles Fourier| Charles Fouriers]] stehend, im wesentlichen seine Theorie der Entwicklung menschlicher Gesellschaften auf dem Wege über eine religiöse, philosophische und wissenschaftliche Phase.<br />
In ihnen bringen sich seiner Meinung nach drei „moments" des menschlichen Erkenntnisvermögens zum Ausdruck und verkörpern insgesamt den Prozess des gesellschaftlichen Fortschritts. Bisher sei der Mensch nur in der Lage gewesen, auf Beharrung angelegte autoritär-hierarchische Gesellschaften zu errichten; in der ersten, der religiösen, Phase aufgrund seines Offenbarungsglaubens und, daraus folgend, in Analogie zu einer entsprechend vorgestellten göttlichen Ordnung, in der zweiten, philosophischen, Phase, orientiert an spekulativem deduktivem Kausalitätsdenken, mit dem in der Wirklichkeit erfahrbare, stets variable dynamische Beziehungen prozessualer Wechselwirkung nicht zureichend zu erfassen seien.<br />
Dies werde den Menschen erst in der dritten, der wissenschaftlichen, Phase möglich mit Hilfe eines Denkens, das Proudhon, angelehnt an C. Fouriers Konzept der „serie", mit dem von ihm allerdings nicht klar definierten Begriff „serielle Dialektik" („dialectique serielle") bezeichnet und das auf der Erkenntnis beruhe, dass die Wirklichkeit durch zahllose ineinander verwobene Ursache-Wirkung-Reihen gekennzeichnet sei, deren einziges „Gesetz" („loi") eben in diesem vielfältigen zieloffenen Reihungsvorgang als solchem zu suchen sei. Und erst geleitet von einem solchen Denken würden die Menschen in die Lage versetzt, entsprechend den technisch-naturwissenschaftlich-industriellen Entwicklungen und den wirtschaftlich-sozial-kulturellen Bedürfnissen und Interessen des 19. Jahrhunderts eine nach Gesichtspunkten koordinierend-kooperativer Funktionalität aufgebaute gesellschaftliche Ordnung zu errichten, in deren Rahmen sie auf der Grundlage von Arbeit in Gruppen ihre „Gruppenkraft" („force collective") produktiv entfalten können.<br />
<br />
1844 und 1845 trifft Proudhon in Paris mit dort im Exil lebenden deutschen Sozialisten zusammen, vor allem mit K. Marx, der ihn zur Mitarbeit an einem internationalen Korrespondenzorgan gewinnen will. Dieser Versuch scheitert, da Proudhon in einem Brief an K. Marx vom 17. Mai 1846 eine auf konfliktuellem Dialog aufbauende Arbeiterbildung fordert, eine gleichheitlich-freiheitliche Reform der Gesellschaft auf dem Wege über eine grundlegende Veränderung der bestehenden Wirtschaftsordnung im Sinne vergesellschafteter - nicht verstaatlichter - Eigentumsverhältnisse, und all dies ohne Propagierung einer Strategie gewaltsamer Revolution.<br />
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1846 veröffentlicht Proudhon sein Buch „Systeme des Contradictions Economiques ou Philosophie de la Misere" („System der ökonomischen Widersprüche oder Philosophie des Elends"), eine Theorie der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung, auf die K. Marx mit einer Kritik in seinem Buch „Misere de la Philosophie, reponse à la Philosophie de la Misere de M. Proudhon" („Das Elend der Philosophie. Antwort auf ,Die Philosophie des Elends' des Herrn Proudhon", 1847) reagiert. In seinem umfangreichen Werk versucht Proudhon insbesondere, die Wesensmerkmale der Entwicklung Waren produzierender und austauschender Gesellschaften mit Hilfe einer Reihe von Kategorien herauszuarbeiten, in denen insgesamt der widersprüchliche und eine ungleiche Verteilung des gesellschaftlich erzeugten Reichtums zu Lasten der großen Mehrheit der Menschen bewirkende Charakter dieser Entwicklung zum Ausdruck kommt.<br />
So z. B. die ''Arbeitsteilung'', die einerseits die technische Entwicklung und höhere Qualifikation einer vergleichsweise geringen Zahl arbeitender Menschen vorantreibe, andererseits aber bei diesen unter den Bedingungen der beginnenden Industrialisierung auch seelische und geistige Verarmung durch zunehmend partielle Spezialisierung aufgrund einer sich ständig wiederholenden Tätigkeit und insgesamt die Verbilligung der weniger qualifizierten Arbeitskraft und damit sinkende Einkommen für den größeren Teil der arbeitenden Bevölkerung zur Folge habe; so z.B. - eine Folge der Arbeitsteilung - das ''Maschinenwesen'', das einerseits die Arbeiter von repetitiver parzellärer Arbeit befreie, sie andererseits jedoch eben dadurch aus dem Produktionsprozess ausschließe und, wiederum daraus folgend, ein Überangebot von Arbeitskraft mit entsprechender Senkung des Lohnniveaus, ein Überangebot von Gütern mit entsprechendem Preisverfall u. ä. bewirke; so. z. B. die ''Konkurrenz'' mit der aus ihr hervorgehenden und ihr entgegengesetzten Tendenz zur Bildung von ''Monopolen''; so z. B. der internationale ''Freihandel'' zwecks Absatzes der im Inland nicht mehr absetzbaren Güter im Ausland, der jedoch seinerseits in dem Maße in Widerspruch zu sich selbst gerät, in dem international agierende Großfirmen und Geldinstitute ihn ihren jeweiligen Sonderinteressen entsprechend regulieren, letztere als Hauptakteure des sich im Zuge der zunehmenden Entwicklung Waren produzierender und austauschender Industriegesellschaften entfaltenden ''Kreditwesens'', das aufgrund von Zins und Tilgung dem Kreditnehmer mehr nehme als gebe, ihn damit in steigendem Maße in ökonomische, soziale und letztlich politische Abhängigkeit führe und sich somit tendenziell seiner eigenen Grundlagen beraube. Allen eben skizzierten Widersprüchen liegt für Proudhon der Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert zugrunde, „die Antinomie im Wert, - das sich selbst widersprechende Wesen desselben" <ref>K. Diehl: Pierre-Joseph Proudhon, Aalen 1968, Neudr., S. 115.</ref>.<br />
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Der 1848er Revolution steht er gefühlsmäßig unsicher und intellektuell skeptisch gegenüber, da er befürchtet und schnell bestätigt findet, dass durch sie im Grunde genommen, entgegen den Erwartungen der Revolutionäre, lediglich das politische Führungspersonal ausgewechselt wird, die staatlichen Strukturen sowie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse jedoch im wesentlichen dieselben bleiben, unabhängig vom Wechsel von der bourgeoisiefreundlichen Monarchie seit dem Juli 1830 hin zur unitarisch-zentralistischen bürgerlichen Republik. Vom April 1848 an arbeitet er als Mitglied der Redaktion mit an der Zeitung „Repräsentant du Peuple" („Vertreter des Volkes") und propagiert darin seine Vorstellungen über den Vorrang einer wirtschaftlich-gesellschaftlichen, von der Mehrheit der Bevölkerung getragenen [[Revolution]] vor einer staatlich-politischen Umwälzung, die der ersteren mehr oder weniger automatisch folgen werde. Proudhon lässt sich für die Nachwahlen vom 4. Juni 1848 als Kandidat aufstellen und wird zusammen mit Louis-Napoleon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoleon III, und mit Adolphe Thiers, dem späteren ersten Präsidenten der Dritten Republik, in die Nationalversammlung gewählt.<br />
<br />
Um der von ihm propagierten wirtschaftlich-gesellschaftlichen Revolution auf einer egalitär-mutualistischen Basis funktional organisierter sozio-ökonomischer Strukturen erste praktische Impulse zu geben, betreibt er seit 1848 entsprechend den in „Organisation du credit" entwickelten Vorstellungen die Gründung einer „Volksbank“ („Banque du Peuple'*) genannten Kombination aus Wechsel-, Wertpapier-, Noten-, Geschäfts-, Kredit- und Hypothekenbank: durch von bereits geleisteten sowie noch zu leistenden Diensten materiell gesicherte „Umlauf-Gutscheine“ („bons de circulation") sowie durch Niedrigstzins-Kredite (2 % bis minimal 1,4 %) sollte Menschen ohne oder mit nur geringem Eigenkapital wirtschaftliche Tätigkeit, unabhängig von mächtigen Kapitalgebern ermöglicht werden. Kurz nach ihrer Gründung muss er 1849 dieses Projekt aufgeben, weil er das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital von 50.000 Francs in Form von Anteilscheinen nicht zusammen bekommt und weil er eine dreijährige Gefängnisstrafe antreten muss, die ihm eine weitere Verfolgung dieses Vorhabens unmöglich macht. Denn nach zwei scharfen persönlichen Angriffen auf den Präsidenten der Republik, Louis Napoleon, in der Zeitung „Le Peuple" („Das Volk“), in denen er sarkastisch dessen Streben nach Errichtung einer Monarchie offenlegt, wird er am 28. März 1849 nach Aufhebung seiner Abgeordnetenimmunität zu der eben erwähnten Gefängnisstrafe sowie zu einer Geldstrafe von 3.000 Francs verurteilt, entzieht sich dem Zugriff der Polizei zunächst durch die Flucht nach Belgien, kommt inkognito nach Paris zurück, wo er u. a. die Auflösung der „Volksbank“ betreibt, wird am 5. Juni verhaftet und ins Gefängnis Sainte Pé1agie gebracht.<br />
<br />
Im November 1849 veröffentlicht er seine autobiographischen „Confessions d'un Révolutionnaire" („Bekenntnisse eines Revolutionärs“) mit den zentralen Aussagen, dass die Revolution von 1848 vor allem deshalb gescheitert sei, weil sie sich auf die Veränderung staatlicher Institutionen beschränkt habe - die Ablösung der Juli-Monarchie von 1830 durch eine jakobinische einheitsstaatlich-zentralistische Republik -, ohne eine Entmachtung der in Handel, Industrie und Bankwesen engagierten Großbourgeoisie und deren administrativen und militärischen Herrschaftsapparates zu bewerkstelligen. Dabei räumt er allerdings auch ein, dass ein breites gesellschaftliches Bewusstsein von der Notwendigkeit einer vor allem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Revolution 1848 gefehlt hat, sodass eine entsprechende Revolution von vorneherein unmöglich gewesen sei.<br />
<br />
Am 31. Dezember 1849 heiratet er die 27jährige Bandnäherin Louise-Euphrasie Piegard nach zweijähriger Verlobungszeit, mit der er vier Töchter hat, von denen zwei im Kindesalter sterben.<br />
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1851 veröffentlicht P. eine „Auswahl von Studien“ unter dem Titel „Idee générale de la Révolution au XIXe siecle" („Ideen zur Revolution im 19. Jahrhundert"), in der er vor allem eine Theorie der Assoziation und des Gesellschaftsvertrages vorlegt. Als deren Wesensmerkmale arbeitet er insbesondere rechtliche und tatsächliche Gleichgewichtigkeit der sich zusammenschließenden Einzelnen und Gruppen heraus, die Gegenseitigkeit ihrer vertraglich festgelegten jeweiligen Rechte und Pflichten bzw. Ansprüche und Leistungen und die auf die Lösung konkret zu definierender gemeinsamer Probleme inhaltlich und zeitlich begrenzte Abgabe minimaler Kompetenzen an gemeinsame Organe bei gleichzeitigem Verbleib maximaler Kompetenzen bei den jeweiligen individuellen bzw. gruppalen Vertragspartnern - es handelt sich also letztlich um eine egalitär-mutualistische Vertragstheorie.<br />
<br />
Trotz anhaltender körperlicher Geschwächtheit nach Überwindung einer Choleraerkrankung und ihn seelisch belastender Ohnmachtsgefühle angesichts des sich im Zuge des Krimkrieges 1854 -m1856 außen-, aber auch innenpolitisch konsolidierenden Kaiserreiches Napoleons III. arbeitet er an dem 1858 in drei Bänden erscheinenden großen Werk „De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise" („Über Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche"), das er in gezielter Provokation dem Erzbischof von Besancon, Kardinal Matthieu, widmet. Auf der Grundlage seines Konzepts „Justice" als eines den gesamten Kosmos zusammenhaltenden Regulativs einer aufgeklärten, gegenseitige Verantwortlichkeit übenden, sich unter Berufung auf ihre „kollektive Vernunft" („raison collective") die Regeln ihres Zusammenlebens und ihrer Entwicklung selbst gebenden Gesellschaft entwickelt Proudhon in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem auf religiös-transzendentaler Hierarchisierung beruhenden Dominanzprinzip der katholischen Kirche in zwölf „Etudes" eine im weitesten Sinne des Wortes politische Philosophie säkularer Immanenz, die insbesondere den Menschen als autonome, aber eben diese Autonomie auch im Anderen achtende und insofern seine eigenen Rechte begrenzende Person definiert; die dementsprechend Recht als Funktion von auf strikter Gegenseitigkeit beruhenden, vertraglich vereinbarten konkreten Rechten und Pflichten zwischen rechtlich und tatsächlich gleichzustellenden Individuen und Gruppen auffasst; für einen -» Staat plädiert, dessen System sich im wesentli¬chen aus einer Gesamtheit von ihre Aktivitäten und gegenseitigen Beziehungen selbst regelnden wirtschaftlichen und gesellschaftli¬chen Gruppen entwickelt; die für eine Erziehung eintritt, die den im Menschen angelegten Kräften zur Entwicklung autonomer In¬dividualität und verantwortungsbewusst sich engagierender Sozialität zu voller Entfaltung verhilft; die aufgrund seiner Vorstellung von einem auf wechselseitiger Einwirkung aufeinander beruhenden Verhältnis zwischen Ideen und Handlungen eine „Polytechnie der Ausbildung" („Polytechnie de l'apprentissage") propagiert, in der den jungen Menschen berufliche Kenntnisse einerseits und eine - auch klassische antike Inhalte - umfassende Allgemeinbildung andererseits vermittelt werden, die ihnen Einblicke in erkenntnistheoretische Grundlagen ihrer beruflichen Tätigkeit eröffnen und sie so gleichsam zu arbeitenden Denkern bzw. denkenden Arbeitern werden lassen; die schließlich Fortschritt als eine im wesentlichen geistig-moralische Entwicklung der Menschen hin zu ihrer Befähigung zur Ausübung der „Justice" im oben angedeuteten Sinne des Wortes versteht - eine immer prekäre, weil ständig durch den Einfluss eines religiösen Transzendentalismus bedrohte Entwicklung. Sechs Tage nach dem Erscheinen dieses mit größtem Interesse in Paris erwarteten Werkes wird es am 28. April 1858 von der Polizei beschlagnahmt - 6.000 Exemplare waren jedoch bereits verkauft. Proudhon wird wegen „Verhöhnung der politischen und religiösen Moral" angeklagt und am 2. Juni 1858 zu drei Jahren Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 4.000 Francs verurteilt. Er entzieht sich der Verhaftung durch Flucht nach Belgien, wohin seine Familie ihm am 1. Dez. 1858 folgt und wo er bis 1862 bleiben muss. <br />
In den „Etudes" X und XI legt P. als stark von der durch Männer beherrschten Familientradition der heimatlichen Franche Comté beeinflusster Moralist seine Auffassungen zu Liebe und Ehe dar, die im Zusammenhang mit der zu derselben Zeit, 1856/57, stattfindenden und diese beiden „Etudes" sogar erst provozierenden Auseinandersetzung mit Jenny d'Hericourt zu verstehen sind. Gegen deren Kampf für die Emanzipation der Frau setzt er einen strikten Patriarchalismus, der der Frau die überkommene Rolle der dem Manne untergeordneten Ehefrau und Mutter zuweist sowie eine seiner Meinung nach nur in diesem Rahmen zu erfüllende Aufgabe der Zivilisierung des menschlichen Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern, die ihr allerdings insofern eine ganz eigenständige und vom Manne uneingeschränkt zu achtende komplementäre Position einräumt. Hier kommt eine Grundhaltung zum Ausdruck, die sich bei ihm im Zuge seiner Beschäftigung mit den Gedanken weiterer Vertreterinnen der Frauenemanzipation, insbesondere von George Sand, zu unduldsamer Rigidität verfestigt und ihn in ihrem Gegensatz zu seinem freiheitlichen und gleichheitlichen Denken im politischen Bereich - bis heute - emanzipationsorientierten Frauen und Männern entfremdet.<br />
<br />
1861 gelingt ihm nach vielen Schwierigkeiten die Veröffentlichung des Werkes „La Guerre et la Paix" („Krieg und Frieden") in Paris. In ihm legt Proudhon im Rahmen einer geschichts- und politisch-philosophisch entwickelten Konflikttheorie die Dialektik zwischen gesellschaftsbildender und -zerstörender Funktion des Krieges dar und vertritt die handlungsanleitende These, dass die ontologisch gegebene Konflikthaftigkeit gesellschaftlicher Strukturen von zunehmend zerstörerischer kriegerischer Gewalt, wie sie sich ihm etwa im Krimkrieg zeigte, sowohl innerhalb einzelner Gesellschaften wie auch zwischen ihnen in wirtschaftlichen Wettbewerb zu überfuhren sei.<br />
<br />
1863 erscheint - geschrieben krankhaften Erschöpfungszuständen zum Trotz - „Du Principe fédératif et de la Nécessité de reconstituer le Parti de la Révolution" („Über das föderative Prinzip und die Notwendigkeit, die revolutionäre Partei wieder aufzubauen"). Grundmotiv des ersten und wichtigsten, weil bis heute aktuellsten Teils dieses bedeutenden Werkes ist die Ablehnung zentralistischer nationaler Einheitsstaaten in Europa, da diese nach innen die Autonomie der vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen zugunsten der Übermacht zentraler politischer Instanzen vernichten und nach außen Konflikte untereinander in zunehmend zerstörerischer Weise gewaltsam zu lösen neigen und damit der Bildung noch viel unterdrückerischer und aggressiver großer „Reiche" Vorschub leisten. Stattdessen sollten auf Basis autonomer Kommunen sowie autonomer Kommunalverbände in regionalem Maßstab und sich selbst verwaltender landwirtschaftlicher und industrieller Betriebe mit einer regional und überregional zu organisierenden „Landwirtschaftlich-Industriellen Föderation" („Fédération agricole-industrielle") dezentralisierte Staaten großregionale Konföderationen bilden, die sich ihrerseits in einer europäischen Konföderation aus Konföderationen zusammenschließen sollten. Ähnlich, wie bereits in seiner „Théorie de l'impôt" („Theorie der Steuer", 1861), wird auch hier Organen staatlicher Natur das Recht zur Regelung des wirtschaftlichen und ge-sellschaftlichen Lebens zugesprochen, wobei sie sich jedoch auf initiierende Impulse zu beschränken haben und die Fortführung derartiger staatlicher Initiativen den jeweils hierfür am besten geeigneten autonomen Gruppen der Gesellschaft überlassen sollen. Der Grundgedanke des „Principe fédératif“ lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der ewige Konflikt zwischen „Freiheit“ und „Autorität“ mit Hilfe eines Typs von Vertrag auszubalancieren sei, bei dessen Abschluss die jeweiligen Parteien mehr Kompetenzen und Ressourcen behalten als sie gemeinsamen Organen übertragen, sodass Instanzen auf jeweils höheren Ebenen immer nur gerade so viel Macht erhalten, wie sie zur Lösung gemeinsamer Probleme benötigen.<br />
<br />
Im März 1864 beginnt Proudhon in Erwiderung auf ein kurz zuvor veröffentlichtes „Manifeste des Soixante“ („Manifest der Sechzig" [Arbeiter]) sein letztes großes Werk zu schreiben: „De la Capacité politique des classes ouvrières" („Über die Fähigkeit der arbeitenden Klassen zur Politik“), an dem er, zunehmend durch Krankheit geschwächt, buchstäblich bis zu seinen letzten Lebenstagen arbeitet, und das, aufgrund seiner Notizen von engen Freunden zu Ende geschrieben, 1865 posthum veröffentlicht wird - sein „gesellschaftspolitisches Testament“ („Testament social"), wie es sein großer Biograph Pierre Haubtmann genannt hat <ref>Pierre-Joseph Proudhon, t. II, Paris 1988, p. 382.</ref>.<br />
Die wesentlichen Gedanken dieser Schrift lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Nachdem er in einem kurzen ersten Teil ein Plädoyer für aktiven Wahlprotest gegen das herrschende Regime in Form der Abgabe leerer Stimmzettel gehalten hat, stellt er die These auf, dass erst ein vertieftes Verständnis von der „Idée ouvriére", dem Arbeiterbewusstsein, die Voraussetzungen für eine Überwindung der gegenwärtigen Klassengesellschaft schaffen könne. Im umfangreicheren zweiten Teil der „Capacité" entwickelt er seine Deutung dieser „Idee", dass nämlich die „arbeitenden Klassen" sich ihrer wirtschaftlich-sozialen Interessenlage gegenüber dem sie aufgrund seiner industriellen und finanziellen Macht beherrschenden Großbürgertum zunehmend bewusst werden; dass sie im Zuge dieser Bewusstwerdung ihre spezifischen Interessen immer deutlicher zu artikulieren und folglich politisch durchzusetzen fähig werden; dass sie bei der Entwicklung einer entsprechenden Strategie sowohl die Bauern als auch das mittlere und kleine Bürgertum einbinden müssen, da auch diese „classes" seiner Prognose zufolge in wachsende Abhängigkeit von der die Industrie, die Banken, die staatlichen Institutionen einschließlich der Bürokra¬tie und der Armee beherrschenden Großbourgeoisie geraten werden. Auf diese Weise müsse einerseits das herrschende und im Hinblick auf seine Funktionsmechanismen zu analysierende privatkapitalistische System überwunden, andererseits aber eine kommunistische, staatskapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verhindert werden. Die Arbeiter müssten eine auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit („mutualité") ruhende, von autonomen, sich auf der Grundlage vergesellschafteter - nicht verstaatlichter - Produktionsmittel selbst verwaltenden landwirtschaftlichen, industriellen und Dienstleistungsbetrieben, nicht zuletzt im sozialen und kulturellen Bereich, getragene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aufbauen. Diese Betriebe müssten ihre Beziehungen untereinander auf der Grundlage von Verträgen regeln und ihre jeweils gemeinsamen Interessen im Rahmen von entsprechenden Zusammenschlüssen nach außen vertreten.<br />
Im abschließenden dritten Teil der „Capacité" plädiert Proudhon dafür, dass „die arbeitenden Klassen", unter denen er alle von der Bourgeoisie immer abhängiger werdenden Bevölkerungsgruppen in Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gewerbe, Kultur und Bildung sowie beruflicher Ausbildung zusammenfasst, geführt von der Arbeiterschaft, den Schritt einer grundsätzlichen Trennung vom gegebenen System tun, um einen eigenen Standpunkt zu gewinnen und von hier aus, in einem zwar evolutionär, aber grundlegend zu verändernden Rahmen der Legalität, gewaltlos eine neue, klassenlose, jedoch funktional höchst ausdifferenzierte, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu errichten unter Anwendung einer Taktik im Rahmen der eben erwähnten spezifischen, alle wirtschafts-, sozial-, kultur- und staatlich-politischen Bereiche umfassenden Strategie. Letztlich hat Proudhon eine freiheitlich-gleichheitliche Gruppengesellschaft im Auge, in der seiner Meinung nach die Freiheit des Individuums noch am besten gegen unberechtigte wirtschaftlich-finanzielle und staatlich-bürokratisch-polizeilich-militärische Macht zu verteidigen ist.<br />
<br />
<br />
== Stellenwert Proudhons innerhalb der libertären Spektrums ==<br />
[[Bild:Proudhonpropietat.JPG|thumb|''Qu'est ce que la propriété?''; 1841]]<br />
Proudhons geistige und politische Entwicklung ist nur unzureichend zu verstehen, wenn man sich nicht vor Augen hält, dass er sich in einer historischen Zone bewegt, innerhalb derer sich in Frankreich die Phase einer von einer sehr heterogenen manufakturiellen Arbeiterschaft getragenen Revolution mit der bereits im Übergang zu konservativer Etabliertheit befindlichen Phase bürgerlicher Revolution zu verzahnen beginnt. Die Juli-Revolution von 1830 und die Februar-Revolution von 1848 beleuchten mit der zwar zunehmend gewichtigeren, aber eben noch immer beschränkten, weil vom Bürgertum für die eigenen Ziele ausgenutzten Hilfstruppen-Stellung der Arbeiterinnen schlaglichtartig diese historische Doppelphasen-Situation. Erst als sich 1864 der mit den meisten der großen Schriften Proudhonss vertraute Ziseleur Henri-Louis Tolain (1828 -1897), einer der Mitbegründer der [[Erste Internationale | Ersten Internationale ]] (1864 -1876), ausdrücklich als ''Kandidat der Arbeiter'', unabhängig von der bürgerlichen Opposition, für Ergänzungswahlen zur Nationalversammlung aufstellen lässt, hierbei durch das „Manifest der Sechzig" unterstützt, deutet sich an, dass die Arbeiterschaft zur Hauptträgerin der Revolutionsbewegung in Frankreich zu werden beginnt. Aufgrund dieser eben angedeuteten wirtschafts- und gesellschaftsgeschichtlichen Übergangssituation sah sich Proudhon in Frankreich in die Anfangsphase einer Arbeiterbewegung gestellt, die von der Auseinandersetzung zwischen Protagonisten unterschiedlicher Varianten des Grundmodells eines zentralistischen Sozialismus (z. B. Saint-Simon, Etienne Cabet, Auguste Blanqui, Louis Blanc, K. Marx, F. Engels) untereinander und mit solchen eines föderativ-kleingruppalen Sozialismus (z. B. C. Fourier und seine damals einflussreiche Anhängerschaft) charakterisiert war. Im Zuge dieser lebhaften, oft auch polemischen Debatten erarbeitete Proudhon gegen die verschiedenen Denkschulen und auch auf die Gefahr von Verständnislosigkeit bzw. Missverständnissen auf seiten von ihm geistig Nahestehenden hin sein eigenständiges Konzept eines ''libertärsozialistischen Föderalismus'', das letztlich auf dem Grundgedanken beruht, im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, aber auch staatlichen Bereich die im weitesten Sinne des Wortes institutionellen - folglich nicht zuletzt auch bildungs- und ausbildungsmässigen - Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen sich ihren Anlagen entsprechend zu autonomen Individuen, aber sich auch gesellschaftlich verantwortungsbewusst engagierenden Persönlichkeiten entwickeln können. Zwar ist dieser Wirtschaft, Gesellschaft, aber auch staatliche Institutionen umfassende [[Föderalismus]] von patriarchalisch-paternalistischen Wesensmerkmalen geprägt. Dennoch ist in ihm aufgrund der ihm innewohnenden politisch-emanzipatorischen Elemente prinzipiell auch die Möglichkeit seiner Erweiterung auf ein viel breiteres Spektrum von Befreiungsbewegungen hin angelegt (z. B. Frauenemanzipation, autonomistischer Regionalismus, Selbsthilfegruppen).<br />
<br />
Proudhons ideo-realistische, d. h. insbesondere: Ideen als handlungsanleitende, aber von Handlungsfolgen gegebenenfalls auch immer neu zu korrigierende Vorstellungen begreifende und damit im Grundsatz gegen Ideologisierung immunisierende Erkenntnis- und Handlungstheorie, sein antinomisches, evolutionäres, Einsichten und Erkenntnisse immer wieder infrage stellendes analytisches Denken und seine nie endgültig zu etablierende, sondern immer situationsangemessen weiter zu entwickelnde Institutionen im weitesten Sinne des Wortes konzipierende politische Phantasie haben vielfältige Einflüsse auf die frühe Arbeiterbewegung insbesondere in Frankreich und Deutschland ausgeübt, auf viele Kämpfer/Innen der [[Pariser Commune]] von 1871, über [[Michail Aleksandrovič Bakunin | Michail Bakunin]] und über nicht zuletzt auch von diesem beeinflusste französische, schweizerische, spanische und italienische Anhänger der [[Erste Internationale | Ersten Internationale ]], auf den in dieser Zeit entstehenden und sich verbreitenden europäischen Anarchismus, auf die sich in Europa entwickelnde Gewerkschaftsbewegung, auf das sich besonders im deutschsprachigen Raum ausbreitende Genossenschaftswesen und auch noch auf die sich nach dem zweiten Weltkrieg von Frankreich her entwickelnde Denkschule des Integralen Föderalismus.<br />
<br />
Abschließend lässt sich eine Trias von eng miteinander verwobenen Wesensmerkmalen von Proudhons Leben und Werk benennen:<br />
Die in der Kindheit an sich selbst und in der Familie als unverschuldet erfahrene wirtschaftliche und gesellschaftliche Benachteiligung hat in ihm einen Gerechtigkeitssinn geweckt und geschärft, unter dessen ständigem Appell er, vor allem in empörter Auseinandersetzung mit der sich auf bloße mittelalterlich geprägte Karitativität beschränkenden katholischen Kirche seiner Zeit, wirtschafts- und sozialpolitische Verantwortung von Selbsthilfe-Einrichtungen der jeweils Betroffenen einforderte, deren Wahrnehmung für ihn gegen Ende seines Lebens durchaus in Zusammenarbeit mit lediglich entsprechende Initiativen ergreifenden staatlichen Instanzen vorstellbar war. Insofern kann Proudon als maßgeblicher Initiator einer Sozialpflichtigen politischen Moderne angesehen werden. Verbunden mit dieser ethisch-normativen Dimension seines Lebens und Werkes ist als zweites Wesensmerkmal Proudhons realistischer Pragmatismus zu nennen, als dessen Ursache wohl seine praxisverbundene Ausbildung zum Drucker sowie der fast sein ganzes Leben begleitende Zwang zu Arbeit für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt angesehen werden kann - angefangen vom sommerlichen Hüten von Kühen als Kind auf den Wiesen der Pfarrgemeinde Burgille bei Besancon über seine Arbeit als Angestellter der Firma Gebr. Gauthier bis hin zum Abfassen von Auftragsschriften, wie dem „Handbuch des Börsenspekulanten" („Manuel du speculateur ä la bourse", 1853). Mit den zwei eben erwähnten ist schließlich als drittes Wesensmerkmal verknüpft eine aufgrund seines funktional-pluralistischen Denkens durchaus „modern" zu nennende Herangehensweise an die Analyse wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme sowie an das Konzipieren von Möglichkeiten zu deren Lösung. Als beispielhaft hierfür kann der weiter oben skizzierte erste Teil seiner Schrift „Du Principé fedératif" angesehen werden, in der Proudhon nach einer historisch-genetisch und systematisch angelegten Theorie der staatlich-politisch organisierten Gesellschaft das Modell einer Gesellschaft aus vielfältigen autonomen, über vertragliche Beziehungen miteinander Güter und Dienstleistungen austauschenden Gruppen entwirft, in der staatlichen Instanzen neben Koordinations- und Informationsaufgaben höchstens eine initiierende wirtschafts- und sozialpolitische Innovationsfunktion zugewiesen wird, während die jeweils situationsangemessene Umsetzung bzw. Weiterentwicklung solcher Anstöße Aufgabe der föderalistischen Gruppengesellschaft sein soll.<br />
<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
<br />
<br />
Einen Überblick bis 1987 über die im hier vorgegebenen Rahmen nur auswahlweise zu skizzierenden Werke Proudhons und über Proudhon geben: <br />
<br />
* J. Hilmer/L. Roemheld (Hg.): Proudhon-Bibliographie, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1989 (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXI: Politikwissenschaft, Bd. 131).<br />
<br />
Aus der von dieser Bibliographie nicht mehr erfassten Primärliteratur sind, in chronologischer Reihenfolge, hervorzuheben: <br />
<br />
* P.-J. Proudhon: De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise (1860), s. 1., t.I - IV, 1988-1990 (Corpus des oeuvres de philosophie en langue francaise), texte revu par R. Férenczi, G. Navet, P. Vermeren, B. Voyenne.<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Von den Grundlagen und der sozialen Bestimmung der Kunst, ins dt. übertr., eingel. u. erl. v. K. Herding, Berlin 1988.<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Il Principio federativo (Parte prima), traduzione a cura di Ferruccio Palatella, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1988 (Democrazia, Ecologia, Federalismo t. 5).<br />
<br />
* P.-J. Proudhon: Über das föderative Prinzip und die Notwendigkeit, die Partei der Revolution wieder aufzubauen, Teil 1, übers. v. L. Roemheld, Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1989 (Demokratie, Ökologie, Föderalismus Bd. 6); Teil 2: Einheitspolitik, übers. v. H. Bolt, ebd. 1992 (Demokratie, Ökologie, Föderalismus Bd. 9). <br />
<br />
* P.-J. Proudhon: What is Property?, edited and translated by Donald R. Kelley and Bonnie G. Smith, Cambridge University Press 1993 (Cambridge Texts in the History of Political Thought).<br />
<br />
<br />
Aus der von der Proudhon-Bibliographie nicht erfassten Sekundärliteratur sind in chronologischer Reihenfolge hervorzuheben: <br />
<br />
* B. Voyenne: Histoire de l‘idée fédéraliste, t. III: Les lignées proudhoniennes, Paris - Nice 1981.<br />
<br />
* P. Haubtmann: Pierre-Joseph Proudhon, sa vie et sa pensée 1849 - 1865, Paris, 2 vols. 1988.<br />
<br />
* Mil neuf cent - Revue d'histoire intellectuelle (Cahiers Georges Sorel), no. 10, 1992 (Schwerpunktthema: Proudhon, l'éternel retour).<br />
<br />
* P. Ansart: Die Soziologie Pierre-Joseph Proudhons, übers, v. L. Roemheld, Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1994 (Demokratie, Ökolo¬gie, Föderalismus Bd. 10).<br />
<br />
<br />
Last, but not least seien erwähnt als Publikationen einer hoch spezialisierten Proudhon-Forschung: <br />
<br />
* Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (E.H.E.S.S.): Les Travaux de l'Atelier Proudhon, Paris, fasc. 1 ss, 1986 ss; E.H.E.S.S.: Les Cahiers de la Société Proudhon, Paris, vol. 1 ss, 1993 ss.<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Lutz Roemheld]]'''<br />
<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Datei:Proudhonpropietat.JPG&diff=8346Datei:Proudhonpropietat.JPG2008-08-12T21:01:26Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div></div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Datei:Proudhon-children.jpg&diff=8345Datei:Proudhon-children.jpg2008-08-12T19:13:51Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div></div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=F%C3%B6deralismus&diff=7852Föderalismus2008-03-11T21:44:07Z<p>Sebastian M: Die Seite wurde neu angelegt: '''Lexikon der Anarchie: Sachthemen''' ---- '''Föderalismus''' Mit Hilfe einer Ableitung von dem lateinischen Wort „foedus", genitiv: „foed...</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Sachthemen|Lexikon der Anarchie: Sachthemen]]'''<br />
----<br />
<br />
'''Föderalismus'''<br />
<br />
Mit Hilfe einer Ableitung von dem lateinischen Wort „foedus", genitiv: „foederis" = Vereinbarung, Bündnis, ist „Föderalismus" idealtypisch als ein Oberbegriff zu bezeichnen, dessen Bedeutungsfeld folgende, i. w. S. d. W. politische Sachverhalte umfasst:<br />
<br />
1. Zwei oder mehr Menschen, die sich in Form von kleinsten bis zu im Extremfall globalen Gruppen zusammenschließen (sozusagen: föderieren), um gemeinsam, entweder unmittelbar selbst oder vermittelt durch Beauftragte, zur Sicherung bzw. Verbesserung ihrer Existenz ihren jeweiligen Bedürfnissen und Interessen entsprechend im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Bereich Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu planen sowie durchzuführen.<br />
<br />
2. Institutionen, die solche Gruppen einrichten, um zu gewährleisten, dass sie ihre jeweiligen Bedürfnisse und Interessen sowie die<br />
Mittel zu deren Befriedigung entweder durch die jeweils Betroffenen selbst oder durch von diesen beauftragte und zur Verantwortung zu ziehende MandatsträgerInnen bestimmen können.<br />
<br />
3. Als allgemein handlungsanleitender Bezugspunkt eine Vorstellung vom Menschen, in deren Verfolg sich die Entwicklung hin<br />
zum autonomen Individuum mit derjenigen hin zum sich verantwortungsbewusst engagierenden Gesellschaftswesen verbindet.<br />
<br />
So verstanden weist Föderalismus eine objektive und eine subjektive Dimension auf:<br />
Zum einen bezeichnet dieser Begriff eine nie endgültig vervollständigbare, sondern unter möglichst weitgehender Berücksichtigung jeweils vorgefundener natürlicher bzw. von Menschen geschaffener Gegebenheiten ständig fortzuentwickelnde Sozialordnung, deren gesellschaftliche, wirtschaftliche und staatliche Institutionen den Menschen die eben erwähnte individual-soziale Entwicklung ermöglichen sollen.<br />
Zum anderen bezeichnet Föderalismus eine nach Meinung maßgeblicher Verfechter, wie [[Pierre-Joseph Proudhon]] (1809-1865),[[Michail Aleksandrovič Bakunin| Michael Bakunin]] (1814-1876), Denis de Rougemont (1906 - 1985), Alexandre Marc (1904), dem Menschen wesensimmanente, auf eine solche Sozialordnung hin angelegte und zu einer entsprechenden Grundhaltung zu aktualisierende triadische, körperlich-seelisch-geistige Struktur, die die Voraussetzung für ein auf das Ziel einer föderalistischen Ordnung gerichtetes Wollen, Denken und Handeln bildet. Verbunden werden diese beiden Dimensionen durch die theorie- und praxisorientierte Vorstellung von einem dem Begriff Föderalismus innewohnenden emanzipatorischen Entwicklungspotential, das in einem Prozess wechselseitiger Einwirkung zwischen der zu entwickelnden föderalistischen Ordnung einerseits und dem eben auf sie hin angelegten Wollen, Denken und Handeln der Menschen andererseits in politische Wirklichkeit i. w. S. d. W. umzusetzen ist.<br />
Im Zusammenhang hiermit ist darauf hinzuweisen, dass das Bedeutungsfeld des Begriffes Föderalismus unter formal-strukturellem Gesichtspunkt betrachtet ein von Anfang an gegebenes Spannungsfeld zwischen einer horizontal-egalitär-mutualistischen und einer vertikal-hierarchisch-subsidiär/dominatorischen Dimension umfasst.<br />
Dieser grundlegende Tatbestand wird z. B. ebenso sichtbar an zentralistischen Unitarisierungstendenzen in einem Bundesstaat, wie die Bundesrepublik Deutschland<ref> Vgl. den Fachbegriff „Unitarisierung des Bundesstaates", K. Hesse 1993, Rdnr. 221.</ref><br />
wie an der schier unüberschaubaren Vielfalt von Selbsthilfegruppen allein in Deutschland mit ihrer letztlich auf basisdemokratischer Autonomie und wechselseitiger Vernetzung beruhenden, gesellschaftlich-parastaatlichen Handlungskraft.<ref> Vgl. F. Vilmar/ B. Runge 1986.</ref><br />
<br />
Die aus diesem Spannungsfeld resultierende strukturelle Ambivalenz föderaler Organisationsformen ist möglicherweise als eine der Hauptursachen für deren Gefährdung einerseits durch separatistische Fragmentarisierung bzw. andererseits durch zentralistische Unitarisierung zu betrachten. Die hier vorgetragene idealtypische Definition des Begriffes Föderalismus ermöglicht die Aufstellung von Beurteilungsmaßstäben, anhand derer die „föderale Substanz" politischer Systeme - insbesondere ihrer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Institutionen, ihrer ethisch-normativen Wertorientierungen sowie ihrer interessengebundenen und machtgestützten Willensbildungs- bzw. Entscheidungsprozesse - genauer zu bestimmen ist, unabhängig davon, ob diese sich als föderal, föderativ, föderalistisch u. ä. bezeichnen bzw. als solche verstehen.<br />
<br />
Als Kriterien zur Beurteilung des Maßes, in dem Föderalismus das Wesen eines politischen Systems ausmacht, sind anzusehen:<br />
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1. Die Ausgestaltung seiner gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Institutionen, deren politisch-weltanschauliche<br />
Ausrichtung und die mittels dieser Institutionen zu organisierenden Willensbildungs- bzw. Entscheidungsprozesse auf das ständig anzustrebende Ziel hin, den in ihm lebenden Menschen die Entwicklung zu autonomen Individuen und zu sich gesellschaftlich engagierenden Sozialwesen in immer höherem Grade zu ermöglichen - d. h. ihre Entwicklung hin zu „Personen", um eine<br />
zentrale Kategorie der Integralföderalisten einzuführen.<br />
<br />
2. Die institutionelle Organisation von Gruppen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Bereich sowie ihres Zusammenwirkens über Bedürfnisbefriedigung und Interessenwahrnehmung hinaus letztlich zum Zwecke der „Personalisierung" der Menschen auf der Grundlage der folgenden Strukturprinzipien, die dabei nicht als starre Grundsätze, sondern vielmehr als jeweils situationsangemessen flexibel zu handhabende Richtlinien verstanden werden sollten:<br />
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- Autonomie im Sinne sowohl nach innen als auch nach außen gerichteter [[Selbstverwaltung| Selbstbestimmung]] einer Gruppe mit der Maßgabe,<br />
das Recht aller anderen Gruppen auf Autonomie zu respektieren, sofern auch diese dieses Prinzip praktizieren;<br />
<br />
- problemorientierte Kompetenzen- und Ressourcenverteilung zum Zwecke der Organisierung horizontaler bzw. vertikaler<br />
Kooperation zwischen verschiedenen Gruppen zur Lösung öffentlicher Aufgaben, die ihrem Wesen bzw. ihrem Umfang nach die<br />
hierzu erforderliche Fähigkeit dieser Gruppen überschreiten;<br />
<br />
- Partizipation im Sinne der Beteiligung an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen zur Lösung gemeinsamer Probleme, sei<br />
es unmittelbar durch die jeweils Betroffenen selbst, sei es mittelbar durch Vertreterinnen, die den sie Delegierenden verantwortlich sind.<br />
<br />
3.Die gemäß den o. e. Strukturprinzipien zu institutionalisierende „Lernfähigkeit" politischer Systeme, um immer neuen, sei es von<br />
innen, sei es von außen auf sie zukommenden Anforderungen an ihre jeweils eigene Existenz unter Wahrung der beiden vorher genannten Kriterien gerecht zu werden.<br />
Abschließend sei ergänzend zur bisherigen Definition des Begriffes Föderalismus in Form des folgenden Schemas auf unterschiedliche Facetten seines Bedeutungsfeldes hingewiesen, die von ihm abgeleitete Wörter bezeichnen:<br />
<br />
a) (immer umfassendere) Integration bzw. Integriertheit politischer Systeme bzw. ihrer Subsysteme. <br />
<br />
b) föderativ, föderieren, Föderation<br />
<br />
c) föderal (vermittelnd), konföderieren<br />
<br />
d) föderalistisch, föderalisieren bzw. partielle Konföderation<br />
<br />
e) strukturelle Ausdifferenzierung, Integration politischer Systeme bzw. ihrer Subsysteme<br />
<br />
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==Historisch-politische Entwicklung==<br />
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<br />
Zu Beginn des folgenden, im hier gesetzten lexikalischen Rahmen notwendigerweise nur kurzen Überblicks über die „Geschichte der föderalistischen Idee" <ref> vgl. B.Voyenne </ref> sei darauf hingewiesen, dass diese Skizze sich im wesentlichen auf Europa konzentriert, von Europa kulturell-zivilisatorisch und i. w. S. d. W. politisch beeinflusste Gebiete, wie etwa den amerikanischen Doppelkontinent oder die von Russland durchdrungene eurasische Landmasse, nur am Rande berührt und andere außereuropäische Gebiete unberücksichtigt lässt.<br />
Ohne hierauf näher eingehen zu können, ist zunächst an evolutions-geschichtliche Wurzeln gleichsam präföderaler Verhaltensweisen in tierischen Populationen zu erinnern, auf die bereits [[Pjotr Alexejewitsch Kropotkin| Peter Kropotkin]] in seinem 1902 erstmals erschienenen Werk „Mutual Aid, A Factor of Evolution" aufmerksam gemacht hat und die es menschlichen Gruppen ermöglicht haben, sich zu gemeinsamer Sicherung ihres Überlebens jeweils angemessene, im Laufe von etwa einer Million Jahren immer bewusster zweckrational entwickelte Verhaltensrepertoires teils egalitärer, teils hierarchischer und schon früh in vorgeschichtlicher Zeit zu beobachtender arbeitsteiliger Kooperation anzueignen.<br />
<br />
Tief hinunter in die Geschichte der Menschheit reicht demnach die Grundlage, auf der sich im Altertum im Nahen Osten, im Mittelmeerraum und in Europa nördlich der Alpen und der Pyrenäen das breite und so vielfältige Spektrum religiöser und politischer Verbände lokaler, regionaler und schließlich sogar teilkontinentaler Reichweite entwickelt hat: gentil verfasste tribale Zusammenschlüsse als religiös fundierte Rechtsräume schaffende, ökonomische Interessen politisch und militärisch wahrnehmende, hierarchisch organisierte kollektive Handlungseinheiten seit dem 3. Jahrtausend v. Chr.; aristokratische bzw. oligarchische kommunale Organisationsformen mit mehr oder weniger mühsam erkämpften und begrenzten Varianten von ansatzweise demokratischer bzw. berufsständischer Partizipation an innen- und außenpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen seit dem 8. vorchristlichen Jahrhundert (griechische poleis, italische Stadtstaaten); Städtebünde, die z.T. „Prototypen" hegemonial<br />
strukturierender Staatenbünde bildeten - z. B. im 4. Jahrhundert v. Chr. die vom Königreich Makedonien dominierte griechische Symmachie des Korinthischen Bundes oder die auf der italischen Halbinsel seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert vor allem kriegerisch, nicht ohne katastrophale Rückschläge entwickelte und von dort aus schubweise auf den gesamten Mittelmeerraum, auf Teile des Nahen und Mittleren Ostens, Nordafrikas sowie Europas nördlich von Alpen und Pyrenäen ausgedehnte Kombination zwischen einem hochkomplexen, in der Regel bilateralen und von der römischen Stadtrepublik dominierten Bündnissystem einerseits und andererseits einem von Rom aufgebauten, nach modernen verwaltungsrechtlichen Begriffen als in hohem Maße dekonzentriert zu bezeichnenden System provinzialer Administration — eine das gesamte spätere kontinentaleuropäische Recht maßgeblich prägende Kombination, deren hochkomplexes politisches System etwa seit der Zeitenwende allmählich in das danach noch Jahrhunderte lang existierende Imperium Romanum überführt wurde.<br />
<br />
Angelehnt an das eben erwähnte altrömische System dekonzentrierter Provinzialverwaltung entwickelte die römisch-katholische Kirche ihre Diözesanadministration, die, ungeachtet zahlreicher institutioneller Veränderungen im Verlauf von nun bald zwei Jahrtausenden weltweiter Ausdehnung, in ihrer Grundstruktur bis heute existiert und damit - übrigens im 4. Jahrhundert unter wiederholter direkter Einflussnahme römischer Kaiser - den alten politisch-administrativen Föderalismus Roms bis heute in der Form eines erstaunlich stabilen und zugleich anpassungsfähigen amtskirchlichen Föderalismus fortsetzt, der seinerseits seit dem Schisma Ende des 5. Jahrhunderts bzw. seit der Reformation im 16. Jahrhundert die Organisation der verschiedenen nichtkatholischen christlichen Kirchen beeinflusst hat.<br />
<br />
Auf Grundlage einer agrarischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bei Vorrang lokaler und kleinregionaler Natural-Tauschwirtschaft vor großregionaler geldvermittelter Gütererzeugung und -verteilung wurde zur Erfüllung rechtlich-administrativer und militärisch-sicherheitspolitischer Aufgaben in Gestalt des Feudalismus seit dem frühen Mittelalter in Europa ein den weltlichen und geistlichen Adel umfassendes hochkomplexes, pyramidal strukturiertes System sog. personenverbandsstaatlicher, auf der mutualistisch lehensrechtlichen Grundbeziehung zwischen Existenzsicherungs- und Gefolgschaftsverpflichtung zwischen Lehnsherr und Lehnsmann beruhender Einheiten von der örtlichen über die regionale bis hin zur Ebene späterer Nationalstaaten als eine damaligen wirtschaftlich-technisch-verkehrlichen Gegebenheiten angepasste Erscheinungsform des „Föderativen Prinzips" (Principe federatif - [[Pierre-Joeseph Proudhon| P.-J. Proudhon]]) entwickelt - eine Entwicklung, die, beginnend im 13. Jahrhundert, vor allem in England, Frankreich, Spanien und Russland aus sehr unterschiedlichen, hier aus Raumgründen nicht behandelbaren Gründen zu mehr oder weniger ausgeprägter einheitsstaatlicher Zentralisierung geführt hat, hingegen zu eher regional-fürstenstaatlicher Dezentralisierung vor allem im deutschsprachigen Raum, in Italien und in Polen sowie zu aristokratischen und bürgerlich-oligarchischen staaten-bündischen Systemen, wie in den Niederlanden und in der Schweiz.<br />
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Nach der Erfahrung machtstaatlicher Durchsetzungskraft uni-tarisch-zentralistisch organisierter politischer Systeme in Verbindung mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) - Schweden, Frankreich - und mit der Hegemonie des napoleonischen Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts und angesichts ökonomischer Entwicklungsvorteile großer Flächenstaaten im Zeitalter der Industrialisierung wurde 1870 und 1871 die nationalstaatliche Einigung Italiens bzw. Deutschlands durchgesetzt. Dabei mündete im letzteren Fall vor allem unter dem Einfluss der mehrhundertjährigen Tradition politischer Dezentralisierung die Entwicklung in einen, allerdings von Preußen dominierten Bundesstaat - eine Entwicklung, die sich als Teil eines bereits Ende des 18. Jahrhunderts von den ehemaligen englischen Kolonien in Nordamerika eingeleiteten und im 19. und 20. Jahrhundert teilweise Lateinamerika und Asien erfassenden welthistorischen Prozesses mit vielfältigen Varianten eines Präsidialsystems (z. B. [[USA]]), oft allerdings auch eines zeitweise mehr oder weniger defizitären staatlichen Föderalismus autoritärer oder gar diktatorischer Struktur, etwa des lateinamerikanischen Caudillo-Typs (Argentinien, Brasilien) oder des staatssozialistischen Typs der Einparteiherrschaft (KPdSU in der UdSSR) vollzog.<br />
<br />
Nicht unerwähnt bleiben soll der seit dem Mittelalter oft in Form von Personalunionen verwirklichte Typ des Staatenbundes (England - Schottland, Kastilien - Aragon, Österreich - Ungarn), der in der Neuzeit im Rahmen des Kolonialismus und in verfassungsrechtlicher Anpassung an den Nationalstaat des 19. Jahrhunderts auf internationaler Ebene zu staatenbündisch strukturierten Systemen weiterentwickelt werden konnte, die z. T. bis heute bestehen, wie das britische Commonwealth of Nations und die französische Communaute. <br />
Lediglich angedeutet werden kann hier die große Vielfalt von Organisationen föderaler Art im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich, die - im Grunde genommen im Verlauf der gesamten Geschichte der Menschheit überall zu beobachten - sich in ihrem industriegesellschaftlichen Typus in der Neuzeit von Europa aus über die ganze Welt hin ausgebreitet hat - z. B. berufsständische Zusammenschlüsse (Genossenschaften), moderne Interessenorganisationen (Unternehmensverbände, Gewerkschaften), politische Parteien - mit höchst unterschiedlich großem Einfluss auf staatliche Institutionen, intern in der Regel mehr oder weniger hierarchisch-zentralistisch organisiert und insofern ganz verschiedenartige Instrumente einer sich im Zuge der Entwicklung moderner und zunehmend enger miteinander verflochtener Industriegesellschaften immer weiter ausdifferenzierenden politischen Macht bildend.<br />
<br />
Angesichts der staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Organisationen menschlichen Zusammenlebens im Prinzip gleichermaßen prägenden hegemonialen Beziehung zwischen führenden Minderheiten und geführten Mehrheiten, im Hinblick auf in der Regel nach dem Repräsentationsprinzip institutionalisierte und folglich bei zunehmender Größe einer Organisation abnehmende Partizipation der Menschen an sie betreffenden Entscheidungsprozessen und angesichts von sich insbesondere im Rahmen moderner Industriegesellschaften in Europa und darüber hinaus entwickelnden Großorganisationen im staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich mit dem vorrangigen Ziel der Verwirklichung einer maßgeblich von ihren jeweiligen Eliten inhaltlich und formal definierten materiellen und zunehmend auch geistig-seelischen oder vielleicht genauer mental-psychologischen Vor- und Fürsorge muss unter Zugrundelegung der o. e. Definition von Föderalismus dessen vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachtender i. w. S. d. W. politischer Bedeutungsverlust festgestellt werden, nachdem er sich im jahrtausendelangen Verlauf vorindustrieller Menschheitsgeschichte - bei aller Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Unzulänglichkeiten sowie politischer und militärischer Katastrophen — immer wieder als ein gesellschaftsbildendes Prinzip erwiesen hat, das einen, wenn auch immer prekären kulturellen und zivilisatorischen Fortschritt bewirken konnte. Ein solches Urteil soll nicht als Plädoyer für einen - unmöglichen - Rückschritt in vorindustrielle Existenzweisen menschlicher Gesellschaften missverstanden werden, wohl aber als Hinweis auf die Notwendigkeit, wirtschaftliche, gesellschaftliche und staatliche Strukturen zu entwickeln, die der im Begriff „Föderalismus" enthaltenen, auf die Personalisierung des Menschen hin orientierten ethisch-normativen Dimension Rechnung tragen können.<br />
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==Ideengeschichtliche Entwicklung==<br />
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<br />
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lässt sich sagen, dass das föderative Prinzip jahrtausendelang in der Menschheitsgeschichte wirksam gewesen ist, ohne dass es Gegenstand bewusster Reflexion in philosophischer oder i. w. S. d. W. politischer Absicht gewesen wäre. Zwar wurde in dieser langen Zeit eine Vielzahl von Begriffen entwickelt, um föderal strukturierte Institutionen im staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich zu bezeichnen; so z. B. das altgriechische Wort „symmachia" zur Bezeichnung eines Städtebundes, das lateinische Wort „foedus" zur Bezeichnung eines Bündnisses zwischen Rom einerseits und anderen Stadtstaaten oder stammesmäßig organisierten Völkern andererseits, oder schließlich das deutsche Wort „Bund" zur Bezeichnung eines geradezu unübersehbar breiten Spektrums föderal strukturierter Institutionen im staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich. Aber ein Nachdenken über Föderalismus als politisch-gesellschaftliches Strukturprinzip hat in Europa erst im Zusammenhang mit der dramatischen, maßgeblich von Reformation und Gegenreformation sowie von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägten Umbruchsperiode vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat zum neuzeitlichen fürstlichen Territorialstaat im 16. und 17. Jahrhundert unter dem richtungweisenden Einfluss der Föderal-Theologie begonnen, die „foedus" zum Hauptbegriff für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch und für die Erklärung der heilsgeschichtlichen Entwicklung dieses existentiellen Verhältnisses entwickelt hat; verwiesen sei im Zusammenhang hiermit nur auf die Schrift des Zwingli-Schülers Heinrich Bullinger: De foedere et testamento Dei unico et aeterno, 1534 (Über das einzige und ewige Bündnis und Testament Gottes).<br />
Anfänglich umfasste diese Föderalismus-Reflexion staatliche und gesellschaftliche Verhältnisse, wie etwa in dem umfangreichen Buch von Johannes Althusius: Politica methodice digesta ..., 1603 (Politik methodisch dargelegt ...). Im 18. und 19. Jahrhundert fand jedoch vor dem Hintergrund der Entwicklung staatlicher Institutionen zu den das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der europäischen Gesellschaften im Rahmen moderner Nationalstaaten hauptsächlich prägenden Faktoren unter maßgeblichem Einfluss der in der Entstehungszeit der Vereinigten Staaten von Amerika Ende des 18. Jahrhunderts laufenden Diskussion über die Schaffung eines Bundesstaates <ref> Alexander Hamilton, James Madison, John Jay: 1787 - 1788 </ref> eine Verlagerung des Schwerpunktes der Reflexion über föderale politische Strukturen auf die staatsrechtliche bzw. verfassungspolitische Ebene statt; verwiesen sei hier nur auf die besonders umfängliche und reichhaltige deutschsprachige juristische Literatur, der - wie auch in der entsprechenden Literatur anderer europäischer Länder - ein Denken in Kategorien „policey"-staatlicher und zentral-hierarchischer Einheitlichkeit eigentümlich ist (z. B. Charles de Montesquieu, Jean-Jacques Rousseau, Alexis de Tocqueville in Frankreich; Philip Kerr (Lord Lothian), Lionel Curtis, Lionel Robbins in England; Friedrich Frhr. v. Gagern, Paul A. Pfizer, Carl Theodor Welcker, Carl v. Rotteck, Johann Caspar Bluntschli, Robert v. Mohl, Georg Jellinek in Deutschland).<br />
<br />
Eine schwerwiegende Folge dieser Verengung föderalen Denkens bei gleichzeitiger Beschränkung auf die Grenzen des jeweiligen Nationalstaates im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die in eben dieser Zeitspanne erfolgende und bis heute zu beklagende Marginalisierung der Reflexion über Föderalismus als ein eher parastaatliches egalitär-mutualistisches, vor allem gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Strukturprinzip, wie es noch bei — oft auch politisch aktiven - Denkern zum Ausdruck kommt, wie etwa [[Pierre-Joseph Proudhon| P.-J. Proudhon]], [[Michail Aleksandrovič Bakunin| M. Bakunin]], Konstantin Frantz, dem Erforscher des Genossenschaftswesens Otto v. Giercke, dem Katalanen Pi y Margall, dem französischen Völkerrechtler Georges Scelles, A. Marc und D. d. Rougemont mit der von ihnen maßgebend geprägten französischen Denkschule der Integralen Föderalisten und dem vor dem Nationalsozialismus nach Schweden emigrierten Helmut Rüdiger.<br />
<br />
Außer Acht gelassen werden darf dabei allerdings weder der schwer abschätzbare Einfluss handlungsanleitenden kirchlichen Nachdenkens über Föderalismus, wie etwa der Katholischen Soziallehre seit dem 19. Jahrhundert besonders mit ihrem in der 1931 von Papst Pius XI verkündeten Enzyklika „Quadragesimo anno" („Im vierzigsten Jahr") formulierten Subsidiaritätsprinzip, noch der Einfluss jüngster, durch wachsenden Lösungsdruck innen- und internationalpolitischer Probleme motivierter Gedankenschulen, wie des US-amerikanischen New Federalism seit den sechziger Jahren und des nicht zuletzt unter seinem Einfluss Ende der achtziger Jahre entstandenen Kommunitarismus.<br />
<br />
Unter Zugrundelegung weltanschaulich-philosophischer bzw. strukturell-institutioneller Kriterien lassen sich in der hier betrachteten Zeitspanne vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart zwei grundlegende Typen von Föderalismus bzw. vorgestellter und verwirklichter föderaler Organisationsformen unterscheiden: Zum einen ein letztlich auf religiösem Denken beruhender transzendental orientierter Föderalismus bzw. hierarchisch strukturierte föderale Organisationsformen mit Zentralisierungstendenzen, „top-down Federalism", wie Samuel H. Beer (To Make A Nation, 1993) sagt, z. B. in der Föderal-Theologie des 16. und 17. Jahrhunderts, bei J. Althusius, K. Frantz, die katholische Soziallehre, bzw. z. B. in Bundesstaaten mit Unitarisierungstendenzen - Deutschland, Österreich; zum anderen ein letztlich auf den Rationalismus und die Aufklärung des 18. Jahrhunderts zurückführbarer immanenter Föderalismus bzw. eher egalitär-mutualistisch nach dem Prinzip residualer, d. h. von unten nach oben abnehmender (Rest-)Macht strukturierte föderale Organisationsformen, „down-top Federalism" (S. H. Beer 1993), z. B. bei [[Pierre-Joseph Proudhon| P.-J. Proudhon]],[[Michail Aleksandrovič Bakunin| M. Bakunin]], Pi y Margall, den Integralföderalisten, H. Rüdiger; bzw. Systeme anarchischen Typs (anarchistischer Föderalismus), z. B. Kronstadt und die ukrainische Machno-Bewegung nach der Oktoberrevolution von 1917, Selbsthilfegruppen mit ihren vernetzten Kooperationsbeziehungen, eine wachsende Zahl politischer Bewegungen und Parteien, die in ihrer sehr unterschiedlichen Opposition gegen zentralistisch organisierte Nationalstaaten unter dem Begriff des autonomistischen Regionalismus zusammenzufassen sind, oft allerdings in nationalistisch-chauvinistisch-xenophob-rassistischen Separatismus verfallen.<br />
<br />
Beide Varianten föderaler Reflexion und politischer föderaler Organisation verschränken sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend miteinander, wobei sie in mehr oder weniger spannungsreiche Beziehungen zueinander treten: als exemplarisch hierfür kann das durchaus widerspruchsvolle Konvergenz-Verhältnis zwischen den sich vor allem von [[Pierre-Joseph Proudhon| P.-J. Proudhon]] herleitenden, insbesondere in Frankreich aktiven Integralföderalisten und den schwerpunktmäßig von Italien aus agierenden sog. Hamilton-Föderalisten (Altiero Spinelli,1907 - 1986) angesehen werden, welch letztere sich in ihrem politischen Denken und Handeln hauptsächlich am US-amerikanischen Föderalismus-Modell orientieren, aber auch staatsföderale, auf das Ziel einer politischen Einigung Europas hin ausgerichtete Konzepte aus dem deutschsprachigen Raum in ihre Reflexion mit einbeziehen (Graf Couden-hove-Kalergi; Paneuropa, 1923) und andere, eine bundesstaatliche europäische Integration anvisierende Organisationen beeinflussen, wie die schweizerische und die deutsche Europa Union. <br />
<br />
Abzuwarten bleibt, ob sich letztlich bzw. wie weit sich Föderalismus als ein im Grunde genommen universales i. w. S. d. W. politisches Strukturprinzip angesichts der sich weiter stabilisierenden bzw. entwickelnden ökonomisch-finanziellen und technisch-militärischen Dominanz nordglobaler Industrie- und Hochtechnologie-Länder über die übrige Welt mit ihrer Tendenz zu weltweiter kulturell-zivilisatorischer und - nicht zuletzt - bewusstseinsmäßiger Assimilierung im Sinne des US-amerikanischen „One World" -Konzepts wird behaupten können zugunsten möglichst selbstbestimmter Artikulierung und partizipatorisch organisierter Befriedigung von Bedürfnissen und Interessen der Menschen von der lokalen über verschiedenste regionale Ebenen bis hin zum globalen Maßstab.<br />
<br />
<br />
==Literatur u. Quellen==<br />
<br />
Die folgenden Titel sind nur eine äußerst knappe, allein auf den vorangehenden Text bezogene Auswahl aus der unübersehbar umfangreichen Primär- und Sekundärliteratur. Hinsichtlich der Quellen und Literatur zum Integralen Föderalismus sei auf die Angaben in L. Roemheld: Integraler Föderalismus bzw. Integral Federalism, s. u. verwiesen.<br />
<br />
<br />
* J. Althusius: Politica methodice digesta ..., Faksimiledruck der 3. Aufl. Herborn 1614, Aalen 1961. <br />
<br />
* H. Brugmans: Skizze eines europäischen Zusammenlebens, Frankfurt M. 1953.<br />
<br />
* W. Ferber: Der Foederalismus - historisch-politische Betrachtungen, 2. Aufl. Augsburg 1947.<br />
<br />
* K. Frantz: Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die soziale, staatliche und internationale Organisation ..., Neudr. d. Ausg. v. 1879, Aalen 1962.<br />
<br />
* A. Hamilton/J. Madison/J. Jay: Die Federalist Papers, Darmstadt 1993.<br />
<br />
* Ch. de Montesquieu: De l'Esprit des Lois (editio princeps Geneve 1748), Paris, 2 Bde. 1961.<br />
<br />
* R. Rocker: Über das Wesen des Föderalismus im Gegensatz zum Zentralismus, Frankfurt/M. 1979 (Nachdr. d. Erstausg. im Verlag „Der Syndikalist", Berlin 1923).<br />
<br />
* E. Rossi/A. Spinelli: II Manifesto di Ventotene (1941) pubblicato acura del Centro Italianodi Formazione Europea, Quaderni Federalisti, N. 26, Roma, marzo 1979.<br />
<br />
* A. Spinelli: Manifest der Europäischen Föderalisten, Frankfurt/ M. 1958.<br />
<br />
<br />
Allgemein zu föderalen Konzepten in west- und osteuropäischen Ländern während und nach dem Zweiten Weltkrieg siehe:<br />
<br />
* H. Brugmans: La pensöe politique du federalisme, Leyde 1969.<br />
<br />
* L. Dierickx: Eine Keimzelle europäischer, föderalistischer und supranationaler Demokratie, hg. von der Europäischen Föderalistischen Bewegung — Mouvement Federaliste Europ6en, Bruxelles o. J. (1971).<br />
<br />
* P. Duclos: L'Etre federaliste, Paris 1968; G. Heraud: Les principes du Federalisme et la Föderation europ6enne, Paris 1968 (dt: Die Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, Wien 1979).<br />
<br />
* L. Lederman: Föderation Internationale - Idées d'hier, Possibiliteés de demain, Neuchätel 1950.<br />
<br />
* W. Lipgens (Hg.): Europa-Föderationspläne der Widerstandsbewegungen 1940-1945, München 1968. <br />
<br />
* W. Lipgens: Die Anfänge der Europäischen Einigungspolitik 1945 - 1950, Erster Teil: 1945 - 1947, Stuttgart 1977. <br />
<br />
* A. Marc: Revolution americaine - Revolution europeenne: Message du federalisme, Lausanne 1977.<br />
<br />
<br />
Zu bundesdeutschen Überlegungen über Ausgestaltung bzw. Weiterentwicklung des staatlichen Föderalismus siehe:<br />
<br />
* K. Assmann/T. Goppel (Hg.): Föderalismus — Bauprinzip einer freiheitlichen Grundordnung in Europa, München/New York/London/Paris 1978.<br />
<br />
* A. Süsterhenn (Hg.): Föderalistische Ordnung, o. O. (Koblenz), o. J. (1961). <br />
<br />
* B. Vogel/G. H. Oettinger (Hg.): Föderalismus in der Bewährung - die deutschen Länder vor der Herausforde-rung fortschreitender EG-Integration, Berlin/Dresden ... 1992.<br />
<br />
<br />
Zu vergleichbaren schweizerischen Überlegungen siehe:<br />
<br />
* L. Neidhart: Föderalismus in der Schweiz — Zusammenfassender Bericht über die Föderalismus-Hearings der Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit in Solothurn, Zürich/Köln 1975.<br />
<br />
<br />
Nachschlagewerke:<br />
<br />
* F. Saint-Ouen (ed.): Dictionnaire international du Federalisme, Bruxelles 1994. <br />
<br />
* W. H. Stewart: Concepts of Federalism, Lanham/New York/London 1984.<br />
<br />
<br />
Allgemeine Gesamtdarstellungen: <br />
<br />
* M. Albertini: II Federalismo - Antologia e definizione, Bologna 1979. <br />
<br />
* E. Deuerlein: Föderalismus - die histori¬schen und philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips, München 1972.<br />
<br />
* C. Diaz-Carrera (ed.): El federalismo global, Madrid 1989.<br />
<br />
* A. Jallon: Le federalisme, Paris 1971. <br />
<br />
* L. Roemheld: Integraler Föderalismus - Modell für Europa - ein Weg zur personalen Gruppengesellschaft, München, Bd. 1,1977;<br />
Bd. 2,1978; englisch: Integral Federalism—Model for Europe—a Way towards a Personal Group Society, Frankfurt/M./Bern/New York/Paris 1990.<br />
<br />
<br />
Geschichtliche Überblicksdarstellungen: <br />
<br />
* M. Albertini/A. Chiti-BatelW/ G. Petrilli: Storia del federalismo europeo, Torino 1973. <br />
<br />
* L. Marinello: Lineamenti di una storia politica deir Europa contemporänea - dal Liberalismo al Federalismo, Parma 1963. <br />
<br />
* H. Rüdiger: Föderalismus. Beitrag zur Geschichte der Freiheit, Berlin 1979.<br />
<br />
* B. Voyenne: Histoire de I'id6e fe"d6raliste, Paris/Nice, t. 1: Les sources, 1976; t. 2: Le federalisme de P.-J. Proudhon, 1973; t.<br />
3: Les ligne"es proudhoniennes, 1981; Bd. 2 deutsch: Der Föderalismus Pierre-Joseph Proudhons, Frankfurt/M. 1982.<br />
<br />
<br />
Spezielle Aspekte des Föderalismus:<br />
<br />
* Alen: Der Föderalstaat Belgien - Nationalismus, Föderalismus, Demokratie, Baden-Baden 1995 (mit dem Text der neuen belgischen Verfassung).<br />
<br />
* H. Beer: To Make a Nation - the Rediscovery of American Federalism, Cambridge, Mass./London, England 1993.<br />
<br />
* F. Cardis: Fed6ralisme et int6gration europeenne, Universite de Lausanne 1964.<br />
<br />
* T. Chopard(Hg.): Der Föderalismus vor der Zukunft, Schwerpunktheft des Jahrbuches der Neuen Helvetischen Gesellschaft, 36, 1965, Bern.<br />
<br />
* M. Croisat: Le föderalisme dans les démocraties contemporaines, Paris 1992. <br />
<br />
* A. Danese: II Federalismo, cenni storici e implicazioni politiche, Roma 1995.<br />
<br />
* D. J. Elazar (ed.): Federalism and Political Integration, Lanham/New York/ London 1984.<br />
<br />
* F. Esterbauer: Kriterien föderativer und konföderativer Systeme unter besonderer Berücksichtigung Österreichs und der Europäischen Gemeinschaften, Wien 1976.<br />
<br />
* F. Esterbauer/G. Heraud/P. Pernthaler (Hg.): Föderalismus als Mittel permanenter Konfliktregelung, Wien 1977. <br />
<br />
* F. Esterbauer/E. Thöni: Föderalismus und Regionalismus in Theorie und Praxis - grundlegende Erwägungen zur österreichischen Föderalismusdiskussion aus politik- und finanzwissenschaftlicher Sicht, Wien 1981. <br />
<br />
* T. Evers (Hg.): Chancen des Föderalismus in Deutschland und Europa, Baden-Baden 1994.<br />
<br />
* M. Frenkel: Föderalismus und Bundesstaat, Bern..., Bd. 1,1984; Bd. 2,1986. <br />
<br />
* A. Greilsammer: Les Mouvements fédéralistes en France de 1945 ä 1974, Paris/Nice 1975.<br />
<br />
* S. Huber/P. Pernthaler (Hg.): Föderalismus und Regionalismus in europäischer Perspektive, Wien 1988. <br />
<br />
* H. R. Klecatsky u. a.: Der Föderalismus und die Zukunft der Menschenrechte, Wien/Köln/Graz 1982. <br />
<br />
* F. Knipping (Ed.): Federal Conceptions in EU Member States, Baden-Baden 1994.<br />
<br />
* K. Lang: Die Philosophie des Föderalismus - Versuch einer ethisch fundierten Staatsphilosophie der Verantwortung, Zürich 1971. <br />
<br />
* H. Laufer-Pilz (Hg.): Föderalismus — Studientexte zur bundesstaatlichen Ordnung, München 1973. <br />
<br />
* G. Miglio: Modello di Costituzione Federale, in Domani Europa, numero speciale, Gennaio 1995.<br />
<br />
* R. Serbyn (ed.): Fäderalisme et Nations, Montreal 1971.<br />
<br />
* R. Sparwasser: Zentralismus, Dezentralisation, Regionalismus und Föderalismus in Frankreich, Berlin 1986. <br />
<br />
* F. W. Scharpf: Optionen des Föderalismus in Deutschland und Europa, Frankfurt/M./New York 1994. <br />
<br />
* J. Theiler: Föderalismus - Voraussetzung oder Ergebnis rationaler Politik? - Zur ökonomisch optimalen Struktur kollektiver Entscheidungsverfahren, Bern/ Frankfurt/M./Las Vegas 1977.<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Lutz Roemhold]]'''<br />
<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Murray_N._Rothbard&diff=7121Murray N. Rothbard2007-10-21T10:01:32Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
<br />
'''Murray N. Rothbard'''; geboren 1926, in New York.<br />
<br />
== Äußere Daten ==<br />
<br />
Rothbard wuchs in einer Familie armer, ostjüdischer Immigranten auf. Sein Studium finanzierte er durch Arbeit und mit Stipendien aus privater Begabtenförderung. Während seine reichen Kommilitonen meist Sozialisten oder Kommunisten waren, wurde er Republikaner. Jedoch zog es ihn von Beginn an zu der antimilitaristischen und Staats-skeptischen Ausprägung des auf Jefferson zurückgehenden Republikanismus der Dichterin Ayn Rand und des Essayisten Albert Jay Nock. Als russische Exilantin lehnte A. Rand jede Öffnung nach „links" zeitlebens strickt ab. In den 50er und 60er Jahren bemerkten allerdings einige der politisch aktivsten Mitglieder ihres Kreises, unter ihnen Rothbard, mehr oder weniger erstaunt, dass es über die Feindschaft gegen Rassismus und Imperialismus Gemeinsamkeiten mit bestimmten linken Kräften gab. A. J. Nock dagegen hatte weniger Berührungsprobleme, stützte er seine Staatskritik doch stark auf den deutschen Soziologen Franz Oppenheimer, der sich als „liberaler Sozialist" bezeichnete.<br />
<br />
Akademisch schloss sich Rothbard als Schüler dem österreichisch-jüdischen Ökonomen Ludwig von Mises an, der führend unter den Anti-Keynesianern und Anti-(Staats-)Sozialisten war und in den 30er Jahren vor den Nazis nach Amerika floh. Begründete schon die Position völliger Ablehnung staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft durch L. v. Mises eine extreme Außenseiterstellung, machte Rothbards Weiterentwicklung in Richtung auf konsequenten Anarchismus ihn zunächst völlig unmöglich in der Welt der Intellektuellen. Erst in der Zeit des Vietnam-Krieges akzeptierten ihn linke Akademiker aufgrund seiner kompromisslosen Kritik an der interventionistischen US-Außenpolitik, und so fand er eine Anstellung am Brooklyn Polytechnic Institut.<br />
<br />
Es ergab sich eine Zusammenarbeit mit herausragenden Denkern und Aktivisten der linken Szene wie [[Paul Goodman]] (Anarchist), Walter Block (SDS) und Ronald Radosh (Sozialist). In der Folge dieser Zusammenarbeit lösten sich ab Mitte der 60er Jahre anti-autoritäre und anti-militaristische Teile sowohl aus den rechten als auch aus den linken Organisationen, um „jenseits von rechts und links" das Libertarian Movement mit seinen zahlreichen Fraktionen, Organisationen, Parteien, Zeitungen, Instituten zu bilden.<br />
Das erste größere Werk, mit dem Rothbard an die Öffentlichkeit trat, ist das zweibändige „Man, Economy, and State" (1962), eine Grundlegung theoretischer Ökonomie. Zusammen mit „Power and Market" (1970) - eine ökonomische Analyse politischer [[Herrschaft]] - und „The Mystery of Banking" (1983) - eine politische Analyse ökonomischer Bank- und Währungsmanipulationen - als gleichsam dritten und vierten Band ist es die erste und einzige vollständige und konsequente Entfaltung der „österreichischen Schule der Ökonomie" (austrian economics), die Carl Menger begründete und L. v. Mises entscheidend weiterentwickelte. In „Man, Economy, and State" erklärt Rothbard die Entstehung von Preisen, Kapital und Geld durch freiwillige Handlungen, deren Struktur er „Markt" nennt. Alle staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen - Interventionen - weist er als ineffizient und unmoralisch zurück. Eine historische Illustration seiner Thesen gibt Rothbard mit der minutiösen Analyse der amerikanischen Depression der 30er Jahre, „America's Great Depression" (1963) und mit seiner Doktorarbeit über den Bankenkrach von 1819, „The Panik of 1819" (1962).<br />
<br />
Die politischen Konsequenzen aus seiner ökonomischen Position legt Rothbard in „For A New Liberty: the libertarian manifesto" (1973/78) dar. Die Forderung nach freiem Markt wird auch auf Gebiete ausgeweitet, die selten in den Blick selbst exponierter Vertreter marktwirtschaftlicher Theorien kommen: Erziehung, Verkehrswesen, Polizei, Gerichte, [[Ökologie]] und Verteidigung. Diese Forderungen begründet er nicht nur utilitaristisch-ökonomisch mit Effizienz, sondern gibt ihnen auch eine moralphilosophische Grundlage, die den unbedingten Vorrang der freien individuellen Entscheidung herausstellt. Diese in der Tradition des Natur- und Vernunftrechts wurzelnde moralphilosophische Grundlage diskutiert Rothbard ausführlich in „The Ethics of Liberty" (1982). Die politische Tradition seiner Position spürt Rothbard in „Conceived in Liberty" (1975 ff.) nach. Es handelt sich um eine mehrbändige, noch nicht abgeschlossene Geschichte der amerikanischen Kolonialzeit und der Revolution.<br />
<br />
Zur Erkenntnistheorie liegen von Rothbard die Abhandlungen „Praxeology: The Methodology of Austrian Economics" (1976) und „Individualism and the Philosophy of the Social Science" (1979) vor. Anders als sein Lehrer L. v. Mises, der Kantianer war, folgt Rothbard sowohl erkenntnistheoretisch als auch moralphilosophisch mehr Thomas von Aquin.<br />
Politisch hat sich Rothbard für den Weg der [[„Libertarian Party"]] entschieden. Diese Partei wirft für den amerikanischen „libertarianism" ähnliche Probleme auf, wie die „Grünen" für die deutsche Protestbewegung: Kräfte werden in legalistisch-parlamentarischen Nebenschauplätzen verschlissen und langfristig ins System integriert. Obgleich Rothbard die „Libertarian Party" 1971 mitbegründet hatte und nach wie vor als intellektuelles Haupt der Bewegung akzeptiert wird, nimmt er mittlerweile mit seiner radikalen Position innerhalb der Partei eine Außenseiterstellung.<br />
<br />
== Positionen ==<br />
<br />
Alle Schriften Rothbards durchzieht mit gewisser Monotonie ein Gedanke: jeden realen oder gedachten gesellschaftlichen Zustand genealogisch bis zu dem Punkt zurückzuverfolgen, an dem deutlich wird, ob er aufgrund freiwilliger individueller Entscheidungen oder durch Zwangseinwirkung zustande kam und aufrecht erhalten wird. Unter Zwang (coercion) versteht Rothbard dabei immer und ausschließlich Gewalt bzw. Androhung von Gewalt. „Strukturelle Gewalt" entsteht, wenn Institutionen als Bedingung ihrer Möglichkeit organisierte Gewaltandrohung benötigen, ohne im eigenen Namen die Drohung auszusprechen. Die Finanzbehörde etwa kann Steuern nur aufgrund der Drohung einziehen, im Falle der Zahlungsverweigerung polizeiliche Gewalt zu aktivieren. Denn Steuern sind keine freiwilligen Beiträge. Oder: Die Schulpflicht ist angewiesen auf die Möglichkeit der Erzwingung von Schulbesuch, denn sonst wäre der Schulbesuch freiwillig. Die Gewalt gibt der so organisierten Gesellschaft ihre Struktur, auch wenn aktuell Gewalt nicht in großem Umfang eingesetzt wird. Aus Freiwilligkeit ergäbe sich eine andere Sozialstruktur.<br />
<br />
Der aus Freiwilligkeit resultierende Zustand (Markt) findet unabhängig von Rothbards persönlicher Wertschätzung, die nur selten überhaupt sichtbar wird, Zustimmung, während der gewaltsam erzwungene Zustand ([[Staat]]) auf jeden Fall abgelehnt wird. Beispiel: Rothbard liebt die klassische Musik und findet Popmusik grauenhaft. Er lehnt aber nicht nur jede Zensur der Popmusik, wie sie in den USA von religiösen Fanatikern häufig und sehr militant gefordert wird, strikt ab, sondern selbstverständlich auch die Subventionierung der von ihm bevorzugten Musikrichtung.<br />
<br />
Rothbard analysiert in dieser Weise alle Aspekte der sozialen Wirklichkeit, indem er sie auf zwei Kategorien zurückführt, nämlich „freiwillige Handlung" (voluntary action) einerseits und auf Zwang/Gewalt (coercion) andererseits. Die aus freiwilligen Handlungen resultierende gesellschaftliche Struktur heißt bei Rothbard „freiwilliger Austausch" (voluntary exchange) oder „Markt", in die Zwang/Gewalt „interveniert".<br />
Die Möglichkeiten, Bedürfnisbefriedigung zu organisieren, bezeichnet er nach F. Oppenheimer im Rahmen des Marktes als „ökonomische Mittel", im Rahmen von Interventionen als „politische Mittel". Die ökonomischen Mittel zielen in Rothbards auf A. J. Nock zurückgehender Terminologie auf „social power", das sind „die produktiven Folgen der freiwilligen Interaktion zwischen Menschen"; während die politischen Mittel auf „Herrschaft" (political power) zielen, das ist die Aneignung fremder Arbeitsleistungen (Ausbeutung) und Kontrolle über fremdes Leben (Bevormundung).<br />
<br />
Die freiwillige Handlung darf in jedem Falle die eigene Person und deren legitim — d. h. aufgrund freiwilligen Austausches oder aufgrund von Aneignung durch Bearbeitung - erworbenes Eigentum einbeziehen, aber nur im Zustimmungsfalle sich auf fremde Personen und fremdes Eigentum erstrecken. Daß jede Person mit sich (und ihrem Eigentum) machen darf, was sie will, nennt Rothbard das Prinzip des „Selbsteigentums" (self-ownership); ein Begriff, der in etwa dem deutschen, allerdings ziemlich undeutlichen Ausdruck [[„Selbstbestimmung"]] entspricht.<br />
<br />
== Bedeutung Rothbards innerhalb des libertären Spektrums == <br />
<br />
Mit Rothbard hat der zeitgenössische Anarchismus wieder Anschluss an die lange vernachlässigte ökonomische Theorie gefunden. Denn dass Rothbard einer der führenden ökonomischen Theoretiker der Welt ist, wird selbst von seinen politischen Gegnern nicht bestritten.<br />
Rothbards Terminologie lässt unschwer seine Einordnung in den „individualistischen" Traditionsstrang des Anarchismus zu. Jedoch widersetzt sich seine Theorie auch nicht einer Einbeziehung in den „Anarchismus ohne Adjektive", da kommunistische, sozialistische, kollektivistische und mutualistische Anarchisten auch stets auf die strikte Freiwilligkeit der von ihnen angestrebten Lebensformen bestanden. Letztlich ist es für die Richtigkeit von Rothbards ökonomischer Theorie völlig unerheblich, ob sich „Freiwilligkeit" auf den Artefakt eines isolierten Individuums bezieht oder auf die Handlung einer freiwillig konstituierten Gruppe.<br />
<br />
<br />
==Quellen - Die wichtigsten Werke==<br />
<br />
* Man, Economy, and State (1962), Los Angeles 1970.<br />
<br />
* America's Great Depression (1963)), Kansas City 1975.<br />
<br />
* The Transformation of the American Right, und The Anatomy of the State, in: Perlin (Hg.): Contemporary Anarchism, New Brunswick 1966.<br />
<br />
* Power and Market (1970), Kansas City 1977.<br />
<br />
* Radosh/Rothbard: A New History of Leviathan: Essays on the Rise of the American Corporate State, New York 1972.<br />
<br />
* Conceived in Liberty, Bd. l,New Rochelle 1975, Bd. 2, ebd. 1975, Bd. 3, ebd. 1976, Bd. 4, ebd. 1979.<br />
<br />
* ForANew Liberty, New York 1978.<br />
<br />
* Vom Recht gegen Erziehung (1978), in: Klemm u. a. (Hg.): Werkstattbericht Pädagogik, Bd. 1, Grafenau 1985.<br />
<br />
* The Ethics of Liberty, Atlantic Highlands 1982.<br />
<br />
* The Mystery of Banking, o. O. 1983.<br />
<br />
<br />
==Literatur==<br />
<br />
* S. Blankertz: Legitimität und Praxis, Wetzlar 1989.<br />
<br />
* D. Gordon: Murray N. Rothbard: A Scholar In Defence of Freedom, Washington 1986.<br />
<br />
* H. H. Hoppe: Eigentum, Anarchie und Staat, Opladen 1987.<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Stefan Blankertz]]'''<br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Murray_N._Rothbard&diff=7120Murray N. Rothbard2007-10-21T10:00:05Z<p>Sebastian M: </p>
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<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
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'''Murray N. Rothbard'''; geboren 1926, in New York.<br />
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== Äußere Daten ==<br />
<br />
Rothbard wuchs in einer Familie armer, ostjüdischer Immigranten auf. Sein Studium finanzierte er durch Arbeit und mit Stipendien aus privater Begabtenförderung. Während seine reichen Kommilitonen meist Sozialisten oder Kommunisten waren, wurde er Republikaner. Jedoch zog es ihn von Beginn an zu der antimilitaristischen und Staats-skeptischen Ausprägung des auf Jefferson zurückgehenden Republikanismus der Dichterin Ayn Rand und des Essayisten Albert Jay Nock. Als russische Exilantin lehnte A. Rand jede Öffnung nach „links" zeitlebens strickt ab. In den 50er und 60er Jahren bemerkten allerdings einige der politisch aktivsten Mitglieder ihres Kreises, unter ihnen Rothbard, mehr oder weniger erstaunt, dass es über die Feindschaft gegen Rassismus und Imperialismus Gemeinsamkeiten mit bestimmten linken Kräften gab. A. J. Nock dagegen hatte weniger Berührungsprobleme, stützte er seine Staatskritik doch stark auf den deutschen Soziologen Franz Oppenheimer, der sich als „liberaler Sozialist" bezeichnete.<br />
<br />
Akademisch schloss sich Rothbard als Schüler dem österreichischjüdischen Ökonomen Ludwig von Mises an, der führend unter den Anti-Keynesianern und Anti-(Staats-)Sozialisten war und in den 30er Jahren vor den Nazis nach Amerika floh. Begründete schon die Position völliger Ablehnung staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft durch L. v. Mises eine extreme Außenseiterstellung, machte Rothbards Weiterentwicklung in Richtung auf konsequenten Anarchismus ihn zunächst völlig unmöglich in der Welt der Intellektuellen. Erst in der Zeit des Vietnam-Krieges akzeptierten ihn linke Akademiker aufgrund seiner kompromisslosen Kritik an der interventionistischen US-Außenpolitik, und so fand er eine Anstellung am Brooklyn Polytechnic Institut.<br />
<br />
Es ergab sich eine Zusammenarbeit mit herausragenden Denkern und Aktivisten der linken Szene wie [[Paul Goodman]] (Anarchist), Walter Block (SDS) und Ronald Radosh (Sozialist). In der Folge dieser Zusammenarbeit lösten sich ab Mitte der 60er Jahre anti-autoritäre und anti-militaristische Teile sowohl aus den rechten als auch aus den linken Organisationen, um „jenseits von rechts und links" das Libertarian Movement mit seinen zahlreichen Fraktionen, Organisationen, Parteien, Zeitungen, Instituten zu bilden.<br />
Das erste größere Werk, mit dem Rothbard an die Öffentlichkeit trat, ist das zweibändige „Man, Economy, and State" (1962), eine Grundlegung theoretischer Ökonomie. Zusammen mit „Power and Market" (1970) - eine ökonomische Analyse politischer [[Herrschaft]] - und „The Mystery of Banking" (1983) - eine politische Analyse ökonomischer Bank- und Währungsmanipulationen - als gleichsam dritten und vierten Band ist es die erste und einzige vollständige und konsequente Entfaltung der „österreichischen Schule der Ökonomie" (austrian economics), die Carl Menger begründete und L. v. Mises entscheidend weiterentwickelte. In „Man, Economy, and State" erklärt Rothbard die Entstehung von Preisen, Kapital und Geld durch freiwillige Handlungen, deren Struktur er „Markt" nennt. Alle staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen - Interventionen - weist er als ineffizient und unmoralisch zurück. Eine historische Illustration seiner Thesen gibt Rothbard mit der minutiösen Analyse der amerikanischen Depression der 30er Jahre, „America's Great Depression" (1963) und mit seiner Doktorarbeit über den Bankenkrach von 1819, „The Panik of 1819" (1962).<br />
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Die politischen Konsequenzen aus seiner ökonomischen Position legt Rothbard in „For A New Liberty: the libertarian manifesto" (1973/78) dar. Die Forderung nach freiem Markt wird auch auf Gebiete ausgeweitet, die selten in den Blick selbst exponierter Vertreter marktwirtschaftlicher Theorien kommen: Erziehung, Verkehrswesen, Polizei, Gerichte, [[Ökologie]] und Verteidigung. Diese Forderungen begründet er nicht nur utilitaristisch-ökonomisch mit Effizienz, sondern gibt ihnen auch eine moralphilosophische Grundlage, die den unbedingten Vorrang der freien individuellen Entscheidung herausstellt. Diese in der Tradition des Natur- und Vernunftrechts wurzelnde moralphilosophische Grundlage diskutiert Rothbard ausführlich in „The Ethics of Liberty" (1982). Die politische Tradition seiner Position spürt Rothbard in „Conceived in Liberty" (1975 ff.) nach. Es handelt sich um eine mehrbändige, noch nicht abgeschlossene Geschichte der amerikanischen Kolonialzeit und der Revolution.<br />
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Zur Erkenntnistheorie liegen von Rothbard die Abhandlungen „Praxeology: The Methodology of Austrian Economics" (1976) und „Individualism and the Philosophy of the Social Science" (1979) vor. Anders als sein Lehrer L. v. Mises, der Kantianer war, folgt Rothbard sowohl erkenntnistheoretisch als auch moralphilosophisch mehr Thomas von Aquin.<br />
Politisch hat sich Rothbard für den Weg der [[„Libertarian Party"]] entschieden. Diese Partei wirft für den amerikanischen „libertarianism" ähnliche Probleme auf, wie die „Grünen" für die deutsche Protestbewegung: Kräfte werden in legalistisch-parlamentarischen Nebenschauplätzen verschlissen und langfristig ins System integriert. Obgleich Rothbard die „Libertarian Party" 1971 mitbegründet hatte und nach wie vor als intellektuelles Haupt der Bewegung akzeptiert wird, nimmt er mittlerweile mit seiner radikalen Position innerhalb der Partei eine Außenseiterstellung.<br />
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== Positionen ==<br />
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Alle Schriften Rothbards durchzieht mit gewisser Monotonie ein Gedanke: jeden realen oder gedachten gesellschaftlichen Zustand genealogisch bis zu dem Punkt zurückzuverfolgen, an dem deutlich wird, ob er aufgrund freiwilliger individueller Entscheidungen oder durch Zwangseinwirkung zustande kam und aufrecht erhalten wird. Unter Zwang (coercion) versteht Rothbard dabei immer und ausschließlich Gewalt bzw. Androhung von Gewalt. „Strukturelle Gewalt" entsteht, wenn Institutionen als Bedingung ihrer Möglichkeit organisierte Gewaltandrohung benötigen, ohne im eigenen Namen die Drohung auszusprechen. Die Finanzbehörde etwa kann Steuern nur aufgrund der Drohung einziehen, im Falle der Zahlungsverweigerung polizeiliche Gewalt zu aktivieren. Denn Steuern sind keine freiwilligen Beiträge. Oder: Die Schulpflicht ist angewiesen auf die Möglichkeit der Erzwingung von Schulbesuch, denn sonst wäre der Schulbesuch freiwillig. Die Gewalt gibt der so organisierten Gesellschaft ihre Struktur, auch wenn aktuell Gewalt nicht in großem Umfang eingesetzt wird. Aus Freiwilligkeit ergäbe sich eine andere Sozialstruktur.<br />
<br />
Der aus Freiwilligkeit resultierende Zustand (Markt) findet unabhängig von Rothbards persönlicher Wertschätzung, die nur selten überhaupt sichtbar wird, Zustimmung, während der gewaltsam erzwungene Zustand ([[Staat]]) auf jeden Fall abgelehnt wird. Beispiel: Rothbard liebt die klassische Musik und findet Popmusik grauenhaft. Er lehnt aber nicht nur jede Zensur der Popmusik, wie sie in den USA von religiösen Fanatikern häufig und sehr militant gefordert wird, strikt ab, sondern selbstverständlich auch die Subventionierung der von ihm bevorzugten Musikrichtung.<br />
<br />
Rothbard analysiert in dieser Weise alle Aspekte der sozialen Wirklichkeit, indem er sie auf zwei Kategorien zurückführt, nämlich „freiwillige Handlung" (voluntary action) einerseits und auf Zwang/Gewalt (coercion) andererseits. Die aus freiwilligen Handlungen resultierende gesellschaftliche Struktur heißt bei Rothbard „freiwilliger Austausch" (voluntary exchange) oder „Markt", in die Zwang/Gewalt „interveniert".<br />
Die Möglichkeiten, Bedürfnisbefriedigung zu organisieren, bezeichnet er nach F. Oppenheimer im Rahmen des Marktes als „ökonomische Mittel", im Rahmen von Interventionen als „politische Mittel". Die ökonomischen Mittel zielen in Rothbards auf A. J. Nock zurückgehender Terminologie auf „social power", das sind „die produktiven Folgen der freiwilligen Interaktion zwischen Menschen"; während die politischen Mittel auf „Herrschaft" (political power) zielen, das ist die Aneignung fremder Arbeitsleistungen (Ausbeutung) und Kontrolle über fremdes Leben (Bevormundung).<br />
<br />
Die freiwillige Handlung darf in jedem Falle die eigene Person und deren legitim — d. h. aufgrund freiwilligen Austausches oder aufgrund von Aneignung durch Bearbeitung - erworbenes Eigentum einbeziehen, aber nur im Zustimmungsfalle sich auf fremde Personen und fremdes Eigentum erstrecken. Daß jede Person mit sich (und ihrem Eigentum) machen darf, was sie will, nennt Rothbard das Prinzip des „Selbsteigentums" (self-ownership); ein Begriff, der in etwa dem deutschen, allerdings ziemlich undeutlichen Ausdruck [[„Selbstbestimmung"]] entspricht.<br />
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== Bedeutung Rothbards innerhalb des libertären Spektrums == <br />
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Mit Rothbard hat der zeitgenössische Anarchismus wieder Anschluss an die lange vernachlässigte ökonomische Theorie gefunden. Denn dass Rothbard einer der führenden ökonomischen Theoretiker der Welt ist, wird selbst von seinen politischen Gegnern nicht bestritten.<br />
Rothbards Terminologie lässt unschwer seine Einordnung in den „individualistischen" Traditionsstrang des Anarchismus zu. Jedoch widersetzt sich seine Theorie auch nicht einer Einbeziehung in den „Anarchismus ohne Adjektive", da kommunistische, sozialistische, kollektivistische und mutualistische Anarchisten auch stets auf die strikte Freiwilligkeit der von ihnen angestrebten Lebensformen bestanden. Letztlich ist es für die Richtigkeit von Rothbards ökonomischer Theorie völlig unerheblich, ob sich „Freiwilligkeit" auf den Artefakt eines isolierten Individuums bezieht oder auf die Handlung einer freiwillig konstituierten Gruppe.<br />
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==Quellen - Die wichtigsten Werke==<br />
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* Man, Economy, and State (1962), Los Angeles 1970.<br />
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* America's Great Depression (1963)), Kansas City 1975.<br />
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* The Transformation of the American Right, und The Anatomy of the State, in: Perlin (Hg.): Contemporary Anarchism, New Brunswick 1966.<br />
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* Power and Market (1970), Kansas City 1977.<br />
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* Radosh/Rothbard: A New History of Leviathan: Essays on the Rise of the American Corporate State, New York 1972.<br />
<br />
* Conceived in Liberty, Bd. l,New Rochelle 1975, Bd. 2, ebd. 1975, Bd. 3, ebd. 1976, Bd. 4, ebd. 1979.<br />
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* ForANew Liberty, New York 1978.<br />
<br />
* Vom Recht gegen Erziehung (1978), in: Klemm u. a. (Hg.): Werkstattbericht Pädagogik, Bd. 1, Grafenau 1985.<br />
<br />
* The Ethics of Liberty, Atlantic Highlands 1982.<br />
<br />
* The Mystery of Banking, o. O. 1983.<br />
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==Literatur==<br />
<br />
* S. Blankertz: Legitimität und Praxis, Wetzlar 1989.<br />
<br />
* D. Gordon: Murray N. Rothbard: A Scholar In Defence of Freedom, Washington 1986.<br />
<br />
* H. H. Hoppe: Eigentum, Anarchie und Staat, Opladen 1987.<br />
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'''Autor: [[Stefan Blankertz]]'''<br />
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{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Murray_N._Rothbard&diff=7119Murray N. Rothbard2007-10-21T09:58:30Z<p>Sebastian M: Die Seite wurde neu angelegt: '''Lexikon der Anarchie: Personen''' '''Murray N. Rothbard'''; geboren 1926, in New York. == Äußere Daten == Rothbard wuchs in einer Familie ar...</p>
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<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
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'''Murray N. Rothbard'''; geboren 1926, in New York.<br />
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== Äußere Daten ==<br />
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Rothbard wuchs in einer Familie armer, ostjüdischer Immigranten auf. Sein Studium finanzierte er durch Arbeit und mit Stipendien aus privater Begabtenförderung. Während seine reichen Kommilitonen meist Sozialisten oder Kommunisten waren, wurde er Republikaner. Jedoch zog es ihn von Beginn an zu der antimilitaristischen und Staats-skeptischen Ausprägung des auf Jefferson zurückgehenden Republikanismus der Dichterin Ayn Rand und des Essayisten Albert Jay Nock. Als russische Exilantin lehnte A. Rand jede Öffnung nach „links" zeitlebens strickt ab. In den 50er und 60er Jahren bemerkten allerdings einige der politisch aktivsten Mitglieder ihres Kreises, unter ihnen Rothbard, mehr oder weniger erstaunt, dass es über die Feindschaft gegen Rassismus und Imperialismus Gemeinsamkeiten mit bestimmten linken Kräften gab. A. J. Nock dagegen hatte weniger Berührungsprobleme, stützte er seine Staatskritik doch stark auf den deutschen Soziologen Franz Oppenheimer, der sich als „liberaler Sozialist" bezeichnete.<br />
Akademisch schloss sich Rothbard als Schüler dem österreichischjüdischen Ökonomen Ludwig von Mises an, der führend unter den Anti-Keynesianern und Anti-(Staats-)Sozialisten war und in den 30er Jahren vor den Nazis nach Amerika floh. Begründete schon die Position völliger Ablehnung staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft durch L. v. Mises eine extreme Außenseiterstellung, machte Rothbards Weiterentwicklung in Richtung auf konsequenten Anarchismus ihn zunächst völlig unmöglich in der Welt der Intellektuellen. Erst in der Zeit des Vietnam-Krieges akzeptierten ihn linke Akademiker aufgrund seiner kompromisslosen Kritik an der interventionistischen US-Außenpolitik, und so fand er eine Anstellung am Brooklyn Polytechnic Institut.<br />
Es ergab sich eine Zusammenarbeit mit herausragenden Denkern und Aktivisten der linken Szene wie [[Paul Goodman]] (Anarchist), Walter Block (SDS) und Ronald Radosh (Sozialist). In der Folge dieser Zusammenarbeit lösten sich ab Mitte der 60er Jahre anti-autoritäre und anti-militaristische Teile sowohl aus den rechten als auch aus den linken Organisationen, um „jenseits von rechts und links" das Libertarian Movement mit seinen zahlreichen Fraktionen, Organisationen, Parteien, Zeitungen, Instituten zu bilden.<br />
Das erste größere Werk, mit dem Rothbard an die Öffentlichkeit trat, ist das zweibändige „Man, Economy, and State" (1962), eine Grundlegung theoretischer Ökonomie. Zusammen mit „Power and Market" (1970) - eine ökonomische Analyse politischer [[Herrschaft]] - und „The Mystery of Banking" (1983) - eine politische Analyse ökonomischer Bank- und Währungsmanipulationen - als gleichsam dritten und vierten Band ist es die erste und einzige vollständige und konsequente Entfaltung der „österreichischen Schule der Ökonomie" (austrian economics), die Carl Menger begründete und L. v. Mises entscheidend weiterentwickelte. In „Man, Economy, and State" erklärt Rothbard die Entstehung von Preisen, Kapital und Geld durch freiwillige Handlungen, deren Struktur er „Markt" nennt. Alle staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen - Interventionen - weist er als ineffizient und unmoralisch zurück. Eine historische Illustration seiner Thesen gibt Rothbard mit der minutiösen Analyse der amerikanischen Depression der 30er Jahre, „America's Great Depression" (1963) und mit seiner Doktorarbeit über den Bankenkrach von 1819, „The Panik of 1819" (1962).<br />
Die politischen Konsequenzen aus seiner ökonomischen Position legt Rothbard in „For A New Liberty: the libertarian manifesto" (1973/78) dar. Die Forderung nach freiem Markt wird auch auf Gebiete ausgeweitet, die selten in den Blick selbst exponierter Vertreter marktwirtschaftlicher Theorien kommen: Erziehung, Verkehrswesen, Polizei, Gerichte, [[Ökologie]] und Verteidigung. Diese Forderungen begründet er nicht nur utilitaristisch-ökonomisch mit Effizienz, sondern gibt ihnen auch eine moralphilosophische Grundlage, die den unbedingten Vorrang der freien individuellen Entscheidung herausstellt. Diese in der Tradition des Natur- und Vernunftrechts wurzelnde moralphilosophische Grundlage diskutiert Rothbard ausführlich in „The Ethics of Liberty" (1982). Die politische Tradition seiner Position spürt Rothbard in „Conceived in Liberty" (1975 ff.) nach. Es handelt sich um eine mehrbändige, noch nicht abgeschlossene Geschichte der amerikanischen Kolonialzeit und der Revolution.<br />
Zur Erkenntnistheorie liegen von Rothbard die Abhandlungen „Praxeology: The Methodology of Austrian Economics" (1976) und „Individualism and the Philosophy of the Social Science" (1979) vor. Anders als sein Lehrer L. v. Mises, der Kantianer war, folgt Rothbard sowohl erkenntnistheoretisch als auch moralphilosophisch mehr Thomas von Aquin.<br />
Politisch hat sich Rothbard für den Weg der [[„Libertarian Party"]] entschieden. Diese Partei wirft für den amerikanischen „libertarianism" ähnliche Probleme auf, wie die „Grünen" für die deutsche Protestbewegung: Kräfte werden in legalistisch-parlamentarischen Nebenschauplätzen verschlissen und langfristig ins System integriert. Obgleich Rothbard die „Libertarian Party" 1971 mitbegründet hatte und nach wie vor als intellektuelles Haupt der Bewegung akzeptiert wird, nimmt er mittlerweile mit seiner radikalen Position innerhalb der Partei eine Außenseiterstellung.<br />
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== Positionen ==<br />
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Alle Schriften Rothbards durchzieht mit gewisser Monotonie ein Gedanke: jeden realen oder gedachten gesellschaftlichen Zustand genealogisch bis zu dem Punkt zurückzuverfolgen, an dem deutlich wird, ob er aufgrund freiwilliger individueller Entscheidungen oder durch Zwangseinwirkung zustande kam und aufrecht erhalten wird. Unter Zwang (coercion) versteht Rothbard dabei immer und ausschließlich Gewalt bzw. Androhung von Gewalt. „Strukturelle Gewalt" entsteht, wenn Institutionen als Bedingung ihrer Möglichkeit organisierte Gewaltandrohung benötigen, ohne im eigenen Namen die Drohung auszusprechen. Die Finanzbehörde etwa kann Steuern nur aufgrund der Drohung einziehen, im Falle der Zahlungsverweigerung polizeiliche Gewalt zu aktivieren. Denn Steuern sind keine freiwilligen Beiträge. Oder: Die Schulpflicht ist angewiesen auf die Möglichkeit der Erzwingung von Schulbesuch, denn sonst wäre der Schulbesuch freiwillig. Die Gewalt gibt der so organisierten Gesellschaft ihre Struktur, auch wenn aktuell Gewalt nicht in großem Umfang eingesetzt wird. Aus Freiwilligkeit ergäbe sich eine andere Sozialstruktur.<br />
Der aus Freiwilligkeit resultierende Zustand (Markt) findet unabhängig von Rothbards persönlicher Wertschätzung, die nur selten überhaupt sichtbar wird, Zustimmung, während der gewaltsam erzwungene Zustand ([[Staat]]) auf jeden Fall abgelehnt wird. Beispiel: Rothbard liebt die klassische Musik und findet Popmusik grauenhaft. Er lehnt aber nicht nur jede Zensur der Popmusik, wie sie in den USA von religiösen Fanatikern häufig und sehr militant gefordert wird, strikt ab, sondern selbstverständlich auch die Subventionierung der von ihm bevorzugten Musikrichtung.<br />
Rothbard analysiert in dieser Weise alle Aspekte der sozialen Wirklichkeit, indem er sie auf zwei Kategorien zurückführt, nämlich „freiwillige Handlung" (voluntary action) einerseits und auf Zwang/Gewalt (coercion) andererseits. Die aus freiwilligen Handlungen resultierende gesellschaftliche Struktur heißt bei Rothbard „freiwilliger Austausch" (voluntary exchange) oder „Markt", in die Zwang/Gewalt „interveniert".<br />
Die Möglichkeiten, Bedürfnisbefriedigung zu organisieren, bezeichnet er nach F. Oppenheimer im Rahmen des Marktes als „ökonomische Mittel", im Rahmen von Interventionen als „politische Mittel". Die ökonomischen Mittel zielen in Rothbards auf A. J. Nock zurückgehender Terminologie auf „social power", das sind „die produktiven Folgen der freiwilligen Interaktion zwischen Menschen"; während die politischen Mittel auf „Herrschaft" (political power) zielen, das ist die Aneignung fremder Arbeitsleistungen (Ausbeutung) und Kontrolle über fremdes Leben (Bevormundung).<br />
Die freiwillige Handlung darf in jedem Falle die eigene Person und deren legitim — d. h. aufgrund freiwilligen Austausches oder aufgrund von Aneignung durch Bearbeitung - erworbenes Eigentum einbeziehen, aber nur im Zustimmungsfalle sich auf fremde Personen und fremdes Eigentum erstrecken. Daß jede Person mit sich (und ihrem Eigentum) machen darf, was sie will, nennt Rothbard das Prinzip des „Selbsteigentums" (self-ownership); ein Begriff, der in etwa dem deutschen, allerdings ziemlich undeutlichen Ausdruck [[„Selbstbestimmung"]] entspricht.<br />
<br />
== Bedeutung Rothbards innerhalb des libertären Spektrums == <br />
<br />
Mit Rothbard hat der zeitgenössische Anarchismus wieder Anschluss an die lange vernachlässigte ökonomische Theorie gefunden. Denn dass Rothbard einer der führenden ökonomischen Theoretiker der Welt ist, wird selbst von seinen politischen Gegnern nicht bestritten.<br />
Rothbards Terminologie lässt unschwer seine Einordnung in den „individualistischen" Traditionsstrang des Anarchismus zu. Jedoch widersetzt sich seine Theorie auch nicht einer Einbeziehung in den „Anarchismus ohne Adjektive", da kommunistische, sozialistische, kollektivistische und mutualistische Anarchisten auch stets auf die strikte Freiwilligkeit der von ihnen angestrebten Lebensformen bestanden. Letztlich ist es für die Richtigkeit von Rothbards ökonomischer Theorie völlig unerheblich, ob sich „Freiwilligkeit" auf den Artefakt eines isolierten Individuums bezieht oder auf die Handlung einer freiwillig konstituierten Gruppe.<br />
<br />
<br />
==Quellen - Die wichtigsten Werke==<br />
<br />
* Man, Economy, and State (1962), Los Angeles 1970.<br />
<br />
* America's Great Depression (1963)), Kansas City 1975.<br />
<br />
* The Transformation of the American Right, und The Anatomy of the State, in: Perlin (Hg.): Contemporary Anarchism, New Brunswick 1966.<br />
<br />
* Power and Market (1970), Kansas City 1977.<br />
<br />
* Radosh/Rothbard: A New History of Leviathan: Essays on the Rise of the American Corporate State, New York 1972.<br />
<br />
* Conceived in Liberty, Bd. l,New Rochelle 1975, Bd. 2, ebd. 1975, Bd. 3, ebd. 1976, Bd. 4, ebd. 1979.<br />
<br />
* ForANew Liberty, New York 1978.<br />
<br />
* Vom Recht gegen Erziehung (1978), in: Klemm u. a. (Hg.): Werkstattbericht Pädagogik, Bd. 1, Grafenau 1985.<br />
<br />
* The Ethics of Liberty, Atlantic Highlands 1982.<br />
<br />
* The Mystery of Banking, o. O. 1983.<br />
<br />
<br />
==Literatur==<br />
<br />
* S. Blankertz: Legitimität und Praxis, Wetzlar 1989.<br />
<br />
* D. Gordon: Murray N. Rothbard: A Scholar In Defence of Freedom, Washington 1986.<br />
<br />
* H. H. Hoppe: Eigentum, Anarchie und Staat, Opladen 1987.<br />
<br />
<br />
'''Autor: [[Stefan Blankertz]]'''<br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Oppenheimer,_Franz&diff=7066Oppenheimer, Franz2007-10-17T20:05:11Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
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<br />
'''Franz Oppenheimer''', geb. 30. März 1864 Berlin/Deutschland; gest.: 30. September 1943 Los Angeles/USA.<br />
[[Bild: Franz_Oppenheimer.jpg|thumb|right|240px|Franz Oppenheimer (1864-1943)]]<br />
<br />
== Äußere Daten ==<br />
<br />
Oppenheimer, bedeutender Ökonom, Soziologe und Wirtschaftshistoriker, kam als Sohn eines Rabbiners der jüdischen Reformgemeinde in Berlin zur Welt. Das Elternhaus - noch stark geprägt vom Revolutionsjahr 1848 - galt als ausgesprochen liberal und zudem als „antimammonistisch". <ref> zit. F.Oppenheimer 1964, S. 69. </ref><br />
Die nach seinem Medizinstudium aufgenommene mehrjährige Arzttätigkeit in den Berliner Elendsvierteln und im Osten Preußens lenkte Oppenheimers Augenmerk bald auf soziale Fragestellungen. Zahlreiche Kontakte zu den Mitgliedern des „Ethischen Clubs", in dem vorwiegend die Berliner Boheme verkehrte (u. a. [[Erich Mühsam| Erich Mühsam]], [[John Henry Mackay]], Bruno Wille), erschlossen ihm den [[Sozialismus| Sozialismus]]. Oppenheimer trat allerdings nicht der Sozialdemokratie bei; seine Bezugsgruppe blieben die 1891 aus der SPD ausgeschlossenen „Anarchosozialisten". <ref> zit. F.Oppenheimer 1964, S. 154. </ref> <br />
<br />
In seiner weiteren Auseinandersetzung mit der sozialen Frage begann Oppenheimer ein eigenes Theoriegebäude zu entwerfen, das er auf ein breites Fundament zu stellen versuchte: Das Spektrum der von ihm zitierten Werke reicht von einer revidierten Version der Marxschen Mehrwertlehre über [[Pierre-Joseph Proudhon]] Genossenschaftskonzept bis zu [[Theodor Hertzkas]] Freilandsystem. Seinen zentralen Angriffspunkt sieht Oppenheimer in der — durch das Großgrundeigentum verursachten - „Bodensperre", die für ihn die Ursache aller sozialen Defekte darstellt. Oppenheimers agrarreformerischer Denkansatz führte ihn zu seinem bekannten Vorschlag der „inneren Kolonisation", d.h. Abschaffung des Privateigentums an Grund und Boden sowie Aufteilung des Großgrundbesitzes an Arbeiterproduktionsgenossenschaften.<br />
<br />
Nach Beendigung seiner Arztpraxis verlegte sich Oppenheimer auf den publizistischen Sektor. Es entstand eine Fülle an Schriften, die Oppenheimer zu seinem Ruf als Fachmann in Siedlungsfragen verhalf. Aus seinen Anregungen in der Berliner Freilandgruppe resultierten einige wesentliche Projekte, z. B. die Baugenossenschaft „Freie Scholle". Auch der sich erst formierenden zionistischen Bewegung trat Oppenheimer als Berater zur Seite.<br />
<br />
Zur Vertiefung seines theoretischen Wissens begann Oppenheimer noch als 34jähriger das Studium der Nationalökonomie. Seine Habilitation im Jahre 1909 brachte ihm eine Anstellung als Dozent an der Universität Berlin.<br />
<br />
Knapp vor Ausbruch des 1. Weltkrieges unternahm Oppenheimer eine Reise in die USA. Dort traf er u. a. auch mit Vertretern der [[„Industrial Workers of the World"]] (IWW) zusammen. Die Zeit des Weltkrieges verbrachte Oppenheimer in einer öffentlichen Position im deutschen Versorgungswesen.<br />
<br />
1919 erfolgte die Berufung Oppenheimers an den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Frankfurt. Auch hier fand er eine treue Anhängerschaft: „So ging, wer kritisch war, zu Oppenheimer". <ref> zit. E. Preiser 1970, S. 180. </ref> Im Jahr 1929 emeritierte Oppenheimer. <br />
<br />
Die in Deutschland hereinbrechende NS-Herrschaft bedeutete für Oppenheimer eine erhebliche Gefahr. Erst wurden ihm seine Ruhebezüge aberkannt, dann begann man seine Druckwerke einzustampfen. Nur seine internationale Reputation als Wissenschaftler rettete ihn einige Zeit vor dem direkten Zugriff der Nazi-Schergen. Jedoch 1938 - nach der Reichskristallnacht - war auch Oppenheimer gezwungen, Deutschland rasch zu verlassen. Über Japan und China gelangte er schließlich in die USA, wo er sich nochmals zu etablieren suchte. Im Herbst 1941 gründete er die renommierte Fachzeitschrift „The American Journal of Economics and Sociology". Trotz angeschlagener Gesundheit sowie extrem ungünstiger wirtschaftlicher Bedingungen blieb Oppenheimer bis zu seinem Tode als Wissenschaftler voll aktiv.<br />
<br />
<br />
== Das System des liberalen Sozialismus: Die Wurzeln der Theorie Oppenheimers ==<br />
<br />
Das ausgehende 19. Jahrhundert war reich an Theorien, die sich mit der sozialen Frage auseinandersetzten. Entsprechend facettenreich gestalten sich auch die Grundlagen von Theorie und Programm Oppenheimers: Das Denken Oppenheimers ist unverkennbar von Naturrecht und Aufklärung geprägt. Als geistiger Anknüpfungspunkt gilt die Geschichtsphilosophie Claude Saint-Simons; in wirtschaftstheoretischer Hinsicht beruft sich Oppenheimer auf die Physiokraten ebenso, wie auf die klassischen Ökonomen; bei letzteren besonders auf [[Karl Marx]], ohne jedoch dessen industriezentrischen Standpunkt einzunehmen. Seine programmatischen Vorschläge bezieht Oppenheimer aus den Bodenreformideen sowie der Genossenschaftslehre.<br />
<br />
==Der Theorieansatz Oppenheimers==<br />
<br />
Den Kern der Ausführungen Oppenheimers bildet eine agrozentrische Mehrwerttheorie: Durch die Institution des Privateigentums an Grund und Boden werde eine Bodensperre und damit ein Bodenmonopol erzeugt. „Während von Natur aus genug Boden vorhanden sei, um jedem, der danach verlangte, die zu selbständiger Existenz nötige Bodenfläche zur Verfügung zu stellen, sei es infolge der Bodensperre unmöglich, eine solche Bodenfläche zu bekommen. Deshalb müssten die Arbeiter in einen Arbeitsvertrag einwilligen, der sie zur Errichtung eines Monopoltributs zwinge, den die Kapitalistenklasse als Profit (= Mehrwert) einstreiche. Dies geschehe zuerst bei dem Arbeitsvertrag zwischen agrarischen Kapitalisten und dem Landproletarier. Da sich aber infolge der Wanderung vom Lande in die Industriebezirke das Lohnniveau zwischen den beiden Produktionszweigen auszugleichen strebe, werde auch der industrielle Lohn zu einem solchen ‚Monopollohn’ herabgedrückt, und der industrielle Kapitalist beziehe so in gleicher Weise Profit wie der agrarische." <ref> zit. K. Werner 1928, S. 67. </ref> <br />
Aus dieser Betrachtungsweise leitet Oppenheimer seine Folgerungen ab: Mit der Abschaffung des Grundeigentums auf evolutionärem, sozialreformerischen Wege - mit der Schaffung von Siedlungsgenossenschaften auf sog. Freiland - werde das Überangebot auf dem Arbeitsmarkt nachlassen, im freien Wettbewerb komme damit der Mehrwert unter den Arbeitern zur Verteilung, d. h. das soziale Elend würde endlich beseitigt.<br />
<br />
==Die Sozialexperimente==<br />
<br />
Oppenheimer beschäftigte sich auch praktisch mit dem Konzept der Siedlungsgenossenschaft, in dem er den archimedischen Punkt zur endgültigen Überwindung des [[Kapitalismus]] erblickt zu haben glaubte. Die Liste der durchwegs beachtlichen Experimente Oppenheimers muss hier unvollständig bleiben: Bereits 1893 beteiligte sich Oppenheimer tatkräftig am Gründungsprozess der Obstbaukommune Eden bei Oranienburg/Berlin. 1905 folgte die Gründung einer Kolonie bei Eisenach - ein Unternehmen, das wegen der schlechten Bodenbeschaffenheit relativ bald aufgegeben werden musste. Erfolgreicher gestaltete sich hingegen das Projekt der Siedlungsgenossenschaft Bärenklau bei Veiten in der Mark. Oppenheimer übte großen Einfluss auf die zionistische Bewegung aus, in deren Konstituierungsphase er leitender Volkswirt war. Am 6. Zionistenkongress 1903 in Basel wurde eine Palästinakommission eingerichtet, die „die Möglichkeit einer systematisch durchgeführten Großkolonisation nach dem Plane von Oppenheimer zu untersuchen hatte." <ref> zit. J. Heller 1935, S. 59. </ref><br />
Kurze Zeit später begann der jüdische Nationalfond in Palästina Land zu erwerben. Viele der damals entstandenen [[Kibbuzbewegung|Kibbuzims]] und Moshavims erfreuen sich bis dato eines lebendigen Daseins. Im Jahre 1910 reiste Oppenheimer selbst nach Palästina, um die Gründung des Kibbuz Merchawina vorzubereiten. Oppenheimer zog sich allerdings schon 1913 aus der zionistischen Bewegung zurück. Er, der immer für ein „brüderliches Verhältnis zu den Arabern“ <ref> zit. F.Oppenheimer 1964, S. 214. </ref> eingetreten war, musste seine diesbezüglichen Hoffnungen sehr bald dahinschwinden sehen.<br />
Im übrigen fanden Oppenheimers Ideen im Spektrum politischer Splittergruppen noch eine gewisse Resonanz. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der „Internationale Sozialistische Kampfbund“ (ISK), der sein wirtschaftliches Programm getreu den Richtlinien Oppenheimers ausrichtete. Der ISK, der aus einer Absplitterung der SPD hervorgegangen war, spielte seine bedeutendste Rolle im Widerstand gegen das NS-Regime.<br />
Ablehnung hingegen fanden Oppenheimers Theorien innerhalb der Sozialdemokratie; hier sowohl bei den orthodoxen Marxisten als auch bei der revisionistischen Strömung.<br />
<br />
<br />
== Stellenwert Oppenheimers innerhalb des libertären Spektrums==<br />
<br />
Eine eigene Oppenheimer-Schule besteht gegenwärtig nicht. Heute berufen sich sowohl Kritiker als auch Befürworter der sog. „Marktwirtschaft" auf ihn. In der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaft wird der theoretische Ansatz Oppenheimers nicht selten als fragwürdig und anachronistisch dargestellt. Jedoch gilt, dass sein agrozentrischer Ausgangspunkt für fast alle Länder der 3. Welt noch immer wertvolle Anregungen bietet. Auch in der Ökologiediskussion könnten Oppenheimers Vorstellungen hinsichtlich der „Bewahrung des Bodens" noch eine wesentliche Rolle spielen.<br />
Die besondere Bedeutung Oppenheimers liegt darin, dass er - bei Anerkennung der Summe seiner theoretischen und praktischen Beiträge - als der erfolgreichste Impulsgeber zur Verwirklichung des Gedankens wirtschaftlicher Selbsthilfe betrachtet werden kann.<br />
Viele Elemente seiner Weltanschauung rücken Oppenheimer in die unmittelbare Nähe der libertären Bewegung; so etwa sein Menschenbild: „Der Mensch ist nicht gut und nicht böse, er folgt dem Gesetz des geringsten Widerstandes. Je nachdem die Verhältnisse sind, benimmt er sich anständig oder unanständig; Macht wird immer missbraucht: Darum soll man nicht versuchen, die Menschen zu verbessern, sondern soll die Verhältnisse ändern, soll die Macht ausrotten.“ <ref> zit. F.Oppenheimer 1964, S. 106. </ref><br />
Im gegebenen Zusammenhang erscheint auch Oppenheimers Staatstheorie hervorhebenswert, die er seiner Ökonomischen Theorie vorausschickt: Der [[Staat]], entstanden aus Eroberung, gegründet auf Gewalt, sei das politische Mittel, das dem Sieger erlaube, den Besiegten auszubeuten. Der Staat existiert bei Oppenheimer also nicht nur als der Hüter des Gesetzes, er sieht ihn auch als den ursprünglichen Hüter der Sklaverei und des Monopols.<br />
Sein kompromissloser [[Föderalismus]] macht Oppenheimer zu einem wichtigen Wegbereiter einer freien Gesellschaft. Er sah diese Gesellschaft - genau wie die libertären Sozialisten - als genossenschaftliche Gesellschaft, als Gegenbild des Staates, den er als Machtinstrument erkannte.<br />
<br />
<br />
==Literatur und Quellen==<br />
<br />
* Alle wesentlichen Schriften Oppenheimers finden sich gesammelt in seinem 9-bändigen Werk „System der Soziologie" (Jena 1922 - 1935).<br />
<br />
* P. Brunner: Herr Oppenheimer, der marxistische Bourgeois, in: Der Kampf 6, Wien 1.8.1913, Nr. 11, S. 499-506.<br />
<br />
* J. Heller: Geschichte des Zionismus, Berlin 1935.<br />
<br />
* W. Link: Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB)und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK), Meisenheim 1964.<br />
<br />
* U. Linse: Zurück, o Mensch zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890 - 1933, München 1983.<br />
<br />
*A. Loewe: Politische Ökonomie, Königstein 1984.<br />
<br />
* F. Oppenheimer: Theorie der reinen und politischen Ökonomie, Berlin/ Leipzig 1919.<br />
<br />
* Ders.: Weder Kapitalismus noch Kommunismus, Jena 1932.<br />
<br />
* Ders.: Der Staat, Berlin 1990.<br />
<br />
* Ders.: Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1964.<br />
<br />
* E. Preiser: Politische Ökonomie im 20. Jahrhundert. Probleme und Gestalten, München 1970.<br />
<br />
* G. Senft: Wirtschaftsassoziation in Israel. Ursprung, Entwicklung und aktuelle Lage (unveröffentlichtes Manuskript, Tel Aviv/Wien 1985).<br />
<br />
* A. Souchy: Reisen durch die Kibbuzim, Reutlingen 1984.<br />
<br />
* K. Werner: Oppenheimers System der liberalen Sozialismus, Jena 1928.<br />
<br />
* R. Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung, München 1989.<br />
<br />
* L. U. Zimmermann: Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre, Köln 1954.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Gerhard_S| Gerhard Senft]]'''<br />
<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Oppenheimer,_Franz&diff=6976Oppenheimer, Franz2007-10-10T08:33:19Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
<br />
'''Franz Oppenheimer''', geb. 30. März 1864 Berlin/Deutschland; gest.: 30. September 1943 Los Angeles/USA.<br />
[[Bild: Franz_Oppenheimer.jpg|thumb|right|240px|Franz Oppenheimer (1864-1943)]]<br />
<br />
== Äußere Daten ==<br />
<br />
Oppenheimer, bedeutender Ökonom, Soziologe und Wirtschaftshistoriker, kam als Sohn eines Rabbiners der jüdischen Reformgemeinde in Berlin zur Welt. Das Elternhaus - noch stark geprägt vom Revolutionsjahr 1848 - galt als ausgesprochen liberal und zudem als „antimammonistisch". '''<ref>''' zit. F.Oppenheimer 1964, S. 69. '''</ref>'''<br />
Die nach seinem Medizinstudium aufgenommene mehrjährige Arzttätigkeit in den Berliner Elendsvierteln und im Osten Preußens lenkte Oppenheimers Augenmerk bald auf soziale Fragestellungen. Zahlreiche Kontakte zu den Mitgliedern des „Ethischen Clubs", in dem vorwiegend die Berliner Boheme verkehrte (u. a. [[Mühsam, Erich| Erich Mühsam]], [[John Henry Mackay]], Bruno Wille), erschlossen ihm den [[Sozialismus| Sozialismus]]. Oppenheimer trat allerdings nicht der Sozialdemokratie bei; seine Bezugsgruppe blieben die 1891 aus der SPD ausgeschlossenen „Anarchosozialisten". '''<ref>''' zit. F.Oppenheimer 1964, S. 154. '''</ref>''' <br />
In seiner weiteren Auseinandersetzung mit der sozialen Frage begann Oppenheimer ein eigenes Theoriegebäude zu entwerfen, das er auf ein breites Fundament zu stellen versuchte: Das Spektrum der von ihm zitierten Werke reicht von einer revidierten Version der Marxschen Mehrwertlehre über [[Pierre-Joseph Proudhon]] Genossenschaftskonzept bis zu [[Theodor Hertzkas]] Freilandsystem. Seinen zentralen Angriffspunkt sieht Oppenheimer in der — durch das Großgrundeigentum verursachten - „Bodensperre", die für ihn die Ursache aller sozialen Defekte darstellt. Oppenheimers agrarreformerischer Denkansatz führte ihn zu seinem bekannten Vorschlag der „inneren Kolonisation", d.h. Abschaffung des Privateigentums an Grund und Boden sowie Aufteilung des Großgrundbesitzes an Arbeiterproduktionsgenossenschaften.<br />
Nach Beendigung seiner Arztpraxis verlegte sich Oppenheimer auf den publizistischen Sektor. Es entstand eine Fülle an Schriften, die Oppenheimer zu seinem Ruf als Fachmann in Siedlungsfragen verhalf. Aus seinen Anregungen in der Berliner Freilandgruppe resultierten einige wesentliche Projekte, z. B. die Baugenossenschaft „Freie Scholle". Auch der sich erst formierenden zionistischen Bewegung trat Oppenheimer als Berater zur Seite.<br />
Zur Vertiefung seines theoretischen Wissens begann Oppenheimer noch als 34jähriger das Studium der Nationalökonomie. Seine Habilitation im Jahre 1909 brachte ihm eine Anstellung als Dozent an der Universität Berlin.<br />
Knapp vor Ausbruch des 1. Weltkrieges unternahm Oppenheimer eine Reise in die USA. Dort traf er u. a. auch mit Vertretern der [[„Industrial Workers of the World"]] (IWW) zusammen. Die Zeit des Weltkrieges verbrachte Oppenheimer in einer öffentlichen Position im deutschen Versorgungswesen.<br />
1919 erfolgte die Berufung Oppenheimers an den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Frankfurt. Auch hier fand er eine treue Anhängerschaft: „So ging, wer kritisch war, zu Oppenheimer". '''<ref>''' zit. E. Preiser 1970, S. 180. '''</ref>''' <br />
Im Jahr 1929 emeritierte Oppenheimer. Die in Deutschland hereinbrechende NS-Herrschaft bedeutete für Oppenheimer eine erhebliche Gefahr. Erst wurden ihm seine Ruhebezüge aberkannt, dann begann man seine Druckwerke einzustampfen. Nur seine internationale Reputation als Wissenschaftler rettete ihn einige Zeit vor dem direkten Zugriff der Nazi-Schergen. Jedoch 1938 - nach der Reichskristallnacht - war auch Oppenheimer gezwungen, Deutschland rasch zu verlassen. Über Japan und China gelangte er schließlich in die USA, wo er sich nochmals zu etablieren suchte. Im Herbst 1941 gründete er die renommierte Fachzeitschrift „The American Journal of Economics and Sociology". Trotz angeschlagener Gesundheit sowie extrem ungünstiger wirtschaftlicher Bedingungen blieb Oppenheimer bis zu seinem Tode als Wissenschaftler voll aktiv.<br />
== Das System des liberalen Sozialismus: Die Wurzeln der Theorie Oppenheimers ==<br />
<br />
Das ausgehende 19. Jahrhundert war reich an Theorien, die sich mit der sozialen Frage auseinandersetzten. Entsprechend facettenreich gestalten sich auch die Grundlagen von Theorie und Programm Oppenheimers: Das Denken Oppenheimers ist unverkennbar von Naturrecht und Aufklärung geprägt. Als geistiger Anknüpfungspunkt gilt die Geschichtsphilosophie Claude Saint-Simons; in wirtschaftstheoretischer Hinsicht beruft sich Oppenheimer auf die Physiokraten ebenso, wie auf die klassischen Ökonomen; bei letzteren besonders auf [[Karl Marx]], ohne jedoch dessen industriezentrischen Standpunkt einzunehmen. Seine programmatischen Vorschläge bezieht Oppenheimer aus den Bodenreformideen sowie der Genossenschaftslehre.<br />
<br />
==Der Theorieansatz Oppenheimers==<br />
<br />
Den Kern der Ausführungen Oppenheimers bildet eine agrozentrische Mehrwerttheorie: Durch die Institution des Privateigentums an Grund und Boden werde eine Bodensperre und damit ein Bodenmonopol erzeugt. „Während von Natur aus genug Boden vorhanden sei, um jedem, der danach verlangte, die zu selbständiger Existenz nötige Bodenfläche zur Verfügung zu stellen, sei es infolge der Bodensperre unmöglich, eine solche Bodenfläche zu bekommen. Deshalb müssten die Arbeiter in einen Arbeitsvertrag einwilligen, der sie zur Errichtung eines Monopoltributs zwinge, den die Kapitalistenklasse als Profit (= Mehrwert) einstreiche. Dies geschehe zuerst bei dem Arbeitsvertrag zwischen agrarischen Kapitalisten und dem Landproletarier. Da sich aber infolge der Wanderung vom Lande in die Industriebezirke das Lohnniveau zwischen den beiden Produktionszweigen auszugleichen strebe, werde auch der industrielle Lohn zu einem solchen ‚Monopollohn’ herabgedrückt, und der industrielle Kapitalist beziehe so in gleicher Weise Profit wie der agrarische." '''<ref>''' zit. K. Werner 1928, S. 67. '''</ref>''' <br />
Aus dieser Betrachtungsweise leitet Oppenheimer seine Folgerungen ab: Mit der Abschaffung des Grundeigentums auf evolutionärem, sozialreformerischen Wege - mit der Schaffung von Siedlungsgenossenschaften auf sog. Freiland - werde das Überangebot auf dem Arbeitsmarkt nachlassen, im freien Wettbewerb komme damit der Mehrwert unter den Arbeitern zur Verteilung, d. h. das soziale Elend würde endlich beseitigt.<br />
<br />
==Die Sozialexperimente==<br />
<br />
Oppenheimer beschäftigte sich auch praktisch mit dem Konzept der Siedlungsgenossenschaft, in dem er den archimedischen Punkt zur endgültigen Überwindung des [[Kapitalismus]] erblickt zu haben glaubte. Die Liste der durchwegs beachtlichen Experimente Oppenheimers muss hier unvollständig bleiben: Bereits 1893 beteiligte sich Oppenheimer tatkräftig am Gründungsprozess der Obstbaukommune Eden bei Oranienburg/Berlin. 1905 folgte die Gründung einer Kolonie bei Eisenach - ein Unternehmen, das wegen der schlechten Bodenbeschaffenheit relativ bald aufgegeben werden musste. Erfolgreicher gestaltete sich hingegen das Projekt der Siedlungsgenossenschaft Bärenklau bei Veiten in der Mark. Oppenheimer übte großen Einfluss auf die zionistische Bewegung aus, in deren Konstituierungsphase er leitender Volkswirt war. Am 6. Zionistenkongress 1903 in Basel wurde eine Palästinakommission eingerichtet, die „die Möglichkeit einer systematisch durchgeführten Großkolonisation nach dem Plane von Oppenheimer zu untersuchen hatte." '''<ref>''' zit. J. Heller 1935, S. 59. '''</ref>'''<br />
Kurze Zeit später begann der jüdische Nationalfond in Palästina Land zu erwerben. Viele der damals entstandenen [[Kibbuzims]] und Moshavims erfreuen sich bis dato eines lebendigen Daseins. Im Jahre 1910 reiste Oppenheimer selbst nach Palästina, um die Gründung des Kibbuz Merchawina vorzubereiten. Oppenheimer zog sich allerdings schon 1913 aus der zionistischen Bewegung zurück. Er, der immer für ein „brüderliches Verhältnis zu den Arabern“ '''<ref>''' zit. F.Oppenheimer 1964, S. 214. '''</ref>''' eingetreten war, musste seine diesbezüglichen Hoffnungen sehr bald dahinschwinden sehen.<br />
Im übrigen fanden Oppenheimers Ideen im Spektrum politischer Splittergruppen noch eine gewisse Resonanz. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der „Internationale Sozialistische Kampfbund“ (ISK), der sein wirtschaftliches Programm getreu den Richtlinien Oppenheimers ausrichtete. Der ISK, der aus einer Absplitterung der SPD hervorgegangen war, spielte seine bedeutendste Rolle im Widerstand gegen das NS-Regime.<br />
Ablehnung hingegen fanden Oppenheimers Theorien innerhalb der Sozialdemokratie; hier sowohl bei den orthodoxen Marxisten als auch bei der revisionistischen Strömung.<br />
<br />
== Stellenwert Oppenheimers innerhalb des libertären Spektrums==<br />
<br />
Eine eigene Oppenheimer-Schule besteht gegenwärtig nicht. Heute berufen sich sowohl Kritiker als auch Befürworter der sog. „Marktwirtschaft" auf ihn. In der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaft wird der theoretische Ansatz Oppenheimers nicht selten als fragwürdig und anachronistisch dargestellt. Jedoch gilt, dass sein agrozentrischer Ausgangspunkt für fast alle Länder der 3. Welt noch immer wertvolle Anregungen bietet. Auch in der Ökologiediskussion könnten Oppenheimers Vorstellungen hinsichtlich der „Bewahrung des Bodens" noch eine wesentliche Rolle spielen.<br />
Die besondere Bedeutung Oppenheimers liegt darin, dass er - bei Anerkennung der Summe seiner theoretischen und praktischen Beiträge - als der erfolgreichste Impulsgeber zur Verwirklichung des Gedankens wirtschaftlicher Selbsthilfe betrachtet werden kann.<br />
Viele Elemente seiner Weltanschauung rücken Oppenheimer in die unmittelbare Nähe der libertären Bewegung; so etwa sein Menschenbild: „Der Mensch ist nicht gut und nicht böse, er folgt dem Gesetz des geringsten Widerstandes. Je nachdem die Verhältnisse sind, benimmt er sich anständig oder unanständig; Macht wird immer missbraucht: Darum soll man nicht versuchen, die Menschen zu verbessern, sondern soll die Verhältnisse ändern, soll die Macht ausrotten.“ '''<ref>''' zit. F.Oppenheimer 1964, S. 106. '''</ref>'''<br />
Im gegebenen Zusammenhang erscheint auch Oppenheimers Staatstheorie hervorhebenswert, die er seiner Ökonomischen Theorie vorausschickt: Der [[Staat]], entstanden aus Eroberung, gegründet auf Gewalt, sei das politische Mittel, das dem Sieger erlaube, den Besiegten auszubeuten. Der Staat existiert bei Oppenheimer also nicht nur als der Hüter des Gesetzes, er sieht ihn auch als den ursprünglichen Hüter der Sklaverei und des Monopols.<br />
Sein kompromissloser [[Föderalismus]] macht Oppenheimer zu einem wichtigen Wegbereiter einer freien Gesellschaft. Er sah diese Gesellschaft - genau wie die libertären Sozialisten - als genossenschaftliche Gesellschaft, als Gegenbild des Staates, den er als Machtinstrument erkannte.<br />
<br />
Gerhard Senft<br />
<br />
==Literatur und Quellen==<br />
<br />
* Alle wesentlichen Schriften Oppenheimers finden sich gesammelt in seinem 9-bändigen Werk „System der Soziologie" (Jena 1922 - 1935).<br />
<br />
* P. Brunner: Herr Oppenheimer, der marxistische Bourgeois, in: Der Kampf 6, Wien 1.8.1913, Nr. 11, S. 499-506.<br />
<br />
* J. Heller: Geschichte des Zionismus, Berlin 1935.<br />
<br />
* W. Link: Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB)und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK), Meisenheim 1964.<br />
<br />
* U. Linse: Zurück, o Mensch zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890 - 1933, München 1983.<br />
<br />
*A. Loewe: Politische Ökonomie, Königstein 1984.<br />
<br />
* F. Oppenheimer: Theorie der reinen und politischen Ökonomie, Berlin/ Leipzig 1919.<br />
<br />
* Ders.: Weder Kapitalismus noch Kommunismus, Jena 1932.<br />
<br />
* Ders.: Der Staat, Berlin 1990.<br />
<br />
* Ders.: Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1964.<br />
<br />
* E. Preiser: Politische Ökonomie im 20. Jahrhundert. Probleme und Gestalten, München 1970.<br />
<br />
* G. Senft: Wirtschaftsassoziation in Israel. Ursprung, Entwicklung und aktuelle Lage (unveröffentlichtes Manuskript, Tel Aviv/Wien 1985).<br />
<br />
* A. Souchy: Reisen durch die Kibbuzim, Reutlingen 1984.<br />
<br />
* K. Werner: Oppenheimers System der liberalen Sozialismus, Jena 1928.<br />
<br />
* R. Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung, München 1989.<br />
<br />
* L. U. Zimmermann: Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre, Köln 1954.<br />
<br />
'''Autor: [[Benutzer:Sebastian_M| Sebastian_M]]'''<br />
<br />
<br />
==Anmerkungen==<br />
<references/><br />
<br />
<br />
{{ALex-Quelle}}{{Copyright}}<br />
'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Oppenheimer,_Franz&diff=6975Oppenheimer, Franz2007-10-10T08:29:13Z<p>Sebastian M: Die Seite wurde neu angelegt: '''Lexikon der Anarchie: Personen''' '''Franz Oppenheimer''', geb. 30. März 1864 Berlin/Deutschland; gest.: 30. September 1943 Los Angeles/USA. [[...</p>
<hr />
<div>'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''<br />
<br />
'''Franz Oppenheimer''', geb. 30. März 1864 Berlin/Deutschland; gest.: 30. September 1943 Los Angeles/USA.<br />
[[Bild: Franz_Oppenheimer.jpg|thumb|right|240px|Franz Oppenheimer (1864-1943)]]<br />
<br />
== Äußere Daten ==<br />
<br />
Oppenheimer, bedeutender Ökonom, Soziologe und Wirtschaftshistoriker, kam als Sohn eines Rabbiners der jüdischen Reformgemeinde in Berlin zur Welt. Das Elternhaus - noch stark geprägt vom Revolutionsjahr 1848 - galt als ausgesprochen liberal und zudem als „antimammonistisch". '''<ref>''' zit. Oppenheimer 1964, S. 69. '''</ref>'''<br />
Die nach seinem Medizinstudium aufgenommene mehrjährige Arzttätigkeit in den Berliner Elendsvierteln und im Osten Preußens lenkte Oppenheimers Augenmerk bald auf soziale Fragestellungen. Zahlreiche Kontakte zu den Mitgliedern des „Ethischen Clubs", in dem vorwiegend die Berliner Boheme verkehrte (u. a. [[Mühsam, Erich| Erich Mühsam]], [[John Henry Mackay]], Bruno Wille), erschlossen ihm den [[Sozialismus| Sozialismus]]. Oppenheimer trat allerdings nicht der Sozialdemokratie bei; seine Bezugsgruppe blieben die 1891 aus der SPD ausgeschlossenen „Anarchosozialisten". '''<ref>''' zit. Oppenheimer 1964, S. 154. '''</ref>''' <br />
In seiner weiteren Auseinandersetzung mit der sozialen Frage begann Oppenheimer ein eigenes Theoriegebäude zu entwerfen, das er auf ein breites Fundament zu stellen versuchte: Das Spektrum der von ihm zitierten Werke reicht von einer revidierten Version der Marxschen Mehrwertlehre über [[Pierre-Joseph Proudhon]] Genossenschaftskonzept bis zu [[Theodor Hertzkas]] Freilandsystem. Seinen zentralen Angriffspunkt sieht Oppenheimer in der — durch das Großgrundeigentum verursachten - „Bodensperre", die für ihn die Ursache aller sozialen Defekte darstellt. Oppenheimers agrarreformerischer Denkansatz führte ihn zu seinem bekannten Vorschlag der „inneren Kolonisation", d.h. Abschaffung des Privateigentums an Grund und Boden sowie Aufteilung des Großgrundbesitzes an Arbeiterproduktionsgenossenschaften.<br />
Nach Beendigung seiner Arztpraxis verlegte sich Oppenheimer auf den publizistischen Sektor. Es entstand eine Fülle an Schriften, die Oppenheimer zu seinem Ruf als Fachmann in Siedlungsfragen verhalf. Aus seinen Anregungen in der Berliner Freilandgruppe resultierten einige wesentliche Projekte, z. B. die Baugenossenschaft „Freie Scholle". Auch der sich erst formierenden zionistischen Bewegung trat Oppenheimer als Berater zur Seite.<br />
Zur Vertiefung seines theoretischen Wissens begann Oppenheimer noch als 34jähriger das Studium der Nationalökonomie. Seine Habilitation im Jahre 1909 brachte ihm eine Anstellung als Dozent an der Universität Berlin.<br />
Knapp vor Ausbruch des 1. Weltkrieges unternahm Oppenheimer eine Reise in die USA. Dort traf er u. a. auch mit Vertretern der [[„Industrial Workers of the World"]] (IWW) zusammen. Die Zeit des Weltkrieges verbrachte Oppenheimer in einer öffentlichen Position im deutschen Versorgungswesen.<br />
1919 erfolgte die Berufung Oppenheimers an den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Frankfurt. Auch hier fand er eine treue Anhängerschaft: „So ging, wer kritisch war, zu Oppenheimer". '''<ref>''' zit. E. Preiser 1970, S. 180. '''</ref>''' <br />
Im Jahr 1929 emeritierte Oppenheimer. Die in Deutschland hereinbrechende NS-Herrschaft bedeutete für Oppenheimer eine erhebliche Gefahr. Erst wurden ihm seine Ruhebezüge aberkannt, dann begann man seine Druckwerke einzustampfen. Nur seine internationale Reputation als Wissenschaftler rettete ihn einige Zeit vor dem direkten Zugriff der Nazi-Schergen. Jedoch 1938 - nach der Reichskristallnacht - war auch Oppenheimer gezwungen, Deutschland rasch zu verlassen. Über Japan und China gelangte er schließlich in die USA, wo er sich nochmals zu etablieren suchte. Im Herbst 1941 gründete er die renommierte Fachzeitschrift „The American Journal of Economics and Sociology". Trotz angeschlagener Gesundheit sowie extrem ungünstiger wirtschaftlicher Bedingungen blieb Oppenheimer bis zu seinem Tode als Wissenschaftler voll aktiv.<br />
== Das System des liberalen Sozialismus: Die Wurzeln der Theorie Oppenheimers ==<br />
<br />
Das ausgehende 19. Jahrhundert war reich an Theorien, die sich mit der sozialen Frage auseinandersetzten. Entsprechend facettenreich gestalten sich auch die Grundlagen von Theorie und Programm Oppenheimers: Das Denken Oppenheimers ist unverkennbar von Naturrecht und Aufklärung geprägt. Als geistiger Anknüpfungspunkt gilt die Geschichtsphilosophie Claude Saint-Simons; in wirtschaftstheoretischer Hinsicht beruft sich Oppenheimer auf die Physiokraten ebenso, wie auf die klassischen Ökonomen; bei letzteren besonders auf [[Karl Marx]], ohne jedoch dessen industriezentrischen Standpunkt einzunehmen. Seine programmatischen Vorschläge bezieht Oppenheimer aus den Bodenreformideen sowie der Genossenschaftslehre.<br />
<br />
==Der Theorieansatz Oppenheimers==<br />
<br />
Den Kern der Ausführungen Oppenheimers bildet eine agrozentrische Mehrwerttheorie: Durch die Institution des Privateigentums an Grund und Boden werde eine Bodensperre und damit ein Bodenmonopol erzeugt. „Während von Natur aus genug Boden vorhanden sei, um jedem, der danach verlangte, die zu selbständiger Existenz nötige Bodenfläche zur Verfügung zu stellen, sei es infolge der Bodensperre unmöglich, eine solche Bodenfläche zu bekommen. Deshalb müssten die Arbeiter in einen Arbeitsvertrag einwilligen, der sie zur Errichtung eines Monopoltributs zwinge, den die Kapitalistenklasse als Profit (= Mehrwert) einstreiche. Dies geschehe zuerst bei dem Arbeitsvertrag zwischen agrarischen Kapitalisten und dem Landproletarier. Da sich aber infolge der Wanderung vom Lande in die Industriebezirke das Lohnniveau zwischen den beiden Produktionszweigen auszugleichen strebe, werde auch der industrielle Lohn zu einem solchen ‚Monopollohn’ herabgedrückt, und der industrielle Kapitalist beziehe so in gleicher Weise Profit wie der agrarische." '''<ref>''' zit. K. Werner 1928, S. 67. '''</ref>''' <br />
Aus dieser Betrachtungsweise leitet Oppenheimer seine Folgerungen ab: Mit der Abschaffung des Grundeigentums auf evolutionärem, sozialreformerischen Wege - mit der Schaffung von Siedlungsgenossenschaften auf sog. Freiland - werde das Überangebot auf dem Arbeitsmarkt nachlassen, im freien Wettbewerb komme damit der Mehrwert unter den Arbeitern zur Verteilung, d. h. das soziale Elend würde endlich beseitigt.<br />
<br />
==Die Sozialexperimente==<br />
<br />
Oppenheimer beschäftigte sich auch praktisch mit dem Konzept der Siedlungsgenossenschaft, in dem er den archimedischen Punkt zur endgültigen Überwindung des [[Kapitalismus]] erblickt zu haben glaubte. Die Liste der durchwegs beachtlichen Experimente Oppenheimers muss hier unvollständig bleiben: Bereits 1893 beteiligte sich Oppenheimer tatkräftig am Gründungsprozess der Obstbaukommune Eden bei Oranienburg/Berlin. 1905 folgte die Gründung einer Kolonie bei Eisenach - ein Unternehmen, das wegen der schlechten Bodenbeschaffenheit relativ bald aufgegeben werden musste. Erfolgreicher gestaltete sich hingegen das Projekt der Siedlungsgenossenschaft Bärenklau bei Veiten in der Mark. Oppenheimer übte großen Einfluss auf die zionistische Bewegung aus, in deren Konstituierungsphase er leitender Volkswirt war. Am 6. Zionistenkongress 1903 in Basel wurde eine Palästinakommission eingerichtet, die „die Möglichkeit einer systematisch durchgeführten Großkolonisation nach dem Plane von Oppenheimer zu untersuchen hatte." '''<ref>''' zit. J. Heller 1935, S. 59. '''</ref>'''<br />
Kurze Zeit später begann der jüdische Nationalfond in Palästina Land zu erwerben. Viele der damals entstandenen [[Kibbuzims]] und Moshavims erfreuen sich bis dato eines lebendigen Daseins. Im Jahre 1910 reiste Oppenheimer selbst nach Palästina, um die Gründung des Kibbuz Merchawina vorzubereiten. Oppenheimer zog sich allerdings schon 1913 aus der zionistischen Bewegung zurück. Er, der immer für ein „brüderliches Verhältnis zu den Arabern“ '''<ref>''' zit. Oppenheimer 1964, S. 214. '''</ref>''' eingetreten war, musste seine diesbezüglichen Hoffnungen sehr bald dahinschwinden sehen.<br />
Im übrigen fanden Oppenheimers Ideen im Spektrum politischer Splittergruppen noch eine gewisse Resonanz. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der „Internationale Sozialistische Kampfbund“ (ISK), der sein wirtschaftliches Programm getreu den Richtlinien Oppenheimers ausrichtete. Der ISK, der aus einer Absplitterung der SPD hervorgegangen war, spielte seine bedeutendste Rolle im Widerstand gegen das NS-Regime.<br />
Ablehnung hingegen fanden Oppenheimers Theorien innerhalb der Sozialdemokratie; hier sowohl bei den orthodoxen Marxisten als auch bei der revisionistischen Strömung.<br />
<br />
== Stellenwert Oppenheimers innerhalb des libertären Spektrums==<br />
<br />
Eine eigene Oppenheimer-Schule besteht gegenwärtig nicht. Heute berufen sich sowohl Kritiker als auch Befürworter der sog. „Marktwirtschaft" auf ihn. In der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaft wird der theoretische Ansatz Oppenheimers nicht selten als fragwürdig und anachronistisch dargestellt. Jedoch gilt, dass sein agrozentrischer Ausgangspunkt für fast alle Länder der 3. Welt noch immer wertvolle Anregungen bietet. Auch in der Ökologiediskussion könnten Oppenheimers Vorstellungen hinsichtlich der „Bewahrung des Bodens" noch eine wesentliche Rolle spielen.<br />
Die besondere Bedeutung Oppenheimers liegt darin, dass er - bei Anerkennung der Summe seiner theoretischen und praktischen Beiträge - als der erfolgreichste Impulsgeber zur Verwirklichung des Gedankens wirtschaftlicher Selbsthilfe betrachtet werden kann.<br />
Viele Elemente seiner Weltanschauung rücken Oppenheimer in die unmittelbare Nähe der libertären Bewegung; so etwa sein Menschenbild: „Der Mensch ist nicht gut und nicht böse, er folgt dem Gesetz des geringsten Widerstandes. Je nachdem die Verhältnisse sind, benimmt er sich anständig oder unanständig; Macht wird immer missbraucht: Darum soll man nicht versuchen, die Menschen zu verbessern, sondern soll die Verhältnisse ändern, soll die Macht ausrotten.“ '''<ref>''' zit. Oppenheimer 1964, S. 106. '''</ref>'''<br />
Im gegebenen Zusammenhang erscheint auch Oppenheimers Staatstheorie hervorhebenswert, die er seiner Ökonomischen Theorie vorausschickt: Der [[Staat]], entstanden aus Eroberung, gegründet auf Gewalt, sei das politische Mittel, das dem Sieger erlaube, den Besiegten auszubeuten. Der Staat existiert bei Oppenheimer also nicht nur als der Hüter des Gesetzes, er sieht ihn auch als den ursprünglichen Hüter der Sklaverei und des Monopols.<br />
Sein kompromissloser [[Föderalismus]] macht Oppenheimer zu einem wichtigen Wegbereiter einer freien Gesellschaft. Er sah diese Gesellschaft - genau wie die libertären Sozialisten - als genossenschaftliche Gesellschaft, als Gegenbild des Staates, den er als Machtinstrument erkannte.<br />
<br />
Gerhard Senft<br />
<br />
==Literatur und Quellen==<br />
<br />
* Alle wesentlichen Schriften Oppenheimers finden sich gesammelt in seinem 9-bändigen Werk „System der Soziologie" (Jena 1922 - 1935).<br />
<br />
* P. Brunner: Herr Oppenheimer, der marxistische Bourgeois, in: Der Kampf 6, Wien 1.8.1913, Nr. 11, S. 499-506.<br />
<br />
* J. Heller: Geschichte des Zionismus, Berlin 1935.<br />
<br />
* W. Link: Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB)und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK), Meisenheim 1964.<br />
<br />
* U. Linse: Zurück, o Mensch zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890 - 1933, München 1983.<br />
<br />
*A. Loewe: Politische Ökonomie, Königstein 1984.<br />
<br />
* F. Oppenheimer: Theorie der reinen und politischen Ökonomie, Berlin/ Leipzig 1919.<br />
<br />
* Ders.: Weder Kapitalismus noch Kommunismus, Jena 1932.<br />
<br />
* Ders.: Der Staat, Berlin 1990.<br />
<br />
* Ders.: Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1964.<br />
<br />
* E. Preiser: Politische Ökonomie im 20. Jahrhundert. Probleme und Gestalten, München 1970.<br />
<br />
* G. Senft: Wirtschaftsassoziation in Israel. Ursprung, Entwicklung und aktuelle Lage (unveröffentlichtes Manuskript, Tel Aviv/Wien 1985).<br />
<br />
* A. Souchy: Reisen durch die Kibbuzim, Reutlingen 1984.<br />
<br />
* K. Werner: Oppenheimers System der liberalen Sozialismus, Jena 1928.<br />
<br />
* R. Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung, München 1989.<br />
<br />
* L. U. Zimmermann: Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre, Köln 1954.</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Datei:Franz_Oppenheimer.jpg&diff=6974Datei:Franz Oppenheimer.jpg2007-10-10T08:27:05Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div></div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Atr-Projektplan&diff=6797Atr-Projektplan2007-10-03T08:37:45Z<p>Sebastian M: /* Digitalisierung der Texte */</p>
<hr />
<div>[[Bild:At-sammelschuber.jpg|thumb|Sammelschuber „anarchistische texte“]]<br />
==Projektseite des [[Portal anarchistische texte: reloaded!|Portals anarchistische texte - reloaded!]]== <br />
Hier können die jeweiligen Arbeitsversionen der anarchistischen texte heruntergeladen werden, angefangen von den Scan-Dateien bis hin zu den redaktionell abgeschlossenen Textdateien. Zur Zeit beteiligen sich an dem Projekt 12 Leute. Jeder kann mitmachen und Art und Umfang seines Engagements selbst bestimmen. <br />
<br />
==Arbeitsstand==<br />
=== Entwicklung von Design und Layout ===<br />
# [[Media:ATR-Anforderungen an das Layout.pdf|Anforderungen an das neue Design und Layout]], {{fertig}} von Jochen<br />
# [[:Media:ATR-Design- und Layout-Entwurf.pdf|Design- und Layout-Entwurf]], {{fertig}} von Hannes<br />
# Test von DTP-Programmen, {{InArbeit}}, Hannes und Markus<br />
# Entwicklung von Layout-Templates - - {{Gesucht}}<br />
# Layout der Testausgabe und Verifizierung der Templates - - {{Warten}}<br />
<br />
==== Überlegungen zum DTP-Programm ====<br />
Ursprünglich war angedacht, für den Satz und das Layout der "anarchistischen texte" ein standardisiertes Textverarbeitungsprogramm, möglichst auf OpenSource-Basis zu benutzen. Dahinter steckte die Idee, dass möglichst auch Laien oder Halb-Laien den Satz und das Layout der Texte realisieren können und das mit einem lizenzfreien Programm. Hannes hat deshalb das Textverarbeitungsprogramm von OpenOffice getestet und war jedoch nicht mit dem Ergebnis zufrieden. Er würde eher ein professionelles Desk-Top-Publishing Programm bevorzugen. Auch Markus, der eine professionelle Agentur für Satz und Layout betreibt und uns bei der Herstellung der Reihe unterstützen will, plädiert für eine echte DTP-Lösung. Inzwischen haben wir mit [[Scribus]] eine DTP-Lösung auf OpenSource gefunden und unsere beiden "Experten" wollen das Programm auf seine professionelle Eignung testen. Gibt es jemand im Team, der als "Laie" bzw. "Halb-Laie" sich das Programm auch mal näher anschauen und testen will? Dann melde Dich bitte bei der [mailto:redaktion@libertadverlag.de Redaktion]. Danke!<br />
<br />
=== Digitalisierung der Texte ===<br />
{| {{Prettytable}} width="100%"<br />
! width="100px" |Cover der<br>Alt-Ausgabe<br />
! width="100px" |Ausgabe und<br>DadA-Nachweis<br />
! width="100px" |Scannen des Originals<br />
! width="100px" |OCR-Bearbeitung<br />
! width="100px" |Korrektur<br />
! width="100px" |Redaktion<br />
! width="100px" |Satz &amp; Layout<br />
! width="100px" |Neu-Ausgabe<br />
<br />
|- valign="top"<br />
|[[Bild:At_01_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_01|at 1<br><br />
Michail Bakunin:<br>Freiheit und Sozialismus]]<br><br />
| {{BackGreen}} |[mailto:daniel@dadaweb.de Daniel]<br />
| {{BackGreen}} |[mailto:daniel@dadaweb.de Daniel]<br />
| {{BackGreen}} |[mailto:daniel@dadaweb.de Daniel]<br />
| {{BackGreen}} |[mailto:daniel@dadaweb.de Daniel]<br />
| {{BackGreen}} |[mailto:daniel@dadaweb.de Daniel]<br />
| {{BackGreen}} |[[Bild:at_01_reloaded_Cover_MINI.jpg]]<br />
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|[[Bild:At_02_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_02|at 2<br><br />
Pjotr Kropotkin:<br>Gesetz und Autorität]]<br><br />
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| {{BackGreen}} |[[Benutzer:Daniel_B|Daniel_B]]<br />
| {{BackYellow}} |Berko<br />
| {{BackYellow}} |[[Benutzer:Jochen_S|Jochen_S]]<br />
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|[[Bild:At_03_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_03|at 3<br><br />
Pierre Joseph Proudhon:<br>Eigentum ist Diebstahl]]<br />
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| {{BackGreen}} |Rolf<br />
| {{BackYellow}} |Rolf<br />
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|[[Bild:At_04_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_04|at 4<br><br />
William Godwin:<br>Über die politische Gerechtigkeit]]<br><br />
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| {{BackGreen}} |Sven<br />
| {{BackYellow}} |Mutante<br />
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|[[Bild:At_05_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_05|at 5<br><br />
Élisée Reclus:<br>Evolution und Revolution]]<br><br />
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| {{BackGreen}} |Michael<br />
| {{BackGreen}} |Michael<br />
| {{BackYellow}} |[[Benutzer:Jochen_S|Jochen_S]]<br />
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|[[Bild:At_06-07_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_06-07|at 6/7<br><br />
Autorenauswahl:<br>Individualistischer Anarchismus]]<br><br />
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| {{BackYellow}} |Knobi<br />
| {{BackYellow}} |Knobi<br />
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|[[Bild:At_08_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_08|at 8<br><br />
Leo Tolstoi:<br> Patriotismus und Regierung ]]<br><br />
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|[[Bild:At_09_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_09|at 9<br><br />
Errico Malatesta u.a.:<br>Anarchismus und Syndikalismus]]<br><br />
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| {{BackYellow}} |Christoph<br />
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|[[Bild:At_10_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_10|at 10<br><br />
John (Johann) Most:<br>Kommunistischer Anarchismus]]<br><br />
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|[[Bild:At_11_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_11|at 11<br><br />
Emma Goldman:<br>Anarchismus - Seine wirkliche Bedeutung]]<br><br />
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| {{BackYellow}} |Michael<br />
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|[[Bild:At_12_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_12|at 12<br><br />
Gustav Landauer:<br>Stelle Dich, Sozialist!]]<br><br />
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| {{BackGreen}} |Sven<br />
| {{BackGreen}} |[[Benutzer:Sabine_E|Sabine]]<br />
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|[[Bild:At_13_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_13|at 13<br><br />
Erich Mühsam:<br>Der Geist der Freiheit]]<br><br />
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| {{BackYellow}} |Uwe<br />
| {{BackYellow}} |Uwe<br />
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|[[Bild:At_14_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_14|at 14<br><br />
Rudolf Rocker:<br>Anarchismus und Organisation]]<br><br />
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| {{BackGreen}} |[[Benutzer:Sabine_E|Sabine]]<br />
| {{BackYellow}} |[[Benutzer:Jochen_S|Jochen_S]]<br />
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|[[Bild:At_15_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_15|at 15<br><br />
Peter Kropotkin:<br>Die Französische Revolution (1789-1794)]]<br><br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackRed}} |[http://www.libertadverlag.de/at-reloaded/at_15_scans.zip FREI ZUM DOWNLOAD - BearbeiterIn gesucht!]<br />
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|[[Bild:At_16_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_16|at 16<br><br />
Michail Bakunin u. Peter Kropotkin:<br>Die Pariser Kommune 1871]]<br><br />
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| {{BackGreen}} |Andreas<br />
| {{BackYellow}} |Andreas<br />
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|[[Bild:At_17_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_17|at 17<br><br />
Pierre Ramus u. Hector Zoccoli:<br>Die Erste Internationale 1864]]<br><br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackYellow}} |Thomas N<br />
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|[[Bild:At_18-19_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_18/19|at 18/19<br \>R.E. Bell:<br>Die Propaganda der Tat]]<br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackGreen}} |--[[Benutzer:Johann H. A|jha]] 23:06, 24. Aug 2006 (CEST)<br />
| {{BackYellow}} |[[Benutzer:Sabine_E|Sabine]] <br />
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|[[Bild:At_20_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_20|at 20<br><br />
Jochen Schmück u. David Poole:<br>Die Mexikanische Revolution (1910-1920)]]<br><br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackRed}} |[http://www.libertadverlag.de/at-reloaded/at_20_scans.zip FREI ZUM DOWNLOAD - BearbeiterIn gesucht!]<br />
| {{BackRed}} |<br />
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|[[Bild:At_21_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_21|at 21<br><br />
Peter Kropotkin u. W. Tscherkesoff:<br>Die Russische Revolution&nbsp;I: Die Vorläufer]]<br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackGreen}} |[[Benutzer:Johann H. A|jha]] 02:15, 24. Aug 2006 (CEST)<br />
| {{BackGreen}} |[[Benutzer:Sabine_E|Sabine]] 23:50, 07. Sep 2006 (CEST)<br />
| {{BackRed}} | gesucht!<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
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|[[Bild:At_22_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_22|at 22<br><br />
Horst Stowasser:<br>Die Russische Revolution&nbsp;II: Der Kronstädter Matrosenaufstand (1921)]]<br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackRed}} |[http://www.libertadverlag.de/at-reloaded/at_22_scans.zip FREI ZUM DOWNLOAD - BearbeiterIn gesucht!]<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
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|[[Bild:At_23_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_23|at 23<br><br />
Nestor Machno:<br>Die Russische Revolution&nbsp;III: Die Machno-Bewegung - Texte und Dokumente)]]<br><br />
| {{BackGreen}} |Enno<br />
| {{BackYellow}} |[[Benutzer:Sebastian_M|Sebastian]]<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
| {{BackRed}} |<br />
<br />
|- valign="top"<br />
|[[Bild:At_24_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_24|at 24<br><br />
Alexander Berkman:<br>Die Russische Revolution, Bd.IV: Die russische Tragödie. Ein Rück- und Ausblick]]<br><br />
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|[[Bild:At_25_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_25|at 25<br><br />
Alexander Shapiro, Augustin Souchy, Arthur Müller-Lehning u.a.:<br>Die I.A.A. Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation (1920-1932)]]<br><br />
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|[[Bild:At_26_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_26|at 26<br><br />
Arnold Roller:<br>Die Spanische Revolution&nbsp;I: Geschichte des Spanischen Proletariats)]]<br><br />
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|[[Bild:At_27_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_27|at 27<br><br />
D. Rodríguez (d.i. Helmut Rüdiger):<br>Die Spanische Revolution&nbsp;II: Was sind die CNT und die FAI?]]<br><br />
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|[[Bild:At_28_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_28|at 28<br><br />
Augustin Souchy u. Gaston Leval:<br>Die Spanische Revolution, Bd.III: Kollektivierungen in Spanien (1936-1939)]]<br><br />
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|[[Bild:At_29_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_29|at 29<br><br />
D. Rodríguez (d.i. Helmut Rüdiger) u. Vernon Richards:<br>Die Spanische Revolution, Bd.IV: Revolution und Gegenrevolution. Die Ereignisse des Mai 1937 in Katalonien]]<br><br />
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|[[Bild:At_30_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_30|at 30<br><br />
Roel van Duyn:<br>PROVO! Einleitung ins provozierende Denken]]<br><br />
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|[[Bild:At_31_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_31|at 31<br><br />
Gruppi Anarchici Federati / GAF:<br>Ein anarchistisches Programm]]<br><br />
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|[[Bild:At_32-33_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_32/33|at 32/33<br><br />
Cornelia Krasser u. Jochen Schmück (Hrsg.):<br>Frauen in der Spanischen Revolution 1936-1939]]<br><br />
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|- valign="top"<br />
|[[Bild:At_34_Cover_FULL.jpg|100px]]<br />
|[[atr_34|at 34<br><br />
Hans-Jürgen Degen:<br>"Wir wollen keine Sklaven sein ..." Der Aufstand des 17. Juni 1953]]<br><br />
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| {{BackRed}} |[http://www.libertadverlag.de/at-reloaded/at_34_scans.rar FREI ZUM DOWNLOAD - BearbeiterIn gesucht!]<br />
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<br />
|}<br />
<br />
===Legende ===<br />
Die einzelnen Arbeitsschritte der Neuausgabe anarchistischen texte sind in der folgenden Tabelle erfasst. Mit Hilfe eines Ampel-Systems lässt sich der aktuelle Arbeitsstand der einzelnen Ausgaben erkennen:<br />
<br />
==== <span style="color:#FFFFFF;background-color:red">&nbsp;Rot&nbsp;</span> - unerledigte Arbeit ====<br />
Im Bereich mit dem jeweils nächsten erforderlichen Arbeitsschritt findet sich der Link "FREI ZUM DOWNLOAD". Über diesen Link kann die jeweils aktuelle Arbeitsversion der Ausgabe für die weitere Bearbeitung als ZIP-Datei heruntergeladen werden (Achtung: Die meisten Scan-Dateien sind zwischen 8 bis 10 MB groß!). Gegenwärtig ist das in den meisten Fällen der Link zum Download der Scan-Dateien für die OCR-Bearbeitung. <br />
<br />
==== <span style="background-color:#ffff00">&nbsp;Gelb&nbsp;</span> - Zur Zeit in Bearbeitung ====<br />
Der so markierte Arbeitsbereich und dessen Daten sind für Downloads gesperrt, um Doppeltarbeit auszuschließen. <br />
<br />
==== <span style="background-color:#7fff00">&nbsp;Grün&nbsp;</span> - Erledigte Arbeit ====<br />
Um den Kontakt der BearbeiterInnen untereinander zu ermöglichen, wird in den Zellen der verschiedenen Arbeitsbereiche der Name des Bearbeiters angezeigt und ein Link zu seiner/ihrer projektinternen eMail-Adresse integriert. Erst wenn alle Arbeitsschritte im grünen Bereich sind (was im Moment erst bei der Nummer 1 der anarchistischen texte der Fall ist), ist die Ausgabe komplett digitalisiert. Die fertige Ausgabe "wandert" dann in die Digitale Bibliothek der DadA-Website und kann dort kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.<br />
<br />
----<br />
{{Navigationsleiste AnarchistischeTexteReloaded}}</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Atr_23&diff=6796Atr 232007-10-03T08:34:46Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div>[[Bild:At 23 Cover FULL.jpg|thumb|Nestor Machno: ''„Die Russische Revolution III“'']]<br />
Status: {{InArbeit}}<br />
<br />
== Titelinfo ==<br />
[http://projekte.free.de/dada/dada-l/L0000502.HTM '''DadA-Literatur, Dok.-Nr.: DA-L0000502''']<br />
<br />
<br />
'''Machno, Nestor'''<br><br />
'''Die Russische Revolution III:''' Die Machno-Bewegung - Texte und Dokumente. - 1. Aufl. (1.-2. Tsd.). - Berlin: [http://www.libertadverlag.de/ Libertad Verlag] (Gebrüder Schmück), 1980 (Juni). - 32 S.<br><br />
(anarchistische texte; 23)<br />
<br />
===ABSTRACT:===<br />
Dokumente zur Geschichte der "Machnowstschina", der nach ihrem "führenden" Kopf Nestor Machno benannten revolutionär-anarchistischen Bauernbewegung in der Ukraine. (Behandelter Zeitraum: 1917-1920) // INHALT: [Einleitung:] Nestor Machno und die Machnowstschina / Nestor Machnow - Texte: Der Kampf gegen den Staat; Der große Oktober der Ukraine; Landkommunen; Die Machnowistische Konzeption der Sowjets / Flugblätter der Machnowstschina: Was ist die Machnowstschina?; Wer sind die Machnowisten und wofür kämpfen sie?; Halte inne - Lies - und bedenke! // [Der Text "Nestor Machno und die Machnowstschina" ist leicht gekürzt der "freie(n) presse", Nr. 14, Jg. 6 (An-Archia Verlag Wetzlar) entnommen. Die anderen Texte sind deutsche Erstübersetzungen.]<br><br />
[Bearb.: rr; js]<br><br />
<br />
Bearbeitungsstand: 29.04.1998<br />
<br />
== Bearbeitungsfortschritt ==<br />
* Titelseite (Cover): {{Datei|At 23 Cover FULL.jpg}} : [[Benutzer:Johann_H._A|jha]] : {{fertig}} (20.08.06)<br />
<br />
* Scan (Original): {{Datei|AT 23 Original.pdf}} : [[Benutzer:Enno_G|Enno]] : {{fertig}} <br />
<br />
* Texterkennung (OCR): {{Datei|AT 23 OCR.rtf}} : {{fertig}} <br />
<br />
* Korrektur : {{Datei|AT 23 Korrektur.rtf}} : [[Benutzer:Sebastian_M|Sebastian]] {{InArbeit}} <br />
<br />
* Redaktion: {{Datei|AT 23 Redaktion.rtf}} : {{Warten}}<br />
<br />
* Satz&Layout: {{Datei|AT 23 Layout.rtf}} : {{Warten}}<br />
<br />
* Neu-Ausgabe (final): {{Datei|AT 23 final.pdf}} : {{Warten}}<br />
<br />
<br />
----<br />
{{Navigationsleiste AnarchistischeTexteReloaded}}</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Benutzer:Sebastian_M&diff=6795Benutzer:Sebastian M2007-10-03T08:33:48Z<p>Sebastian M: </p>
<hr />
<div>Mitarbeit am Projekt '''[[Anarchistische Texte Reloaded|anarchistische texte - reloaded!]]'''</div>Sebastian Mhttp://dadaweb.de/index.php?title=Benutzer:Sebastian_M&diff=6794Benutzer:Sebastian M2007-10-03T08:32:37Z<p>Sebastian M: Die Seite wurde neu angelegt: Mitarbeit am Projekt '''anarchistische texte - reloaded!°'''</p>
<hr />
<div>Mitarbeit am Projekt '''anarchistische texte - reloaded!°'''</div>Sebastian M