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Diskussion:Bernd Kramer - Gedenkseite: Unterschied zwischen den Versionen

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== Der Tod von Bernd Kramer: Auch eine Erinnerung an die Zukunft. Von Rolf Raasch ==
 
  
Vor kurzem erst Karin und nun auch Bernd: Der Tod der Anderen scheint in der eigenen Wahrnehmung eine Beschleunigung der Lebenszeit hervorzurufen. Auch kommen verschüttete Erinnerungen plötzlich hoch, die ganz weit weg zu sein schienen: Alles wirkt nun  so, als sei es erst gestern gewesen.  
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Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe.
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Ladengold
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Erinnerungen an Karin und Bernd Kramer
  
Eine Zeit lebt wieder in einem auf, in der man jung und voller Hoffnung auf das war, was die Zukunft noch bringen sollte: Die Zeit des Neo-Anarchismus, eine Zeit des Aufbruchs, in der alles Wünschbare möglich schien. Bernd Kramer gilt für mich als ein Urgestein dieser Epoche.  
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Leider habe ich erst kürzlich davon erfahren, dass Karin und Bernd innerhalb kürzester Zeit im vergangenen Jahr 2014 verstorben sind.
  
Ich kannte ihn über 40 Jahre. Für mich und für uns damalige Westberliner Junganarchos war er Anfang der 1970er Jahre die prägende libertäre Persönlichkeit - neben - vielleicht noch - Horst Stowasser.  
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„Zu aller erst kommt die Freiheit.........
Innerhalb  dieses Zeitraums gab es unterschiedlichste Intensitäten des Kontaktes zu Bernd. Angefangen mit den frühen 1970er Jahren, für mich die Zeit des Anarchistischen Arbeiterbundes (AAB), bzw. als Leser der Zeitschrift Linkeck, über die Zeiten des Austausches mit den Kramers während der Gründungszeit des Libertad-Verlages und den Gegenbuchmessen (später der Libertären Buchtage).
 
Als ich das letzte mal intensiver mit Bernd gesprochen hatte, auf einer Veranstaltung zur Veröffentlichung einer CD mit Liedern über B. Traven in der Kreuzberger Kneipe Enzian (wohl 10 Jahre her), wirkte er warmherzig, als wenn man sich erst gestern das letzte mal gesehen hätte. Auch nachdenklich – was seinen eigenen Lebenswandel anbelangte, denn er hatte  damals gerade eine schwere Krankheit überwunden.  
 
  
Bernd Kramer: Der Name war und ist Programm und eng verknüpft mit dem wichtigsten deutschsprachigen Anarchismus-Verlag der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre bildete der Verlag das gesamte und vielseitige gedankliche Spektrum des deutschsprachigen Neo-Anarchismus ab. Die ideelle Spannweite und intellektuelle Qualität des Karin-Kramer-Verlages und des Neo-Anarchismus war aus heutiger Sicht enorm und wurde meiner Meinung nach später auch  nie wieder erreicht. Ein Blick auf die Namensliste der Autoren in der vom Kramer-Verlag in den 1970er Jahren herausgegebenen Zeitschrift „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die Offenheit und Toleranz damaligen libertären Denkspektrums wider: Neben Texten anarchistischer Klassiker Autoren, die weit über das anarchistische und libertäre Spektrum hinauswirkten oder in es hineinwirkten: Paul Feyerabend, Hans Peter Duerr, Colin Ward, Pierre Clastres, Murray Bookchin, Daniel Guérin, Noam Chomsky, Paul Goodman, Augustin Souchy, Harry Pross usw. usf.
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Immer ein Buch in der linken Jacketttasche, die gekrümmte Pfeife in der Hand und einen treffenden ironischen Zwischenruf , der plötzlich wieder alle wach machte....
Ohne Karin hätte es den Karin-Kramer-Verlag nicht nur dem Namen nach so nicht gegeben. Nach 45 Jahren  Verlagsgeschichte und Bernds Tod scheint die Vorstellung seines Weitebestehens schwierig zu sein. Und irgendwie scheint auch die Zeit damit eine andere geworden zu sein.
 
  
Denn der Verlag ist und war ja auch ein Teil der politischen Zeitgeschichte, denn die Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin/W. setze ab 1968 gerade auch im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
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So habe ich Bernd Kramer im März 1970 kennengelernt.
Vor dem Hintergrund der damaligen Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium auch beim Karin-Kramer-Verlag seinerzeit die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung diente beispielsweise die Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans: Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution (damals noch unter dem Verlagsnamen Underground Press L).
 
  
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/Bakunin in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und Kropotkins wurde am Anfang der 1970iger Jahre auch mit der Gründung anderer anarchistischer Verlage intensiviert.
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Das war an einem Samstag Mittag auf dem wöchentlichen Treffen aller libertären  Leute West-Berlins im damaligen „Republikanischen Club“, („RC“), Wielandstrasse.  
  
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand seinerzeit auch ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die „Untergrundzeitung“. Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus, waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums und eben auch der Zeitschrift „Linkeck“. Ab 1967 erschienen in Westberlin die ersten Nummern des von Bernd und Karin herausgegebenen „ersten antiautoritären“ Blattes, das - heute sensationell anmutende - Auflagehöhen zwischen 4000 und 8500 Exemplaren erreichte.
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Unterschiedlichste Fraktionen waren dort:
Hunderte von Titeln sollten beim Karin-Kramer-Verlag bis jetzt und bis zum Schluss noch erscheinen. Viele Titel (und Äußerungen Bernds) kontrovers und quer zur gängigen linksradikalen politischen correctness – also im besten Sinne des Wortes „anarchistisch“.  Auch deshalb fehlt er dringend.
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Alt-Anarchos aus Friedenau, die noch die Verfolgung durch die SED vor 1961 mitgemacht hatten,
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Feministische „Panther“ Gruppen
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Haschrebellen um Georg von Rauch, Rex, Hella Maher, Bär, etc.
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Anarchos aus Spandau
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Leute um den damaligen Drucker und Verleger Peter Paul Zahl
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und
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einige Leute aus Neukölln/Kreuzberg, darunter auch Bernd.
  
Ich stelle mir vor, dass Bernd, der sehr krank war, nach dem Tod seiner Gefährtin Karin keine Lebenslust mehr hatte und wohl auch nicht mehr genug Abwehrkraft.  
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In der folgenden Zeit formierte sich eine „Schwarze Zelle Neukölln“, der auch Bernd angehörte.
  
Angesichts dessen kann sein Tod für ihn nur eine Erlösung gewesen sein. Für die noch lebenden aber ein Verlust.
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Oft schaute ich bei ihm zuhause in der Bruno-Bauer-Str. rein und lernte auch seine großartige Frau Karin kennen.  
  
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Bernd´s Wissen um die Theorie und Geschichte der libertären Bewegung war enorm. Das Besondere an ihm war, dass er ohne Scheuklappen vor den Augen, Fehler auch in den eigenen Reihen aufdecken konnte.
  
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So war z.B. sein Kommentar auf die neu entstehende „RAF“ : „das sind Leninisten mit Knarre“ (wie wahr!).
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Für die damals so häufigen „Wortradikalisten“ hatte er viel Spott übrig und den sich damals abzeichnenden Sprung vieler Mitstreiter in die Illegalität, hielt er für falsch.
  
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Er stand mit beiden Füßen auf dem Boden der Realität und es mangelte ihn schon damals nicht an Lebensweisheit, die mir später so manches mal geholfen hatte. Auch für persönliche Probleme hatte er immer ein offenes Ohr.
  
=Anonyme Beiträge=
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Einfach köstlich war seine Ironie und sein wohl angeborener rheinischer Humor, der ihn so liebenswert machte.
Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe.
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Ladengold
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Die französischen Anarcho-Satireblätter „Hara-Kiri“ und „Charlie Hebdo“ lernte ich auch durch Bernd Anfang der 70er kennen. Wie wohl heute sein Kommentar zu den islam-faschistischen Morden auf die Redakteure ausgefallen wäre?
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Vielleicht: „Die Solidarität der hiesigen Autonomen auf die Pariser Opfer beschränkte sich auf das revolutionäre Zukleben der Eingangsschlösser am Tempelhofer Feld mittels Sekundenkleber“.
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Lange Zeit verloren wir uns aus den Augen. Erst vor einigen Jahren trafen wir uns in seiner Stammkneipe „Zum goldenen Hahn“ und lästerten furchtbar über die Grünen, die Inkarnation des Kleinbürgertums, ab. Leider verpasste ich weitere Treffen mit ihm...
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Karin und Bernd, Ihr werdet mir und vielen Leuten fehlen. Danke für Eure Freundschaft!
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Peter                                                                                            Berlin, 12.01.2015

Aktuelle Version vom 13. Januar 2015, 00:58 Uhr

Wer seine Erinnerungen an Bernd Kramer mit uns teilen möchte, kann sie hier auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann Deinen Text auf die eigentliche Bernd-Kramer-Gedenkseite.

Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf dieser Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.

Jochen Schmück Redaktion DadAWeb.de



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Anonyme Beiträge[Bearbeiten]

Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe. Ladengold



Erinnerungen an Karin und Bernd Kramer

Leider habe ich erst kürzlich davon erfahren, dass Karin und Bernd innerhalb kürzester Zeit im vergangenen Jahr 2014 verstorben sind.

„Zu aller erst kommt die Freiheit.........“

Immer ein Buch in der linken Jacketttasche, die gekrümmte Pfeife in der Hand und einen treffenden ironischen Zwischenruf , der plötzlich wieder alle wach machte....

So habe ich Bernd Kramer im März 1970 kennengelernt.

Das war an einem Samstag Mittag auf dem wöchentlichen Treffen aller libertären Leute West-Berlins im damaligen „Republikanischen Club“, („RC“), Wielandstrasse.

Unterschiedlichste Fraktionen waren dort:

Alt-Anarchos aus Friedenau, die noch die Verfolgung durch die SED vor 1961 mitgemacht hatten,

Feministische „Panther“ Gruppen Haschrebellen um Georg von Rauch, Rex, Hella Maher, Bär, etc. Anarchos aus Spandau Leute um den damaligen Drucker und Verleger Peter Paul Zahl und einige Leute aus Neukölln/Kreuzberg, darunter auch Bernd.

In der folgenden Zeit formierte sich eine „Schwarze Zelle Neukölln“, der auch Bernd angehörte.

Oft schaute ich bei ihm zuhause in der Bruno-Bauer-Str. rein und lernte auch seine großartige Frau Karin kennen.

Bernd´s Wissen um die Theorie und Geschichte der libertären Bewegung war enorm. Das Besondere an ihm war, dass er ohne Scheuklappen vor den Augen, Fehler auch in den eigenen Reihen aufdecken konnte.

So war z.B. sein Kommentar auf die neu entstehende „RAF“ : „das sind Leninisten mit Knarre“ (wie wahr!). Für die damals so häufigen „Wortradikalisten“ hatte er viel Spott übrig und den sich damals abzeichnenden Sprung vieler Mitstreiter in die Illegalität, hielt er für falsch.

Er stand mit beiden Füßen auf dem Boden der Realität und es mangelte ihn schon damals nicht an Lebensweisheit, die mir später so manches mal geholfen hatte. Auch für persönliche Probleme hatte er immer ein offenes Ohr.

Einfach köstlich war seine Ironie und sein wohl angeborener rheinischer Humor, der ihn so liebenswert machte.

Die französischen Anarcho-Satireblätter „Hara-Kiri“ und „Charlie Hebdo“ lernte ich auch durch Bernd Anfang der 70er kennen. Wie wohl heute sein Kommentar zu den islam-faschistischen Morden auf die Redakteure ausgefallen wäre?

Vielleicht: „Die Solidarität der hiesigen Autonomen auf die Pariser Opfer beschränkte sich auf das revolutionäre Zukleben der Eingangsschlösser am Tempelhofer Feld mittels Sekundenkleber“.

Lange Zeit verloren wir uns aus den Augen. Erst vor einigen Jahren trafen wir uns in seiner Stammkneipe „Zum goldenen Hahn“ und lästerten furchtbar über die Grünen, die Inkarnation des Kleinbürgertums, ab. Leider verpasste ich weitere Treffen mit ihm...

Karin und Bernd, Ihr werdet mir und vielen Leuten fehlen. Danke für Eure Freundschaft!

Peter Berlin, 12.01.2015