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Lutz Schulenburg - Gedenkseite: Unterschied zwischen den Versionen

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=Erinnerungen an Lutz Schulenburg von Jörg Auberg=
  
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Die Nachricht vom Tod Lutz Schulenburgs traf mich wie ein Schlag, und die Benommenheit wirkt noch nach. Ende der 1980er Jahre, als Student in (West-) Berlin, hatte ich einen Artikel über "intellektuelle Metamorphosen" an die Hamburger Zeitschrift ''Die Aktion'' geschickt. Deren Herausgeber, Lutz Schulenburg, ermunterte mich, einen Beitrag über die Wandlungen Hans Magnus Enzensbergers zu schreiben. Kurze Zeit später fiel die Grenze zwischen West und Ost. Die Euphorie über das Ende der DDR konnte ich nicht teilen, denn schon zu Beginn des Jahres 1990 machten sich in Berlin nationalistische und reaktionäre Tendenzen bemerkbar. Lutz war jedoch von einem radikalen Optimismus beseelt, als käme nun unter den Trümmern des "real existierenden Sozialismus" der "wahre Sozialismus" zum Vorschein. Im Januar 1990 brachte er in einer Ausgabe der ''Aktion'' unter dem Balken "Sozialismus, Räte, Volkssouveränität" Dokumente der "Vereinigten Linken" heraus, ehe schließlich nahezu alle zu den Agenturen der kapitalistischen Herrschaft überliefen. Im "Kleinen Briefkasten" (Editorial) hieß es: "[...] am Traum von der Roten Republik halten wir fest, Ehrensache; wie auch an der Feindschaft gegen Schwarz-Rot-Gold - den Farben des Betrugs".
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Danach verloren wir uns aus den Augen. Später - zwanzig Jahre waren ins Land gezogen - veröffentlichte er wieder einen kurzen Artikel von mir in der ''Aktion'', und wir verabredeten, dass ich einen Artikel über John Dos Passos für seine Zeitschrift schreiben sollte, der jedoch über die ersten Seiten nicht hinauskam. Zum letzten Mal sah ich die auffällige Gestalt mit den langen weißen Haaren am Stand der Edition Nautilus auf der Frankfurter Buchmesse im letzten Jahr, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal sein würde. Es ist sehr traurig.
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Jörg Auberg
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Version vom 4. Mai 2013, 15:35 Uhr

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Lutz Schulenburg (1953-2013)

Lutz Schulenburg ist tot

Am 1. Mai 2013 ist Lutz Schulenburg (geb. 21. April 1953), der Verleger der Edition Nautilus, im Alter von 60 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des Lexikons der Anarchie trauern um einen Verleger, der sich mit seiner Arbeit große Verdienste um die libertäre Publizistik im deutschen Sprachraum erworben hat.

Wer seine Erinnerungen an Lutz Schulenburg mit uns teilen möchte, kann sie auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die Lutz-Schulenburg-Gedenkseite.

Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.

Jochen Schmück
Redaktion DadAWeb.de



Edition Nautilus trauert um Verleger Lutz Schulenburg

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde der Edition Nautilus,

heute haben wir die traurige Nachricht zu überbringen, dass unser Verleger Lutz Schulenburg gestern, am 1. Mai 2013, nach kurzer schwerer Krankheit verstorben ist. Seit nahezu vierzig Jahren war Lutz Schulenburg als Verleger der Edition Nautilus eine feste, wenn auch subversive Größe in der Verlagswelt. Er wird fehlen.

Am 21. April 1953 in der Hamburger Vorstadt Bergedorf als zweites von drei Kindern geboren und in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, war er bereits mit 14 Jahren aktiv in der örtlichen sozialistischen Schüler- und APO-Gruppe. Die Schule brach er ab, ebenso eine Lehre als Dekorateur – doch seit der Lehrzeit ist er aktiv in der anarchistischen Bewegung, was ihm sogar einen Ausschluss aus der Gewerkschaft eintrug und ihn in der nach-68er-Zeit mit Pierre Gallissaires zusammenbrachte, mit dem er 1971 die anarchistische Theorie-Zeitschrift MAD (später umbenannt in Revolte!) gründete. Es folgte eine zweite, inoffizielle Lehrzeit, diesmal in Sachen Verlagsbuchhandel, beim Spartacus Buchvertrieb im Keller unter dem Abaton-Kino in Hamburg. 1972 begann das Trio Schulenburg, Gallissaires und Hanna Mittelstädt mit der Buchproduktion, am 1. April 1974 wurde ein Gewerbeschein beantragt für den MAD-Verlag, der 1976 aus juristischen Gründen in Edition Nautilus umbenannt wurde. Als Verleger bewies er immer wieder das richtige Gespür für Perlen im Büchermeer.

Traurig grüßt die Crew der Edition Nautilus

Hamburg, am 2. Mai 2013
Katharina Thiel
Presse und Öffentlichkeitsarbeit


Erinnerungen an Lutz Schulenburg von Stephan Krall

Erst 2009 mein Freund Horst Stowasser, auf dessen Beerdigung Lutz noch sehr schön gesprochen hat, dann 2010 mein enger Freund Günther Freitag, Nachkriegsanarcho der ersten Stunde, im letzten Jahr, 2012, dann meine eigene Frau Conny und jetzt, 2013, Lutz Schulenburg. Es kann einem Angst und Bange werden, und man kommt von einer Trauer in die nächste.

Lutz war einer der ersten Anarchos, die ich kennen gelernt habe. Ich bin ab meinem 10. Lebensjahr ebenfalls in Hamburg-Bergedorf aufgewachsen. Über meinen Bruder, der fast sechs Jahre älter ist, bin ich früh mit der APO in Bergedorf in Berührung gekommen, vielleicht so um 1969 oder 1970, und war dann auch in Bergedorf bei der APO-Schülerorganisation AUSS (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Sozialistischer Schüler), bei der auch Lutz aktiv war, kann mich aber nicht erinnern, ihn dort schon getroffen zu haben. Ist aber auch lange her, und es gab verschiedene Arbeitskreise. Irgendwann um 1971 bin ich dann in der APO auf die Anarchisten mit ihren schwarzen Fahnen gestoßen, und ich glaube es war Günther Meyer, ein Schulkamerad, der mich mit Lutz bekannt gemacht hat. Da ich mich für das Thema Freie Liebe interessierte, was für einen 17jährigen nicht unbedingt ungewöhnlich ist, machte mich Lutz auf Nane Jürgensen aufmerksam, der in der Nähe von Hamburg lebte, und der ein glühender Wilhelm Reich Anhänger war. Wir gaben dann jahrelang eine Wilhelm-Reich-Zeitung (Sex-Pol-Info) heraus, und ich zog mit Nane Ende 1973 in eine WG in Harburg, und konzentrierte meine Anarcho-Aktivitäten auf andere Gruppen in anderen Stadtteilen. Dadurch hatte ich dann kaum noch Kontakt mit Lutz, der meines Wissens auch nicht in der Anarcho-Gruppe in Bergedorf aktiv war, bei der ich vorher kurz mitmachte.

Ich habe es immer bewundert, mit welcher Leidenschaft Lutz seine Zeitungen, aber auch den Verlag betrieben hat, und ihn als unabhängigen Geist sehr geschätzt. Vor ein paar Jahren habe ich ihn noch mal auf der Buchmesse in Frankfurt getroffen, und eben 2009 auf der Beerdigung von Horst Stowasser. Lutz, es ist so traurig, dass Du diese Welt schon so früh verlassen musstest!

Stephan Krall


Nachruf ist ja irgendwie nicht das richtige Wort ...

... Worte zum Gedenken an Lutz paßt da schon eher

Als wir 1973 den Laubfroschvertrieb für freiheitliche Literatur in Karlsruhe aufgebaut haben, machten wir natürlich auch Büchertisch an der Uni, auf Flohmärkten und bei Veranstaltungen. Neben den kleinen, rechteckigen und längsformatigen Broschüren aus dem ppz-Verlag / Berlin, natürlich Kramers exzellenten Büchern und den diversen volkspreisheften aus verschiedenen Verlagen sowie die allseits beliebten Zeitungen aus der Scene Agit, 883, Fizz, gab es noch diese merkwürdige Zeitschrift "Materialien-Analysen-Dokumente", kurz: MAD.

Die Zeitschrift MAD kannten wir ja schon als relativ lustiges, kritisches und satirisches Magazin - was hatte das miteinander zu tun?

Weil Materialien-Analysen-Dokumente inhaltlich gut war, hatten wir sie natürlich auf unserem Büchertisch, später, als viel besser passend mit dem Namen "Revolte!" Kampforgan der situationistischen Internationale wie wir sie nannten. Das ein gewisser Cohn-Bendit auch da mitgemischt hatte, machte das Ganze für uns ("Reine" Anarchistinnen und Anarchisten) etwas suspekt. War aber immer gut als Anreiz für inhaltliche leider sehr theoretische Diskussionen.

Um Lutz nochmals Danke zu sagen ist es nun zu spät,
also dann an Hanna in Gedenken an Lutz.

Gisela und Bernd, Elmstein


Lutz Schulenburg - 1983 im Libertären Forum Berlin

Wir gedenken anlässlich des Todes von Lutz Schulenburg an die gemeinsamen Aktivitäten Anfang der 1980er Jahre. Im Rahmen des >>Libertären Forums<< in West-Berlin wollten die beteiligten Gruppen, die Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK), Zeitschrift Graswurzelrevolution (GWR), FAU (Freie Arbeiter/innen Union) und einzelne Individuen „die Einkreisung anarchistischer Phänomäe durch neue Akzentuierung“ vorantreiben. Lutz Schulenburg war am 30.10.1983 ein Gastredner im Nachbarschaftsheim Berlin-Schöneberg mit dem Thema: „Zu einer möglichen Begriffsbestimmung des Situationismus im Rahmen der Vorstellung seiner Zeitschrift Die Aktion“. Lutz referierte seine Arbeit als Herausgeber des Buches über Marius van der Lubbe und den Reichstagsbrand. Interessant waren die historischen Fakten und Phänomene, die unterdrückt oder verfälscht, verstümmelt oder totgeschwiegen wurden. Sein Vortrag reflektierte die Möglichkeit, eine Antigeschichte zu konzipieren, die auch durch rätekommunistische oder situationistische Impulse getragen werden können. Seine Verlagsarbeit war uns wichtig.

Wolfram Beyer (für die IDK e.V.)


Erinnerungen an Lutz Schulenburg von Jörg Auberg

Die Nachricht vom Tod Lutz Schulenburgs traf mich wie ein Schlag, und die Benommenheit wirkt noch nach. Ende der 1980er Jahre, als Student in (West-) Berlin, hatte ich einen Artikel über "intellektuelle Metamorphosen" an die Hamburger Zeitschrift Die Aktion geschickt. Deren Herausgeber, Lutz Schulenburg, ermunterte mich, einen Beitrag über die Wandlungen Hans Magnus Enzensbergers zu schreiben. Kurze Zeit später fiel die Grenze zwischen West und Ost. Die Euphorie über das Ende der DDR konnte ich nicht teilen, denn schon zu Beginn des Jahres 1990 machten sich in Berlin nationalistische und reaktionäre Tendenzen bemerkbar. Lutz war jedoch von einem radikalen Optimismus beseelt, als käme nun unter den Trümmern des "real existierenden Sozialismus" der "wahre Sozialismus" zum Vorschein. Im Januar 1990 brachte er in einer Ausgabe der Aktion unter dem Balken "Sozialismus, Räte, Volkssouveränität" Dokumente der "Vereinigten Linken" heraus, ehe schließlich nahezu alle zu den Agenturen der kapitalistischen Herrschaft überliefen. Im "Kleinen Briefkasten" (Editorial) hieß es: "[...] am Traum von der Roten Republik halten wir fest, Ehrensache; wie auch an der Feindschaft gegen Schwarz-Rot-Gold - den Farben des Betrugs".

Danach verloren wir uns aus den Augen. Später - zwanzig Jahre waren ins Land gezogen - veröffentlichte er wieder einen kurzen Artikel von mir in der Aktion, und wir verabredeten, dass ich einen Artikel über John Dos Passos für seine Zeitschrift schreiben sollte, der jedoch über die ersten Seiten nicht hinauskam. Zum letzten Mal sah ich die auffällige Gestalt mit den langen weißen Haaren am Stand der Edition Nautilus auf der Frankfurter Buchmesse im letzten Jahr, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal sein würde. Es ist sehr traurig.

Jörg Auberg



Weblinks

  • Subversive Kopffüßler? Ein Interview mit Hanna Mittelstädt und Lutz Schulenburg zum dreißigsten Geburtstag der Edition Nautilus (GWR, 2004)

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