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Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen/Graswurzelrevolution (FöGA)

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Der Artikel ist in Bearbeitung --Uwe 16:58, 8. Jul 2006 (CEST)

Geschichte

Die FöGA wurde 1980 in der Bundesrepublik Deutschland als bundesweite Organisation gegründet. Ihre Entstehung hängt eng mit der erstmals 1972 herausgegebenen Zeitung „Graswurzelrevolution" (GWR) und der Graswurzelbewegung zusammen. Der Begriff Graswurzelrevolution ist dem US-amerikanischen "Grassrootsmovement" entlehnt. Die Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland füllen ihn jedoch mit radikaleren Inhalten, als im anglo-amerikanischen Raum gebräuchlich. Mit dem Begriff Graswurzelrevolution werden alle Gruppen und Bewegungen bezeichnet, die die Gesellschaft von unten, also von der Basis — und nicht als Partei oder staatliche Organisation - verändern wollen. Dabei wird versucht, „neben der Kritik an den bestehenden Verhältnissen, sich heute zumindest schon in Ansätzen so zu organisieren, wie später die Gesellschaft insgesamt sein soll" (GWR, Nr. 1). Die Zeitung „Graswurzelrevolution" war mit dem Ziel angetreten, den Zusammenhang, zwischen Gewaltfreiheit und libertären Sozialismus aufzuzeigen, und dazu beizutragen, dass die pazifistische Bewegung sozialistisch und die linkssozialistische Bewegung in ihren Kampfformen gewaltfrei werde. Anfänglich orientierte sie sich an Bewegungen in anderen Ländern, in denen die „Grassrootsmovement" schon stärker aus geprägt war. Es entwickelte sich ein Netz gewaltfreier Aktionsgruppen, welches vor allen Dingen im Anti-AKW-Bereich arbeitete. 1980 bildete sich dann aus diesem Netzwerk eine verbindlichere Organisation, die FöGA.

Organisation

Die FöGA ist eine Mischform aus Einzel- und Gruppenmitgliedschaft. Ihre Organisationsstruktur ist in „Arbeitsrichtlinien" beschrieben. Die Einzelmitglieder treffen sich mindestens einmal im Jahr zum Bundestreffen, dem höchsten Entscheidungsorgan der FöGA. Zwischen den Bundestreffen trifft sich etwa alle drei Monate der Koordinierungsrat der FöGA, auch Korat genannt. Er trifft die Entscheidungen zwischen den Bundestreffen. Der Korat besteht vorwiegend aus Gruppendelegierten, die mit einem imperativen Mandat ausgestattet werden können. Es kann nur über Sachen entschieden werden, die vorher in den Gruppen besprochen wurden. Die Entscheidungsfindung verläuft nach dem Konsensprinzip. Dabei bedeutet Konsens nicht Einstimmigkeit, sondern es soll versucht werden, eine Einigung zu erreichen. Kann diese nicht erreicht werden, tritt ein Abstimmungsmodus in Kraft, der „Aktiver Minderheitenschutz" genannt wird. Bei diesem müssen über 50 % für den zuvor diskutierten Antrag sein, und es dürfen gleichzeitig nicht mehr als 15 % dagegen sein, dass er angenommen wird. Die überstimmte Minderheit hat das Recht ihre Position in dem veröffentlichten Beschluss darzulegen.

Programm

Für die FöGA bedingt die Form der Organisation ihre Inhalte und umgekehrt. Eine Trennung zwischen Organisation und Programm, wie sie bei traditionellen Organisationsformen angewendet wird, widerspricht dem Anspruch der FöGA. Die Prinzipienerklärung der FöGA spiegelt die üblichen anarchistischen Prinzipien wider. So wird jedwede nationalstaatliche Grenzziehung abgelehnt, eine selbstverwaltete sozialistische Wirtschaftsordnung angestrebt, die Ersetzung des Staates durch ein Gemeinwesen gefordert, in welchem „Minderheiten- und Menschenrechte sowie Formen direkter basisdemokratischer Entscheidungsfindung verwirklicht" sind. Neu ist bei der Forderung nach Menschenrechten, dass die geschlechtsspezifische Unterdrückung herausgearbeitet wurde. „Wir wollen eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer ihr Leben frei gestalten können. Deshalb kämpfen wir gegen Strukturen, in denen Männergewalt allgegenwärtig und die Unterdrückung von Frauen alltäglich sind. Frauenbefreiung heißt, dass Frauen um ihre Selbstbestimmung kämpfen. Als einen Weg des Frauenwiderstandes befürworten wir die Schaffung von separaten Räumen von und für Frauen, in denen Schutz gewährleistet, Widerstand organisiert und Stärke entfaltet wird. Männer wehren sich gegen die patriarchale Gesellschaft und Kultur, um sich von dem herrschenden Männlichkeitsideal zu befreien. In diesem Sinne ist der Kampf von Männern gegen das Patriarchat für sie in erster Linie Männerbefreiung. Wir bemühen uns, innerhalb unserer Gruppen und Strukturen männliche Bevormundung und Gewalt gegenüber Frauen zu beseitigen" (Prinzipienerklärung der FöGA). Umrahmt werden diese Forderungen durch den Leitspruch „Der Weg ist das Ziel". „Wir sind der Meinung, dass diese Ziele so weit es geht in unseren Kampf- und Organisationsformen vorweggenommen (...) werden müssen." Da eine herrschaftslose Gesellschaft das Ziel ist, kann diese „weder mit der Anwendung lebensschädigender Gewalt noch mit autoritären Organisationsformen durchgesetzt werden" (Prinzipienerklärung der FöGA).

Praxis

Für die FöGA zählte jede Person. Damit dieser Vorsatz verwirklicht werden kann, werden gemeinsame Aktionen von allen Beteiligten in überschaubaren Gruppen vorbereitet (Bezugsgruppensystem). Die Beschlüsse sollten erst dann getroffen werden, wenn ein Konsens erreicht ist, den alle mittragen. Der Schwerpunkt der Arbeit der FöGA lag in den ersten Jahren in der Friedensbewegung, die sich 1979 nach dem NATO-Doppelbeschluss formierte. Nur in geringerem Maße arbeitete die neue Organisation im traditionellen Bereich der Graswurzelbewegung der Anti-AKW-Bewegung.

Friedensbewegung

Es ist mit den Aktionen der Graswurzlerlnnen zu verdanken, dass direkte gewaltfreie Aktionen innerhalb der Sozialen Bewegungen angewendet wurden. Im späteren Verlauf der Friedensbewegung wurde vor allem die Aktionsform Blockade immer mehr zu einer symbolischen Aktionsform verwässert, was die FöGA u.a. an der Mutlanger„Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung" kritisierte. Innerhalb der Friedensbewegung arbeitete sie im Bündnis mit etablierten Parteien (SPD, DKP, Grüne) und Gruppen aus dem kirchlichen Spektrum im Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung" (KA). Zusammen mit der „Bundeskonferenz unabhängiger Friedensgruppen" (BUF), einem Aktionsbündnis autonomer Gruppen in dem die FöGA selbst Mitglied war, trat sie innerhalb des KA für radikalere Aktionsformen und Inhalte ein. Allerdings konnte sie ihr Ziel nie erreichen, aus der Anti-Raketen-Bewegung eine antimilitaristische Bewegung zu machen. Ihre eigenen Aktionen richten sich an die Menschen, nicht an die Regierung. So werden Wehrpflichtige mit Informationsbroschüren über Kriegsdienstverweigerung angesprochen, die bei Musterungen vor Kreiswehrersatzämtern und bei Rekruteneinzug an Bahnhöfen verteilt werden. Die Unterstützung totaler KriegsdienstverweigererInnen war von jeher eine Selbstverständlichkeit.

Bund für Soziale Verteidigung (BSV)

Auch beim Kongress -»Soziale Verteidigung 1988 in Minden wurden graswurzelspezifische Inhalte deutlich – ihnen geht es nicht um die Soziale Verteidigung eines Staates, sondern einer Lebensweise. Diese Auffassung der FöGA führte dazu, dass sie den „Bund für Soziale Verteidigung" (BSV), der nach dem Ende der Friedensbewegung ein neues Bündnis darstellt, kurz nach ihrem Eintritt wieder verließ. Auslöser war die Forderung des BSV nach einem Ministerium für Rüstungskonversion und Sozialer Verteidigung. International arbeitet die FöGA in der „War Resister's International" (WIR) mit.

Antisexismus

Die antisexistische Arbeit der FöGA wurde von einzelnen Gruppen getragen. So arbeitet die überregionale Frauen-Arbeitsgruppe seit Mitte der achtziger Jahre kontinuierlich zum Thema. Die Männer-Arbeitsgruppe greift die Aspekte der antisexistischen männlichen Seite auf. Die Konfrontation mit Sexismus innerhalb der FöGA hat die Schwierigkeit der Zusammenarbeit mit Männern deutlich gemacht. Für die weitere Zusammenarbeit mit Männern wurde gefordert, dass sie sich persönlich mit Sexismus auseinandersetzen und ihre Verantwortlichkeit deutlich machen. Die Inhalte der Politik wurden um den Zusammenhang personeller und struktureller Gewalt gegen Frauen erweitert und ihre Benennung wurde gefordert. So wurde z.B. das Thema Antimilitarismus um den Zusammenhang von Militär und Männergewalt erweitert.

Mitgliedsstärke

Die FöGA war durch ihre Aktionsorientierung stark den Zyklen Sozialer Bewegungen ausgesetzt. Zwar blieb ihre Anzahl an Einzelmitgliedern (um die 100 Personen) über die Jahre konstant, mit dem Niedergang der Friedensbewegung lösten sich jedoch sehr viele Gewaltfreie Aktionsgruppen (GA) auf, so dass teilweise der Eindruck entstand, die FöGA wäre zu einem hinderlichen Wasserkopf geworden. Hier muss zur geringen Anzahl der Einzelmitglieder erklärend hinzugefügt werden, dass innerhalb der GAs trotz Gruppenmitgliedschaft in der FöGA die Einzelmitglieder oftmals in der Minderheit waren. Anfang der Achtziger schrumpfte die Anzahl der Gruppen unter zehn. Zudem nahm deren Mitgliedsstärke ab. Der Verfassungsschutz nennt für die Graswurzelbewegung insgesamt folgende Zahlen: 1983-1.000 Personen, 1988 - 500 Personen. Ende der achtziger Jahre wuchs bzw. reaktivierte sich der anarchistische Flügel, um die Zeitung „Graswurzelrevolution" zu retten. Dies führte zu Konflikten innerhalb der Organisation. Zu einem offenen Bruch kam es allerdings nicht, jedoch wird die Zeitung „Graswurzelrevolution" seit Juni 1988 nicht mehr von der FöGA herausgegeben. Im neuen Layout und inhaltlicher Grundlage (Thesen zu „Staatlichkeit und Anarchie heute" in GWR, Nr. 125, Juni 1988) wird sie seit diesem Datum von einem unabhängigen HerausgeberInnenkreis weitergeführt, der der FöGA sehr nahe steht.