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Anarchismusforschung im französischsprachigen Raum

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Der Beitrag behandelt die zeitgenössische Anarchismusforschung in den französischsprachigen Ländern, d.h. vorrangig in Frankreich, in Belgien, der französischsprachigen Schweiz und Kanada / Quebec.

Forschungszentren

Das wichtigste Forschungszentrum im französischsprachigen Raum ist das Centre (CIRA) in Lausanne (CH). Ein Ableger dessen befindet sich in Marseille. Marianne Enckel ist u.a. Mitherausgebern von dem biographischen Lexikon "Les Anarchistes".

Tagungen

Neben jährlichen Tagungen der wissenschaftlichen und philosophischen Gesellschaften gab es im universitären Bereich in Frankreich in den letzten dreißig Jahren mehrere wichtige, z.T. internationale Konferenzen. In Saint-Etiennes fand 1990 eine dreitägige Tagung zu dem Individualanarchisten Georges Palante ("La révolte individuelle") statt, deren Beiträge auch im folgenden Jahr als Buch erschienen. In Lyon fand 2011 ein internationales Kolloquium unter dem Titel "'Philosophie de l'anarchie" statt. Die Beiträge wurden auch in einem eigenständigen Sammelband publiziert. Eine zweite, zweisprachige Konferenz fand 2012 an der Sciences Po Paris - Campus Nancy unter dem Titel "Stirner et la France - Stirner und Frankreich"' statt. Die Beiträge der Tagung wurden im Einzige(n). Jahrbuch der Max Stirner Gesellschaft publiziert. Nachdem Max Stirners Einziger Thema für die Aggregationprüfung französischer Germanist*innen wurde, fanden mehrere Tagungen in Metz und Paris unter dem Titel "Lectures de Der Einzige und sein Eigentum de Max STIRNER" statt.

Wissenschaftliche und philosophische Gesellschaften

Im französischsprachigen Raum gibt es eine Reihe von Gesellschaften, die sich mit dem Leben und Wirken einzelner Frühsozialisten (Charles Fourier), Anarchisten (Pierre-Joseph Proudhon, Daniel Guerin) oder libertären Themen (Pariser Kommune) beschäftigen. Ein Großteil der Mitglieder sind Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen. Sie geben in der Regel neben einer Fachzeitschrift - mittlerweile fast ausschliesslich Onlinemagazine - auch Schriftenreihen zu ihrem Forschungsfeld heraus.

Zeitschriften

Die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Anarchismus findet weitgehend in den Publikationen der Fachgesellschaften (z.B. Archives proudhoniennes) sowie in der Szenepresse statt. Eine seit 19 existierende Zeitschrift, die versucht, die Brücke zwischen Szene und Wissenschaft zu schlagen, ist die halbjährig erscheinende Réfractions.

Aktuelle Situation

Zu den Wegbereitern der Anarchismusforschung in Frankreich kann Dolléans gezählt werden. Er publizierte eine Studie über Piere-Joseph Proudhon. Das Interesse an Proudhon ist generell für die französische Anarchismusforschung von hoher Bedeutung. Die meisten wissenschaftlichen Publikationen aus dem Bereich beziehen sich auf ihn.

Die akademische Auseinandersetzung mit dem Thema Anarchismus war in Frankreich lange Zeit durch den Historiker Jean Maitron (+) und den Soziologen Pierre Ansart (+ 2016) geprägt. Im aktuellen akademischen Bereich in Frankreich sind es vor allem Anne Steiner (Université Paris X - Nanterre), Daniel Colson (Université Saint-Etienne) und Philippe Corcuff (IEP Lyon), die zu unterschiedlichen Facetten des Anarchismus forschen und regelmäßig publizieren. Alle drei sind Soziolog*innen. Daneben gibt es eine Reihe von Studierenden, die Dissertationen zum Anarchismus verfassen bzw. verfasst haben. Im außeruniversitären Bereich ist es vor allem der Philosoph Michel Onfray und der Historiker Gaetano Manfredonia, die zu diesem Thema publizieren.

Die akademische Anarchismusforschung ist in Quebec bislang wenig ausgeprägt. Der Historiker Mathieu Houle-Courcelles (Université du Québec) ist einer der wenigen Forscher. Sein Text "Auf den Spuren des Anarchismus in Quebec (1860-1960)" erschien auch in deutscher Sprache.

Literatur

Über Anarchismusforschung in Frankreich:

  • Nathan Jun: The Current State of Anarchist Studies in France: An Interview with Irène Pereira, Vivien Garcia, and an "Anonymous Comrade", in: Anarchist Developments in Cultural Studies 1/2014.
    Website

Nachschlagewerke:

  • Sebastien Faure (Hg.): Encyclopédie anarchiste. Paris 1925–34, 4 Bde.
    Link
  • Roger Boussinot: Les mots de l'anarchie : dictionnaire des idées, des faits, des actes, de l'histoire et des hommes anarchistes , Delalain Paris 1982.
  • Michel Perraudeau: Dictionnaire del'Individualisme Libertaire, Les Editions Libertaires Toulouse 2011.
  • Chantal Gaillard (Hrsg.): Dictionnaire de Proudhon, Edition Aden Bruxelles 2011.
  • Les Anarchistes. Dictionnaire biographique du Mouvement Libertaire francophone, édité par Marianne Enkel, Guillaume Davranche, Rolf Dupuy et autres, Les éditions de l'Atelier Ivry-sur-Seine 2015.

Deutschsprachige Publikationen und Übersetzungen:

  • Pierre Ansart: Die Soziologie Pierre-Joseph Proudhons, Peter Lang Verlag Frankfurt a.M. u.a. 1994.
  • Tanguy L'Aminot: Max Stirner in Frankreich, in: Der Einzige. Vierteljahresschrift des Max-Stirner-Archivs Leipzig, Nr.1/2, hrsg von Kurt W.Fleming. Leipzig Februar-Mai 2000, S.9-20.
  • Mathieu Houle-Courcelles: Auf den Spuren des Anarchismus in Quebec (1860-1960), Verlag Edition AV Sich 2011.
  • Maurice Schuhmann (Hrsg.): Der Einzige. Jahrbuch der Max Stirner Gesellschaft, Band 5 / 2012: Max Stirner und Frankreich - Max Stirner et la France, Verlag Max Stirner Archiv / edition Unica Leipzig 2013.


Standardwerke:

  • Ravachol et les Anarchistes, présentés par Jean Maitron, Collection Archives Julliard Paris 1970.
  • Jean Maitron: Le mouvement anarchiste en France, 2 Bände, Gallimard Paris 1975.
  • Pierre Ansart: Die Soziologie Pierre-Joseph Proudhons, Peter Lang Verlag Frankfurt a.M. u.a. 1994.
  • Les Anarchistes et la Révolution Francaise, sous la direction Caetano Manfredonia, Editions du Monde Libertaire Paris 1990.
  • Bookchin / Colson / Enckel / Toublet: Anarcho-Syndicalisme & Anarchisme, Atelier Création Libertaire Lyon 1994.
  • Philosophie de l'anarchie. Théories libertaires, pratiques quotidiennes et ontologie, sous la direction de Jean-Christophe Anbaut, Daniel Colton etMimmo Pucciarelli, Atelier Création Libertaire Lyon 2012.
  • Tanguy L'aminot / Daniel Joubert: Max Stirner, le philosophe qui s'en va tout seul. Suivi de Marx versus Stirner, L'Insomniaque Montreuil 2012. [beinhaltet eine umfangreiche Bibliographie der französischsprachigen sekundärliteratur zu Max Stirner]
  • Oliver Agard und Françoise Lartillot (Hrsg.): Max Stirner L’Unique et sa propriété. Lectures critiques, L’Harmattan Paris 2017.


Gesellschaften:

Zeitschriften:

Websites:

Autor: Maurice Schuhmann

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