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Günter Freitag Gedenkseite

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Wer die Erinnerung an ihn mit uns teilen möchte, kann dies gerne hier auf der für Günther Freitag eingerichteten Gedenkseite tun. Hierfür bitte Deinen Text auf der frei zugänglichen Diskussionsseite einstellen, wir übernehmen ihn dann hier auf die Hauptseite.

Danke, --Jochen_S 14:59, 17. Sep. 2010 (UTC)


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Du hattest noch einiges machen wollen – Günther Freitag zum Gedenken

„Tja Günther, jetzt bist Du im Nirwana. Ein wenig länger hättest Du noch leben wollen und sollen, obwohl Dir schon lange klar war, wie fragil Deine Gesundheit geworden ist. Und die letzten Male, die wir uns getroffen haben, sahst Du schon sehr angeschlagen aus. Aber die 80+ hättest Du schon noch hinbekommen, wenn es zum Schluss nicht so blöd gelaufen wäre. So wird dann aus unserem gemeinsamen Besuch der Buchmesse in Frankfurt nichts mehr, und auch nichts aus einem Besuch bei Horst Stowasser, der ja noch vor Dir gestorben ist, was Dich sehr getroffen hat, da Du ihn noch kurz vor seinem Tod bei der Erich-Mühsam-Gesellschaft, zu der Du ihn eingeladen hattest, und danach in Hamburg gesehen hast. Er hatte dich interviewt, wahrscheinlich um Daten und Geschichten zu erhalten, die irgendwann verloren wären. Jetzt ist dieses Interview durch Horsts Tod derzeit nicht mehr auffindbar. Ironie der Geschichte“.

Ich habe Günther Freitag 1972 kennen gelernt. Vermutlich war ich damals durch Uwe Timm in Kontakt mit ihm gekommen. Aus heutiger Sicht eines Mit-Fünfzigers waren beide, wie auch ihr Freund Gerd Bommer, damals noch relativ junge Spunde, Anfang 40, aber für uns waren es „Alt-Anarchisten“. Sie wurden nur noch getoppt durch die „Steinalt-Anarchisten“ Kurt Bommer, Otto Reimers, Robert Stahl und, aus einer etwas anderen Szene, Hans Spaltenstein, die ich wohl im gleichen Jahr kennen lernte.

Günther gehörte zu den leiseren, feingeistigeren Menschen, er sprach mehr von Gustav Landauer als von der Revolution. Er war nicht der große, nach außen gekehrte Aktivist, aber vielfältig engagiert. Er schrieb keine Bücher, aber immer wieder mal kleine Texte. Er war nicht der große Intellektuelle, aber konnte auf seine Art sehr scharf analysieren, und warnte mich ab und zu, nicht in eine falsche Richtung zu denken, sondern immer die Menschen und ihre Sorgen und Leiden im Mittelpunkt zu sehen. Aber Günther hatte nicht nur Interesse am Engagement. Wir haben auch viele Abende einfach nur über Literatur, vor allem Arno Schmidt und die Bücher, die Arno Schmidt und wir liebten, gesprochen. Er war es, der mich, als ich in Afrika gearbeitet habe, zum Lesen von Arno Schmidt animierte. So saß ich 6000 km von Hamburg entfernt im Busch und habe die achtbändige Haffmans-Ausgabe von Arno Schmidt gelesen. Bei Günther, der selber noch Arno Schmidt über seinen Freund Willi Freise kennen gelernt hatte, ging die Leidenschaft für Schmidt aber viel weiter als bei mir. Er hatte den "Bargfelder Boten“ seit Beginn abonniert, und folgte geistig und literarisch immer den Spuren Schmidts.

Günther hatte aber auch einen Sinn für die Natur. In den 1980er Jahren kauften er und seine bereits 2005 verstorbene Frau Ellen in der Nähe des Kittlitzer Sees an der Grenze zur DDR eine kleine Ferienwohnung, wo wir Spaziergänge machten und uns über die Schönheiten der Natur unterhielten. In dieser Wohnung ist er trotz seiner Krankheit, die ihn an die Dialyse fesselte, immer wieder gewesen.

Günther war ein Mensch, der wohl nicht häufig in anarchistischen Geschichtsbüchern auftauchen wird, der aber über Jahrzehnte ein aufrechter Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit gewesen ist, und der immer ohne Wenn und Aber Anarchist blieb, was er so nett aussprach („Anarschist“).

Ich habe in den vielen Gesprächen, ob bei ihm in der Wohnung, in Kittlitz oder im Uni-Viertel von Hamburg, wo wir gerne zusammen ein Bier trinken gingen, viel gelernt. Er war immer ein interessanter Gesprächspartner, ob über die Geschichte des Anarchismus in Hamburg, Erich Mühsam oder Gustav Landauer, aber auch Arno Schmidt und Literatur. Da sein Vater auch schon Anarchist war, reichte sein Gedächtnis weit in die Geschichte der Bewegung zurück.

Leider habe ich mir trotz der vielen Gespräche mit ihm nie irgendwas aufgeschrieben, da ich kein Biograph bin, und gepaart mit meinem nicht besonders guten Gedächtnis kann ich leider viele der Geschichten, ob über das Auftreten von Ernst Thälmann in einer Kneipe in Hamburg oder die FAUD, nicht mehr viel verlässlich erzählen.

Deswegen höre ich jetzt auch auf und kann nur betonen, wie glücklich und stolz ich bin, Günther als Freund gehabt zu haben.

Stephan Krall, Kronberg im Taunus



Günther Freitag (1931 – 2010) Ein Nachruf

Günther Freitag (1931-2010) ist nicht mehr. Sein ganzes bewusstes politisches Leben war er Anarchist. Ein konsequent gewaltloser Anarchist.

Ein auch von Max Stirner beeinflusster Anarchist. Ein entschiedener Verfechter der Menschenrechte.

Der Anarchismus wurde ihm quasi „in die Wiege gelegt“: Sein Vater Heinrich war bis zu dessen Tod 1972 einer der bekanntesten und aktivsten Hamburger Anarchisten. Günther trat aber nicht einfach in die Fußstapfen seines Vaters. Stets nahm er überlegt und eigenwillig Stellung zu allen Zeitfragen. Darüber hinaus trat er als Mit-Organisator in der anarchistischen „Hamburger Gruppe“, im „Freundeskreis Gustav Landauer“ und vielen anderen Initiativen hervor – aber mehr im „Hintergrund“, wie er bescheiden betonte. Denn er war alles andere als ein Selbstdarsteller. Er tat das, was „gemacht werden musste“. Es waren wohl seine klar formulierten Vorstellungen, seine zurückhaltende, tolerante, aber selbstbewusste Art, die ihn zu einer Art Mentor von JunganarchistInnen in den 1968er-1970er Jahren werden ließen. Er war stolz darauf, dass die „Bekanntschaften und Freundschaften“ dieser Jahre mit dazu beitragen konnten, dass die „Jungen“ auch heute noch „bei der Fahne sind“.

Günthers pazifistisches Engagement brachte ihn früh zur IdK (Internationale der KriegsgegnerInnen) und „zu einer guten und engen Beziehung“ zu deren Vorsitzendem Theodor Michaltscheff. Von deren Beginn an nahm er an der „Ostermarschbewegung“ teil. Lange Jahre war er Mitglied der „Erich-Mühsam-Gesellschaft“. Er verließ sie, weil er in ihr fast nur noch „Postkommunisten“ sah. Und „keine Libertären mehr“. Früh engagierte er sich bei „Amnesty International“. In deren Hamburger Ortsgruppe arbeitete er bis zuletzt mit.

Günthers vielfältige literarische Interessen führten zu vielen Bekanntschaften mit Schriftstellern. Hervorzuheben ist hier diese mit Arno Schmidt, den Günther verehrte.

Günther selbst war über Jahrzehnte ein eifriger Schreiber für die anarchistische Presse, z.B. für „Befreiung“ und „Information“ (Hamburg). Viele Beiträge von ihm finden sich in freigeistigen Blättern. In ihnen äußerte er sich meist zu geistesgeschichtlichen und kulturellen Themen. Das immer aus libertärer Perspektive.

Entscheidend bei einem Menschen ist nicht sein Etikett – z.B. „Anarchist“. Entscheidend ist, ob er das auch verkörpert. Günther hat als Anarchist gelebt: Immer, wo es ihm möglich war, hat er Solidarität geübt; uneigennützig Unterstützung gewährleistet; wenn man ihn näher kannte, wusste man sich seines Rates sicher; er hatte Verständnis für menschliche Schwächen. Aber leicht war es, sein Vertrauen zu gewinnen. Denn er war äußerst sensibel in den Beziehungen zu Menschen. Deshalb hatten z.B. Anarchismus-TrittbrettfahrerInnen (die z.B. sein Archiv lediglich ausbeuten wollten) keine Chance bei ihm.

Viele Jahre ertrug Günther auf bewundernswerte Weise schwere Krankheiten. Sie haben ihn gehindert, noch vieles zu tun, was er sich vorgenommen hatte. Aber nicht das zu tun, was er seinem schwachen Körper noch abringen konnte. So wollte er noch im Herbst 2010 an einem Treffen von Libertären in Thüringen teilnehmen.

Mit Günther Freitag ist einer der letzten Aktiven des „Nachkriegsanarchismus“ von uns gegangen. Ihm ist zu würdigen. Und das ohne „Personenkult“, den er verabscheute.

Seine Arbeit für den Anarchismus war nicht umsonst. Auch deshalb ist Günther Freitag unvergessen. Für vieles schulde ich ihm Dank. Besonders für sein Vertrauen und seine Freundschaft.

Hans Jürgen Degen

Nachruf aus: Graswurzelrevolution Nr. 349, Mai 2010,: http://www.graswurzel.net



Erinnerung an Günther Freitag

Wenn ein Mensch, den man einmal gut kannte, unsere Erde verlässt, sich sein Leben vollendete, bleibt für seine Verwandten, Freunde und Gefährten nur noch die Erinnerung.

Für mich war Günther Freitag ein Freund in vielen Jahren, der für mich in meiner Erinnerung an gemeinsame Jahre einen bleibenden Platz besitzt. Durch einen Klassenkameraden, der bei der Konsumgenossenschaft Produktion seine Ausbildung begann, kam ich zur Genossenschaftsjugend Hamburg. In einer Jugendgruppe vom Stadtteil Wandsbek wurde ich damals zum Jugendgruppenleiter gewählt und folgte dann einer Einladung inhaltlich an einer Zeitschrift der Genossenschaftsjugend mitzuwirken. Redakteur dieser Zeitschrift "Genossenschaftliche Jugendbriefe" war Günther Freitag und zusammen mit Werner Hilke bildeten wir ein Team, machten aus dieser Zeitschrift - das kann man sagen - ein politisches Organ mit einer ausgeprägten antimilitaristischen Tendenz.

Wir wurden aktive Mitglieder der IDK (Internationale der Kriegsdienstgegner), freundeten uns mit Theodor Michaltscheff an, der von Günther besonders geschätzt wurde. Günthers Vater hatte noch in seiner Jugend Flugblätter für Gustav Landauer verteilt, blieb sein Leben lang ein aktiver Anarchist, besass Kontakte zum damaligen Kreis um Otto Reimers und so gelangte ich durch Günther Freitag zur Gruppe der Hamburger Anarchisten, die in jenen Jahren regelmäßig zweimal wöchentlich in einem Lokal im Stadtteil St. Pauli tagte. Dieses Lokal hieß: Trommelburg und bot uns für unsere Treffen einen separaten Raum. Die Mitglieder dieser anarchistischen Gruppierung kamen aus den verschiedesten Richtungen, von denen keine ein Monopol für sich beanspruchte und für mich, auch für Günther, waren es Menschen, die nicht nur das Dritte Reich erlebten, erlitten, vielmehr auch mit der Zeit davor, der Weimarer Rebublik vertraut waren. Vorträge, Diskussionen, Gespräche in der Trommelburg fanden Interesse, Beachtung, brachten Menschen einander näher. In dieser Zeit wurden Günther und ich Freunde, nicht nur im privaten Sinne, auch in unseren weltanschaulichen Ansichten und Zielen. Unsere gemeinsamen Jahre in der Genossenschaftsjugend, der IDK und der Trommelburg werden für mich unbergesslich bleiben.

Günther war ein hilfsbereiter Mensch, aber er war auch sensibel, vielleicht zu sehr, weshalb er sich oft selbst im Wege stand. Er war auch literarisch (Bücher waren unsere gemeinsame Leidenschaft) sehr interessiert, bewandert und besonders schätzte er das literarische Werk von Arno Schmidt. Er blieb immer ein Idealist und ich hätte mir ein Gespräch mit ihm gewünscht, was denn aus unseren Idealen wurde, aber dazu kam es leider nicht, obwohl er sich mit einem Gespräch selbst etwas Gutes getan hätte. Ideale mögen nicht erreicht werden, aber das ist auch nicht das wichtigst an einem Ideal, sondern wie es unser Denken, Leben und Handeln beeinflusst,nur das zählt, Günther blieb in seinem Leben seiner Überzeugung, seiner Weltanschauung treu und man kann sagen, er lebte sein Ideal von der Anarchie, einer gewaltlosen herrschaftslosen Gesellschaft. Sei gegrüßt, alter Freund!

Uwe Timm

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Über Günter Freitag:

  • Degen, Hans Jürgen; Anarchismus in Deutschland 1945-1960. Die Föderation Freiheitlicher Sozialisten. Verlag Klemm & Oelschläger Ulm 2002
  • Degen, Hans Jürgen; "Die Wiederkehr der Anarchisten". Anarchistische Versuche 1945-1970. Verlag Edition AV Lich / Hessen 2009