Wir empfehlen:


Diskussion:Bernd Kramer - Gedenkseite: Unterschied zwischen den Versionen

Aus DadAWeb
Wechseln zu: Navigation, Suche
(Danke für Deine Vorarbeit)
(Anonyme Beiträge)
Zeile 9: Zeile 9:
 
''<Hier kannst Du Deinen Beitrag schreiben>''
 
''<Hier kannst Du Deinen Beitrag schreiben>''
 
<br>
 
<br>
 +
 +
 +
== Der Tod von Bernd Kramer: Auch eine Erinnerung an die Zukunft. Von Rolf Raasch ==
 +
 +
Vor kurzem erst Karin und nun auch Bernd: Der Tod der Anderen scheint in der eigenen Wahrnehmung eine Beschleunigung der Lebenszeit hervorzurufen. Auch kommen verschüttete Erinnerungen plötzlich hoch, die ganz weit weg zu sein schienen: Alles wirkt nun  so, als sei es erst gestern gewesen.
 +
 +
Eine Zeit lebt wieder in einem auf, in der man jung und voller Hoffnung auf das war, was die Zukunft noch bringen sollte: Die Zeit des Neo-Anarchismus, eine Zeit des Aufbruchs, in der alles Wünschbare möglich schien. Bernd Kramer gilt für mich als ein Urgestein dieser Epoche.
 +
 +
Ich kannte ihn über 40 Jahre. Für mich und für uns damalige Westberliner Junganarchos war er Anfang der 1970er Jahre die prägende libertäre Persönlichkeit - neben - vielleicht noch - Horst Stowasser.
 +
Innerhalb  dieses Zeitraums gab es unterschiedlichste Intensitäten des Kontaktes zu Bernd. Angefangen mit den frühen 1970er Jahren, für mich die Zeit des Anarchistischen Arbeiterbundes (AAB), bzw. als Leser der Zeitschrift Linkeck, über die Zeiten des Austausches mit den Kramers während der Gründungszeit des Libertad-Verlages und den Gegenbuchmessen (später der Libertären Buchtage).
 +
Als ich das letzte mal intensiver mit Bernd gesprochen hatte, auf einer Veranstaltung zur Veröffentlichung einer CD mit Liedern über B. Traven in der Kreuzberger Kneipe Enzian (wohl 10 Jahre her), wirkte er warmherzig, als wenn man sich erst gestern das letzte mal gesehen hätte. Auch nachdenklich – was seinen eigenen Lebenswandel anbelangte, denn er hatte  damals gerade eine schwere Krankheit überwunden.
 +
 +
Bernd Kramer: Der Name war und ist Programm und eng verknüpft mit dem wichtigsten deutschsprachigen Anarchismus-Verlag der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre bildete der Verlag das gesamte und vielseitige gedankliche Spektrum des deutschsprachigen Neo-Anarchismus ab. Die ideelle Spannweite und intellektuelle Qualität des Karin-Kramer-Verlages und des Neo-Anarchismus war aus heutiger Sicht enorm und wurde meiner Meinung nach später auch  nie wieder erreicht. Ein Blick auf die Namensliste der Autoren in der vom Kramer-Verlag in den 1970er Jahren herausgegebenen Zeitschrift „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die Offenheit und Toleranz damaligen libertären Denkspektrums wider: Neben Texten anarchistischer Klassiker Autoren, die weit über das anarchistische und libertäre Spektrum hinauswirkten oder in es hineinwirkten: Paul Feyerabend, Hans Peter Duerr, Colin Ward, Pierre Clastres, Murray Bookchin, Daniel Guérin, Noam Chomsky, Paul Goodman, Augustin Souchy, Harry Pross usw. usf.
 +
Ohne Karin hätte es den Karin-Kramer-Verlag nicht nur dem Namen nach so nicht gegeben. Nach 45 Jahren  Verlagsgeschichte und Bernds Tod scheint die Vorstellung seines Weitebestehens schwierig zu sein. Und irgendwie scheint auch die Zeit damit eine andere geworden zu sein.
 +
 +
Denn der Verlag ist und war ja auch ein Teil der politischen Zeitgeschichte, denn die Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin/W. setze ab 1968 gerade auch im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
 +
Vor dem Hintergrund der damaligen Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium auch beim Karin-Kramer-Verlag seinerzeit die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung diente beispielsweise die Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans: Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution (damals noch unter dem Verlagsnamen Underground Press L).
 +
 +
Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/Bakunin in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und Kropotkins wurde am Anfang der 1970iger Jahre auch mit der Gründung anderer anarchistischer Verlage intensiviert.
 +
 +
Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand seinerzeit auch ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die „Untergrundzeitung“. Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus, waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums und eben auch der Zeitschrift „Linkeck“. Ab 1967 erschienen in Westberlin die ersten Nummern des von Bernd und Karin herausgegebenen „ersten antiautoritären“ Blattes, das - heute sensationell anmutende - Auflagehöhen zwischen 4000 und 8500 Exemplaren erreichte.
 +
Hunderte von Titeln sollten beim Karin-Kramer-Verlag bis jetzt und bis zum Schluss noch erscheinen. Viele Titel (und Äußerungen Bernds) kontrovers und quer zur gängigen linksradikalen politischen correctness – also im besten Sinne des Wortes „anarchistisch“.  Auch deshalb fehlt er dringend.
 +
 +
Ich stelle mir vor, dass Bernd, der sehr krank war, nach dem Tod seiner Gefährtin Karin keine Lebenslust mehr hatte und wohl auch nicht mehr genug Abwehrkraft.
 +
 +
Angesichts dessen kann sein Tod für ihn nur eine Erlösung gewesen sein. Für die noch lebenden aber ein Verlust.
 +
 +
 +
  
 
=Anonyme Beiträge=
 
=Anonyme Beiträge=
 
Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe.
 
Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe.
 
Ladengold
 
Ladengold

Version vom 11. September 2014, 09:52 Uhr

Wer seine Erinnerungen an Bernd Kramer mit uns teilen möchte, kann sie hier auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann Deinen Text auf die eigentliche Bernd-Kramer-Gedenkseite.

Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf dieser Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.

Jochen Schmück Redaktion DadAWeb.de



<Hier kannst Du Deinen Beitrag schreiben>


Der Tod von Bernd Kramer: Auch eine Erinnerung an die Zukunft. Von Rolf Raasch

Vor kurzem erst Karin und nun auch Bernd: Der Tod der Anderen scheint in der eigenen Wahrnehmung eine Beschleunigung der Lebenszeit hervorzurufen. Auch kommen verschüttete Erinnerungen plötzlich hoch, die ganz weit weg zu sein schienen: Alles wirkt nun so, als sei es erst gestern gewesen.

Eine Zeit lebt wieder in einem auf, in der man jung und voller Hoffnung auf das war, was die Zukunft noch bringen sollte: Die Zeit des Neo-Anarchismus, eine Zeit des Aufbruchs, in der alles Wünschbare möglich schien. Bernd Kramer gilt für mich als ein Urgestein dieser Epoche.

Ich kannte ihn über 40 Jahre. Für mich und für uns damalige Westberliner Junganarchos war er Anfang der 1970er Jahre die prägende libertäre Persönlichkeit - neben - vielleicht noch - Horst Stowasser. Innerhalb dieses Zeitraums gab es unterschiedlichste Intensitäten des Kontaktes zu Bernd. Angefangen mit den frühen 1970er Jahren, für mich die Zeit des Anarchistischen Arbeiterbundes (AAB), bzw. als Leser der Zeitschrift Linkeck, über die Zeiten des Austausches mit den Kramers während der Gründungszeit des Libertad-Verlages und den Gegenbuchmessen (später der Libertären Buchtage). Als ich das letzte mal intensiver mit Bernd gesprochen hatte, auf einer Veranstaltung zur Veröffentlichung einer CD mit Liedern über B. Traven in der Kreuzberger Kneipe Enzian (wohl 10 Jahre her), wirkte er warmherzig, als wenn man sich erst gestern das letzte mal gesehen hätte. Auch nachdenklich – was seinen eigenen Lebenswandel anbelangte, denn er hatte damals gerade eine schwere Krankheit überwunden.

Bernd Kramer: Der Name war und ist Programm und eng verknüpft mit dem wichtigsten deutschsprachigen Anarchismus-Verlag der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre bildete der Verlag das gesamte und vielseitige gedankliche Spektrum des deutschsprachigen Neo-Anarchismus ab. Die ideelle Spannweite und intellektuelle Qualität des Karin-Kramer-Verlages und des Neo-Anarchismus war aus heutiger Sicht enorm und wurde meiner Meinung nach später auch nie wieder erreicht. Ein Blick auf die Namensliste der Autoren in der vom Kramer-Verlag in den 1970er Jahren herausgegebenen Zeitschrift „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die Offenheit und Toleranz damaligen libertären Denkspektrums wider: Neben Texten anarchistischer Klassiker Autoren, die weit über das anarchistische und libertäre Spektrum hinauswirkten oder in es hineinwirkten: Paul Feyerabend, Hans Peter Duerr, Colin Ward, Pierre Clastres, Murray Bookchin, Daniel Guérin, Noam Chomsky, Paul Goodman, Augustin Souchy, Harry Pross usw. usf. Ohne Karin hätte es den Karin-Kramer-Verlag nicht nur dem Namen nach so nicht gegeben. Nach 45 Jahren Verlagsgeschichte und Bernds Tod scheint die Vorstellung seines Weitebestehens schwierig zu sein. Und irgendwie scheint auch die Zeit damit eine andere geworden zu sein.

Denn der Verlag ist und war ja auch ein Teil der politischen Zeitgeschichte, denn die Renaissance des Anarchismus in der BRD und Berlin/W. setze ab 1968 gerade auch im publizistischen Bereich ein. Zum ersten Mal seit dem Ende der Weimarer Zeit wurden wieder in einem größeren Ausmaß anarchistische Klassiker einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vor dem Hintergrund der damaligen Auseinandersetzung mit der Erneuerung des marxistisch-leninistischen Parteitraditionalismus war das wichtigste inhaltliche Herausgabekriterium auch beim Karin-Kramer-Verlag seinerzeit die Bolschewismuskritik des Anarchismus. Entsprechend dieser Ausrichtung diente beispielsweise die Bolschewismus-Kritik Rudolf Rockers und Emma Goldmans: Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution (damals noch unter dem Verlagsnamen Underground Press L).

Neben diesem zentralen Thema rückte die Kontroverse Marx/Bakunin in den Vordergrund des Interesses. Die beginnende Neuedition der wichtigsten Schriften Bakunins und Kropotkins wurde am Anfang der 1970iger Jahre auch mit der Gründung anderer anarchistischer Verlage intensiviert.

Neben zahlreichen anarchoiden Schüler-, Lehrlings- und Studentenzeitungen entstand seinerzeit auch ein bis dahin unbekanntes publizistisches Genre: Die „Untergrundzeitung“. Lokaler Bezug, kämpferisches Vokabular, satirischer Stil, chaotisch anmutendes Layout, sowie eine politische Ausrichtung am Anarchismus, waren die typischen Merkmale dieses neuen Mediums und eben auch der Zeitschrift „Linkeck“. Ab 1967 erschienen in Westberlin die ersten Nummern des von Bernd und Karin herausgegebenen „ersten antiautoritären“ Blattes, das - heute sensationell anmutende - Auflagehöhen zwischen 4000 und 8500 Exemplaren erreichte. Hunderte von Titeln sollten beim Karin-Kramer-Verlag bis jetzt und bis zum Schluss noch erscheinen. Viele Titel (und Äußerungen Bernds) kontrovers und quer zur gängigen linksradikalen politischen correctness – also im besten Sinne des Wortes „anarchistisch“. Auch deshalb fehlt er dringend.

Ich stelle mir vor, dass Bernd, der sehr krank war, nach dem Tod seiner Gefährtin Karin keine Lebenslust mehr hatte und wohl auch nicht mehr genug Abwehrkraft.

Angesichts dessen kann sein Tod für ihn nur eine Erlösung gewesen sein. Für die noch lebenden aber ein Verlust.



Anonyme Beiträge

Habe die beiden leider nie persönlich kennengelernt ,aber die Bücher und die Orte wo man sie findet waren eine rettung.zu dem sind sie für mich die schönst gestalteten innen und außen.krieg immer noch ein Adrenalin schub ,wenn ich eines auf dem Trödel sehe. Ladengold